Wuppertaler Stadtwerke AG – Integration der BSC: Unterschied zwischen den Versionen

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Unternehmen, die die [[Balanced Scorecard]] einsetzen, erkennen schnell, wie wichtig der Schritt vom einmaligen Aufbau hin zur dauerhaften Anwendung des Managementsystems ist. Man könnte von einer Scharnierfunktion sprechen – hier die Balanced Scorecard, dort bestehende Steuerungsinstrumente: Die Haustür braucht eben einen Rahmen, der sie hält. Was heisst das in der Praxis? Um die Aspekte einer Balanced-Scorecard-Umsetzung möglichst facettenreich darzustellen, wird ein solches Projekt bei der Wuppertaler Stadtwerke (WSW) AG dokumentiert. Das Praxisbeispiel enthält nur einige Systemelemente zum kontinuierlichen Einsatz der Balanced Scorecard (auf das gesamte Instrumentenbündel wird in den folgenden Kapitelabschnitten vertieft eingegangen) und zeigt doch: Entwicklung benötigt Einbettung.
Unternehmen, die die [[Balanced Scorecard]] einsetzen, erkennen schnell, wie wichtig der Schritt vom einmaligen Aufbau hin zur dauerhaften Anwendung des Managementsystems ist. Mit der Entwicklung ist die Aufgabe nämlich längst nicht abgeschlossen - Die Einbettung ist ebenso wichtig. Das Fallbeispiel der Wuppertaler Stadtwerke AG zeigt dies eindrücklich. Die ausführliche Fallstudie ist im Buch Horvath & Partners zu finden. Daraus können folgende wichtige Schlussfolgerungen abgeleitet werden:
 
== Die Konzernstruktur ==
Die Wuppertaler Stadtwerke AG ist ein typisches Querverbundunternehmen: Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV), Versorgung und Entsorgung zählen zu den Bereichen, in denen sich die WSW engagieren. Eine integrierte Holding steuert diese Sparten sowie mehrere Beteiligungsgesellschaften. Charakteristisch für Querverbundunternehmen sind die extremen Ertragskraftunterschiede. Während der Verkehrsbereich (Bus und Schwebebahn) in 2000 rund 49 Mio. Euro Verlust verursachte, erwirtschaftete der Ver-/Entsorgungsbereich bei ca. 409 Mio. Euro Umsatz so viel Gewinn, dass sich die Verluste im Verkehrsbereich ausgleichen liessen. Der in Deutschland einzigartige Betrieb einer Schwebebahn in einem topographisch sehr schwierigen Gebiet beeinflusst das Ergebnis im Verkehrsunternehmen der WSW erheblich; insofern fällt ein Vergleich mit anderen ÖPNV-Unternehmen mitunter schwer.
 
== Der Projekthintergrund ==
Der Vorstand beschloss die Einführung der Balanced Scorecard aufgrund folgender Rahmenbedingungen:
* In der Unternehmensprognose 2005 (strategischer Planungshorizont) zeichnete sich ab, dass die Gewinne im Versorgungsbereich nicht zur Deckung der Verluste im Verkehrsbereich ausreichen würden. Daher galt es, neue strategische Impulse zu finden und konsequent umzusetzen.
* Zugleich musste man die vielfältigen laufenden Projekte und Einzelmassnahmen auf ihre Strategierelevanz, Dringlichkeit und Machbarkeit hin untersuchen, um die knappen Ressourcen optimal einsetzen zu können.
* Die Ausarbeitung neuer strategischer Ziele stellt eine dritte Erwartung an den Balanced-Scorecard-Prozess dar. Dies umfasste die Auswahl und Festlegung von Messgrössen, Zielwerten und strategischen Aktionen. Klare Zielvereinbarungen zwischen Vorstand und Centerleitern komplettierten die Projektziele.
 
Die vorgegebene Projektlaufzeit von etwa sechs Wochen stellte hohe Anforderungen an das Projektteam und die Disziplin der massgeblichen Führungskräfte. So gelang es, in nur vier Workshoprunden mit dem Gesamtvorstand
* das Leitbild des Konzerns,
* die strategischen Ziele auf den Ebenen Holding, Versorgung/Entsorgung und Verkehr,
* die Strategy Map als „Landkarte“ der strategischen Ziele,
* 90% der erforderlichen Messgrössen,
* und ca. 60% der erforderlichen Zielwerte und Massnahmen zu erarbeiten und verbindlich abzustimmen
 
== Ableitung strategischer Ziele für nachgelagerte Bereiche ==
[[Datei:Die Strategy Map mit den strategischen Zielen für WSW gesamt (Holding).JPG|600px|thumb|right|Abb. 1: Die Strategy Map mit den strategischen Zielen für WSW gesamt (Holding)]]
Der meist zeitaufreibende Prozess, ein konzernweit gültiges und vor allem aussagekräftiges Leitbild zu entwickeln, konnte bei den WSW in erstaunlich kurzer Zeit abgeschlossen werden: „Wir schaffen als Multi-Utility-Anbieter mit Energie, Entsorgung, Mobilität und innovativen, kundenorientierten Dienstleistungen aus einer Hand Lebensqualität für Privatkunden und Problemlösungen für Industrie und Gewerbe.“
Das Leitbild kommunizierte in einem Satz alle wesentlichen Elemente der Konzernstrategie (Produktstrategie, Regionalausrichtung und Kundengruppenorientierung) – häufig kein leichtes Unterfangen!
 
Die Sicht einer Management-Holding ist eine integrativ-zusammenfassende. Diese Erwartungen zu erfüllen, gestaltet sich gerade bei der Steuerung eines sehr heterogenen Geschäftsfeld-Portfolios überaus komplex. Denn für die Balanced Scorecard besteht dadurch die Gefahr, dass man strategische Ziele und Messgrössen in einer eher allgemeinen Form erarbeitet. Dies erschwert das „Herunterbrechen“ auf die nächste Führungsebene grundsätzlich. Das Projektteam hat auf der Ebene der Holding folgenden Kompromiss gefunden: Übergreifende, konzernweit gültige Einzelziele wurden detailliert beschrieben. Diese Einzelziele besassen einen Vorgabecharakter: Sie sollten unmittelbar und unverändert umgesetzt werden. Hierzu zählten z. B. Rahmenzielsetzungen wie: „Entwicklung neuer profitabler Geschäftsfelder im Stammgebiet“, „Ausbau der IT-Infrastruktur“, „Mitarbeiterqualifikation bedarfsgerecht verbessern“.
 
Strategische Ziele, die sich auf Holding-Ebene nur allgemein formulieren lassen, muss der jeweilige Unternehmensbereich aufgreifen und konkretisieren. So konkretisiert sich z. B. die allgemeine Formulierung in der Holding-Balanced-Scorecard „Wettbewerbsfähige Kostenstrukturen schaffen“ im Bereich Versorgung/Entwässerung in der Zielformulierung „Produktions- und Beschaffungskosten reduzieren“, während man im Verkehrsbereich das Ziel „Fahrbetriebskosten auf Wettbewerbsniveau senken“ ableitete.
 
Die Strategy Map der WSW-Holding, wie sie Abbildung 1 zeigt, verdeutlicht diesen Zusammenhang. Die beiden wesentlichen Stossrichtungen des Konzerns – „laufendes Kostenmanagement“ und „profitables Wachstum“ – erhielten eine optisch-grafische Betonung.
 
== Definition von Messgrössen und Festlegung von Zielwerten ==
[[Datei:Dokumentation der strategischen Ziele am Beispiel der Potenzialperspektive.JPG|535px|thumb|right|Abb. 2: Dokumentation der strategischen Ziele am Beispiel der Potenzialperspektive]]
Die WSW bildeten bei der Definition von Messgrössen keine Ausnahme von der Regel: Auch hier gab es einige strategische Ziele, für die noch keine Messgrössen standardmässig vorlagen. Dadurch liessen sich vereinzelt auch keine sinnvollen Zielwerte für den avisierten Zeitraum von drei bzw. fünf Jahren abstimmen und vorgeben.
 
Um nicht unnötige Zeit im Projekt zu verlieren, entschied man sich daher für ein sehr pragmatisches Vorgehen: Das Projektteam dokumentierte alle Zahlen, die der Balanced Scorecard zur Verfügung standen, und leitete Sollwerte aus den vorliegenden Planungen ab. Fehlte ein Ist-Wert, wurde entweder eine robuste Annahme getroffen oder die Erhebung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.
Wichtiger als die reinen Zahlenwerte waren die ausführlichen Dokumentationen und Beschreibungen der Balanced-Scorecard-Ziele. So liess sich gewährleisten, dass alle Mitarbeiter im Unternehmen die strategischen Ziele kannten und gleich verstanden.
 
== Zielvereinbarung zwischen Vorstand und Centerleitern ==
 
Die Wuppertaler Stadtwerke hatten sich schon lange vor der Liberalisierung im Energiesektor für innovative Steuerungskonzepte und dezentrale Verantwortungsregelungen entschieden. So gilt die WSW AG hinsichtlich der Einführung einer flächendeckenden Centersteuerung als ein Referenzbeispiel der Branche. Das Übersetzen von Balanced-Scorecard-Zielen in konkrete Zielvereinbarungen für Mitarbeiter der Führungsebenen war somit ein konsequenter Schritt. Er wurde nach Verabschiedung der Holding-Balanced Scorecard vollzogen.
 
Akzeptanz und Umsetzungsgeschwindigkeit eines solchen Vorgehens hängen von zwei Faktoren ab: Einerseits braucht es eine klare Kommunikation der Ziele seitens des Vorstands. Andererseits muss man eine klare Auswahl derjenigen Ziele, Messgrösse und strategischen Aktionen treffen, die der Centerleiter aktiv beeinflussen kann. Die WSW AG wählte ein zweistufiges Verfahren, das Abbildung 3 und Abbildung 4 illustrieren.
 
{| class="wikitable" border="1"
|-
| [[Datei:Ausschnitt einer Zielvereinbarung zwischen Vorstand und Centerleitung.JPG|540px|thumb|Abb. 4: Ausschnitt einer Zielvereinbarung zwischen Vorstand und Centerleitung]]
| [[Datei:Dokumentation der strategischen Ziele am Beispiel der Potenzialperspektive 2.JPG|535px|thumb|Abb. 3: Dokumentation der strategischen Ziele am Beispiel der Potenzialperspektive (2)]]
|}
 
== Herunterbrechen der Balanced-Scorecard-Ziele ==
Unmittelbar im Anschluss an den ersten Zielvereinbarungsprozess zwischen Vorstand und Centerleitung begann das Projektteam damit, weitere Balanced Scorecards auf Centerebene zu erarbeiten und umzusetzen. Das Controlling stand dabei als Methodenlieferant und Moderator beratend zur Verfügung.
 
Parallel zum Roll-out der Balanced Scorecards auf Center-Ebene startete man mit dem Aufbau eines pragmatischen Berichtswesens zur laufenden Verfolgung der Balanced-Scorecard-Ziele. Am Ende dieser Projektphase sollte ein abgestimmter und geschlossener Regelkreis zwischen strategischen Unternehmenszielen und abgeleiteten Zielvereinbarungen im Sinne eines mehrstufigen Plan-Ist-Vergleichs stehen.
Nach einer einjährigen „Probezeit“, um einen Überblick über die Datenqualität zu erhalten, wurde bei der WSW AG vereinbart, die strategischen Ziele und Messgrössen der Balanced Scorecards als Basis für ein neues Anreizsystem zu nutzen. Dieses sieht variable Vergütungskomponenten auch in der 2. Führungsebene vor.
 
== Lessons learned: Zusammenfassung der kritischen Erfolgsfaktoren für die WSW ==
Die Einführung der [[Balanced Scorecard]] bei der Wuppertaler Stadtwerke AG bestätigte drei kritische Erfolgsfaktoren:
* Führungskräfte müssen die Balanced Scorecard leben. Sprich: Die Balanced Scorecard sollte Teil des Managementalltags sein. Dies lässt sich erreichen, wenn man die Balanced Scorecard mit den Instrumenten „Zielvereinbarung“ und „Berichtswesen“ eng verzahnt.
* Führungskräfte müssen die Balanced Scorecard leben. Sprich: Die Balanced Scorecard sollte Teil des Managementalltags sein. Dies lässt sich erreichen, wenn man die Balanced Scorecard mit den Instrumenten „Zielvereinbarung“ und „Berichtswesen“ eng verzahnt.
* Bei der ersten Einführung der Balanced Scorecard sollte man auf den Zwang zur Perfektion verzichten.
* Bei der ersten Einführung der Balanced Scorecard sollte man auf den Zwang zur Perfektion verzichten.

Version vom 8. April 2016, 09:29 Uhr

Geprüft: Positiv beurteilt

Unternehmen, die die Balanced Scorecard einsetzen, erkennen schnell, wie wichtig der Schritt vom einmaligen Aufbau hin zur dauerhaften Anwendung des Managementsystems ist. Mit der Entwicklung ist die Aufgabe nämlich längst nicht abgeschlossen - Die Einbettung ist ebenso wichtig. Das Fallbeispiel der Wuppertaler Stadtwerke AG zeigt dies eindrücklich. Die ausführliche Fallstudie ist im Buch Horvath & Partners zu finden. Daraus können folgende wichtige Schlussfolgerungen abgeleitet werden:

  • Führungskräfte müssen die Balanced Scorecard leben. Sprich: Die Balanced Scorecard sollte Teil des Managementalltags sein. Dies lässt sich erreichen, wenn man die Balanced Scorecard mit den Instrumenten „Zielvereinbarung“ und „Berichtswesen“ eng verzahnt.
  • Bei der ersten Einführung der Balanced Scorecard sollte man auf den Zwang zur Perfektion verzichten.
  • Bei der Auswahl der Messgrössen sollte kritisch der jeweilige Aufwand für die Ermittlung der Daten berücksichtigt und dem erwarteten Nutzen gegenüberstellt werden.

Quellen

  • Horvath & Partners (Hrsg.). (2007). Balanced Scorecard umsetzen (4. Auflage). Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag