Historisch informiert
Cantabile und Suonabile
Das Begriffspaar cantabile suonabile, das in der Instrumentaldidaktik des 18. Jh. in Italien eine wichtige Rolle spielte, bezeichnet zwei gegensätzliche Ausdrucksarten der musikalischen Interpretation. Das cantabile (wörtlich: singend, sangbar, den Gesang nachahmend) wird der Spielweise suonabile (spielbar, das instrumental-bravouröse betonend) gegenübergestellt. Während das "Singen auf dem Instrument" als zentrale Aufforderung die in vielen Unterrichtswerken anztreffen ist, und auch die Spielanweisung "cantabile" verbreitet ist, findet der Begriff suonabile nördlich der Alpen keine Verwendung als Spielanweisung. Die Entscheidung, welche Spielart anzuwenden ist, iegt im Ermessen des Interpreten.
Claire Genewein [1] widmet sich der Bedeutung des Begriffspaars canatbile suonabile und zitiert in ihrer Dissertation Carlo Luigi Benvenuto Robbio, Conte di San Raffaele:
„Debbesi in oltre avvertire, che qualsivoglia ben tessuta suonata è un vero discorso composto di frasi e di periodi, dove con ordinata succession e si avvicendano il Cantabile, ed il Suonabile . Il Cantabile è sempre il più semplice e il più espressivo; perciò si dee suonare schietto, pulito, e più coll’anima che colle mani. Il Suonabile è il più vario, il più ornato, e fantastico, ed in esso dee apparir la forza, la speditezza, e tu tta in somma la valenzia del suonatore.“
„Man muss außerdem darauf hinweisen, dass jede gut komponierte Sonate ein richtiges aus Sätzen und Perioden zusammengesetztes Gespräch ist, wo in ordentlicher Abfolge sich das Sangbare und das Spielbare abwechseln. Das Cantabile ist immer das Einfachere und das Ausdrucksvollere; daher muss man es rein, sauber und mehr mit der Seele als mit den Händen spielen. Das Suonabile ist abwechslungsreicher, ausgeschmückter und fantastischer, und in ihm muss die Kraft, die Behendigkeit und insgesamt alle Güte des Spielersaufscheinen.“
Die Orientierung für die Interpretation reiner Instrumnetalmusik verläuft in diesem Sinne auf der direkten Linie vom Instrumentalen über den Gesang zum Text: Die im Italien des ausgehenden 18. Jh. gebräuchliche Unterrichtspraxis unterlegte reiner Instrumentalmusik Texte (siehe Robbio 1765 in Genewein 2014, S. 65) [2] [3], um mit dieser Methode das Instrumentalspiel in die Nähe des gesanglichen Ausdruckes zu rücken. Darin findet die Phantasie für Differenzierung in Artikulation, Dynamik, Agogik ihren Ursprung und vermag dem emotionalen, situativen und spirituellen Gehalt der Musik Ausdruck zu verleihen.
Verzierungslehre
Die Zeichen der Verzierungen werden je nach Epoche unterschiedlich ausgeführt. Ein guter Überblick ist auf der Wikipedia-Seite zu finden.
Die Geschichte der Klarinettenliteratur setzt mit den um 1748 komponierten sechs Konzerten für hohe Klarinette, Streicher und BC von Johann Melchior Molter im Spätbarock ein[3]. In einer Epoche, die der Verzierungskunst - entsprechend regionalen Traditionen - grosse Bedeutung zuwies. Musik war stark mit Sprache und Rhetorik verbunden, durch klare und variantenreiche Artikulation wurde ein sprechendes Musizieren gepflegt. Auch für das Verständnis der Kompositionen von W.A. Mozart, in dessen Kompositionen viele barocke Verzierungen als auskomponierte Figuren anzutreffen sind, ist eine Auseinandersetzung mit spätbarocker Verzierungskunst und Figurenlehre ratsam (Philipp Emmanuel Bach, Leopold Mozart, Jochim Quantz,
Einzelnachweise
- ↑ Claire Genewein: Vokales Instrumentalspiel in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die Aufführungspraxis italienischer Instrumentalmusik in der Auseinandersetzung mit Vokalmusik und Text: Quellen und moderne Umsetzung. Academy of Creative and Performing Arts, Faculty of Humanities. Leiden, 2014[1]
- ↑ Kapitel I.1.4. Das vierte Kapitel: Della verità del suono
- ↑ Johann Melchior Molter: Fünf Konzerte für hohe Klarinette (autograph). Badische Landesbibliothek Karlsruhe (Link).
Literatur
- Carl Philipp Emanuel Bach: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Berlin 1762. Deutsches Textarchiv
- Alexandre Choron; Johann Georg Heinrich Backofen; J. Adrien de La Fage; J. Wenzel: Nouveau manuel de musique; ou, Encyclopédie musicale. Roret [et] Schonenberger, Paris 1830. (Seite XV und XVI) [4]
- Claire Genewein: Vokales Instrumentalspiel in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die Aufführungspraxis italienischer Instrumentalmusik in der Auseinandersetzung mit Vokalmusik und Text: Quellen und moderne Umsetzung. Academy of Creative and Performing Arts, Faculty of Humanities. Leiden, 2014.
- Nikolaus Harnoncourt: Musik als Klangrede. Residenz, Salzburg 1982.
- Heinrich Mätzener: Mise en harmonie par Amand Vanderhagen; Neu-Edition der «AIRS du Mariage de Figaro, Musique de W. A. Mozart (deuxième livraison)». Luzern, 2013 [5]
- Leopold Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756. archive.org
- Johann Joachim Quantz: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin 1752 Deutsches Textarchiv
- Jean Claude Veilhan: Die Musik des Barock und ihre Regeln: (l7.-18. Jahrhundert): für alle Instrumente.. Paris 1982.