Agile Methoden

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Der Begriff der agilen Methoden kommt ursprünglich aus der Software und IT-Entwicklung. Sie charakterisieren sich durch Flexibilität, Teamorientierung und Anpassungsfähigkeit im Prozess. So verlangt die aktuelle Marktdynamik auch in Unternehmen abseits der reinen Softwareentwicklung agile Methoden einzusetzen (Fuchs, Barthel, Winter, & Hess, 2019, S. 196-197). Zu den bekanntesten agilen Methoden gehören Scrum und Kanban (Schastok, Munck & Lill, 2018, S. 205).

Begriff und Abgrenzung

Abb. 1: Einordnung des Begriffs Agilität (Böhm, 2019, S. 26)

In der Literatur zum Thema agile Methoden taucht regelmässig das Wort "Agilität" auf (bspw. Böhm, 2019, S. 26-30; Fuchs et al., 2019, S. 197). Nachfolgend werden die beiden Begriffe "agile Methoden" und "Agilität" näher erläutert und voneinander abgegrenzt.

Abgrenzung Begriff Agilität

Im Zusammenhang mit Agilität wird auch immer wieder der Begriff "agile" verwendet. Viele Unternehmen möchten "agile" sein, was so viel bedeutet, dass sie nach Agilität streben (Fuchs et al., 2019, S. 197). Agilität basiert auf dem Grundkonzept des System Thinking (Böhm, 2019, S. 26-30; vgl. Abb. 1). Dieses beschäftigt sich mit sogenannten verzwickten Problemen, die durch lineares Denken nicht gelöst werden können (Böhm, 2019, S. 26-30; vgl. Buchanan, 1992, S. 15). In der Unternehmenswelt werden unter dem Begriff Agilität Methoden und Frameworks eingeordnet, die in komplexen Systemen Anwendung finden (Böhm, 2019, S. 26-30).

Abgrenzung Begriff agile Methoden

Agile Methoden stammen ursprünglich aus dem Bereich der Softwareentwicklung. Allerdings werden diese agilen Methoden zunehmend in anderen Branchen eingesetzt (Fuchs et al., 2019, S. 197). Die agilen Methoden basieren auf verschiedenen Prinzipien und Werten (Fuchs et al., 2019, S. 198; Dams, 2019, S. VII). Die Struktur der agilen Methoden ist folgendermassen (vgl. Abb. 2):

Agile Werte

Das Fundament der agilen Methoden bilden die folgenden agilen Grundwerte (Dams, 2019, S. 9):

  • Individuen und Interaktionen stehen über Prozessen und Werkzeugen
  • Funktionierende Software steht über einer umfassenden Dokumentation
  • Zusammenarbeit mit dem Kunden steht über der Vertragsverhandlung
  • Reagieren auf Veränderung ist wichtiger als das Festhalten am Plan
Abb. 2: Struktur der agilen Methoden (eigene Darstellung)

Agile Prinzipien

Auf den agilen Grundwerten bauen die agilen Prinzipien auf (Dams, 2019, S. 13). Insgesamt gibt es zwölf agile Prinzipien (Böhm, 2019, S. 19). Die wichtigsten Prinzipien veranschaulichen die Abgrenzung agiler Methoden von traditionellen. Agile Methoden beinhalten (Agile Alliance, 2015, online; vgl. Dams 2019, S. 23; vgl. Kreutzer, Neugebauer & Pattloch, 2017, S. 134):

  • Selbststeuerung und -verantwortung des Teams
  • Laufende Kundenorientierung, kontinuierliches Lernen
  • Änderungen können auch spät im Prozess noch einfliessen
  • Arbeiten in interdisziplinären Teams und Kommunikation mit Face-to-Face-Fokus

Hinzukommt, dass Planungen iterativ und erst kurz vor Umsetzung einer Aktivität gemacht werden sollten. Damit wird ein weiteres Prinzip umschrieben: Verschwendung reduzieren und unnötige Arbeiten im grossen Mass vermeiden (Böhm, 2019, S. 29-30; vgl. Kreutzer et al., 2017, S. 134). Beim Verhindern von Verschwendung setzt auch der Begriff Lean an, welcher ebenfalls in Abbildung 1 genannt wird. Lean kommt aus dem Bereich der Produktion und befasst sich mit Prozessen und Arbeitsweisen. Dabei liegt eine starke Initiative zur Optimierung beim ausführenden Team, wie zum Beispiel bei den Mitarbeitenden am Fliessband. Es ist somit ein Konzept für eine effiziente Arbeitsweise und umfasst Prinzipien, die ebenfalls für agile Methoden relevant sind (Böhm, 2019, S. 27-30).

Relevanz

Die Notwendigkeit von Agilität liegt in der sogenannten VUCA-Welt (Horney, Pasmore, & O’Shea, 2010, S. 33). Der Begriff VUCA beschreibt den Zustand unserer heutigen, dynamischen Welt. Dabei sind Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit (engl. VUCA) in den Unternehmensdisziplinen feste Bestandteile. Grund dafür sind die digitale Entwicklung und Globalisierung der Märkte (Horney et al., 2010, S. 33; Dufft, Remmel & Breden, 2018, S. 35). Speziell die digitale Transformation legt vielen Unternehmen Druck auf: Einerseits müssen sie vermehrt für ihre Endkunden digitale Produkte und Dienstleistungen durch Softwareentwicklung bereitstellen und andererseits verkürzen sich Produkt- und Technologielebenszyklen (Fuchs et al., 2019, S. 198; Link, 2014, S. 67). Produkte müssen mit immer kürzerer time-to-market realisiert werden (Link, 2014, S. 67).

Ziele

Um gegen diese VUCA-Herausforderungen gewappnet zu sein, setzen Unternehmen vermehrt agile Methoden ein (Dufft et al., 2018, S. 37). Das Ziel ist es, die Agilität der Organisation zu steigern und durch die Verbesserung organisatorischer Fähigkeiten, Chancen zu erkennen und diese effizient, flexibel und fokussiert zu nutzen. Zudem wird der Fokus auf die kontinuierliche Verbesserung von Produkten gelegt und die Kunden sollen zur Steigerung der Kundenzufriedenheit aktiv miteinbezogen werden. Diese Ziele können durch die agilen Methoden erreicht werden. Denn die agilen Methoden basieren auf Prinzipien und Werten, die den Anforderungen des organisationalen digitalen Wandels entsprechen (Fuchs et al., 2019, S. 197-198).

Anwendung

Abb. 3: Das Ziel-Weg-Diagramm für die Eignung der Problemstellung für agile Methoden (Fuchs et al., 2019, S. 204)

Agile Methoden sind nicht für alle Problemstellungen geeignet oder notwendig. In der Praxis hat sich ein kombiniertes Modell etabliert, um die Aufgabenstellungen nach einfachen Kriterien (vgl. Abb. 3) einzuordnen. Dabei bilden folgende zwei Fragestellungen die X- respektive Y-Achsen: Welches Ziel (was) soll erreicht werden? Wie (Weg) wird es erreicht? (Fuchs et al., 2019, S. 202-204).

Als geeignete Problemstellungen werden komplexe Aufgaben angesehen. Sie sind dadurch charakterisiert, dass der Ursache-Wirkungs-Zusammenhang erst rückwirkend beurteilt werden kann und Vorgehen oder Ziel vorgängig vollständig unbekannt sind. Somit sind innovative Ansätze und laufende Anpassungen im Vorgehen notwendig. Handelt es sich um eine einfache oder komplizierte Fragestellung, eignet sich planbasiertes Vorgehen. In diesen Fällen sind das Ziel und Vorgehen meist teils erkennbar oder können durch Fachwissen erleichtert werden (Fuchs et al., 2019, S. 202-204; vgl. Müller & Gross, 2013, S. 12). So sind beispielsweise für Routinetätigkeiten agile Methoden wenig geeignet (Rigby, Sutherland & Takeuchi, 2016, online). In repetitiven Tätigkeiten wird bei der Anwendung von agilen Methoden sogar von Effizienzverlusten gesprochen. Ausnahmen können jedoch repetitive Aufgaben mit offenem Ziel sein, wobei kreatives Arbeiten oder die Visualisierung der Arbeitstätigkeiten hilfreich sein können (Fuchs et al., 2019, S. 199-202).

In Bezug auf das Controlling ist anzumerken, dass die agilen Methoden im Bereich Controlling selbst Anwendung finden. Ein weiterer Berührungspunkt zwischen dem Bereich Controlling und agilen Methoden befindet sich jedoch auch im Controlling agiler Methoden und Prozesse des Unternehmens.

Agile Instrumente

Scrum und Kanban gehören zu den bekanntesten agilen Methoden (Hanschke, 2017, S. 9). Weiter gilt Design Thinking als nennenswerte agile Methode (Martin & Euchner, 2012, S. 10). Im Folgenden werden die drei bekanntesten Methoden vorgestellt.

Scrum

Scrum ist definiert als ein Rahmenwerk für das Projektmanagement in Produktentwicklungsprozessen (Highsmith, 2002, S. 133). Durch Scrum soll die Wirksamkeit des Produktmanagements und den damit verbundenen Arbeitstechniken sichtbar gemacht werden, mit dem Ziel das Produkt, das Team und die Arbeitsumgebung zu verbessern (Schwaber & Sutherland, 2017, S. 3). Die Einführung von Scrum setzt von allen Beteiligten das Akzeptieren und Übernehmen der Scrum Philosophie voraus (Hanschke, 2017, S.9).

Die Scrum-Methode basiert auf einem lernzentrierten Ansatz, welcher kurze Arbeitszyklen anstrebt. Kurze Arbeitszyklen erlauben Probleme oder Veränderungen frühzeitig zu erkennen, den Projektablauf anpassen zu können und somit Schwierigkeiten zu lösen. (Schmidt & Grünewald, 2015, S. 406; Goll & Hommel, 2015, S. 82).

Scrum bietet einen verständlichen, aber schwierig umsetzbaren Rahmen für die Entwicklung komplexer Produkte mit kurzen Releasefristen und hoher Kundenorientierung (Hanschke, 2017, S.9). Im Zentrum steht die Kooperation, die Selbstverantwortung und Selbstorganisation innerhalb eines Teams (Goll & Hommel, 2015, S. 82).

Scrum zeichnet sich durch folgende Aspekte aus (Hanschke, 2017, S.17; Goll & Hommel, 2015, S. 84):

  • Enge Einbindung des Kunden (Hanschke, 2017, S.17)
  • Fokus auf kurze Planungs- und Umsetzungsschritte (sogenannten Sprints) (Hanschke, 2017, S.17)
  • Selbst organisierte Entwicklungsteams (Goll & Hommel, 2015, S. 84) geführt durch kooperativen Führungsstil vom Scrum-Master, welcher für einen reibungslosen Ablauf des Projektes sorgt (Hanschke, 2017, S.17).
  • Geteilte Verantwortlichkeit des Teams für das ganze Projekt (Hanschke, 2017, S.17)
  • Offene Kultur mit viel Transparenz (Goll & Hommel, 2015, S. 84)
  • Iterative und inkrementelle Vorgehensmodelle unter Einhaltung eines festen Zeitrahmens (Timebox genannt), gemäss welchem das Scrum Team regelmässig die wichtigsten Features liefert (Goll & Hommel, 2015, S. 84)

Kanban

Kanban stammt aus Japan und findet seinen Ursprung in der Lean Production. Ziel war die Optimierung der Fertigungsprozesse (Hanschke, 2017, S.22).

Im Gegensatz zu Scrum, welches den Fokus auf die Teamoptimierung setzt, konzentriert sich Kanban auf die Wertschöpfungskette und die Optimierung des Gesamtsystems. Zusätzlich liegen die Schritte der Produktentstehung ebenfalls im Fokus (Böhm, 2019, S. 31-33).

Die vier bedeutsamen Prinzipien von Kanban sind (Böhm, 2019, S. 31-33):

  • Visualisierung der unterschiedlichen Arbeitsschritte
  • Limitierung der in Arbeit stehenden Elementen, um Lager zu vermeiden
  • Messung und Optimierung des Durchflusses
  • Erhebung von Leistungskennzahlen (KPI)
Abb. 4: Beispiel eines Kanban-Boards (Anderson & Carmichael, 2018, S. 15)

Mit der Zielsetzung, dass während der Durchführung von Arbeitsschritten keiner dieser Arbeitsschritte überlastet ist, werden Arbeiten und Warteschlangen sichtbar gemacht. Über diese Arbeitsschritte soll ein Gesamtoptimum hergestellt werden (Böhm, 2019, S. 31-33). Es wird ein Pull System geschaffen: Der zuständige Bereich holt sich von der Vorgängerstation erst weitere Arbeit ab, wenn dies die Limitierung zulässt (Dams, 2019, S. 21–22).

Die Visualisierung erfolgt durch ein sogenanntes Kanban-Board (Abb. 4). Diese Boards zeigen den Beteiligten die Arbeitsschritte, die Durchlaufzeiten und allfällige Hindernisse auf. Eine Detaillierung auf verschiedenen Prozessebenen, sogenannte Flight Levels ist hierbei möglich und sinnvoll. Beispielsweise kann eine Prozesshierarchie berücksichtigt werden sowie ein strategischer Prozess weniger detailliert als der Prozess eines Entwicklerteams daherkommen (Böhm, 2019, S. 33). Abbildung 4 zeigt eine mögliche Prozessebene auf.

Design Thinking

Design Thinking orientiert sich stark an den menschlichen Bedürfnissen und ist in den frühen Phasen des Innovationsprozesses sehr geeignet. Übersetzt versteht man unter Design nicht das äussere Erscheinungsbild, sondern vielmehr erfinden, entwickeln und kreieren (Link, 2014, S. 80-84).

Durch Design Thinking können verzwickte Probleme, mittels der menschen- und bedürfniszentrierten Methode gelöst werden (Buchanan, 1992, S. 20–21). Der Fokus liegt auf der iterativen Erforschung des Problems- und Lösungsspielraums und fördert ein anfängliches Problemdenken (Link, 2014, S. 81). Die iterative Vorgehensweise schafft weiter eine fortwährende Lernkultur und Fehlerakzeptanz. Das frühe Scheitern wird beispielsweise in Kosteneinsparungen und Möglichkeiten zur Anpassung wertgeschätzt (Dams, 2019, S. 23–24). Ähnlich wie bei Scrum spielt die Multidisziplinarität eine grosse Rolle. Dies bedeutet, dass das Silodenken von Expertinnen, Experten oder Ingenieurteams aufgebrochen und eine offene 360-Grad-Perspektive geschaffen werden soll (Dams, 2019, S. 23–24).

Die typischen Schritte (Phasen) des als Kreislauf dargestellten Design Thinking Prozesses lauten wie folgt (Vetterli, Uebernickel & Brenner, 2012, S. 23):

  1. (Re)-Definition des Problems
  2. Beobachten der User in ihrem Umfeld
  3. Aufbau von Spezialistenwissen und Bedürfnisfindung
  4. Ideengenerierung
  5. Erstellung eines Prototyps
  6. Test des Prototyps und Lernen

Bezug zum Controlling

Wie bereits beschrieben, sehen sich Unternehmen mit einem immer volatileren und dynamischeren Umfeld konfrontiert. Sie müssen agil werden. Welche Auswirkungen hat die agile Entwicklung auf das Controlling? In den folgenden Absätzen wird zuerst die Auswirkungen auf die Unternehmenssteuerung aufgezeigt und anschliessend dargelegt, was dies für das Rollenbild des Controllers bedeutet.

Auswirkung auf Unternehmenssteuerung

Das Unternehmensumfeld kann ein Geschäftsmodell massgeblich beeinflussen (Buchholz & Knorre, 2019, S. 144). Gemäss dem Interview mit Adam Pradela, Executive Vice President Corporate Accounting & Controlling der Deutsche Post DHL Group, verändert die agile Entwicklung den früher gelebten command-and-control-Stil und die Führung massgebend (Schäffer, 2018, S. 15). Doch nicht nur der Führungsstil, sondern auch die Organisation und Unternehmenssteuerung wird von der Anwendung agiler Methoden massgeblich beeinflusst. Spotify beispielsweise wendet ein unternehmensweites, agiles Management an. Dies wirkt sich auch auf die Organisation aus: Es herrschen flache Hierarchien und Teams mit grossen Entscheidungsspielräumen vor. Im Gegensatz zum traditionellen Management mussten die Teams mit ihren Ideen nicht lange Kostenberechnungen und mehrere Bewilligungsstufen des Managements durchlaufen (Denning, 2018, S. 3–5).

Agile Vorgehensweisen treffen auf grossen Widerstand respektive scheitern, weil viele Unternehmen noch alte Denkmodelle und linear-hierarchische Strukturen haben. Das Controlling muss sich an die veränderten Anforderungen und Rahmenbedingungen anpassen, damit sich dieses weiterentwickeln kann (Dufft et al., 2018, S. 37-38). Denn genau das Verfolgen von Veränderungen im Unternehmensumfeld und deren Auswirkungen auf das Geschäftsmodell sind wichtige Aufgaben des Controllings (Buchholz & Knorre, 2019, S. 144).

Auswirkungen auf Controlling-Rollenprofil

Wie festgestellt, muss sich das Controlling als Teil der Unternehmenssteuerung anpassen und weiterentwickeln. Klassische Controlling-Ansätze sind schwer mit agilen Methoden vereinbar, da diese auf die Vorhersagbarkeit von Entwicklungen auf Grundlage von Planungsprozessen beruhen. Diese schlechte Vereinbarkeit hat damit zu tun, dass agile Methoden ein iteratives und adaptives Vorgehen voraussetzen. Starre Berichtsstrukturen passen nicht zu diesem Vorgehen (Dufft et al., 2018, S. 37-38). Die erfolgreiche Anwendung agiler Methoden im Controlling bedingt ein auf Transparenz, Zielorientierung, offenen Diskurs, Informationsaustausch und gemeinsamen Lernens basierendes Mindset der Beteiligten (Schäffer & Weber, 2019, S. 48).

Die Meinung, dass Controllerinnen und Controller zukünftig agile Methoden und folglich ein agiles Mindset etablieren müssen, vertritt Adam Pradela ebenfalls in einem Interview (Schäffer, 2018, S. 15). Er sieht einen wesentlichen Einfluss der agilen Entwicklung bei der Änderung des Controller-Rollenprofils (S. 18). Dabei spricht er von einer Verschmelzung von IT und Controlling: «In Zukunft wird der Controller ein Programm selbst schreiben, um Daten abzufragen, und sie dann gleich analysieren» (S. 17). Doch auch flachere Hierarchien verlangen eine starke Wandlung des Controller-Rollenbildes hin zum Business Partner (S. 14). Im Zusammenhang mit der Verschmelzung von Informatik- und Controlling-Tätigkeiten scheint auch das Rollenbild des digitalen Controllers und der digitalen Controllerin immer relevanter zu werden. Dieses Rollenbild versucht mit der Digitalisierung Schritt zu halten, indem der Controller und die Controllerin die digitalen Möglichkeiten kennt und deren Anwendung im Unternehmen prüft und einführt (Ploss, 2016, S. 60).

Weiter bringt die heutige Dynamik auch verstärkt das Controlling von Risiken in den Fokus (Schäffer, 2018, S. 17). Dies bestätigt auch Eschlbeck in seinem Artikel: Controllerinnen und Controller müssen in Zukunft Transparenz über Unsicherheiten in Projekten herstellen. Weiter steht vermehrt auch die Umsetzung von organisationalem Lernen in seinem Fokus (S. 40).

Eine aufgeschlossene Haltung gegenüber Veränderung ist eine zentrale Voraussetzung, damit Agilität im Controlling funktioniert. Mit dem Einführen der Agilität im Controlling ist ein Kulturwandelprozess verbunden und Mitarbeitende müssen sich an die Freiheit des agilen Arbeitens gewöhnen (Scharner-Wolff & Witte, 2018, S. 25).

Einsatzgebiete im Controlling

Es kann also gesagt werden, dass es für das Controller-Rollenbild wichtig ist, agil zu werden. Dazu gehört auch das Überdenken von bestehenden Instrumenten und Vorgehensweisen. Im Projekt- und Eventmanagement werden ebenfalls vermehrt agile Methoden angewandt (Dams, 2019, S. 1-4). Somit ist auch Agilität im Bereich des Projektcontrollings wichtig. Die Budgetierung sowie der Umgang mit Kennzahlen im Unternehmen sind ebenfalls hinsichtlich des Vormarschs der agilen Methoden in Unternehmen differenziert zu betrachten.

Projektmanagement

Projektbezogenes Arbeiten im Controlling wird immer wichtiger, da innerhalb des Controllings in zunehmenden Masse IT-Projekte abgewickelt werden. Die wichtiger werdende Rolle des Controllers als Berater des Managements führt ebenfalls zu einer Bedeutungssteigerung der Projektarbeit im Controlling. Das agile Projektmanagement unterstellt von Beginn, dass Änderungen während des Projektes auftreten werden. Abweichungen werden daher als unabdingbar angesehen. Ausgehend davon wird von Anfang an auf eine detaillierte Kosten- und Zeitplanung verzichtet (Friedl, 2019, S. 39).

Zum traditionellen Projektcontrolling gehört eine detaillierte Gesamtplanung und alle Aktivitäten werden während der vollständigen Laufzeit des Projektes bewertet. Es wird ein regelmässiger Soll-Ist-Vergleich gemacht. Der Fortschritt eines Projekts wird regelmässig durch den Ressourcenverbrauch gemessen. Dieses Vorgehen ist bei kurzlaufenden Projekten mit wenig Leistungsumfang meist erfolgreich. Ist die Komplexität höher oder läuft das Projekt über eine lange Zeit wird die Planung aufwendig und langwierig. Es kommt laufend zu Planänderungen, da sich Anforderungen an das Projekt ändern. Dies führt zu einer Umschichtung der Ressourcen. Der Leistungsfortschritt wird zudem zunehmend intransparent. Das fertige Projektergebnis entspricht meist nicht mehr den gegenwärtigen Erwartungen des Projektauftraggebers. Agile Vorgehensmodelle können diese Sichtweise der detaillierten und langfristigen Vorausplanung und Vorausplanbarkeit durchbrechen. Die Handhabung von unpräzisen Kosten- und Terminplänen rückt in den Vordergrund (Schopka, 2015, S.183-184).

Falls der Controller agile Methoden anwendet, dann hat dies Auswirkungen auf seine eingesetzten Steuerungsinstrumente. Im klassischen Projektcontrolling sind beispielsweise die Kennzahlen «Zeit» und «Kosten» wichtig. Im agilen Projektmanagement werden aber zusätzliche Instrumente benötigt. Burndown Charts könnten ein solches zusätzliches Instrument sein. Die Burndown Charts messen den Projektfortschritt innerhalb eines vordefinierten Projektabschnitts, indem die Menge der noch nicht erledigten Aufgaben in das Verhältnis zu der noch verfügbaren Zeit gesetzt wird (Friedl, 2019, S. 39).

Kennzahlenaufbereitung und -analyse

Zur möglichst objektiven Entscheidungsfindung werden heute unzählige Kennzahlen analysiert und detaillierte Auswertungen von Controlling-Abteilungen erstellt. Führungskräfte vertrauen auf diese zahlen-, fakten- und datenorientierten Auswertungen und treffend ausgehend davon Entscheidungen. Dieses Vertrauen führt heutzutage dazu, dass Informationen zu detailliert und zu hoch aggregiert vorliegen. Diese Informationsflut führt dazu, dass im Zeitalter der digitalen Transformation Entscheidungen verspätet getroffen werden und sich Veränderungen in Prozessen beispielsweise nur schleichend entwickeln oder anpassen. Die agilen Methoden setzen entgegen dem Controlling auf Intuition, Innovationsfähigkeit und Fehlertoleranz und weniger auf Kennzahlen (Dufft et al., 2018, S. 36-38).

Kennzahlen spielen auch in agilen Unternehmen eine grundlegende Rolle. Sie helfen Faktoren zu erkennen, welche eine Anpassung zur Folge haben. Ein wesentlicher Aspekt für den Erhalt des Unternehmens ist, die Kennzahlen in den agilen Arbeitsablauf zu integrieren. Während eines Prozesses soll das Team Kennzahlen laufend im Überblick behalten. Dabei soll der Fokus auf prozessrelevante Kennzahlen gesetzt werden, wie zum Beispiel die Produktivität oder die Durchlaufzeiten. Die Erreichung von Zielwerten steht nicht im Fokus, da ansonsten nur auf die Erreichung der Zahlen geachtet wird und so die eigentlichen Werte der agilen Methoden in den Hintergrund rücken. Auswertungen werden vom Controlling erstellt. Die Detailtiefe der Auswertungen soll verringert werden. Die Kennzahlen werden verglichen, damit bestehende Kapazitäten und Ressourcen allokiert und so Kosten und Erträge im Überblick behalten werden (Slogar, 2017, online). Allgemein kann gesagt werden, dass das Controlling in Zukunft eine flexible Ressourcenallokation sicherstellen und Unsicherheiten in Projekten aufzeigen sollte (Eschlbeck, 2016, S. 40). Aus diesem Grund ist auch die Budgetierung und deren Anpassung an agile Methoden zu thematisieren.

Budgetierung

Gemäss Vierlboeck, Gövert, Trauer und Lindemann (2019) ist ein Re-Design der Budgetierung notwendig, sodass agiles Produktmanagement unterstützt werden kann (S. 2169). Dafür wurde das «Structered Agile Budgeting Process»-Modell entworfen. Dieses erlaubt ein Einhergehen von Agilität und Budgetierung. So wird einerseits iterativ gearbeitet und die Budgetierung auf verschiedene Levels aufgebrochen, welche einem agilen Prozess entsprechen, Beispielsweise wird ein Product Budget und ein Feature Budget erstellt (S. 2173-2177). Das Budgetierungsmodell wurde gemäss den Autoren noch nicht in der Praxis getestet, wird aber durch die Studie sowie bestehende Forschung gestützt (S. 2177). Budgetierung und das Controlling allgemein sollen somit in Zukunft die Flexibilität der Ressourcen sicherstellen (Eschlbeck, 2016, S. 40). Dieses Beispiel zeigt, dass neue Instrumente für die Anpassung an agile Vorgehensweisen notwendig, aber auch umsetzbar sind.

Als agile Budgetierungsmethode kann der Beyond Budgeting Ansatz angesehen werden. Beyond Budgeting und Agilität im Allgemeinen beruhen darauf, dass Flexibilität überlebenswichtig ist, um in einer immer dynamischeren und unvorhersagbaren Umwelt bestehen zu können. Das Ziel klassischer Budgetierung ist die effiziente Nutzung der Ressourcen. Bei Beyond Budgeting steht die Erfüllung der Kundenerwartungen und Erwartungen anderer Stakeholder mittels einer hohen Anpassungs- und Innovationsfähigkeit über der Ressourceneffizienz (Braun & Canditt, 2013, S. 11).

Lern- und Praxismaterialien

Fallstudien

Quellen

Literaturverzeichnis

Weiterführende Literatur

Autoren

Aline Pernollet, Fabio Rippstein, Juri Spillmann, Manuel Süess, Patrizia Suter