Heinrich Mätzener

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Diese Seite folgt der Struktur der „Interviews Grundtechnik“ wurde von Heinrich Mätzener im Sommer 2015 verfasst. Die Seite befindet sich noch im Aufbau (24. August 2015)

Didaktischer Kanon

Arbeitest du mit den Studierenden anhand eines Einspielprogramms, das die verschiedenen Parameter der Grundtechnik beinhaltet? Oder verfolgst du einen Unterrichtsstil, der die technischen Probleme anhand des Literaturstudiums erarbeitet?“

HM Seit meinem Studium beginne ich das Üben mit einem - je nach verfügbarer Zeit längerem oder kürzeren - Einspielprogramm. Danach arbeite ich an den aktuellen Stücken. Ich verfolge dieses Konzept auch in meinem Unterricht, da ich überzeugt bin, dass sich eine Grundtechnik nur durch Fokussierung auf die einzelnen technischen Parameter vermitteln und erlernen lässt.

Sind die Grundlagen der Instrumentaltechnik richtig gelegt, öffnet sich eine Welt unendlicher Möglichkeiten, in der sich Interpretationen diskutieren, entwickeln und umsetzten lassen. Im Wechsel zwischen dieser gestalterischen Arbeit und dem Anwenden spieltechnischer Errungenschaften dreht sich eine endlose Lernspirale.

Erkennt der Student auch in der instrumentaltechnischen Arbeit schon die künstlerischen Aspekte, ist vieles gewonnen. Es bleibt aber eine Herausforderung, im Unterricht wie auch beim Studium eine emotionale und zeitliche Balance zwischen der „rein technischen Arbeit“ und dem musikalisch-gestalterischen Arbeiten zu finden. Es ist sehr wichtig, und es braucht Zeit, das aktuelle Einspielprogramm und die dazu gegebenen Anweisungen auch im Unterricht zu kontrollieren. Das kann dazu führen, dass eine Korrektur z.B. der Ansatzformung, der Artikulation oder Atemtechnik soviel Zeit in Anspruch nimmt, dass in einer Lektion das Literaturstudium zu kurz kommt. Ich kann mich erinnern, dass das Einspielprogramm, das ich im Unterricht bei Guy Deplus kennengelernt hatte, zu Beginn beim Üben mindestens eine Stunde in Anspruch genommen hat. Mit der Zeit konnte ich den Zeitaufwand auf einen Viertel reduzieren. Umso mehr Raum bleibt heute für die interpretatorische Arbeit. Es gibt aber auch viele Möglichkeiten, die Modelle des Einspielprogrammes auf schwierige Stellen der Literatur zu übertragen und dann eigene kurze Etüden zu erfinden. So lassen sich Interpretation und technisches Arbeiten direkt verbinden.

Tägliches Einspielprogramm

Im Einspielprogramm sollten folgende instrumentaltechnische Fähigkeiten erarbeitet, vertieft und schliesslich automatisiert werden:

  • Tonbildung

Das beinhaltet Ansatzformung, Allgemeine Körperhaltung und Luftführung, Atemstütze und Ansprache, Artikulation und Staccato

  • Intonation
  • Artikulation, Ansprache und Toneinsatz
  • Fingertechnik, Haltearbeit des Instrumentes

Arbeitsweise

Bei der Arbeit an der Grundtechnik sollte sich ein dauernder Kreislauf zwischen folgenden Bereichen einstellen. Nie vergessen: sich selber immer gut zuhören!

  1. In der Klangvorstellung werden die musikalischen Zielsetzungen präzise formuliert: Was spiele ich als Nächstes? Wie soll es klingen (Tempo, Rhythmus, Dynamik, Klangfarbe, Intonation, Artikulation)?
  2. Die spezifische Körperbeherrschung und die Bewegungsabläufe, die jeweils zum angestrebten Klangereignis führen, müssen entwickelt, kontrolliert und schliesslich automatisiert werden.
  3. Der Klangsinn koordiniert die sensomotorische mit der auditiven Wahrnehmung und formuliert allfällige Korrekturen in beiden Bereichen.

Es empfiehlt sich, wähnend des Studiums ein Übjournal zu führen. Es ist ein grosse Hilfe, um sich nicht in Details zu verlieren, sich Rechenschaft über das eigene Tun zu verschaffen und die Zeit gut einzuteilen. Ein wichtiges Lerngesetz darf dabei nicht vergessen gehen: wir lernen auch im Schlaf! Zwischen einzelnen Übsessionen arbeitet unser Hirn in den Ruhephasen weiter. Was eine bewusst gestaltete Übtechnik betrifft, möchte ich auf das Vorwort in Reiner Wehles "Clarinet Fundamentals" hinweisen.

Allgemeine Körperhaltung und Luftführung

In einer grossangelegten SNF-Studie[1] hatte ich Gelegenheit, die Zusammmenhänge zwischen allgemeiner Köperhatung und Klangqualität mit wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen. Das Forschungsteam konnte durch Messungen von Muskelspannugen, statistisch ausgewerteten Analysen, zeitgleich aufgezeichneten akustischen Resultaten und intersubjektiv durchgeführten auditiven Bewertungen nachweisen, dass sich eine Verkettung von körperaufrichtenden Muskelaktivierungen positiv auf das klangliche Resultat auswirkt. Eine wichtige Erkenntnis der Studie ist, dass sich Luftführung, Atemstütze und allgemeine Körperhaltung nicht trennen lassen. Der Grund liegt in der bei der Klangerzeugung massgeblich beteiligten Atemhilfsmuskulatur: sie ist auch in wichtigen Funktionen bei der Aufrichtng unseres Skelettes beteiligt. Zu den physiologischen Zusammenhängen bei der für ein Blasinstrument geeigneten Ausatmung siehe bitte Ausatmung und Atemstütze und nachfolgender Artikel Atemstütze:

Atemstütze

Didaktische Vermittlung

Mit der Atemstütze verbindet sich eine spezifische Körperspannung, ein Körpergefühl, das ein Anfänger nicht intuitiv mit der Klangproduktion verbindet. Man sieht dieses Körpergefühl nicht als Bewegung und kann es deshalb nicht einfach visuell darstellen, "vorzeigen". An der Atemstütze beteiligte Muskelspannungen lassen sich tastend ins Bewusstsein holen - dies ist im Unterricht jedoch oft nicht angebracht und nur mit der gebotenen Zurückhaltung möglich. Zusätzlich ist der Stützvorgang immer in ein komplexes und dynamisches System eingebettet, das sich durch die Art der Ansatzformung, die Haltearbeit des Instrumentes, die Registerlage des Instrumentes, die musikalische Gestaltung und schliesslich durch die Qualitäten von Klarinettenblatt und Mundstück definiert. Trotzdem ist die isolierte Betrachtung dieses instrumentaltechnisch wichtigen Parameters unumgänglich.

Bei der Vermittlung der Atemstütze gibt es eine Vielzahl didaktischer Möglichkeiten. Als erstes versuche ich jeweils Klarheit über den Begriff zu verschaffen, dann folgen praktische Übungen mit und ohne Instrument.

Theoretische Definition, sprachliches Umschreiben

Einige mir passend scheinende Definitionen der Begriffes habe ich auf der Seite Atemstütze zusammengestellt. Am meisten verwende ich die Beschreibung von Fritz Winckel|Fritz Winckel.

Anatomische Zusammenhänge

Fritz Winckel kreist den Begriff mit einer kurz gefassten anatomischen Betrachtung ein. „Stütze“ bezeichnet er als „Halt“, der dem Zusammensinken des Lungenvolumens entgegen wirkt. Dazu können nur die Muskelgruppen, welche in ihrer natürlichen Funktion die Einatmung bewirken, eingesetzt werden. In erster Linie dürfte dies die äussere Zwischenrippenmuskulatur sein, und damit verbunden weitere Muskelgruppen, welche das Aufspannen des Bruskorbes ermöglichen. Diese müssen also gelichzeitig mit den die Ausatmung verstärkenden Muskeln zusammenspielen. Das Zwerchfell würde ich trotz seiner wichtigen Funktion als Einatmungsmuskel nur untergeordnet zur eigentlichen Stütze der Ausatmung einsetzten. Vielmehr ist es bei Akzentuierungen und bei agilem dynamischem Spiel intuitiv in die Bewegungsabläufe des Atemapparates eingebunden (Siehe auch Margot Schäufele Osendorf, 2005[2]



Funktion der Atemstütze

Im zweiten Teil der Definition nennt Fritz Winckel die Funktion der Atemstütze. Im Zusammenhang mit der Gesangstechnik benutzt er den Begriff "optimaler Betriebs-[Luftd]-Druck", der nötig ist, um die Stimmbänder in Schwingung zu versetzten. "Optimal" ist sowohl nach unten wie auch nach oben eingegrenzt. Beim Blasinstrument müssen anstelle der Stimmbänder das Rohrblatt oder die Lippen in Schwingung versetzt werden. Der geringe, aber doch notwenige Druck, der sich analog zum Spannen der Stimmbänder im Ansatzbereich einstellen muss, bleibt grundsätzlich gleich gross. Im Piano ist eher ein geringerer Anastzdruck anzwenden, um der Tendenz, hier höher zu spielen, entgegen zu wirken. Hier ist umsomehr ein Dosieren der Luftmenge und des Luftdruckes notwendig, da vom Ansatz keinerlei Ventlfinktkon erwartet werden kann.

Es geht nun darum, dass bei der Herstellung des Luftstromes die Ausatmungskräfte im Zusammenspiel mit den Einatmungskräften einen dem Ansatzdruck adäquaten Luftdruck herstellen. So kann die verfügbare Luftmenge aus unseren Lungen als kontinuierlicher Luftstrom geformt werden, und währen des Ausatmens steht uns über eine längere Zeitspanne eine Energiequelle für die Tonproduktion zur Verfügung.

Wird der Luftdruck ausschliesslich mit der Ausatmungs- und Ausatmungshilfsmuskulatur hergestellt, entweicht die gesamte Luftmenge in zu kurzer Zeit. Als Reaktion darauf übernimmt der Ansatzdruck die Funktion, die Luftmenge zu dosieren: dies wird durch Einsatz der Kiefermuskulatur (musculus masseter), erreicht, was mit einer höheren Blattsärke kombiniert werden muss (siehe auch the reed controls the aitflow) . Folge davon sind strapazierte Unterlippen, ein gepresster Ton, eingeschränkte dynamische Möglichkeiten und eine zu hohe Intonation.

Vergleich mit vertrauten Situationen

Ein der Atemstütze vergleichbares Körpergefühl stellt sich ein, wenn wir gefordert sind, uns auf unstabilem Untergrund im Gleichgewicht zu halten. Z.B. beim Springen auf einem Trampolin, beim Balancieren auf einem Balancekreisel (siehe Ernst Schlader oder einfach beim Stehen auf einem einzelnen Fuss. Bei diesen Aktionen ist jeweils eine auf den ganzen Körper verteilte Spannung spürbar, mit welcher wir unsere Bodenhaftung herstellen. Es geht dann darum, sich dieses Körpergefühl zu merken, es ohne Hilfsmittel abzurufen und mit der klangproduzierenden Ausatmung und Ansatzformung zu kombinieren zu können.

Beschreiben der beteiligten Muskeln

Siehe auch Atemtechnik
Eine Schlüsselposition bei der Atemstütze nehmen die Atemhilfsmuskeln im Rücken ein, welche gleichzeitig an der Aufrichtung der Wirbelsäule beteiligt sind und dadurch die Tendenz unterstützen, den Brustkorb in geöffneter Stellung zu halten. Eine Muskelgruppe, deren Funktion uns sowohl bei Balanceübungen, als auch bei einer verstärkten Ausatmung wie beim Husten vertraut ist, sind der Musculus Latissimus (sehr grosse Rückenmuskel) und der Musculus quadratus lumborum: wir brauchen sie intuitiv beim Husten. Die Aktivierung des M. Quadratus lumboris lässt sich gut wahrnehmen, wenn wir die Hände in die Hüften stützen, der Daumen zeigt nach hinten, die gestreckten Finger nach vorne. Um die Aufrichtung der Wirbelsäule zu stabilisieren, treten als Antagonisten des Latissimus sofort verschieden Anteile der Rumpfmuskulatur wie z.B. der Musculus transversus thoracis in Aktion. Wird der "Husten"-Impuls zeitlich gedehnt, aktivieren wir eine wichtige Komponente der Atemstütze. Der Rückenmuskel unterstützt die kontinuierliche Aufrichtung der Wirbelsäule und des Brustkorbes währen der Ausatmung. Die Verkettung dieser Muskelaktivitäten lässt sich bis hinunter zu den Füssen fortsetzen. Dadurch ist auch ein didaktischer Zugang über die allgemeine Körperhaltung gegeben. Der Stützvorgang als "Körper aufrichtende Aktion" wurde in der Studie "Physiologische Grundlagen des Klarinettenklanges" [1] beleuchtet.

Übung ohne Instrument

Der Bewegungsablauf des Hustens beginnt mit dem Einatmen. Dann folgt das Verschliessen der Glottis (Stimmritze), die Luft wird gestaut und durch plötzliches Öffnen der Glottis stösst der Impuls des grossen Rückenmuskel die Luft explosionsartig aus.

Versuche nun, den Vorgang genau wie beim Husten zu durchlaufen. Lasse die Luft an der Stimmritze stauen. Aktiviere bewusst den grossen Rückenmuskel, achte darauf, dass eine gute Spannung im Beckenboden den Luftdruck ganz nach oben richtet. Öffne dann die Stimmritze langsam, ohne die Luft herauszustossen. Das wird nur durch Aktivieren der Einatmungsmuskulatur möglich, also mit weiterhin aufgespanntem Bruskorb (äussere Zwischenrippenmuskulatur). Lass nun die Luft auf einem langgezogenem "ssss" austreten. Das Loslassen der Innenspannung wird sich bei wiederholtem Üben mehr und mehr zeitgleich mit dem "Abspann" aller Muskeln einstellen. In diesem Moment wird der während der Ausatmung entstandene Unterdruck in der Lunge ausgeglichen, der Überdruck der Umgebungsluft lässt die Luft reflexartig in das Lungengewebe hineinfallen.

Ansatz

Position und Stabilisierung des Unterkiefers

Wenn man gähnen muss, dies aber niemand am Gesichtsausdruck bemerken darf – man kann es „Anstandsgähnen“ nennen, entfernt sich der Unterkiefer nur leicht vom Oberkiefer. Von aussen ist kaum eine Veränderung des Gesichtsausdruckes wahrnehmbar, die Mundhöhle formt und stabilisiert sich jedoch in idealer Weise für einen frei schwingenden Klarinettenton. Die Position des Anstandsgähnens muss bei der aktiven Ausatmung für die Klangproduktion beibehalten werden. Der Unterkiefer entfernt sich parallel in der Distanz von einem Klarinettenblatt oder Bleistift vom Oberkiefer, soll aber nicht mit forciertem Kraftaufwand nach unten gezogen werden, sondern locker in dieser Position wie an imaginärem Schnüren am Oberkiefer aufgehängt sein (frei nach Johanna Gutzwiller 1997, S. 38) [3].

Mundhöhle, Rachen und Zungenform

Das Hinunterziehen des Unterkiefers wie beim Anstandsgähnen bewirkt eine Öffnung des Rachens. Ergänzend dazu werden je nach Registerlage unterschiedliche Vokale geformt. Die unterschiedlichen Vokale sollen von aussen nicht wahrgenommen werden, die Kieferposition bleibt immer in derselben Lage. Vorbereitend für die Artikulation am Klarinettenblatt berührt die Zungenspitze - ohne dass sich Kieferposition und Vokalformung verändern - den oberen Rand des Klarinettenblattes.

Übung

  1. Stelle die Kieferposition des „Anstandsgähnen“ her.
  2. Tippe nun mit der Zungenspitze während des Einatmens leicht gegen die oberen Schneidezähne.
  3. Versuche, dieses Einatmen mit einer sanften Streckung der Halswirbelsäule zu verbinden. Der Hinterkopf wird wie von unsichtbarer Hand nach oben gezogen.
  4. Behalte diese Positionen (Kopf, Halswirbelsäule und Zunge) während der Ausatmung - in den Phrasierungspausen folgt ein entspanntes Einatmen.

Unabhängigkeit von Ansatzformung und Formanten

Es ist immer wieder schwierig, bei der Ansatzfomrung die richtige Balance zwischen den einzlenen Komponenten zu finden. Das erfordert einerseits die Kenntis der einzelnen Faktoren sowie deren Auswirkungen und unabhängige Kontrolle. Eine zusätzliche Schwierigkeit bieten die unterschiedlichen Verhältnisse, die bei den Registerwechseln entstehen und die für die Ansprache unterschiedlicher Tonhöhen zu berücksichtigen sind.

Übung

Ein- und Ausatmen, während der Unterkiefer in der Position des Anstandsgähnens „aufgehängt“, aber möglichst stabil bleibt. Danach auch zwischen verschiedenen Voklaformungen wechseln. Beobachte, wie je nach Vokalformung unerschiedliche Tonhöhen hörbar werden. (Frei nach Larry Guy und Daniel Bonade[4]).

„Messa di Voce“ mit Doppellippenansatz

Siehe auch Tonübungen
Keith Stein (1958)[5] empfiehlt das „Messa di Voce“, mit Doppellippenansatz zu üben. Eine Studie von John Patrick Graulty [6] nimmt Bezug auf dei Sportmedizin und gibt Hinweise darauf, wie ein schonendes Muskeltraining aufgebaut sein soll. Der positive Effekt von Tonübungen mit Doppellippenansatz besteht darin, dass neben der Kräftigung der Lippenmuskulatur auch eine Veränderung des Mundinnenraumes zu beobachten ist, die sich positiv auf die Tonqualität auswirkt. (siehe auch Doppellippenansatz?.)
Der Gewinn der Tonübungen mit Doppellippenansatz liegt darin, automatisch eine Unabhängigkeit von Ansatzformung und Vokalformung zu erreichen: Durch die ungewohnte Position der Ober-und Unterlippe lassen sich die natürlichen Veränderungen, welche z.B. das Formen des Vokals „i“ im Gegensatz zum einem „o“ mit sich bringen würde gar nicht umsetzten. Der Unterschied zwischen den beiden Vokalen besteht nur in der unterschiedlichen Ausformung des Mundinnenraumes und der Zungenstellung. Auch die Kieferstellung ist viel kleineren Bewegungen unterworfen, schon weil ein „Beissen"“ mit einer schmerzhaften Druckbelastung der Lippen verbunden wäre.

Genau dieselben Konstellationen - dynamische Ausformung der Mundhöhle bei stabil bleibender Ansatzformung - gilt es auf den normalen Ansatz zu übertragen.

Musikalische Zielsetzungen

Die Aufgabenstellung scheint einfach: auf einer liegenden langen Note muss der Klang im pianissimo einsetzten, man muss ihn bis zur Mitte seiner Dauer zu einem grossen Forte anschwellen lassen. In der zweiten Hälfte seiner Dauer wird er wieder kontinuierlich dynamisch abgebaut und zum in sich verklingenden pianissimo zurückgeführt. Beim An- und Abschwellen lassen lassen sich folgende musikalische Zielsetzungen verfolgen:

  • Erzeugen eines zentrierten, geräuschfreien Tones
  • Kontrolle über die Klangfarbe
  • Stabilität der Intonation
  • Dynamisch ruhige Tonführung, kontinuierliche dynamische Entwicklung

Spieltechnische Umsetzung

Zu Beginn nur in der in der Chalumeaulage üben: Ist hier genügend Sicherheit in der Tongebung erreicht, kann progressiv bis in die hohe Lage aufgestiegen werden. Beim Doppellippenansatz bedecken Ober- und Unterlippen die Zähne. Das Blatt berührt die Unterlippe und die oberen Zähne haben keinen Kontakt mit dem Mundstück. Mundstück und Blatt werden von den Lippen "umhüllt" (franz: "enveloppé")[7]. Diese Ansatzform lässt sich nur mit relativ leichteren Blättern und relativ geringerem Druck, welcher durch die Haltearbeit in Kombination mit der Ansatzformung und nicht durch den Unterkiefer erzeugt werden muss, realisieren. Die Kieferöffnung muss vor dem Ansetzen des Tones stabilisiert sein. Der geringe, aber notwendige Druck, den die Lippen auf das Blatt ausüben, kann durch zwei zu kombinierende Kräfte erzeugt werden:

  1. Nach der Ansatzformung, einer leichten Kieferöffnung, und nach dem Einsetzten der Luftführung wird das Instrument von einem zu geringem Kontakt mit den Lippen durch die Haltearbeit bis zur Ansatzlinie geführt.
  2. Nach einer zu lockeren Ansatzformung (Doppellippenansatz), der leichten Kieferöffnung, dem Ansetzen des Instrumentes durch die Haltearbeit und nach dem Einsetzten der Luftführung wird der Klang durch den Übergang von der zu lockeren zu einer bewusst verstärkten Ansatzformung - die Mundwinkel schliessen sich dabei! - hervorgerufen.
  3. Achte auf einen bewussten Ausgleich von Luftmenge und Luftdruck (siehe Atemstütze)
  4. Achte auf eine aufrechte Spielhaltung, allgemeine Körperhaltung
  5. Übe mit rotierender Aufmerksamkeit auf diese Anweisungen, um schliesslich die Spielbewegungen zu automatisieren und Sicherheit in den musikalischen Zielsetzungen zu erlangen.

Ansprache, Artikulation und Staccato

Versuch einer Bewegungsanalyse Bei der Artikulation mit der Zunge am Blatt ergibt sich die Auseinandersetzung mit folgenden Fragestellungen:

Wie gestaltet sich die Koordination von Zungenaktivität, Ansatzformung und Atemtechnik?

Die Zungenaktivität darf die Stabilität der Ansatzformung nicht beeinflussen. Ebenso wichtig für eine zuverlässige Ansprache ist die möglichst gleichbleibende Vokalformung während der Bewegung der Zunge. Darin liegt oft die grösste Schwierigkeit. Eine Veränderung der Vokalformung muss jedoch bei wechselnden Registerlagen berücksichtigt werden.
Während die Luftführung je nach musikalischem Zusammenhang sehr kräftig sein kann, muss sich die Zunge auch unabhängig von einer forte-Dynamik mit äusserster Sensibilität und mit kleinstem Druck das Blatt berühren können. Diese Fertigkeit braucht sorgfältiges Üben. Beobachtung, Analyse und Ausbalancieren der Artikulations-Bewegungen sowie wie das Zuordnen zum akustischen Ergebnis stellt für den Anfänger eine grosse Herausforderung dar.
Fortgeschrittene Bläser können die Luftführung in Koordination mit der Zungenaktivität im Dienste grösserer Variabilität der Artikulation modifizieren.

Welche Bewegung führt die Zunge bei der Artikulation aus?

Das Artikulieren eines Tones entsteht durch ein Wegziehen der Zungenspitze vom Berührungspunkt mit dem Blatt. Es ist vorteilhaft, eine kleinstmögliche Bewegung mit der Zunge auszuführen. Die Bewegung der Zunge konzentriert sich auf ihre Spitze, der hinter Teil der Zunge bliebt stabil.

Wie gestaltet sich die Koordination von Zunge und Luftführung?

Die Luftführung setzt ein, während die Zunge das Blatt noch berührt. Nach dem Artikulieren des Tones (nach dem Zurückziehen der Zunge) modifiziert sich die Luftführung entsprechend den verschiedener Artikulationsarten (tenuto, fp, sfz, portato, diminuendo, diminuendo al niente.)
Grundsätzlich ist die Zungenaktivität als eine von der Luftführung unabhängige Aktion auszuführen. Eine Modifikation der Luftführung im Zusammenhang mit der Zungenbewegung kann der Differenzierung von Artikulationsarten dienen. Das portato gestaltet sich als z.B. Kombination von Bewegungen der Luftführung (oft als „Artikulieren mit dem Zwerchfell" bezeichnet) mit Bewegungen der Zungenartikulation. Die Atemstütze bleibt auch bei federnder Portato-Luftführung konstant aktiviert.

Besonders in hohen Lage empfehlet es sich, zwei oder drei schnell aufeinanderfolgende Töne in kombinierter Artikulation, die erste Note nur mit der Luft, die zwei (und dritte) Note mit der Zunge zu artikulieren: hi-di, oder hi-di-di etc.

Wie werden einzelne Töne voneinander getrennt?

Das hängt folgenden Faktoren ab:
Tempo und Länge der klingenden Töne Bei schnellen Tempi sind sowohl die gespielten Töne, wie auch die dazwischenliegenden Pausen kurz. Das Trennen erfolgt ausschliesslich durch die Zungenbewegung, die Luftführung bleibt konstant, wie bei einem durchklingenden Ton. Dieses Modell kann auf jedes Tempo und auf jede Noten- bzw. Pausenlänge angewendet werden (siehe Francois Benda). Dabei bleibt jedoch die dynamische Gestalt des Tones uniform.
Dynamische Gestalt einzelner Töne Für die Ausführung artikulierten Noten in langsameren Tempi lohnt es sich, Leopold Mozarts [8] Ausführungen zu studieren. Er beschreibt in seiner Violinschule die differenzierten Arten des Bogenstrichs, welche je nach Charakter der Stücke Anwendung finden und unzählige Möglichkeiten der dynamischen Gestaltung von längeren wie auch kürzeren Tonen ermöglichen. Exemplarisch dazu folgendes Zitat:

„Jeder auch auf das stärkeste ergriffene Ton hat eine kleine obwohl kaum merkliche Schwäche vor sich: sonst würde es kein Ton, sondern nur ein unangenehmer und unverständlicher Laut seyn. Eben diese Schwäche ist an dem Ende iedes Tones zu hören. Man muß also den Geigenbogen in das Schwache und Starke abzutheilen, und folglich durch Nachdruck und Mässigung die Töne schön und rührend vorzutragen wissen.“

Leopold Mozart: Violinschule[8] [1]

Vergleicht man die Bogenführung des Streichers mit der Luftführung des Bläsers, soll jeder Ton durch modifizierte Luftführung eine dynamische Gestaltung erhalten. Die zwischen den Tönen stehenden Artikulationspausen, ausgeführt von der Zungenartikulation, können durch eine abnehmende Luftführung vorbereitet werden. Die diminuierende Luftführung kann die einzelnen Töne in unterschiedliche Stufen, bis zum „al niente“ zurückführen. Um die neue Ansprache des folgenden Tones zu garantieren, muss die Atemstütze bei diesem Vorgang permanent aktiviert bleiben und die Luftführung muss kurz vor der neuen Zungenartikulation wieder einsetzen!

Welche Form nimmt die Zunge ein?

Position und Form der Zunge im Legato- und Staccatospiel sind praktisch identisch. Die Zunge muss als Muskel kompakt und „spitzig", von den Seiten zur Mitte hin zusammengezogen sein. Sie soll keinen runden Rücken formen sondern eher die Form eines Löffels einnehmen. Die Bewegungen müssen dieser Prämisse folgend so klein wie möglich sein. Übung: die Zunge wechselnd breit und schmal machen, zwischen den beiden Positionen wechseln: a) die hinteren Seiten an leicht an die oberen Stockzähne drücken b) mit der Zungenspitze an die oberen Schneidezähne tippen (= Position der Artikulation)

  • Welche Stelle der Zunge berührt das Blatt?

Die Zungenspitze berührt das Blatt. Keinesfalls sollte der Zungenrücken eine grössere Fläche des Blattes touchieren. Denke immer an eine minimale Fläche, mit welcher die Zunge das Blatt berühren soll.

  • Welche Stelle des Blattes wird von der Zunge berührt?

Die Zunge berührt die Spitze des Blattes und spürt dabei dessen Rand. Die Zungenspitze kann auch auf den Zwischenraum zwischen Blatt und Mundstück gerichtet werden. Um ein kurzes und eher trockenes Staccato zu spielen, empfiehlt es sich, die Berührungsfläche am Blattrand nach unten etwas auszuweiten. Dies gilt auch für Bassklarinette und tieferes Chalumeauregister: hier können bessere Resultat erreicht werden, wenn die Berührungsstelle nicht mehr am Blattrand, sondern weiter unten am Blatt definiert ist.

  • Wie gross ist der Druck der Zunge auf das Blatt?

Die Zunge berührt das Blatt grundsätzlich mit äusserster Sensibilität und nur mit geringstem Druck. Die Zunge muss das Blatt nur so fein berühren, dass es einen Moment nicht schwingen kann. Bleibt die Zunge länger am Blatt, kann die Luft zwischen Blatt und Mundstück passieren, es entsteht ein deutlich hörbares Luftgeräusch, oder das Blatt kann - mit verstärkter Stützarbeit - an den von der Zunge nicht berührten Fläche weiterschwingen und einen Ton erzeugen. Im Sinne einer variablen Artikulation können die verwendeten Konsonanten auch modifiziert werden (von weich nach hart): „the“ „d“ „t“ „th“.

Intonation

Siehe auch Intonation.

Um die durch differenziertes Hören angezeigten Intonationsänderungen umsetzten zu können, sollten alle klangerzeugenden Parameter der Bläsertechnik aufeinander abgestimmt werden. Veränderungen der Ansatz- und Vokalformung, Luftführung und Atemstütze, Spannung bzw. Entspannung der Stimmritze, Haltearbeit, Ansatzdruck und Anblaswinkel, sowie verschiedene Griffmöglichkeiten können individuell miteinander kombiniert werden, um die Intonation zu beeinflussen. In der Praxis sollte ein ständiges Wechselspiel zwischen Gehör, innerem Singen und der gespielten, im gegebenem Fall modifizierten Tonhöhe zur Selbstverständlichkeit werden. Folgende Faktoren können dazu eingesetzt werden.

Blatt und Mundstück

Mit leichteren Blättern und/oder längeren Mundstückbahnen lässt sich die Intonation einfacher modifizieren. Leichte Blätter stellen aber höhere spieltechnische Anforderungen bezüglich Ansatztechnik und Luftführung. Ein stärkeres Blatt vereinfacht die Stabilität der Tonführung, aber beeinträchtigt die Flexibilität und erschwert die dynamische und farbliche Flexibilität.

Aktivieren der Glottis, «mitsingen»

Das innere mitsingen der zu spielenden Tonhöhen wirkt sich als entsprechendes Enger- oder Weiterstellen der Glottis (Stimmritze) aus. Bei höheren Tönen verengt sich die Stimmritze, die Luft gewinnt dadurch beim Durchströmen des Kehlkopfes an Geschwindigkeit, was die Intonation grundsätzlich erhöht. Stellt sich die Glottis auf eine tiefe Stimmlage ein, und versucht man im Klarin- oder hohen Register zu spielen, lassen sich die Töne kaum anspielen. Die Töne neigen zum «Unterblasen». Das innere Mitsingen lässt sich auch für die Feinabstimmung der Intonation einsetzen.

Ansatz- und Vokalformung

Um zu lernen, durch die Art und Weise der Ansatzformung die Intonation zu justieren, empfiehlt sich das Spielen mit Doppellippenansatz: Es bringt gegenüber der herkömmlichen Ansatztechnik folgende Veränderungen mit sich, die sich auf die Klangqualität und Intonation auswirken: Das Bedecken der oberen Zähne mit der Oberlippe und ein einwärts gerichtetes Umschliessen des Mundstückes durch die Lippen verändert die Zungenstellung: die Spitze richtet sich auf. Eine höher gestellte Zungenspitze (man kann sogar den vorderen Gaumen berühren) erhöht die Intonation, eine tiefer gestellte Zungenspitze hat etwas tiefere Intonation zur Folge. Der Doppellipenansatz öffnet gleichzeitig den Rachen, Mundboden und Zungenansatz senken sich nach unten. Diese Bewegungsrichtung hat eine etwas tiefere Intonation zur Folge. Neben diesen Veränderungen im Mundinnenraum verändert sich auch der Druck auf die Unterlippe: Das «Beissen» durch den musculus masseter wird vermieden, dadurch schwingt das Blatt freier. Der geringere Druck auf das Blatt lässt vertieft die Intonation. Am besten lassen sich die Wechselwirkungen zwischen Ansatz, Zungen- und Rachenpositionen und Tonhöhe durch kleine Veränderungen der einzelnen Faktoren wahrnehmen und schliesslich in die normale Ansatzformung übertragen.

Vokalisierung

Durch unterschiedliche Zungenform und -Stellungen kann gewinnt der Luftstrom im Mund grössere oder kleinere Luftgeschwindigkeit: eine höher gestellte Zungenspitze, in naher Position an der Blattspitze, bewirkt einen schnelleren Luftstrom und ergibt eine höhere Intonation, eine tiefer liegender Zungengrund und somit weiter geöffneter Rachen bewirkt langsamere Luft und tiefere Intonation. Man sollte versuchen, die Intonation möglichst ohne Veränderung des Ansatzdruckes, jedoch durch Veränderungen im Mund-Innenraum zu modifizieren.

Haltearbeit

Falls zu wenig Druck durch das Umschliessen des Mjundstückes durch Ober. Und Unterlippe erreicht wird, kann dies mit der Haltearbeit des Instrumentes in Richtung Ansatz (vorsichtig) kompensiert werden. Diese Bewegung unterstützt das Umschliessen des Mundstückes mit den Lippen, zentriert den Klang und erhöht die Intonation.

Übung

Ohne Klarinette: forme einen Doppellippenansatz. Die Lippen nehmen die Position ein, wie wenn Du mit einem Trinkhalm trinkst und richten sich zusätzlich nach innen. Ändere die Vokalformung zwischen u, o, ü, i, singe die Vokale auf einer Tonhöhe und Achte dabei auf eine stabile Lippenform und Kieferposition.

Anblaswinkel

Dies ist der am einfachsten zu kontrollierende Faktor: ein offener Anblaswinkel bei gleichbleibender Ansatzposition bewirkt eine tiefere, ein engerer Anblaswinkel höhere Intonation. 8-tung: wenn die Klarinette näher beim Körper liegt, sollte die Ansatzlinie etwas tiefer liegen, da sonst zu viel Druck auf die Unterlippe und untere Zahnreihe erzeugt wird.

Ansatzlinie

Eine weiter oben am Blatt liegende Ansatzlinie geht mir einer tieferen Intonation einher, eine tiefer liegende Ansatzlinie erhöht die Intonation.

Atemstütze und Luftführung

Die Veränderungen der Vokalisierung müssen sich also auch auf den Bereich der Atemstütze auswirken. Das Spielen auf einer Balancescheibe (wenn möglich auf einem Bein stehend) aktiviert die Atemhilfsmuskulaturen und ein bewirkt ein Miteinander von Ein- und Ausatmungskräften. Diese Kräftekombination kann auf grösseren oder kleineren Luftwiderstand in der Mundhöhle reagieren und einen entsprechend schnelleren und stärkeren, oder langsameren aber trotzdem konstant fliessenden Luftstrom bereitstellen.




Haltearbeit

Die Haltearbeit lässt sich isoliert beschreiben, ist aber schliesslich im Kontext mit der Ansatzformung, Tonbildung und Fingertechnik zu entwickeln.

Übung: Balancieren des Instrumentes

  1. Balanciere das Instrument auf dem Daumen rechts, mit Hilfe eines oder mehrerer Finger der linken Hand (4. 3. oder beide zusammen). So lässt sich das Instrument ohne Kontakt zum Ansatz frei balancieren. Das Bedeutet, dass es möglich ist, das Instrument anzublasen, ohne die Ansatzformung in die Haltearbeit zu involvieren. Versuche die Ansatzformung entsprechend einzurichten. (siehe auch Ernst Schlader, Keith Stein, Embouchure p.12
  2. Balanciere das Instrument auf dem Daumen rechts, als weiterer Fixpunkt zur Stabilisierung dient nun der Kontakt oberen Schneidezähne mit dem Mundstück. Lässt man die beiden kleinen Finger auf der E- (l) bzw. F-Klappe (r) liegen, lassen sich Geläufigkeit und Positionen der übrigen Finger testen.
  3. Balanciere das Instrument ohne Stützarbeit der rechten Hand: Der Fixpunkte Mundstück/Zähne bleibt, die Haltearbeit übernimmt ganz die linke Hand: So lässt sich Belastung auf dem Daumen die Geläufigkeit der rechten Hand testen.

Fingertechnik

Die Fingertechnik verfolgt folgende musikalischen Zielsetzungen:

  • Eine regelmässige und geschmeidige oder perlend-brillante Geläufigkeit
  • Ein absolut dichtes Legatospiel

Bewegungsanalyse und -Kontrolle

Bei der Arbeit an den unzähligen Etüden zur Fingergeläufigkeit ist darauf zu achten, dass die Bewegungsabläufe in körpergerechter Weise ausgeführt und wiederholt werden. Gemäss Gerhard Mantel [9] bedarf ein Korrigieren von fehlerhaften Bewegungsabläufen bis zu 30'000 Wiederholungen bis die neuen, optimierten Bewegungs- und Haltungsmuster wieder automatisiert sind!

Jedes Bewegungslernen beginnt mit gröberen Ausführungen und oft mit etwas übermässigen Spannungen der beteiligten Muskeln. Es lohnt sich, von Anbeginn eine optimale Finger- und Handhaltung zu suchen und diese immer wieder zu verfeinern, um die Bewegungen nicht durch unnötige Spannungen gestreckter Finger oder unnötig zu stark gebogenen Fingern zu hemmen.

Kraft als Voraussetzung der Geläufigkeit

Ulrich Dannemann [10] stellt in seiner Buch isometrische Übungen für Geiger auch für Holzbläser bestens geeignete Übungen zur Kräftigung der Hand und Finger zusammen. Damit die Fingerbewegungen die Tonlöcher und Klappen schnell und präzise öffnen und decken können, ist als "Startpunkt der Bewegungen" eine ganz leichte Stabilisierung der beteiligten Gelenke hilfreich. Diese Stabilisierung - vergleichbar mit einem Sportler, der zum Sprint ansetzt - wird durch gleichzeitig aktivierte Muskelspannungen der "Bieger" und "Strecker" gewährleistet. Diese Spannungen sollen jedoch dynamisch sein und dürfen die Bewegung an sich nicht hemmen. In Christoph Wagners Studie Hand und Instrument (Kapitel 5.2, Bewegung braucht Haltung S. 85)[11] , finden sich folgende Hinweise:

  • Es empfiehlt sich, die Finger mit leicht gebogenen Gelenken aller Glieder zu stabilisieren und die Bewegung vom Fingergrundgelenk aus zu steuern.
  • Durchgestreckte Gelenke weisen auf mangelnde Kraft hin.
  • Tendenziell ist beim Bewegungstraining das Öffnen der Hand zu trainieren. Die schliessenden Kräfte sind von Natur aus besser ausgebildet.

Daumen rechte Hand

Eine besondere Beachtung gilt dem Daumen der rechten Hand, er wird unter der Daumenstütze einer grösseren Gewichtsbelastung ausgesetzt. Die Daumengelenke sollten deshalb vor dieser Belastung durch Aktivieren der Bieger und Strecker gut stabilisiert sein. So können Überbelastungen des Gelenkgewebes vermieden werden. Ich empfehle auch beim Daumen ein leichtes Biegen aller Gelenke. Die Position der Daumenstütze sollte den individuellen Voraussetzungen der Hand angepasst werden. Ein dämpfendes Polster ist unbedingt zu empfehlen, damit sich die Auflagefläche der Daumenstütze an die Form und Position des Daumens anpassen kann.

Position von Finger- und Handgelenken

Wir brauchen eine Grundposition von Hand- und Fingergelenken, welche das Öffnen und Schliessen der Finger nicht hemmt: zu stark gebogenen Finger sind ebenso hinderlich wie gestreckte Finger. Die Bewegungsabläufe, die meist im Wechsel von zwei antagonistisch wirkenden Muskelaktivierungen ablaufen, dürfen nicht durch übermässige Spannungen der Gegenspieler gehemmt werden: eine Öffnen der Finger würde durch zu stark gebogenen Finger, ein Schliessen der Finger würde durch gestreckte Finger erschwert.

Grundsätzlich empfehle eine Handposition, bei der die Finger zum Instrument einen rechten Winkel bilden. Die Triller in der c1/d1 und g2/a2 sind so am besten auszuführen, da der 4. Finger nicht durch ein Strecken eine unnötige Spannung erhält. Für das Bedienen der Seitenklappen rechts (Zeigefinger r.) und der Gis1- und A1-Klappen (Zeigefinger l) weicht die Position der Hand von diesem Konzept ab. Um die günstigste Positionen zu finden, kann man alle Finger auf der Tonlöchern liegen lassen und das Handgelenk in eine Position bringen, in der es für alle Finger möglich wird, die Tonlöcher und gleichzeitig die Klappen zu bedienen.

Klarinettistische Tradition

Den Zugang zur Musik erhielt ich in meinem Elternhaus. Nach den allerersten Anfängen als siebenjähriger Autodidakt mit der Noblet-Klarinette meines Bruders erhielt ich von meinem Vater, einem passionierte Amateurmusiker, den ersten Unterricht. Danach unterrichtete mich Georg Bauer, damals Bassklarinettist im Radiosinfonieorchester. Er spielte eine Klarinette mit deutschem System und war ein grosser Verehrer des Wiener Klangideals. Das Studium in Zürich - ich belegte die Hauptfächer Klarinette und Orgel - verbachte ich mit Hansjürg Leuthold, Soloklarinettist in der Oper Zürich. Das Solistendiplom legte ich dann in der Klasse von Hans Rudolf Stalder ab. Weiter wichtige Impulse erhielt ich in den Studienaufenthalten bei Guy Deplus in Paris und bei Robert Marcellus in Chicago.

  1. 1,0 1,1 Heinrich Mätzener, Johanna Gutzwiller, Beate Sick, Hans-Christoph Maier, Laura Tomatis: Klarinettenklang, Versuch einer physiologischen Analyse. Forschungsbericht der Hochschule Luzern–Musik. Luzern 2012 [2]
  2. Margot Schäufele Osendorf: Die Atemschule. Schott, Mainz 2005
  3. Johanna Gutzwiller: Körperklang - Klangkörper: ein Arbeitsbuch über Körperarbeit für Chorleiter, Sänger und Instrumentalisten, S.38. Musiked. Nepomuk, Aarau 1997
  4. Larry Guy und Daniel Bonade: The Daniel Bonade Workbook: Bonade’s Fundamental Playing Concepts, with Illustrations, Exercises, and an Introduction to the Orchestral Repertoire. Rivernote Press, Stony Point, New York 2007
  5. Keith Stein: The Art of Clarinet Playing. Summy-Birchard, 1958.
  6. John Patrick Graulty: The status of the double-lip clarinet embouchure in present-day pedagogy and performance: A study of college clarinet instructors and symphony orchestra clarinetists. EdD from Columbia University, Teachers College 1989
  7. Frédéric Berr, Prospère Mimart: Méthode complet de clarinette, Leduc, Paris 1836, S.4 und 1907 S.4
  8. 8,0 8,1 Leopold Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule. dritte vermehrte Auflage, Augsburg 1787
  9. Gerhard Mantel: Einfach üben. 185 unübliche Überezepte für Instrumentalisten. Schott Music, Mainz 2013
  10. Ulrich Dannemann: Isometrische Übungen für Geiger. Braun, Duisburg 1982
  11. , Ulrike Wohlwender: Hand und Instrument. Musikphysiologische Grundlagen. Praktische Konsequenzen. Breitkopf und Härtel, Wiesbaden 2005