Artikulation

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Artikulieren mit der Zunge

Wie die Geschichte der Unterrichtsliteratur zeigt, war das heute übliche Artikulieren mit einer leichten Zungenbewegung am Blatt zu Begin des 19. Jh. nicht die einzige Methode. Während Joseph Fröhlich 1802 je nach Ansatzformung ein Artikulieren "mit der Brust" oder mit der Zunge empfiehlt, fordert Jean-Xavier Lefèvre im Article VI seiner "Méthode" [1] grundsätzlich bei jedem Toneinsatz einen "coup de langue" (Zungenschlag). Um genügend Agilität und Ausdauer zu erreichen, ist von der Technik, durch eine zitternde Bewegung der Kehle oder der Brust ("faire agir par secousse, le gausier ou la poitrine") zu Artikulieren, abzusehen.

Ein wertvoller Hinweis zur Ausführung der Artikulation der Zunge am Klarinettenblatt, findet sich auf S.4 der "Méthode" von Frédéric Berr [2]:

„Pour exprimer le bruit produit par ce coup de langue, on dit à tort, que celui qui exécute fait entendre les syllabes TU TU. On pourrait peindre l'action de la langue en disant qu'elle semble rejeter de la bouche un bout de fil lorsque'elle dirige l'air dans l'instrument.»“

„Das Geräusch, das die Zunge beim Artikulieren am Blatt hervorruft, beschreibt man fälschlicherweise mit Tu Tu. Man könnte die Aktion, welche die Zunge beim Artikulieren am Blatt ausführt, wie folgt umschreiben: Die Zunge bewegt sich auf dieselbe Weise, wie wenn sie ein Stückchen Faden aus dem Mund expulsieren möchte. Dies erfolgt im selben Moment, in welchem die Zunge die Luft ins Instrument leitet.“

Frédéric Berr: Méthode[2]

Bei der Artikulation mit der Zunge am Blatt ergibt sich die Auseinandersetzung mit folgenden Fragestellungen: In folgende Betrachtungen ist das Interview mit Robert Pickup vom 9. Oktober 2014.[3] eingebunden

Welche Form nimmt die Zunge ein?

Die Zunge muss als Muskel kompakt und "spitzig", von den Seiten zur Mitte hin zusammengezogen sein. Sie soll keinen runden Rücken formen sondern eher die Form eines Löffels einnehmen. Übung: die Zunge wechselnd breit und schmal machen, zwischen den beiden Positionen wechseln: a) die hinteren Seiten an leicht an die oberen Stockzähne drücken b) mit der Zungenspitze an die oberen Schneidezähne tippen (= Position der Artikulation)

Welche Stelle der Zunge berührt das Blatt?

Die Zungenspitze berührt den Rand des Blattes; der Berührungspunkt kann auch ein wenig unter der Zungenspitze liegen, keinesfalls aber auf dem Zungenrücken. Denke immer an eine minimale Fläche, mit welcher die Zunge das Blatt berühren soll.

Welche Stelle des Blattes wird von der Zunge berührt?

Die Zunge berührt die Spitze des Blattes und spürt dabei dessen Rand. Die Zungenspitze kann auch auf den Zwischenraum zwischen Blatt und Mundstück gerichtet werden. Bassklarinette und tiefes Chalumeau: hier ist es möglich, die Berührungsstelle weiter unten am Blatt zu definieren.

Wie gross ist der Druck der Zunge auf das Blatt?

Die Zunge berührt das Blatt mit äusserster Sensibilität und nur mit geringstem Druck. Die Zunge muss das Blatt nur so fein berühren, dass es einen Moment nicht schwingen kann. Bleibt die Zunge länger am Blatt, kann die Luft zwischen Blatt und Mundstück passieren, es entsteht ein deutlich hörbares Luftgeräusch, oder das Blatt kann - mit verstärkter Stützarbeit - an den von der Zunge nicht berührten Fläche weiterschwingen und einen Ton erzeugen.

Welche Bewegung führt die Zunge bei der Artikulation aus?

Das Artikulieren eines Tones entsteht durch das Zurückziehen der Zunge vom Blatt. Es ist vorteilhaft, eine kleinstmögliche Bewegung mit der Zunge auszuführen. Die Bewegung der Zunge konzentriert sich auf ihre Spitze, der hinter Teil der Zunge bliebt stabil.

Wie gestaltet sich die Koordination von Zungenaktivität, Ansatz, Luftführung und Luftstütze?

Zunge / Ansatz und Atemstütze: Die Zungenaktivität darf die Stabilität der Ansatzformung nicht beeinflussen. Form und Position von Lippen, Kinn und Unterkiefer bleiben unabhängig von der Zungenbewegung stabil.

Zunge / Luftführung

Grundsätzlich ist die Unabhängigkeit der Zungenaktivität von der Luftführung anzustreben. Eine Koordination von Luftführung und Artikulationsbewegung kann der Differenzierung von Artikulationsarten dienen. Das portato gestaltet sich als Kombination von Bewegungen der Luftführung (oft als „Zwerchfellaktivität" benannt) mit Bewegungen der Zungenartikulation. Die Atemstütze bleibt dabei immer aktiviert.

Variabilität der Artikulation

In seiner Klarinettenschule weist 1855 Fernidnando Sebastiani [4] im Zusammenhang mit der Blattposition auf die Wichitgikeit variierter Artikulation auf der Klarinette hin. Während das "Übersichblasen" die Variabiltät einschränkt, lässt sich die Artikulationsart beim "Untersichblasen" variieren.

So ist es nur moglich, das Battuto zu spielen, während Picchettato, Stakkato und andere Farben, die den Wert der Klarinette ausmachen, nicht möglich sind.

Ferdiando Sebastiani: Metodo per Clarinetto.[4]. (Übersetzung Adriano Amore)

Einzelnachweise

  1. Jean-Xavier Lefèvre: Méthode de clarinette adoptée par le conservatoire pour servir à l’étude dans cet établissement Naderman, Paris 1802.
  2. 2,0 2,1 Frédéric Berr: Méthode complète de Clarinette adoptée au Conservatoire de Musique de Paris. Paris 1836.
  3. Heinrich Mätzener: Interview mit Robert Pickup. Zürich, 9. Oktober 2014, (n.publ).
  4. 4,0 4,1 Ferdinando Sebastiani: Metodo Progressivo per Clarinetto. Napoli 1886, S.7. Zitiert nach Adriano Amore: Ferrindando Sebastiani (1803-1860) und die Neapolitanische Klarinettenschule, in das rohrblatt, Juni 2008, S.58-60. [1]