Kategorie:Historische Unterrichtswerke: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Inhalte historischer Unterrichtswerke waren in allen Epochen eng mit den aktuellen Entwicklungen des Instrumentenbaus verknüpft. Das Griffsystem, die Anzahl und Position der Klappen sowie das Gewicht des es bedingten spezifische [[Fingertechnik]] und [[Haltearbeit]]. Die Kombination von Instrumentenbohrung und Wandstärke, die Beschaffenheit der Tonlöcher und die auf das gesamte Instrument abgestimmten Ausmasse von [[Mundstück]] und [[Blatt]] unterscheiden sich deutlich von den Voraussetzungen unserer heute gespielten Instrumente. Damit verbindet sich auch ein Wandel von [[Traditionelle Ansatzformen|Ansatzformung]] und [[Resonanzformung]], [[Atemtechnik]] und [[Artikulation]]. Anhand dieser Veränderungen können die stilistischen, klangästhetischen und musikalisch-gestalterischen Ideale der jeweiligen Epochen nachvollzogen werden. Deshalb ist auch für die heutige Praxis die Auseinandersetzung mit der historischen Entwicklungen der Klarinettendidaktik lohnenswert.  
[[Kategorie:Unterrichtswerke]]
 
Die Inhalte '''historischer Unterrichtswerke''' waren in allen Epochen eng mit den aktuellen Entwicklungen des Instrumentenbaus verknüpft. Das Griffsystem, die Anzahl und Position der Klappen sowie das Gewicht des Instrumentes bedingten spezifische [[Fingertechnik]] und [[Haltearbeit]]. Die Kombination von Instrumentenbohrung und Wandstärke, die Beschaffenheit der Tonlöcher und die auf das gesamte Instrument abgestimmten Ausmasse von [[Mundstück]] und [[Klarinettenblatt]] unterscheiden sich deutlich von den Voraussetzungen unserer heute gespielten [[Instrument]]e. Damit verbindet sich auch ein Wandel von [[Ansatzformung]] und [[Resonanzformung]], [[Luftführung]] und [[Artikulation]]. Anhand dieser Veränderungen können die klangästhetischen und musikalisch-gestalterischen Ideale der jeweiligen Epochen nachvollzogen werden. Deshalb ist auch für die heutige Praxis die Auseinandersetzung mit der historischen Entwicklungen der Klarinettendidaktik lohnenswert.
So wie die Etablierung von Neuerfindungen im Instrumentenbau langsam vor sich ging, ist auch betreffend der „richtigen“ Spieltechnik ein gleichzeitiges Nebeneinander verschiedener Lehrmeinungen zu beobachten.
So wie die Etablierung von Neuerfindungen im Instrumentenbau langsam vor sich ging, ist auch betreffend der „richtigen“ Spieltechnik ein gleichzeitiges Nebeneinander verschiedener Lehrmeinungen zu beobachten.


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= Literatur =
=== „Übersichblasen“ ===
* Robert Erdt: ''Der Münchner Klarinettenvirtuose Carl Baermann (1811-1885) als Pädagoge, Klarinettist und Komponist: zum Einsatz der Klarinette im 19. Jahrhundert und ihrer didaktischen Vermittlung''. Peter Lang, Münschen 2010. [https://books.google.ch/books?id=-L3jMEx--_YC&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false]
Der Spielpraxis von von Oboe und Fagott folgend wurde die Klarinette, meist auch von diesen Instrumentalisten gespielt<ref>Joan Michelle Blazich[https://etd.ohiolink.edu/rws_etd/document/get/ucin1122911553/inline],'' Amand Vanderhagen: „Original Text, English Translation, and a Commentary on Amand Vanderhagen’s Méthode Nouvelle et Raisonnée Pour La Clarinette (1785) and Nouvelle Méthode de Clarinette (1799): A Study in Eighteenth-Century French Clarinet Music“. Lewiston, Edwin Mellen Press 2009, S. 3. Stand am 24. Juli 2014</ref>mit entsprechendem Ansatz angeblasen: Das Blatt wurde von der Oberlippe kontrolliert, die Unterlippe hatte Kontakt mit dem Mundstück. Diese Anblasart wurde in den historischen Unterrichtswerken '''„Übersichblasen“'''  genannt. In der heutigen Fachliteratur<ref>Heike Fricke: ''Die Klarinette im 18. Jahrhundert: Tendenzen und Entwicklungen am Beispiel der Sir Nicholas Shackleton Collection''. Falkensee: Finkenkruger Musikverlag, 2013, S. 269</ref> wird dieser Ansatz als '''maxilliarer Ansatz''' bezeichnet (von lateinisch Maxilla, der Oberkiefer).
* Johan van Kalker, Volkmar von Pechstaedt [Hrsg.]: ''Carl Andreas Göpfert, Heinrich Backofen und Heinrich Neumann : drei Klarinettisten zu Beginn des 19. Jahrhunderts''. Hainholz, Kassel 2012.* Haike Fricke: ''Georg Heinrich Backofen – Ein universeller Musiker im Spannungsfeld zwischen Klassik und Romantik'' CD Booklet - Dieter Klöcker, Klarinette spielt J. G. H. Backofen, JPC, Georgsmarienhütte 2005
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* Ingrid Elizabeth Pearson: ''Ferdinando Sebastiani, Gennaro Bosa and the Clarinet in Nineteenth-Century Naples.'' In: The Galpin Society Journal, Vol 60, 2007.
Das „Übersichblasen“ wurde im ausgehenden 18. Jhd. in Paris gelehrt, wo auch von [[Amand Vanderhagen]] und [[Jean-Xavier Lefèvre]] die ersten umfassenden Unterrichtswerke für Klarinette erschienen sind<ref>Amand Vanderhagen: ''Méthode nouvelle et Raisonnée''. Paris, 1785.
* Ernst Schlader: ''Die Klarinettenschulen von Johann G.H. Backofen und Joseph Fröhlich. Ein Vergleich von vier Deutschsprachigen Klarinetten-Lehrwerken aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.'' VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2010.
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Jean-Xavier Lefèvre:[http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10497389_00005.html]''Méthode de clarinette adoptée par le conservatoire pour servire à l’ètude dans cet établissement''. Paris, 1803 Stand 25. Juli 2014</ref>. Nach der Französischen Revolution hielt sich diese Anblastechnik im Einflussbereich des „Conservatoire de Paris“ bis ca. 1836.
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In Italien setzen die Klarinettisten die Tradition des "Übersichblasens" fort und die Methode hielt sich bis in die Mitte des 20 Jhd. Ferdinando Busoni (1866-1925)<ref>Ferdinando Busoni: ’’Scuola di perfezionamente per il clarinetto: scale di esercizj in tutti toni...con aggiunta di sette grandi studi’’. Hamburg-Cranz, 1883. Zitiert nach Eric Hoeprich[http://books.google.ch/books?id=Hnh0G2wrJvsC&pg=PA160&lpg=PA160&dq=berr,+frederique+trait%C3%A9+clarinette&source=bl&ots=vlyQMVEO1K&sig=LBy2KbPrYw6Epi9ptsxiAOWBjV8&hl=de&sa=X&ei=wkehU4TVLOGv7Ab_ooHYBQ&ved=0CB8Q6AEwAA#v=onepage&q=berr%2C%20frederique%20trait%C3%A9%20clarinette&f=false ]: ’’The Yale Musical Instrument Series, The Clarinet’’. Yale University Press: New Haven and London, 2008. S. 201-202. Stand 18. Juni 2014</ref>, der Vater der Komponisten Ferrucio Busoni, hielt das „Übersichblasen“ für das einzig Richtige, da der Klang im Kontakt mit der schwächeren Oberlippe weit modulationsfähiger und weicher, die Möglichkeiten der Schattierungen grösser und die Intonation reiner war.
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Wichtigste Vertreter der dem Bel Canto nahe stehenden „Neapolitanischen Schule<ref>Ingrid Elizabeth Pearson[http://www.jstor.org/stable/25163902]: „Ferdinando Sebastiani, Gennaro Bosa and the Clarinet in Nineteenth-Century Naples“. The Galpin Society Journal. Vol 60 (1. April 2007), S. 203–115.</ref>“ sind Fredinando Sebastiani<ref>Fredidano Sebastiani: ’’Methodo per clarinetto’’. Napoli, 1855</ref> (1803-1860) und sein Schüler Gaetano Labanchi<ref>[http://de.scribd.com/doc/199562253/Gaetano-Labanchi-Gran-Metodo-Progressivo-per-Clarinetto-Clarinet]Gaetano Labanch.i:’’Metodo Progressivo per Clarinetto’’. Napoli, 1886, Stand 25. Juli 2014</ref> (1829-1908)
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=== „Untersichblasen“ ===
Beim '''„Untersichblasen“''' berührt das Blatt die Unterlippe. Diese Ansatzart, auch '''mandibularer Ansatz''' genannt (von Lateinisch Mandibula, der Unterkiefer) fand zunächst im deutschen Sprachraum Verbreitung. Ab ca. 1809 finden sich in den Unterrichtswerken Beschreibungen beider Anblasarten . Bis zu Beginn des 20. Jhd. konnten einige Lehrmeister beiden Methoden Vor- und Nachteile abgewinnen, andere wiederum hielten sich strikt an die eine oder andere Art. So war [[Carl Baermann]] kompromissloser Verfechter des „Untersichblasens“. Die oberen Zähne hatten dabei direkten Kontakt mit dem Mundstück, das vor Abnützungen durch eine Silberplatte geschützt war. Diese Anblasart hält Baermann für „natürlicher und zweckmässiger...da die Ausdauer und daher in notwendiger Folge die Sicherheit wenigstens die doppelte ist“ . Werden Ober- und Unterlippe über die Zähne gezogen, würde „...der Ton dem Bläser selbst, jedoch nur scheinbar, weicher klingt...“<ref>Carl Baermann[[http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10497275_00011.html]]:''Klarinettenschule Theortischer Teil mit Tabelle'' op.63. Joh. André, Offenbach, Main 1861, S.6. Stand 25. Juli 2014</ref>.
 
== Doppellippenansatz ==


== Einzelnachweise ==
[[Kategorie:Unterrichtswerke|Historische Unterrichtswerke]]
<references />
== Literatur ==
* Lawson, Collin, Ingrid Pearson:[http://books.google.ch/books?id=FmOcLB9bCzQC&pg=PA59&lpg=PA59&dq=m%C3%A9thode+de+clarinette+de+1843+par+Klos%C3%A9&source=bl&ots=zlFYKJ4bHD&sig=10oH7UPOmru-ZQX8_P-Mo0jIj8c&hl=de&sa=X&ei=Hh-zU93ZL9O00QX09IHgBg&ved=0CHQQ6AEwCQ#v=onepage&q=embouchure&f=false.]''The Early Clarinet: A Practical Guide''. Cambridge University Press, 2000. Stand 1. Juli 2014.
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* Eric Hoeprich[http://books.google.ch/books?id=Hnh0G2wrJvsC&printsec=frontcover&dq=hoeprich,+eric+clarinet&hl=de&sa=X&ei=KZTSU7G5AcLX0QWwnICADw&ved=0CCEQ6wEwAA#v=onepage&q=hoeprich%2C%20eric%20clarinet&f=false]: The Clarinet. Yale University Press, 2008.

Aktuelle Version vom 9. Juni 2021, 09:35 Uhr

Die Inhalte historischer Unterrichtswerke waren in allen Epochen eng mit den aktuellen Entwicklungen des Instrumentenbaus verknüpft. Das Griffsystem, die Anzahl und Position der Klappen sowie das Gewicht des es bedingten spezifische Fingertechnik und Haltearbeit. Die Kombination von Instrumentenbohrung und Wandstärke, die Beschaffenheit der Tonlöcher und die auf das gesamte Instrument abgestimmten Ausmasse von Mundstück und Blatt unterscheiden sich deutlich von den Voraussetzungen unserer heute gespielten Instrumente. Damit verbindet sich auch ein Wandel von Ansatzformung und Resonanzformung, Atemtechnik und Artikulation. Anhand dieser Veränderungen können die stilistischen, klangästhetischen und musikalisch-gestalterischen Ideale der jeweiligen Epochen nachvollzogen werden. Deshalb ist auch für die heutige Praxis die Auseinandersetzung mit der historischen Entwicklungen der Klarinettendidaktik lohnenswert.

So wie die Etablierung von Neuerfindungen im Instrumentenbau langsam vor sich ging, ist auch betreffend der „richtigen“ Spieltechnik ein gleichzeitiges Nebeneinander verschiedener Lehrmeinungen zu beobachten.

Literatur

  • Robert Erdt: Der Münchner Klarinettenvirtuose Carl Baermann (1811-1885) als Pädagoge, Klarinettist und Komponist: zum Einsatz der Klarinette im 19. Jahrhundert und ihrer didaktischen Vermittlung. Peter Lang, Münschen 2010. [1]
  • Johan van Kalker, Volkmar von Pechstaedt [Hrsg.]: Carl Andreas Göpfert, Heinrich Backofen und Heinrich Neumann : drei Klarinettisten zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Hainholz, Kassel 2012.* Haike Fricke: Georg Heinrich Backofen – Ein universeller Musiker im Spannungsfeld zwischen Klassik und Romantik CD Booklet - Dieter Klöcker, Klarinette spielt J. G. H. Backofen, JPC, Georgsmarienhütte 2005
  • Ingrid Elizabeth Pearson: Ferdinando Sebastiani, Gennaro Bosa and the Clarinet in Nineteenth-Century Naples. In: The Galpin Society Journal, Vol 60, 2007.
  • Ernst Schlader: Die Klarinettenschulen von Johann G.H. Backofen und Joseph Fröhlich. Ein Vergleich von vier Deutschsprachigen Klarinetten-Lehrwerken aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2010.

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