Spielhaltung, allgemeine Körperhaltung

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Geschichte

Amand Vanderhagen, der Vefrasser der ersten umfangreicheren Klarinettenschule, unterstreicht die Bedeutung einer guten, aufrechten Spielhaltung für die Qualität des Klarinettenspiels und postuliert gleich in seinem „1° aticle“ der „Méthode nouvelle et raisonnée (1885) „une tenue droite“. Diese Lehrmeinung findet ihre Fortsetzung in den Werken von Jean-Xavier Lefèvre (1802), Heinrich Backofen (1803), Joseph Fröhlich (1811) Frédéric Berr (1836) und Carl Baermann (1861). Im 20. Jh. und in neuerer Zeit präsentieren viele Unterrichtswerken photographische Abbildungen, welche eine aufrechte Spielhaltung darstellen (Gustav Langenus 1915 [1], Eugène Gay 1932 [2], Ewald Koch [3], Rudolf Mauz 1996[4], Reiner Wehle 2007[5].

Physiologie

Aus physiologischer Sicht gewinnt die Spielhaltung ihre Bedeutung für die Klangqualität durch die Doppelfunktion bestimmter Anteile der Bauch- und Rückenmuskulatur, die sowohl bei der Aufrichtung des Skeletts wie auch als Hilfsmuskulatur bei der Ein- oder Ausatmung eingesetzt werden. In der Studie „Physiologische Grundlagen der des Klarinettenklanges“ beschreiben die Autoren Heinrich Mätzener [6] et al. die Klangproduktion auf der Klarinette als „körperaufrichtende Aktion“.

Wechselwirkungen von Körperhaltung und Tonbildung

Siehe auch Atemtechnik Die Atem-Hilfsmuskulatur in Rücken und Bauch bewirken in ihrer Doppelfunktion als Haltungsmuskulatur gleichzeitig Haltungs- bzw. Atmungsaktivitäten. Exemplarisch können der breiteste Rückenmuskel, Musculus Latissimus und die gerade Bauchmuskulatur, Musculus Rectus Abdominis genannt werden: Die Aktivierung des Latissimus spielt bei der verstärkten Ausatmung eine zentrale Rolle und ist uns allen vertraut: sie tritt bei starkem Husten in Kraft. Als Haltungsmuskulatur unterstützt der Latissimus die Aufrichtung des Rumpfes und zieht gleichzeitig die Schultern hinunter. Dadurch öffnet sich der Brustkorb und die Wirbelsäule ist aufgerichtet. Übernimmt der Latissimus und nicht der Rectus Abdominis die Hauptaufgabe der verstärkten Ausatmung, kann die Wirbelsäule während der Tonproduktion aufgerichtet bleiben. Dies erleichtert im Sinne einer dynamischen Luftführung ein flexibles Zusammenspiel der inspiratorischen und expiratorischen Muskeln. Siehe auch Atemmuskulatur und Atemstütze.

Bleibt der Latissimus bei der Ausatmung entspannt und übernimmt die Bauchmuskulatur die Funktion, den Luftstrom für die Tonbildung zu verstärken, tritt auch ihre Haltungs-bestimmende Funktion in Kraft: der Oberkörper neigt sich nach vorne, Das Brustbein wird nach unten gezogen, der Brustkorb neigt zu starker Verengung. Der ausgeatmete Luftstrom wird zu kräftig und belastet den Ansatz übermässig.

Dadurch schliesst sich der Kreis der Wechselwirkungen zwischen Haltearbeit, allgemeiner Körperhaltung, Atem- und Ansatztechnik: es ist wichtig, das Instrumnet zum Ansatz hinzuführen und nicht den Kopf nach vorne zu neigen. Ssiehe auch Amand Vanderhagen, Méthode.

Verkettungen von Muskelaktivierungen

Eine Verkettung von Spannungen der Haltungsmuskulatur stabilisiert in einem ausbalancierten Zusammenspiel die Gelenke und richtet unser Skelett auf. Die Verkettung dieser Muskelspannungen hat ihren Ursprung im Fussgewölbe, setzt sich über Unter- und Oberschenkel, Beckenboden und Rückenmuskulatur bis in die Halswirbelsäule fort. Es ist von Vorteil, diese Körperaufrichtung bewusst aufbauen und kontrollieren zu können. Die damit verbundenen Spannungen wirken den Bauchmuskeln, welche die Ausatmung forcieren können, entgegen und werden dadurch zur mitgestaltenden Kraft der Luftführung. So wird dieser Vorgang bei der Tonbildung - das Zusammenwirken von Ausatmung und Körperaufrichtung - Teil der Atemstütze.

Dynamik der Spielhaltung

Der Begriff „Haltung“ impliziert einen statischen Zustand, was für das Musizieren nicht geeignet ist. Grundsätzlich empfiehlt sich ein steter Wechsel von Spannung und Entspannung, der sich mit dem Wechsel von Ein- und Ausatmung verbindet.

Ausatmung = Klangproduktion, Körperaufrichtung und Spannung. Während der Ausatmung verbinden sich kleinere oder grössere Bewegungen der Körperspannung in natürlicher Weise mit dem musikalisch-dynamischen Verlauf der Musik. Die musikalischen Pausen sind die Momente der physiologischen Entspannung, sie bieten den Raum der Einatmung.

Übungen

Literatur

Karin Albrecht: Körperhaltung: gesunder Rücken durch richtiges Training. Georg Thieme Verlag, 2006. scholar

Einzelnachweise

  1. Gustav Langenus: Complete method for the clarinet : in three parts.Carl Fischer, New York : 1915-1923
  2. Egène Gay: Méthode progressive et complète (théorique et pratique) pour l'étude de la clarinette du début à la virtuosité. G. Billaudot, Paris 1932
  3. Ewald Koch: Schule für Klarinette in B (deutsches und französisches System). Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1968
  4. Rudolf Mauz: Die fröhliche Klarinette : Klarinettenschule für den frühen Anfang. Schott, Mainz [u.a.] 1996
  5. Reiner Wehle: Clarinet fundamentals. Basisübungen für Klarinette. Schott, Mainz 2007
  6. Heinrich Mätzener, Johanna Gutzwiller, Beate Sick, Hans-Christoph Maier, Laura Tomatis: Klarinettenklang, Versuch einer physiologischen Analyse, Forschungsbericht der Hochschule Luzern–Musik. Luzern 2012, S.33 [1]