Produktionscontrolling

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Geprüft: Positiv beurteilt

Das Produktionscontrolling ist ein Subsystem des Produktionsmanagements und unterstützt dieses bei der Planung, Steuerung und Kontrolle der Produktion. Es handelt sich um ein funktionales Controlling, welches entscheidende Daten aus der Produktion beschafft, aufbereitet, analysiert und kommuniziert (Gottmann, 2016, S. 20; Nebl, 2011, S. 835-836). Durch die gezielte Nutzung von Controlling-Instrumenten wird eine effektive und effiziente Produktion angestrebt (Häusser, 2016, S. 40, vgl. Gottmann, 2016, S. 20). Das Produktionscontrolling vereint die technischen sowie die wirtschaftlichen Aspekte, um die fertigungswirtschaftlichen Ziele zu erreichen (Schnell, 2012, S. 23).

Abgrenzung

Abb. 1: Einordnung Produktionscontrolling in die Lieferkette (in Anlehnung an Bauer, 2009, S. 2)

Genau wie die Controlling-Konzeptionen Beschaffungscontrolling, Logistikcontrolling und Absatzcontrolling gehört das Produktionscontrolling, wie in Abbildung 1 ersichtlich, zur Lieferkette und soll Informationen über Prozesse und Schwachstellen für Entscheidungsträger bereitstellen (Reichmann, Kissler & Baumöl, 2017, S. 23). Im Gegensatz zum im Güterfluss vorgelagerten Beschaffungscontrolling, dem stetig begleitenden Logistikcontrolling und dem nachfolgenden Absatzcontrolling, konzentriert sich das Produktionscontrolling vor allem auf die Sicherstellung einer funktionierenden und wirtschaftlichen Güter- oder Dienstleistungserstellung (Reichmann et al., 2017, S. 1; Bauer, 2009, S. 1). Eine wirtschaftliche Produktion zeichnet sich durch eine hohe Produktivität, also einem möglichst optimalen Verhältnis zwischen Output- und Inputmenge, sowie durch eine hohe Produktequalität, geringe Durchlaufzeiten, termingerechte Fertigung und eine möglichst hohe Auslastung der Produktionskapazitäten aus (Bloech et al., 2014, S. 8-9).

Abb. 2: Aufteilung der Verantwortlichkeiten zwischen Produktionsmanager und Produktionscontroller (Schnell, 2012, S. 24)

Innerhalb des Produktionsprozesses muss zwischen den Verantwortlichkeiten des Produktionsmanagers und den Verantwortlichkeiten des Produktionscontrollers unterschieden werden. Wie der Abbildung 2 zu entnehmen ist, soll das Produktionscontrolling im Rahmen seiner Führungsunterstützungsfunktion als wirtschaftliches Gewissen Freiräume für den Produktionsmanager schaffen. Für die strategische Gestaltung, den Ressourceneinsatz sowie die Zielerreichung im Fertigungsbetrieb ist der Produktionsmanager zuständig (Schnell, 2012, S. 23-24).

Ziele und Aufgaben

Ziel des Produktionscontrollings ist es, die Produktionsleitung methodenkompetent zu unterstützen und dadurch einen effektiven und effizienten Betrieb sicherzustellen. Die Verantwortung für einen reibungslos funktionierenden Fertigungsbetrieb liegt bei der Produktionsleitung. Die methodenkompetente Unterstützung durch das Produktionscontrollings ist jedoch essenziell. „Erst mit dem Einsatz der erprobten Methoden und Verfahren des Produktionscontrollings erhält das Produktionsmanagement die Transparenz, die erforderlich ist, sämtliche fertigungswirtschaftlichen Fragen umfassend zu beantworten, um damit die Erreichung der fertigungswirtschaftlichen Ziele zu sichern.“ (Schnell, 2007, zit. in Schnell, 2012, S. 24).

Die Hauptaufgabe ist die Wirtschaftlichkeit des Produktionsprozesses von Gütern und Dienstleistungen sicherzustellen (Reichmann et al., 2017, S. 361; Bauer, 2009, S. 1). Die Einzelaufgaben aus funktionaler Sicht lassen sich in Planung, Steuerung und Kontrolle unterteilen. Diese drei Aufgaben haben direkten Einfluss auf die Unternehmensführung. Zusätzlich bestehen die Aufgaben Koordination und Informationsversorgung, welche eine übergeordnete Rolle einnehmen (Steven, 2016, S. 10 -11).

Die Ziele und Aufgaben des Produktionscontrollings werden oftmals in eine strategische und eine operative Sicht unterschieden (Bauer, 2009, S. 14-16).

Strategisches Produktionscontrolling

Im Fokus des strategischen Produktionscontrollings steht die langfristige Ausgestaltung und Wirtschaftlichkeit des Funktionsbereichs Produktion. Dabei geht es um die Planung und Einteilung der Fertigungsstätten, die Planung der Investitionen in zukünftige Fertigungssysteme sowie die langfristige Ausrichtung des Produktionsprogramms. Weil diese langfristig orientierten Entscheide eine grosse Tragweite aufweisen, sind sie genau mit der verfolgten Wettbewerbsstrategie und den Erfolgsfaktoren der Unternehmung abzustimmen.

Das strategische Controlling befasst sich beispielsweise mit folgenden Aufgaben (Bauer, 2009, S. 14-16):

  • Langfristige Planung der Produktionsstandorte und Produktionskapazitäten
  • Erstellung von Investitionsrechnungen zur optimalen Kapitalallokation im Funktionsbereich Produktion
  • Analyse der Stärken, Schwächen, Chancen und Gefahren der verwendeten Produktionstechnologien
  • Unterstützung in der langfristigen Programmplanung (inklusive der langfristigen Eingliederung in die horizontale Wertschöpfungskette und das Vorbereiten von strategischen Make- or Buy-Entscheidungen)
  • Zuweisung von dezentralen Kompetenzen und Verantwortungen (beispielsweise im Rahmen der Unternehmensstrukturierung mittels der Einrichtung von Cost- oder Profit-Centern)

Operatives Produktionscontrolling

Das operative Produktionscontrolling hat die Sicherung der Wirtschaftlichkeit des laufenden Fertigungsprozesses als Aufgabe und fokussiert sich vor allem auf die Kontrolle der Produktionskosten (Reichmann et al., 2017, S. 361; Bauer, 2009, S. 19). In der Literatur wird es deshalb auch als wirtschaftliches Gewissen der Produktionsleitung bezeichnet (Gottmann, 2016, S. 20, vgl. Schnell, 2012, S. 24-25).

Es können folgende Aufgabenbereiche unterschieden werden (Reichmann et al., 2017, S. 362-364; Witt, 1996, S. 306 zit. in Bauer, 2009, S. 19):

  • Abstimmung der Fertigungskapazitäten auf die erwarteten Absatzmengen
  • Kapazitäts- und Engpasskontrollen der Produktionsanlagen
  • Kalkulation der Betriebsunterbrechungskosten verschiedener Ausfallsszenarien basierend auf deren Ausfallswahrscheinlichkeit und erwarteten Kosten
  • Durchführung von Analysen zwecks Minimierung bzw. Optimierung folgender Kostentreiber:
    • Ausschussproduktion: Qualitativ ungenügende Teile der Produktion, welche aufgrund von fehlerhaftem Arbeitsverhalten, falschen Organisationsformen oder qualitativ schlechten Inputmaterialien nicht weiterverarbeitet oder verkauft werden können
    • Leerkosten: Fixkostenanteile, welche aufgrund ungenutzter Kapazitäten entstehen
    • Rüstzeiten: Zeit, welche für die Vorbereitung der Produktionsanlagen verwendet wird
    • Losgrössen: Optimierung der Produktionsserien unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Kosten und die Flexibilität der Produktion

Instrumente

Das Produktionscontrolling greift für die Erfüllung der operativen und strategischen Aufgabenbereiche auf diverse Instrumente zurück. Nachfolgend werden die in der Literatur meist genannten Instrumente des Produktionscontrollings vorgestellt und ihre Einsatzbereiche - strategisch oder operativ - angegeben.

Kennzahlen & Kennzahlensysteme

Produktionskennzahlen haben im Produktionscontrolling eine grosse Bedeutung. Sie schaffen Transparenz sowie Optimierungspotenzial und ermöglichen es, Ursachen- und Wirkungszusammenhänge zu erkennen. Kennzahlen gliedern sich im Produktionscontrolling grundsätzlich in drei Kategorien. Die Unterscheidung erfolgt nach inputorientierten Kennzahlen, outputorientierten Kennzahlen sowie fertigungsprozessorientierten Kennzahlen (Schnell, 2015, S. 90, vgl. Schnell, 2012, S. 45-46). Nach Gottmann (2016, S. 40) können Kennzahlen strategisch sowie operativ eingesetzt werden.

Balanced Scorecard

Die Balanced Scorecard (BSC) ist ein Kennzahlenkonzept von Kaplan und Norton und bildet das Verbindungsglied zwischen Strategiefindung und -umsetzung. Dank der finanziellen Perspektive, der Kundenperspektive, der internen Prozessperspektive und der Lern- und Entwicklungsperspektive ist die BSC ein ganzheitliches und auf die langfristigen Erfolgsfaktoren ausgerichtetes Kennzahlenkonzept (Schmutte & Koob, 2017, S. 265).

Benchmarking

Beim Benchmarking handelt es sich um den kontinuierlichen internen oder externen Vergleich von Leistungen. Bei Ersterem werden Abteilungen oder Geschäftsbereiche des eigenen Unternehmens als Vergleich herangezogen. Bei Letzterem handelt es sich um Benchmarking-Partner aus dem direkten oder indirekten Wettbewerbsumfeld, aus vor- und nachgelagerten Branchen oder aus branchenfremden Unternehmen (Steven, 2016, S. 519). Mithilfe von Benchmarks kann das Produktionscontrolling Verbesserungspotenzial in Bezug auf Produkte, Planungsprozesse, Dienstleistungsverfahren oder den Produktionsbetrieb ableiten (Gottmann, 2016, S. 82). Nach Bauer (2012) kann das Benchmarking sowohl operativ als auch strategisch eingesetzt werden (S. 37-38).

Prozesskostenrechnung

Die Prozesskostenrechnung schafft Kosten- und Prozesstransparenz und soll einen effizienten Ressourcenverbrauch sicherstellen (Prackwieser & Eckert, 2013, S. 189). Insbesondere im Gemeinkostenbereich strebt die Prozesskostenrechnung die transparente Abbildung der Kapazitätsauslastung an. Dadurch sollen eine möglichst verursachergerechte Kalkulation gewährleistet und strategische Fehlentscheidungen vermieden werden (Reichmann et al., 2017, S. 188-189).

Plankostenrechnung

Die Plankostenrechnung ist ein nach Kostenstellen und Kostenarten differenziertes Instrument. Im Rahmen der produktionskostenbezogenen Abweichungsanalyse geht es darum, die geplanten Kosten mit den angefallenen Kosten zu vergleichen. Die Differenz zwischen den Plankosten und Istkosten wird als Gesamtabweichung bezeichnet und kann insbesondere auf eine Preisabweichung, Mengenabweichung und/oder Beschäftigungsabweichung zurückgeführt werden (Reichmann et al., 2017, S. 365, vgl. Weber & Spillecke, 2005, S. 106-107). Die Plankostenrechnung ist ein Instrument, welches das Produktionscontrolling dabei unterstützt, ungünstige Abweichungen zu erkennen und daraufhin zukunftsorientierte Gegensteuerungsmassnahmen zu initiieren (Reichmann et al., 2017, S. 364).

Technologieportfolio

In einem Technologieportfolio werden die angewandten Technologien des Unternehmens oder eines Produkts in einer Matrix anhand der Dimensionen Technologieattraktivität und Ressourcenstärke abgebildet (Weber & Spillecke, 2005, S. 100). Es wird versucht, „ ... aus den sich ergebenden Konstellationen differenzierte Strategien für zukünftige Entwicklungsaktivitäten abzuleiten“ (Pfeiffer et al., 1983, S. 78, zit. in Weber & Spillecke, 2005, S 100). Das Technologieportfolio ist ein Instrument, welches das Produktionscontrolling wesentlich bei technologischen Richtungsentscheidungen unterstützt (Weber & Spillecke, 2005, S. 100).

Investitionsrechnung

Die Investitionsrechnung untersucht die Wirtschaftlichkeit geplanter Investitionen, Investitionsprogramme und Desinvestitionen. Grundlegend wird zwischen statischen, dynamischen, simultanen Investitionsrechnungsverfahren und Verfahren zur Berücksichtigung von Risiken unterschieden (Poggensee, 2015, S. 15, vgl. Baier 2008, S. 242-252). Mithilfe der Investitionsrechnung kann das Produktionscontrolling eruieren, ob eine Investition im Produktionsumfeld getätigt werden soll. Es geht auch darum, aufzuzeigen, welche Investitionsalternative die vorteilhafteste ist und wann sie getätigt werden soll (Baier, 2008, S. 242-243). Nach Bauer (2012) ist die Investitionsrechnung den strategischen Instrumenten zuzuordnen (S. 333).

Organisatorische Eingliederung

Die Organisation des Produktionscontrollings hängt massgeblich von der Unternehmensgrösse und der Komplexität der Herstellung ab. In kleineren Industriebetrieben ist es durchaus zweckmässig, dass die Aufgaben des Produktionscontrollings vom zentralen Controlling wahrgenommen werden (Baier, 2005, S. 521, vgl. Ossadnik, 2009, S. 499). In Unternehmen mit einem hohen Eigenfertigungsanteil und komplexen Herstellungsverfahren ist die Einbindung ins Zentralcontrolling hingegen nicht optimal. Das Zentralcontrolling kann die Aufgaben des Produktionscontrollings insbesondere dann nicht umfassend wahrnehmen, wenn Sonderprojekte durchzuführen sind. Diese Situation tritt beispielsweise dann auf, wenn das Unternehmen die Implementierung neuer Fertigungstechnologien anstrebt, was eine umfassende Analyse des Controllings bedingt (Baier, 2005, S. 521). Ab einer gewissen Unternehmensgrösse und Komplexität der Herstellung wird deshalb empfohlen, ein dezentrales Controlling nach dem Dotted-Line-Prinzip einzurichten. Beim Dotted-Line-Prinzip werden spezialisierte Controllingabteilungen in anderen Funktionsbereichen angesiedelt und die fachliche sowie die disziplinarische Unterordnung geteilt. Somit ist das Produktionscontrolling in fachlicher Hinsicht dem Zentralcontrolling und disziplinär der Produktionsleitung unterstellt (S. 521, vgl. Weber & Spillecke, 2005, S. 5).

Herausforderungen

In der Praxis wird das Produktionscontrolling vor unterschiedliche Herausforderungen gestellt. Einerseits steigt der internationale Wettbewerb und andererseits nehmen individuelle Kundenbedürfnisse zu. Die Unternehmen sind gefordert, ihre operativen Tätigkeiten laufend anzupassen, damit sie mit der Konkurrenz mithalten können. Nachfolgend werden einige Herausforderungen aufgelistet, welche die Unternehmen zu beachten haben (Gottmann, 2016, S. 12; Fasshauser, 2008, S. 192-193; vgl. Schnell, 2012, S. 47, 61, vgl. Stegmüller & Pichler, S. 16-18):

  • Die Kundschaft hat individuelle Bedürfnisse und fragt vermehrt individuelle Produkte nach. Die wachsenden Produktvarianten verursachen zusätzliche Kosten.
  • Die Konkurrenz aus Billiglohnländern zwingt die Unternehmen immer tiefere Produktionskosten zu realisieren.
  • Der rasche Wandel im Markt verlangt, dass die Produktion ständig angepasst und optimiert wird.
  • Die Unternehmen müssen im Produktionsbereich über spezifisches Know-how verfügen, um dem Digitalisierungsdruck standzuhalten. Trends der Digitalisierung müssen frühzeitig erkannt werden, damit der Anschluss nicht verloren geht.
  • Die Auswahl sinnvoller, auf das Unternehmen abgestimmter Kennzahlen und Kennzahlensysteme ist essenziell, damit die Produktion einwandfrei gesteuert werden kann.

Es ist wichtig, dass die genannten Herausforderungen bewusst und zielorientiert angegangen werden. Treten infolgedessen trotzdem Mängel auf, liegt das oftmals daran, dass die eingesetzten Methoden und Systeme des Produktionscontrollings nicht ausreichen, um Schwachstellen zu erkennen, Optimierungspotenzial aufzuzeigen und Effizienzsteigerungen sicherzustellen (Fasshauer, 2008, S. 193).

Lern- und Praxismaterialien

Aufgaben Fallstudien

Quellen

Literaturverzeichnis

Weiterführende Literatur

Autoren

Patrick Niederer, Thanushanthini Selvaratnam, Michael Wechsler, Fabian Wegmann, Clarissa Wiederkehr