Einkreis- oder Zweikreissystem

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Geprüft: Positiv beurteilt

Zur Bestimmung von Verrechnungspreisen in einem Unternehmen ist die Definition eines Verrechnungspreissystem nötig. Ein Unternehmen hat bezüglich der Gestaltung des Verrechnungspreissystems die Möglichkeit, ein Einkreis- oder ein Zweikreissystem (auch Mehrkreissystem genannt) zu verwenden (Darkow, 2014, S. 115). Um die steuerliche Rechtssicherheit zu erlangen und Gewinnkorrekturen, Steuernachzahlungen oder Nachzahlungszinsen sowie Strafzuschläge zu vermeiden, muss das System sowohl betriebswirtschaftlichen als auch steuerlichen Anforderungen genügen (Behringer, 2014, S. 202). Bei der Festlegung entscheidet das Unternehmen, ob es einheitliche oder verschiedene Verrechnungspreise für die Erfüllung dieser Anforderungen verwendet (Darkow, 2014, S. 115). Abzugrenzen davon sind duale Verrechnungspreise, bei denen unterschiedliche Verrechnungspreise für die liefernde und die empfangende Einheit festgelegt werden (Friedl, Hofmann & Pedell, 2013, S. 575).

Betriebswirtschaftlicher vs. steuerlicher Aspekt

Durch die unterschiedlichen Funktionen der Verrechnungspreise können Zielkonflikte zwischen der Steueroptimierung und der internen Steuerungsfunktion entstehen. Dies, weil internationale Unternehmen zum einen versuchen, die steuerlichen Gestaltungsspielräume möglichst gut auszunutzen und dabei die Compliance-Richtlinien einzuhalten. Im Gegensatz zur Steuerabteilung beabsichtigt der Controller zum anderen, betriebswirtschaftlich optimal zu handeln, indem die Preise die richtigen Anreize setzen. Den Controller interessiert zudem eine korrekte Erfolgsdarstellung; durch Transparenz soll erkennbar sein, wer die Leistungen im Markt tatsächlich erbracht hat. Die Steuerbehörden wiederum wollen die Verschiebung der Unternehmensgewinne in steuergünstigere Länder vermeiden und fordern von den Unternehmen die festgelegten Verrechnungspreise nicht zu manipulieren (Paul, 2014, S. 219-220).

Einkreissystem

Beim Einkreissystem wird ein einheitlicher Verrechnungspreis für steuerrechtliche und betriebswirtschaftliche Zwecke verwendet (Rieke, 2015, S. 24-25). Der Verrechnungspreis wird anhand einer Ermittlungsmethode in einer einheitlichen Höhe festgesetzt. Der festgesetzte Preis wird sowohl für die internen Steuerungs- und Koordinationszwecke, wie beispielweise dem Performance Measurement und strategischen Entscheidungen, als auch für die externe Bilanzierung und Besteuerung verwendet (Behringer, 2014, S. 203; Darkow, 2014, S. 115).

Zweikreissystem

Wenn für denselben Sachverhalt verschiedene Verrechnungspreise angewendet werden, spricht man von einem Zweikreissystem (Friedl et al., 2013, S. 575). Das heisst, die Preise werden in unterschiedlicher Höhe und anhand verschiedener Ermittlungsmethoden nach ihrem Zweck festgesetzt. Es gibt einen Verrechnungspreis für steuerliche Zwecke und mindestens einen für die interne Koordination (Behringer, 2014, S. 203; Darkow, 2014, S. 116). Dabei erfüllen die Verrechnungspreise ihre Funktion zum einen auf Gesamtkonzernebene und zum anderen auf der Ebene der einzelnen Konzernunternehmen (Rieke, 2015, S. 22).

Anwendung der Systeme

Strategie Kultur

Es gibt unterschiedliche Gründe, weshalb ein Unternehmen sich für ein Einkreis- oder Zweikreissystem entscheidet. Wichtig ist, dass diese Entscheidung auf die Unternehmensstruktur und -strategie sowie die gelebte Kultur abgestimmt ist (Rieke, 2015, S. 23-24). Der Erfolg des gewählten Verrechnungspreissystems hängt vom Verständnis der Anwender ab. Nur wer das System in der Handhabung und seinen Konsequenzen verstanden hat, ist in der Lage, das System fehlerfrei zu nutzen und korrekte Entscheidungen zu treffen (Clemens, 2008, S. 298).

Anwendung des Einkreissystems

Gemäss einer Studie von Ernst & Young verwendeten im Jahr 2001 ungefähr 75% der Unternehmen ein Einkreissystem (Rieke, 2015, S. 30). Im Jahr 2003 waren es bereits über 80% der Unternehmen. Dabei steuert bei 25% der Unternehmen die Geschäftsstrategie die Festsetzung des Systems (Ernst & Young, 2003, S. 17). Je plausibler und transparenter ein Verrechnungspreissystem ist, desto höher ist die Akzeptanz im Unternehmen (Weber & Schäffer, 2014, S. 221). Das Einkreissystem zeichnet sich vor allem durch Kostenersparnis und eine hohe Glaubwürdigkeit aus (Rieke, 2015, S. 26).

Die Vor- und Nachteile des Einkreissystems sind:

Vorteile
  • einfacherer Aufbau des Systems
  • geringerer Aufwand zur Systempflege
  • geringere Systemkommunikation (Clemens, 2008, S. 297)
Nachteile
  • mögliche Konflikte zwischen den betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Zielen
  • durchschnittliche Berücksichtigung der verschiedenen Zielsetzungen (Darkow, 2014, S. 115)
  • falsche strategische Handlungsweisen aufgrund eines steuerlich motivierten Konzernverrechnungspreises (Clemens, 2008, S. 297)

Gemäss Dürr und Göx (2011) ist das Einkreissystem ideal für Unternehmen, welche sich in einem Markt mit wenigen Wettbewerbern und gleichen Produkten befinden (S. 271). Aufgrund der möglichen Gefahren von Bestrafungen, Doppelbesteuerungen sowie Finanz- und Reputationsschäden bei Nichteinhaltung der Compliance-Richtlinien entscheiden sich die meisten Unternehmen für ein Einkreissystem (Ernst & Young, 2003).

Anwendung des Zweikreissystems

Der Zielkonflikt zwischen betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Zielen wird im Zweikreissystem durch die Festlegung verschiedener Verrechnungspreise umgangen (Weber & Schäffer, 2014, S. 221).

Die Vor- und Nachteile des Zweikreissystems sind:

Vorteile
  • Verhinderung von Zielkonflikten zwischen der Steuergestaltungsfunktion und der Lenkungsfunktion (Behringer, 2014, S. 202-203)
  • Zielorientierte Verrechnungspreise (Clemens, 2008, S. 297)
  • weniger Fehlsteuerungen und falsche Anreize (Darkow, 2014, S. 116)
Nachteile
  • erhebliche Komplexitätssteigerung (Clemens, 2008, S. 297)
  • Zusatzaufwand für den Systemaufbau und die Systempflege (Weber & Schäffer, 2014, S. 222)
  • überproportionaler Anstieg der Kommunikationsanforderung der Verrechnungspreisverantwortlichen (Weber & Schäffer, 2014, S. 222)
  • Risiko der Nichtanerkennung der steuerlichen Verrechnungspreise durch die Finanzbehörden (Friedl et al., 2013, S. 575)

Wird neben dem steuerlich angesetzten Verrechnungspreis ein zusätzlicher Preis für die Verhaltenssteuerung festgelegt, eröffnet dies bei der Steuerung von dezentralen Unternehmen Freiheitsgrade. Das Verrechnungspreissystem kann speziell auf die im Unternehmen vorliegenden Zielkonflikte und Informationsasymmetrien ausgerichtet werden (Lengsfeld, 2005, S. 140).

Ist die Preisdifferenz zu hoch, kann dies zu einem Compliance-Problem führen. Dieses Problem entsteht, wenn im Falle einer Betriebsprüfung, bei sehr grossen Preisunterschieden zwischen steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Preisen, der betriebswirtschaftliche Preis als angemessener angesehen wird. Als Folge wird der betriebswirtschaftliche Preis für steuerliche Zwecke herangezogen (Weber & Schäffer, 2014, S. 221). Die Wahrscheinlichkeit einer Diskussion mit der Steuerverwaltung ist deshalb sehr hoch (Clemens, 2008, S. 298). Um dies zu verhindern, sollten die Preise in enger Abstimmung mit den verantwortlichen Abteilungen eines Unternehmens festgelegt werden (Weber & Schäffer, 2014, S. 221-222). Zudem können Unternehmen mit der Unterzeichnung eines Advance Pricing Agreement (APA) das Risiko minimieren, dass die Verrechnungspreise von der Steuerbehörde nicht akzeptiert werden (Milcev & Rus, 2011, S. 82-83).

Das aufwendige Verfahren des Zweikreissystems wird laut der Umfrage von Flick Gocke Schaumburg und Horváth & Partners im Jahr 2015 von nur 9% der Unternehmen angewendet. Diese Unternehmen arbeiten einerseits mit einem Verrechnungspreis für die steuerlichen Zwecke, andererseits mit einem zweiten Verrechnungspreis für die interne Koordination (Horváth & Partners, online). Auch Behringer (2014) sieht in der Praxis eine geringe Relevanz der Zweikreis- oder Mehrkreissysteme (S. 204). Dieser Ansicht widersprechen Hyde und Choe (2005), indem sie sagen, dass internationale Unternehmen sich auch dann für mehrere Verrechnungspreise entscheiden sollten, wenn sie Strafzahlungen in Kauf nehmen müssen. Denn mit mehreren Verrechnungspreisen können Unternehmen sowohl das Ziel der optimalen Anreizwirkung auf die Mitarbeitenden als auch das Ziel der Steuer-Minimierung verfolgen (S. 166). Es gilt im Grundsatz bei allen Formen von Verrechnungspreisen situationsspezifisch die Vor- und Nachteile abzuwägen. Denn es gibt wohl nur selten einen Verrechnungspreis, der keine Nachteile aufweist.

Lern- und Praxismaterialien

Fallstudien

Quellen

Literaturverzeichnis

Weiterführende Literatur

Autoren

Tanja Tobler, Ramona Valentin, Janine Züsli