Fingertechnik: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Fingertechnik''' ist eine zentrale instrumentaltechnische Fertigkeit und beschäftigt sich mit der Kontrolle über die Bewegungsabläufe der Finger und Hände. Die Fingertechnik ermöglicht die Kontrolle über rhythmische Regelmässigkeit beim Spiel musikalischer Figuren. Sie befähigt zu virtuosem Instrumentalspiel, ist aber auch entscheidender Faktor für die Qualität des Legatospiels in langsamen Sätzen.
'''Fingertechnik''' ist eine zentrale instrumentaltechnische Fertigkeit und beschäftigt sich mit der Kontrolle über die Bewegungsabläufe der Finger und Hände. Die Fingertechnik ermöglicht die Kontrolle über rhythmische Regelmässigkeit beim Spiel musikalischer Figuren. Sie befähigt zu virtuosem Instrumentalspiel, ist aber auch entscheidender Faktor für die Qualität des Legatospiels in langsamen Sätzen.


Während die Zielsetzungen auf musikalischer Ebene einfacher formulier- und kontrollierbar sind, stellt die Beschreibung körpergerechter und somit effizienter Haltungs- und Bewegungsmuster grössere Herausforderungen an Lehrer und Lernende.   
Während die Zielsetzungen auf musikalischer Ebene einfacher formulier- und kontrollierbar sind, stellt die Beschreibung körpergerechter und somit effizienter Haltungs- und Bewegungsmuster grössere Herausforderungen an Lehrer und Lernende.   
== Beiträge von Clarinet-Didactics Autoren ==
== Beiträge der Interviewpartner ==
* [[Interview mit Prof. Francois Benda, Universität der Künste Berlin, Musik-Akademie der Stadt Basel#Segment 4: Fingertechnik|François Benda]]
* [[Interview mit Prof. Francois Benda, Universität der Künste Berlin, Musik-Akademie der Stadt Basel#Segment 4: Fingertechnik|François Benda]]
* [[Interview mit Prof. Dr. phil. Ernst Schlader, Staatliche Musikhochschule Trossingen#Fingergeläufigkeit|Ernst Schlader]]
* [[Interview mit Prof. Dr. phil. Ernst Schlader, Staatliche Musikhochschule Trossingen#Fingergeläufigkeit|Ernst Schlader]]
* [[Philippe Cuper#Position des doigts|Philippe Cuper]]
* [[Interview mit Univ. Prof. Mag. Gerald Kraxberger, Anton Bruckner Privatuniversität, Linz#Fingertechnik|Gerald Kraxberger]]
* [[Interview mit Univ. Prof. Mag. Gerald Kraxberger, Anton Bruckner Privatuniversität, Linz#Fingertechnik|Gerald Kraxberger]]
* [[Interview mit Prof. Ernesto Molinari, Hochschule der Künste Bern#Fingertechnik|Ernesto Molinari]]
* [[Interview mit Prof. Heinrich Mätzener, Hochschule Luzern - Musik#Fingertechnik|Heinrich Mätzener]]
* [[Interview mit Prof. Heinrich Mätzener, Hochschule Luzern - Musik#Fingertechnik|Heinrich Mätzener]]
* [[Ernesto Molinari#Fingertechnik|Ernesto Molinari]]
* [[Pascal Moraguès#La souplesse des doigts|Pascal Moraguès]]
* [[Interview mit BMus (musicology) Robert Pickup, Soloklarinettist Philhamronia Zürich#Fingertechnik|Robert Pickup]]
* [[Interview mit BMus (musicology) Robert Pickup, Soloklarinettist Philhamronia Zürich#Fingertechnik|Robert Pickup]]
* [[Frédéric Rapin#La souplesse des doigts|Frédéric Rapin]]
* [[Interview mit MgA. Milan Rericha, Conservatorio della Svizzera italiana, Lugano#Fingertechnik|Milan Rericha]]
* [[Interview mit MgA. Milan Rericha, Conservatorio della Svizzera italiana, Lugano#Fingertechnik|Milan Rericha]]
* [[Interview mit Prof. Dr. phil. Ernst Schlader, Staatliche Musikhochschule Trossingen#Fingergeläufigkeit|Ernst Schlader]]
* [[Interview mit Prof. Dr. phil. Ernst Schlader, Staatliche Musikhochschule Trossingen#Fingergeläufigkeit|Ernst Schlader]]
* [[Michel Westphal#La souplesse des doigts|Michel Westphal]]
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== Erlangen der Geläufigkeit ==  
== Erlangen der Geläufigkeit ==  
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Eines der wichtigsten allgemeinen Lerngesetze zur Erlangung spieltechnischer Fähigkeiten, die den professionellen Anforderungen standhalten können, ist die Anzahl Stunden, die ein angehender Berufsmusiker bis zu seinem 20. Lebensjahr als „üben“ abbuchen kann. Dies belegt die Studie von Malcom Gladwel<ref>Malcom Gladwel: ''Outliers: The Story of Success''. Little, Brown and Co., New York 2009.</ref>: 10'000 Stunden bis zum 20. Lebensjahr gelten als unumstössliche Voraussetzung für eine Spitzenkarriere als Musiker. Wer nur 4000 Stunden mit Üben verbracht hat, muss auf eine Überfliegerkarriere verzichten. Natürlich spielt nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität des Übens - das beinhaltet auch eine körpergerechte Fingertechnik - eine wichtige Rolle.
Eines der wichtigsten allgemeinen Lerngesetze zur Erlangung spieltechnischer Fähigkeiten, die den professionellen Anforderungen standhalten können, ist die Anzahl Stunden, die ein angehender Berufsmusiker bis zu seinem 20. Lebensjahr als „üben“ abbuchen kann. Dies belegt die Studie von Malcom Gladwel<ref>Malcom Gladwel: ''Outliers: The Story of Success''. Little, Brown and Co., New York 2009.</ref>: 10'000 Stunden bis zum 20. Lebensjahr gelten als unumstössliche Voraussetzung für eine Spitzenkarriere als Musiker. Wer nur 4000 Stunden mit Üben verbracht hat, muss auf eine Überfliegerkarriere verzichten. Natürlich spielt nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität des Übens - das beinhaltet auch eine körpergerechte Fingertechnik - eine wichtige Rolle.
== Literatur ==  
== Literatur ==  
* Ulrich Dannemann: Ulrich Dannemann: Isometrische Übungen für Geiger. Braun, Duisburg 1982
* Christoph Wagner, Ulrike Wohlwender: ''Hand und Instrument. Musikphysiologische Grundlagen. Praktische Konsequenzen.'' Breitkopf und Härtel, Wiesbaden 2005''
* Christoph Wagner, Ulrike Wohlwender: ''Hand und Instrument. Musikphysiologische Grundlagen. Praktische Konsequenzen.'' Breitkopf und Härtel, Wiesbaden 2005''
[[Kategorie:Grundtechnik|Fingertechnik]]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references>
<references />
 
[[Kategorie:Grundtechnik|Fingertechnik]]

Version vom 4. August 2018, 13:48 Uhr

Fingertechnik ist eine zentrale instrumentaltechnische Fertigkeit und beschäftigt sich mit der Kontrolle über die Bewegungsabläufe der Finger und Hände. Die Fingertechnik ermöglicht die Kontrolle über rhythmische Regelmässigkeit beim Spiel musikalischer Figuren. Sie befähigt zu virtuosem Instrumentalspiel, ist aber auch entscheidender Faktor für die Qualität des Legatospiels in langsamen Sätzen.

Während die Zielsetzungen auf musikalischer Ebene einfacher formulier- und kontrollierbar sind, stellt die Beschreibung körpergerechter und somit effizienter Haltungs- und Bewegungsmuster grössere Herausforderungen an Lehrer und Lernende.

Beiträge der Interviewpartner

Erlangen der Geläufigkeit

Checklist

Beim Üben von Fingertechnik empfiehlt es sich folgendes zu beachten:

  • Die Finger machen immer die kleinstmöglichen Bewegungen
  • Hartes Aufschlagen der Finger auf dem Instrument haben akzentuierte Tonwechsel zur Folge
  • Die Finger bleiben immer auf oder direkt über den Klappen / Tonlöchern
  • Alle Gelenke sind leicht gebogen, keine durchgestreckten Finger zulassen!
  • Den Daumen der rechten Hand nach Möglichkeit leicht biegen

Grundstellung der Hände und der Finger

Jost Michaels 2001

In seinem Lehrwerk Methodische Schule der klarinettistischen Grifftechnik [1] geht Jost Michaels von einer Grundstellung der Finger aus und nennt auf S. 16 zwei Prinzipien, die dem Studium der Fingertechnik zu Grunde liegen müsssen:

„Sie [die ausschliesslich auf die Grundstellung der Finger bezogenen Studien] sollen nicht nur die Arbeit an deren möglichst gleichmässigen und unaufwendigen Bewegungen dienen, sondern zugleich der dafür wichtigsten Voraussetzung - nämlich dazu, dass sie auch wenn sie nicht aufliegen, dennoch ihre Positionen über den für sie bestimmten Tonlöchern in einheitlich nicht zu weiten und vor allem nicht verschobenen Abständen beibehalten.“

Jost Michaels: Methodische Schule der klarinettistischen Grifftechnik[1]

Amand Vanderhagen 1795

Zur Vertiefung der Materie lässt sich der Vergleich zum Spiel auf der klassischen Klarinette (bis ca. 1810) herstellen. Durch die geringe Anzahl von Klappen musste vor allem der Daumen der linken Hand verschiedene Positionen einnehmen. Betreffend der Grundkonstellationen der Fingerbewegungen und -Positionen decken sich Amand Vanderhagens Anweisungen aus dem Jahr 1785 mit denjenigen Jost Michaels:

„Le pouce de la main gauche doit toujours être prêt à prendre la clef, ou à boucher le trou, il ne doit en conséquence faire que des très petits mouvements: il en est de même du doigté en général; il ne faut lever les doits qu'à très peu de distance de l'instrument, et toujours perpendiculairement. les deux mains doivent toujours pencher vers la palle de la Clarinette. Aucuns des doits ne doigts ne doivent se toucher afin de pouvoir cadencer librement; il faut que lorsqu’un doit et levé ou même plusieurs, qu' ils restent perpendiculairement au dessus des trous qu'ils doivent reboucher, car en les retirant comme font beaucoup d'écoliers, on à toujours de la peine à retrouver les trous et cela empêche l'exécution.“

„Der Daumen der linken Hand soll immer bereit sein, die [Überblas‐]Klappe zu öffnen oder wieder zu schliessen. Er soll zu diesem Zweck nur sehr kleine Bewegungen ausführen. Dies gilt gleichermassen bei allen Fingersätzen: man soll die Finger nur in sehr kleinen Bewegungen von der Klarinette, rechtwinklig über den Tonlöchern, anheben. Die beiden Hände sollen sich etwas in Richtung des Fusses [Schalltrichters] der Klarinette neigen. Die Finger dürfen sich nicht berühren, damit sie ungehindert und frei trillern können. Beim Heben eines oder mehrerer Finger ist darauf zu achten, dass sie sich immer senkrecht über den Tonlöchern die sie wieder schliessen müssen, befinden. Denn wenn die Finger in gehobener Position zurückgebogen werden, was bei vielen Schülern zu beobachten ist, hat man immer Mühe, die Tonlöcher präzise zu decken. Dies erschwert das Spiel.“

Amand Vanderhagen: Methode nouvelle et raisonnée pour la clarinette[2]

Moderne Klarinetten, neue Positionen der Hände

Mit der Entwicklung von der Drei-Klappenklarinette zum modernen Instrument mit 17 und mehr Klappen hat sich auch die Fingertechnik verändert. Vorerst war insbesondere eine Beweglichkeit des linken Daumens gefordert: er hatte als einziger Finger zwischen vier verschiedenen Grundpositionen zu wechseln: geschlossenes/offenes g1, mit oder ohne Öffnen der Überblasklappe. Heute müssen auch die kleinen Finger und die Zeige- und Ringfinger beider Hände unterschiedliche Positionen zum Bedienen verschiedener Klappen „kennen“. Eine zusätzliche Herausforderung stellte Müller (1812) mit der Erfindung der "clarinette omnitonique", indem er auch für den Daumen der rechten Hand unterschiedliche Positionen forderte: der Daumen der rechten Hand muss in bestimmten Legato-Verbindungen die fis/cis2-Klappe bedienen. Die Fingertechnik mit Verwenden von Gabelgriffen und "Stützfingern" wurde von einer Fingertechnik mit neuen Klappen abgelöst. Insbesondere die neue Klappe für den rechten Daumen brachte neue Gewichtsverteilungen des Instrumentes auf die Hände mit sich und veränderte die Technik der Haltearbeit. Um genügend Stabilität zu finden, erwies sich ein "Untersichblasen" ohne Doppellippenansatz als praktischer.

Lerngesetze

Eines der wichtigsten allgemeinen Lerngesetze zur Erlangung spieltechnischer Fähigkeiten, die den professionellen Anforderungen standhalten können, ist die Anzahl Stunden, die ein angehender Berufsmusiker bis zu seinem 20. Lebensjahr als „üben“ abbuchen kann. Dies belegt die Studie von Malcom Gladwel[3]: 10'000 Stunden bis zum 20. Lebensjahr gelten als unumstössliche Voraussetzung für eine Spitzenkarriere als Musiker. Wer nur 4000 Stunden mit Üben verbracht hat, muss auf eine Überfliegerkarriere verzichten. Natürlich spielt nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität des Übens - das beinhaltet auch eine körpergerechte Fingertechnik - eine wichtige Rolle.

Literatur

  • Ulrich Dannemann: Ulrich Dannemann: Isometrische Übungen für Geiger. Braun, Duisburg 1982
  • Christoph Wagner, Ulrike Wohlwender: Hand und Instrument. Musikphysiologische Grundlagen. Praktische Konsequenzen. Breitkopf und Härtel, Wiesbaden 2005

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Jost Michaels: Methodische Schule der klarinettistischen Grifftechnik. Zimmermann, Frankfurt am Main, 2001.
  2. Amand Vanderhagen: Methode nouvelle et raisonnée pour la clarinette. Paris 1785
  3. Malcom Gladwel: Outliers: The Story of Success. Little, Brown and Co., New York 2009.