Frédéric Berr: Unterschied zwischen den Versionen

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| Autor      = Frédéric Berr
| Autor      = Frédéric Berr
| Quelle      = Méthode S. 4
| Quelle      = Méthode S. 4
| Übersetzung = Nachdem man eingeatmet hat, darf man die Luft nicht unnütz verschwenden, man muss sie im Gegenteil in sich zurückbehalten und immer die Kontrolle über ihre Richtung und über das Mass der Luftführung, das der Ton fordert, haben...Anstatt die Luft in einer aufrechten Luftsäule, wie in einem Druckkolben zu  zu führen, verschwenden die meisten Künstler, die ein Blasinstrument spielen, die Luft zu schnell und in zu grosser Menge. Auf diese Weise können sie keinen lange ausgehltenen und stabil geführten Ton formen.
| Übersetzung = Nachdem man eingeatmet hat, darf man die Luft nicht unnütz verschwenden, man muss sie im Gegenteil in sich zurückbehalten und immer die Kontrolle über ihre Richtung und über die Menge der Luft, die der [gespielte] Ton fordert, haben...Anstatt die Luft wie eine [fast stehenden] aufrechte Luftsäule, vergleichbar mit einem Druckkolben zu führen, verschwenden die meisten Künstler, die ein Blasinstrument spielen, die Luft zu schnell und in zu grosser Menge. Auf diese Weise können sie keinen lange ausgehltenen und stabil geführten Ton formen.
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| ref        = <ref>Frédéric Berr: ''Méthode complète de Clarinette adoptée au Conservatoire de Musique de Paris.'' Paris 1836.</ref>
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== Inhalte und Excerpte der "Méthode" ==
=== Cromatische Grifftabelle, 13-Klappen klarinette (TABULATURE DE LA GAMME CHROMATIQUE DE LA CALRINETTE A 13 CLÉS) ===
Einteilung des Tonumfanges in Chalumeau (e bis fis'', Griff mit Seitenklappe), Mittellage (fis' als Gabelgriff bis b''), Klarinlage h' bis cis''', alles offen ausser Daumen und Überblasklappe) und hohe Lage (cis bis g mit bestimmten FIngersätzen gis'' bis c''' ohne zu fixierende Fingersätze)
Alle Griffe, auch dei früher gebräuchlihcen Gabelgriffe werden aufgezeigt.
===Einführung (INTRODUCTION) ===
Nach einer kurzen Zusammenfassung der Geschichte der Klarinette geht Berr auf die Thematik des "Übersich-" und "Untersichblasens" ein und begründet den Fortschritt vieler französischer Klarinettisten mit der Einführung am "Conservatoire de Musique de Paris" mit der Methode des Untersichblasens.
=== Vom Blatt und vom Mundstück (DU BEC ET DE L'ANCHE) ===
==== Mundstück ====
Am wichtigsten ist die Symmetrie der beiden Schenkel des Mundstückes, welche in entscheidendem Mass die Klangqualität beeinflusst. Deshalb ist es [bei Holzmundstücken] wichtig, diese Symmetrie immer wieder zu kontrollieren.
==== Blatt ====
Es können keine präzisen Angaben über die Form und Stärke des Blattes gegeben werden. Das Blatt muss immer der Mundstückfromn, den Lippen und der Kraft des Bläsers anpgepasst sein.
==== Ansatz ====
Berr erwähnt nocheinmal die Pistion des Blattes: er findet es erstaunlihcm dass in Frankreich so lange an der Tradition des Übersichblasens festgehlaten worden ist, sind doch die Vorteile des "Untersichblasens" evident:
* bessere Kontrolle über die Schwingung des Blattes, da die Unterlippe kräftiger ist.
* Der Ansatz ermüdet weniger schnell.
* Das Blatt ist für dei Artikulaiton mit der Zunge in günstiger Position, es wird von der Zunge auf natürliche Art berührt.
=== Allgemeine Körperhaltung und Hatearbeit (POSITION DU CORPS ET MANIÈRE DE TENIR LA VCLARINETTE)
==== Allgemeine Körperhaltung ====
Man muss den Kopf gerade halten, die bleibt Brust in neutraler Stellung um die Bewegung der Lungen zu erleichtern. Der Körper muss stabil und unbeweglich bleiben; Bewegungen der Ellbogen sind schädlich für die Ausübung (des Klarinettenspiels).
Beim Notenlesen müssen die Noten auf Augnhöhe platziert werden [!].
==== Haltearbeit ====
Das Gewicht des Instrumentes liegt zum Teil auf der linken Hand, die rechte Hand hält die Klarinette in einer Position, die mit dem Körper des Spielers einen Winkel von 40° bildet.
==== Hände, Hangeleke und Finger ====
Die Hände ruhen ohne Verspannung auf dem Instrument, die Handgelenke sind etwas abgerundet und die Finger sind leicht gebogen. Wenn sich die Finger heben, dürfen sie nur 2 bis 3 cm gehoben werden. Um die Tonlöcher wieder zu schliessen, werden sie fallen gelassen, sie dürfen nicht auf das Instrument schlagen.
[Anschliessend wird die Position der Finger und den ihnen zugeordneten Tonlöchern und Klappen beschrieben.]
=== Tonbildung (FORMATION DU SON) ===
==== Toneinesatz, Ansprache ====
Siehe auch [[Toneinsatz, Ansprache]]
[[Frédéric Berr]] beschreibt in seiner Méthode<ref name="Frédéric Berr">{{Literatur | Autor=Frédéric Berr | Titel=Méthode complète de clarinette adoptée au conservatoire de Musique de Paris| Verlag=Messonier| Ort=Paris | Jahr=1863 | }}</ref> die Zungenartikulation, die er für jeden Toneinsatz empfiehlt, wie folgt:
{{Zitat
| Text        = Pour exprimer le bruit produit par le coup de langue, on a dit à tort, que celui qui l'exécute fait entendre les syllabes TU TU. On pourrait peindre l'action de la langue en disant qu'elle semble rejeter de la bouche un petit bout de file lorsqu'elle dirige l'air dans l'instrument.
| Autor      = Frédéric Berr
| Quelle      = Méthode complète S. 3
| Übersetzung = Das Geräusch <nowiki>[</nowiki>die Silbe<nowiki>]</nowiki>, welches der Zungenschlag <nowiki>[</nowiki>die Zungenbewegung bei der Artikulation eines Tones<nowiki>]</nowiki> ausführt, hat man fälschlicherweise mit
der Silbe TÜ TÜ beschrieben. Man könnte die Zungenbewegung wie folgt umschreiben: die Zunge bewegt sich so, wie wenn sie ein kleines Stück Faden aus dem Mund entfernen [spicken] wollte, und zwar in dem Moment, wo sie die Luft ins Instrument leitet.
| lang        = fr
| ref        = <ref name="Frédéric Berr"></ref>
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==== Kommentar und Übung ohne Instrument ====
Die Beschreibung von Frédéric Berr nimmt Bezug auf die Méthode von [[Jean-Xavier Lefèvre#Article VI Artikulation| Jean-Xavier Lefèvre]], wo jeder Toneinsatz mit der Silbe TÜ artikuliert werden soll. Dies ist so zu erklären, dass dies bei Lefèvres [[Ansatz, traditionelle Formen#"Übersichblasen"|Ansatzform]] notwendig war, um einen klaren Toneinsatz produzieren zu können; die Zunge kam kaum mit dem Blatt in Berührung sondern konnte lediglich den Zwischenraum zwischen Blatt und Mundstück verschliessen und wieder öffnen.
Berr's bildliche Darstellung ist bestens geeignet, sich den Bewegungsablauf beim Toneinsatz ohne Instrument zu vergegenwärtigen. Vier vorbereitende Schritte sind zu befolgen, um an fünfter Stelle die Aktion – wahrgenommen als Toneinsatz -  abzuschliessen:
:1. Sensibilisierung der Zunge
Durch die Aufmerksamkeit auf ein kleines Stück Faden - ein sehr dünner Gegenstand, den es mit viel "Fingerspitzengefühl" mit der Zunge abzutasten und zu lokalisieren gilt - lenkt Berr in der Wahrnehmung auf die Zungenspitze. Ist der kleine Fremdkörper auf der Zunge lokalisiert, wird er mit der Zungenspitze, vorbereitend für die kleine Expulsion, an den Innenrand der Oberlippe gebracht. Dieser Vorgang beeinflusst Zungenform und -Position.
:2. Sensibilisierung der Oberlippe
Eine Stelle an der Oberlippe eignet sich viel besser für die Expulsion wie eine Stelle an der Unterlippe, was durch Probieren sofort klar wird. Dadurch entsteht eine Verbindung zur Tradition des [[Ansatz, traditionelle Formen#„Untersichblasen“ als Doppellippenansatz|Doppellippenansatz]]es, der zur Zeit Berr's üblich war: Die Oberlippe wird heruntergezogen und bedeckt zumindest die Frontseite der vorderen Zähne. Zungenspitze und Oberlippe nähern sich gegenseitig an. Diese Aktivierung der Oberlippe wird gewinnbringend auch beim einfachen Ansatz eingesetzt.
:3. Einheit von Zunge und Ansatz
Damit das "Herausspicken" des kleinen Stückes Faden gelingt, müssen die Lippen eine kleine Öffnung des Mundes formen. Die Zungenspitze bringt den kleinen Gegenstand genau vor die Mundöffnung.
:4. Einheit von Zungenbewegung und Luftführung
Ist das kleine Stück Faden am richtigen Ort vor der Mundöffnung platziert, wird es durch zwei genau zu koordinierende Bewegungen aus dem Mund gespickt: die Zunge zieht sich ein wenig zurück, genau im selben Moment muss der Luftstrom einsetzten, um den Faden weg von der Zunge, hinaus zu tragen. Die Kraft des Luftstromes kann dabei von sehr unterschiedlich dosiert werden. 
:5. Aktion
Um die Aktion erfolgreich zu beenden - der kleine Faden soll sicher aus dem Mund entfernt werden - ist der Luftdruck vor dem Zurückziehen der Zunge herzustellen. Dies gelingt dadurch, dass die Zunge die Mundöffnung noch verschliesst, während die Luftführung bereits eingesetzt hat. Das Zurückziehen der Zunge ermöglicht das Austreten der Luft, welche den kleinen Faden aus dem Mund schleudern wird.
Nachdem beide Lippen über die Zähne gezogen worden sind, bringt man das Mundstück zum Mund, so dass das Blatt auf der Unterlippe liegt, während die Oberlippe etwa auf der Mitte des abgeschrägten Teils des Mundstückes ruht.
Der von beiden Lippen auf das Mundstück ausgeübte Druck muss ausreichen, um zu verhindern, dass Luft bei den Mundwinkeln austritt; sollte man diesen Druck ungeschickt erhöhen, würde das zu stark gepresste Blatt nicht mehr frei schwingen.
„Die Klarinettisten aus Deutschland waren über längere Zeit überlegen, die kann zum grossen Teil darauf zurückgeführt werden, dass sie das Blatt „unter sich Blasen“. Joseph Beer, Virtuose am Hofe des Preussischen König, gründete Ende des 18. Jhd. ein Klarinettenschule, aus der mehrere herausragende Künstler hervor gingen, denen auch [Heinrich] Barmann zählte, der 1818 nach Paris kam und dessen Talent grosse Anerkennung fand; Es ist bemerkenswert, dass die unermesslichen Vorteile des „Untersichblasen“ damals nicht verstanden wurden.
Seit der Einführung dieser neuen Methode am Konservatorium und seit den kontinuierlichen Weiterentwicklungen und [Verbesserungen] die der Instrumentenbau hervorbrachte, konnte eine deutliche Verbesserung des Spiels und des Stils der französischen Klarinettisten festgestellt werden.
[In seinem „Traité“ beschreibt Berr die Vorteile des „Untersichblasens“ bezüglich der dynamischen Flexibilität:
« Ca permet une grande fléxibilté de dynamique; forte avec beaucoup de force, piano écho avec tant de douceur qu’ on aurait cru que les sons venait d’une salle voisine » (Berr ; Traite, 1836, p.8)
(Berr, Mimart 1837/1907, P.4)
Die Thematik (Blatt auf dem  Mundstück nach oben oder nach unten) ist im Zusammenhang mit der « Méthode de clarinette» von Jean Xavier Lefèvre (Paris, 1802) zu betrachten. Von einer neunköpfigen künstlerischen Kommission des Conservatoire de Musique unter der Leitung des administrativen Direktors und Gründers Bernard Sarrette wurde Jean Xavier Lefèvre, ausgewählt und beauftragt, eine « Méthode de clarinette…pour servir dans cet institut „ zu verfassen. Ein Jahr später, 1802, wurde die Methode von Lefèvre nach einer Prüfung durch die Kommission zum Kanon des Klarinettenspiels in Paris bestimmt. Lefèvre schreibt einen Ansatz vor, bei welchem das Mundstück das Blatt die Oberlippe, und das Mundstück die Unterlippe berührt. Man war damals überzeugt, dass auf diese Weise die unübertroffene Qualität der Klarinette, den Gesang nachahmen zu können, am besten erreicht werden konnte. Die Leitung des Conservatoires hatte den zentralistischen Anspruch, allgemeingültige Lehrwerke zu publizieren.
„Die Sammlung der musikalischen Wissenschaft im Conservatoire bezweckte nicht Einheit an sich, sondern galt der Beherrschung der Praxis. Sie setzte eine Beurteilungsgrundlage für alle Themen des Lehrbetriebs, die für ganz Frankreich verbindlich war und die ganz Europa zum Modell hingestellt wurde. (Oliver Vogel; Der romantische Weg im Frühwerk von Hector Berlioz, 2003)
 
Um einen Ton auf der Klarinette zu erzeugen muss man:
Das Mundstück wie oben beschrieben ansetzten, etwas Luft einatmen und diese durch einen Zungenstoss am oberen Teil Blattes in das Instrument führen; die Bewegung der Zunge könnte mit derjenigen eins Wegspuckens eines kleines Stück Fadens aus dem Mund vergleichen.
Nachdem man die Luft eingeatmet hat, darf man diese nicht unnötig verschwenden, man muss sie im Gegenteil immer zur Verfügung behalten und Der Ausführende muss die Richtung und die Kraft der Luft immer entsprechend dem zu spielendem Ton [Tonhöhe und Lautstärke] angepasst sein.
(Berr, Mimart 1837/1907, P.4)


== Einzelnachweise==
== Einzelnachweise==
<references />
<references />

Version vom 18. August 2014, 15:44 Uhr

Frédéric Berr[1][1], 1794 in Mannheim geboren, erhielt im Alter von sechs Jahren seinen ersten Unterricht auf der Violine von seinem Vater Jacob Berr. Später lernte er auch Flöte und Fagott, das über längere Zeit Berrs bevorzugtes Instrument bleiben sollte. Schon mit 16 Jahren wurde er von seinem Vater in die Dienste des 39. französischen Infanterieregimentes in Landau geschickt. Bald sah er sich dort in leitender Funktion, so musste er sich auch dem Studium der Klarinette widmen, denn von der Klarinette aus wurden die Militärkapellen dirigiert. Nach vielen Dienstjahren in der Militärmusik Napoleons gelang es ihm, in Paris Fuss zu fassen, wo er 1831 bis 1838 als Nachfolger von Jean-Xavier Lefèvre im Conservatoire de Paris unterrichte. 1836 veröffentlichte er zwei grosse pädagogische Werke für Klarinette: die "Méthode" [2] und das sehr umfrangreiche "Traité"[2]. Mit seinen Erfahrungen als Violinist, die er auf die Klarinette zu übertragen wusste, gelangte er durch sein vielgerühmtes Spiel als Soloklarinettist im Théatre Italien zu hohem Ansehen. Als Komponist bildete er sich vorerst autodidaktisch aus, später erhielt er Unterricht von François-Joseph Fétis und Anton Reicha. Sein kompositorisches Schaffen umfasst ca. 500 Werke, vorwiegend Musik für grössere Harmoniebesetzungen und Kammermusik mit Bläsern.

Frédéric Berr führte das „Untersichblasen“ als neue Ansatz-Methode am Pariser Konservatorium ein. Seine „Méthode“ enthält neben differnziert erläuterten Themen der Klarintettendidaktik i den zahlreiche Duetten wertvolles stilistisches Übungsmaterial.

Musikalisch-ästhetische Grundsätze

Während sich Jean-Xavier Lefèvre, Berrs Vorgänger am Conservatoire de Paris, bei seinen musikalisch-ästhetischen Grundsätzen mit Begeisterung und viel Idealismus an der griechischen Antike orientierte, schien sich die Realität - was die Klangästhetik betrifft - nicht immer nach seinen Wunschvorstellungen zu entwickeln. Anlässlich eines Konzertes am Conservtoire de Musique de Paris kritisiert Mendelssohn Lefèvres Schüler I. F. Dacosta. Er schreibt 1832 in einem Brief an Zelter:

„[...]die erste Clarinette, die schreit und einen steifen, nicht angenehmen Vortrag und Ton hat[[...]“

Felix Mendelssohn: Brief an Zelter, 15. Februar 1832[3]


Frédéric Berr dürfte das französische Klarinettenspiel ähnlich kritisch beurteilt haben. Er stand den verschiedenen nationalen Entwicklungen und Traditionen wohl offener wie manch in Paris ausgebildeter Klarinettist gegenüber. Auf der ersten Seite seiner "Méthode" beschreibt er die Vorzüge von Heinrich Baermanns Klarinettenspiel, das in Paris 1818 mit Begeisterung aufgenommen wurde. Berr führte die erstaunlichen klanglichen und dynamischen Möglichkeiten, welche damals viele deutsche Klarinettisten auszeichnete, auf seine Ansatztechnik zurück. Er stellte die Verbindung zu Baermanns Lehrer, Joseph Beer her. Im Gegensatz zu dem im Conservatoire de Paris vorgeschriebenem "Übersichblasen" pflegte dessen Schule mit grossem Erfolg das "Untersichblasen" die nun Frédéric Berr auch in Paris einführte. Er warnte aber gleichzeitig davor, wenn nun mit dem Blatt nach unten gespielt würde, nicht auf das Mundstück zu beissen und zu leichte Blätter zu spielen, wie es viele deutsche Klarinettisten tun würden (Méthode S.3)

Iwan Müllers Erfindungen, die zu einer "Clarinette omnitonique" führten, haten die tonartliche Beweglichkeit zum Ziel. Zusätzliche Klappen ersetzten die komplizierten Gabelgriffe durch einfachere Fingersätze, viele Figuren liessen sich nun einfacher spielen. Die neuen Griffe waren auch klanglich kräftiger und stabiler wie die Gabelgriffe, insbesondere f’ und fis’, unvergleichlich besser wurde die Intonation von h. Diese Neuerungen kamen Frédéric Berrs Vorstellungen einer klanglich ausgeglichenen Skala - so wie er es von der Violine her kannte – entgegen.

Didaktischer Kanon

Vorbild Gesang

Folgendes Zitat weist daruf hin, dass sich Berr und Lefèvre in den Idealvorstellungen eines guten Klarinettnunterrichtes sehr nahe standen. (vgl. Jean-Xavier Lefèvre, didaktischer Kanon)

„Le plus beau timbre est celui qui réunit la douceur à l’éclat[...]On se formera l’oreille par l’habitude d’entendre avec étude les belles voix ou les instruments, qui sont parvenus à les imiter, car la voix humaine est le plus beau de tous les instruments. »“

„Am schönsten ist dasjenige Timbre, das Sanftheit mit Leuchten vereint...Man wird sich das Gehör dadurch schulen, [mit analytischen Geist] schönen Stimmen, oder Instrumenten, welche die Stimmen gut imitieren zu können, zuzuhören. Denn die menschliche Stimme ist das schönste aller Isntrumente.“

Frédéric Berr: Traité[4] </ref>

Luftfühurng und Klangqualität

Frédéric Berr ist der erste Klarinettenpädagoge, der in seiner "Méthode" die Thematik der Luftfühung näher beleuchtet.

„Après avoir aspiré d’air il ne faut pas le dépenser inutilement, on doit au contraire le conserver à sa disposition et rester toujours maître de sa direction et du degré de force que le son exige...Au lieu de conduire l'aire en collone droite comme on le ferait avec un piston, la pluspart des artistes qui joueat des instruments à vent, dépensent tout de suite, en l'expirant en gerbe, et ils ne peuvent former des sons Egeaux et de longue durée; des sons droits.“

„Nachdem man eingeatmet hat, darf man die Luft nicht unnütz verschwenden, man muss sie im Gegenteil in sich zurückbehalten und immer die Kontrolle über ihre Richtung und über die Menge der Luft, die der [gespielte] Ton fordert, haben...Anstatt die Luft wie eine [fast stehenden] aufrechte Luftsäule, vergleichbar mit einem Druckkolben zu führen, verschwenden die meisten Künstler, die ein Blasinstrument spielen, die Luft zu schnell und in zu grosser Menge. Auf diese Weise können sie keinen lange ausgehltenen und stabil geführten Ton formen.“

Frédéric Berr: Méthode S. 4[5]

Frühere, aber auch spätere Unterrichtswerke legen das Hauptgewicht der Tonbildung in die Ansatzformung (siehe Carl Baermann, Clarinettschule: "Der Ansatz ist für die Tonbildung das wichtigste, ja er ist eigentlich die Tonbildung selbst").

Neben der absoluten Kontrolle über die Menge der verwendeten Luft erwähnt Berr den Hinweis der Richtung, in der die luft geführt werden muss. Er stellt dadurch eine enge Verbidung zwischen Fingerbewegungen und Luftführung her:

„...Mais on an remarqué que l'air lancé dan sl'instrument en suivant la ligne perpendiculaire inferieure ne procurait point une qualité de sonaussi bonne que lorsqu'il suivait la ligne superieure, c'est-à-dire lorsque la colonne d'aire passe sous les doits.“

Frédéric Berr: Méthode S. 4[6]

Inhalte und Excerpte der "Méthode"

Cromatische Grifftabelle, 13-Klappen klarinette (TABULATURE DE LA GAMME CHROMATIQUE DE LA CALRINETTE A 13 CLÉS)

Einteilung des Tonumfanges in Chalumeau (e bis fis, Griff mit Seitenklappe), Mittellage (fis' als Gabelgriff bis b), Klarinlage h' bis cis, alles offen ausser Daumen und Überblasklappe) und hohe Lage (cis bis g mit bestimmten FIngersätzen gis bis c ohne zu fixierende Fingersätze)

Alle Griffe, auch dei früher gebräuchlihcen Gabelgriffe werden aufgezeigt.


Einführung (INTRODUCTION)

Nach einer kurzen Zusammenfassung der Geschichte der Klarinette geht Berr auf die Thematik des "Übersich-" und "Untersichblasens" ein und begründet den Fortschritt vieler französischer Klarinettisten mit der Einführung am "Conservatoire de Musique de Paris" mit der Methode des Untersichblasens.

Vom Blatt und vom Mundstück (DU BEC ET DE L'ANCHE)

Mundstück

Am wichtigsten ist die Symmetrie der beiden Schenkel des Mundstückes, welche in entscheidendem Mass die Klangqualität beeinflusst. Deshalb ist es [bei Holzmundstücken] wichtig, diese Symmetrie immer wieder zu kontrollieren.

Blatt

Es können keine präzisen Angaben über die Form und Stärke des Blattes gegeben werden. Das Blatt muss immer der Mundstückfromn, den Lippen und der Kraft des Bläsers anpgepasst sein.

Ansatz

Berr erwähnt nocheinmal die Pistion des Blattes: er findet es erstaunlihcm dass in Frankreich so lange an der Tradition des Übersichblasens festgehlaten worden ist, sind doch die Vorteile des "Untersichblasens" evident:

  • bessere Kontrolle über die Schwingung des Blattes, da die Unterlippe kräftiger ist.
  • Der Ansatz ermüdet weniger schnell.
  • Das Blatt ist für dei Artikulaiton mit der Zunge in günstiger Position, es wird von der Zunge auf natürliche Art berührt.

=== Allgemeine Körperhaltung und Hatearbeit (POSITION DU CORPS ET MANIÈRE DE TENIR LA VCLARINETTE)

Allgemeine Körperhaltung

Man muss den Kopf gerade halten, die bleibt Brust in neutraler Stellung um die Bewegung der Lungen zu erleichtern. Der Körper muss stabil und unbeweglich bleiben; Bewegungen der Ellbogen sind schädlich für die Ausübung (des Klarinettenspiels). Beim Notenlesen müssen die Noten auf Augnhöhe platziert werden [!].

Haltearbeit

Das Gewicht des Instrumentes liegt zum Teil auf der linken Hand, die rechte Hand hält die Klarinette in einer Position, die mit dem Körper des Spielers einen Winkel von 40° bildet.

Hände, Hangeleke und Finger

Die Hände ruhen ohne Verspannung auf dem Instrument, die Handgelenke sind etwas abgerundet und die Finger sind leicht gebogen. Wenn sich die Finger heben, dürfen sie nur 2 bis 3 cm gehoben werden. Um die Tonlöcher wieder zu schliessen, werden sie fallen gelassen, sie dürfen nicht auf das Instrument schlagen. [Anschliessend wird die Position der Finger und den ihnen zugeordneten Tonlöchern und Klappen beschrieben.]

Tonbildung (FORMATION DU SON)

Toneinesatz, Ansprache

Siehe auch Toneinsatz, Ansprache Frédéric Berr beschreibt in seiner Méthode[7] die Zungenartikulation, die er für jeden Toneinsatz empfiehlt, wie folgt:

„Pour exprimer le bruit produit par le coup de langue, on a dit à tort, que celui qui l'exécute fait entendre les syllabes TU TU. On pourrait peindre l'action de la langue en disant qu'elle semble rejeter de la bouche un petit bout de file lorsqu'elle dirige l'air dans l'instrument.“

„Das Geräusch [die Silbe], welches der Zungenschlag [die Zungenbewegung bei der Artikulation eines Tones] ausführt, hat man fälschlicherweise mit der Silbe TÜ TÜ beschrieben. Man könnte die Zungenbewegung wie folgt umschreiben: die Zunge bewegt sich so, wie wenn sie ein kleines Stück Faden aus dem Mund entfernen [spicken] wollte, und zwar in dem Moment, wo sie die Luft ins Instrument leitet.“

Frédéric Berr: Méthode complète S. 3[7]

Kommentar und Übung ohne Instrument

Die Beschreibung von Frédéric Berr nimmt Bezug auf die Méthode von Jean-Xavier Lefèvre, wo jeder Toneinsatz mit der Silbe TÜ artikuliert werden soll. Dies ist so zu erklären, dass dies bei Lefèvres Ansatzform notwendig war, um einen klaren Toneinsatz produzieren zu können; die Zunge kam kaum mit dem Blatt in Berührung sondern konnte lediglich den Zwischenraum zwischen Blatt und Mundstück verschliessen und wieder öffnen.

Berr's bildliche Darstellung ist bestens geeignet, sich den Bewegungsablauf beim Toneinsatz ohne Instrument zu vergegenwärtigen. Vier vorbereitende Schritte sind zu befolgen, um an fünfter Stelle die Aktion – wahrgenommen als Toneinsatz - abzuschliessen:

1. Sensibilisierung der Zunge

Durch die Aufmerksamkeit auf ein kleines Stück Faden - ein sehr dünner Gegenstand, den es mit viel "Fingerspitzengefühl" mit der Zunge abzutasten und zu lokalisieren gilt - lenkt Berr in der Wahrnehmung auf die Zungenspitze. Ist der kleine Fremdkörper auf der Zunge lokalisiert, wird er mit der Zungenspitze, vorbereitend für die kleine Expulsion, an den Innenrand der Oberlippe gebracht. Dieser Vorgang beeinflusst Zungenform und -Position.

2. Sensibilisierung der Oberlippe

Eine Stelle an der Oberlippe eignet sich viel besser für die Expulsion wie eine Stelle an der Unterlippe, was durch Probieren sofort klar wird. Dadurch entsteht eine Verbindung zur Tradition des Doppellippenansatzes, der zur Zeit Berr's üblich war: Die Oberlippe wird heruntergezogen und bedeckt zumindest die Frontseite der vorderen Zähne. Zungenspitze und Oberlippe nähern sich gegenseitig an. Diese Aktivierung der Oberlippe wird gewinnbringend auch beim einfachen Ansatz eingesetzt.

3. Einheit von Zunge und Ansatz

Damit das "Herausspicken" des kleinen Stückes Faden gelingt, müssen die Lippen eine kleine Öffnung des Mundes formen. Die Zungenspitze bringt den kleinen Gegenstand genau vor die Mundöffnung.

4. Einheit von Zungenbewegung und Luftführung

Ist das kleine Stück Faden am richtigen Ort vor der Mundöffnung platziert, wird es durch zwei genau zu koordinierende Bewegungen aus dem Mund gespickt: die Zunge zieht sich ein wenig zurück, genau im selben Moment muss der Luftstrom einsetzten, um den Faden weg von der Zunge, hinaus zu tragen. Die Kraft des Luftstromes kann dabei von sehr unterschiedlich dosiert werden.

5. Aktion

Um die Aktion erfolgreich zu beenden - der kleine Faden soll sicher aus dem Mund entfernt werden - ist der Luftdruck vor dem Zurückziehen der Zunge herzustellen. Dies gelingt dadurch, dass die Zunge die Mundöffnung noch verschliesst, während die Luftführung bereits eingesetzt hat. Das Zurückziehen der Zunge ermöglicht das Austreten der Luft, welche den kleinen Faden aus dem Mund schleudern wird.



Nachdem beide Lippen über die Zähne gezogen worden sind, bringt man das Mundstück zum Mund, so dass das Blatt auf der Unterlippe liegt, während die Oberlippe etwa auf der Mitte des abgeschrägten Teils des Mundstückes ruht. Der von beiden Lippen auf das Mundstück ausgeübte Druck muss ausreichen, um zu verhindern, dass Luft bei den Mundwinkeln austritt; sollte man diesen Druck ungeschickt erhöhen, würde das zu stark gepresste Blatt nicht mehr frei schwingen.


„Die Klarinettisten aus Deutschland waren über längere Zeit überlegen, die kann zum grossen Teil darauf zurückgeführt werden, dass sie das Blatt „unter sich Blasen“. Joseph Beer, Virtuose am Hofe des Preussischen König, gründete Ende des 18. Jhd. ein Klarinettenschule, aus der mehrere herausragende Künstler hervor gingen, denen auch [Heinrich] Barmann zählte, der 1818 nach Paris kam und dessen Talent grosse Anerkennung fand; Es ist bemerkenswert, dass die unermesslichen Vorteile des „Untersichblasen“ damals nicht verstanden wurden. Seit der Einführung dieser neuen Methode am Konservatorium und seit den kontinuierlichen Weiterentwicklungen und [Verbesserungen] die der Instrumentenbau hervorbrachte, konnte eine deutliche Verbesserung des Spiels und des Stils der französischen Klarinettisten festgestellt werden. [In seinem „Traité“ beschreibt Berr die Vorteile des „Untersichblasens“ bezüglich der dynamischen Flexibilität: « Ca permet une grande fléxibilté de dynamique; forte avec beaucoup de force, piano écho avec tant de douceur qu’ on aurait cru que les sons venait d’une salle voisine » (Berr ; Traite, 1836, p.8)


(Berr, Mimart 1837/1907, P.4)

Die Thematik (Blatt auf dem Mundstück nach oben oder nach unten) ist im Zusammenhang mit der « Méthode de clarinette» von Jean Xavier Lefèvre (Paris, 1802) zu betrachten. Von einer neunköpfigen künstlerischen Kommission des Conservatoire de Musique unter der Leitung des administrativen Direktors und Gründers Bernard Sarrette wurde Jean Xavier Lefèvre, ausgewählt und beauftragt, eine « Méthode de clarinette…pour servir dans cet institut „ zu verfassen. Ein Jahr später, 1802, wurde die Methode von Lefèvre nach einer Prüfung durch die Kommission zum Kanon des Klarinettenspiels in Paris bestimmt. Lefèvre schreibt einen Ansatz vor, bei welchem das Mundstück das Blatt die Oberlippe, und das Mundstück die Unterlippe berührt. Man war damals überzeugt, dass auf diese Weise die unübertroffene Qualität der Klarinette, den Gesang nachahmen zu können, am besten erreicht werden konnte. Die Leitung des Conservatoires hatte den zentralistischen Anspruch, allgemeingültige Lehrwerke zu publizieren. „Die Sammlung der musikalischen Wissenschaft im Conservatoire bezweckte nicht Einheit an sich, sondern galt der Beherrschung der Praxis. Sie setzte eine Beurteilungsgrundlage für alle Themen des Lehrbetriebs, die für ganz Frankreich verbindlich war und die ganz Europa zum Modell hingestellt wurde. (Oliver Vogel; Der romantische Weg im Frühwerk von Hector Berlioz, 2003)


Um einen Ton auf der Klarinette zu erzeugen muss man: Das Mundstück wie oben beschrieben ansetzten, etwas Luft einatmen und diese durch einen Zungenstoss am oberen Teil Blattes in das Instrument führen; die Bewegung der Zunge könnte mit derjenigen eins Wegspuckens eines kleines Stück Fadens aus dem Mund vergleichen.

Nachdem man die Luft eingeatmet hat, darf man diese nicht unnötig verschwenden, man muss sie im Gegenteil immer zur Verfügung behalten und Der Ausführende muss die Richtung und die Kraft der Luft immer entsprechend dem zu spielendem Ton [Tonhöhe und Lautstärke] angepasst sein.


(Berr, Mimart 1837/1907, P.4)

Einzelnachweise

  1. François-Joseph Fétis: Biographie universelle des musiciens et bibliographie générale de la musique ; Tome 2ème Bruxelles 1835
  2. 2,0 2,1 Frédéric Berr: Méthode complète de Clarinette adoptée au Conservatoire de Musique de Paris. Paris 1836. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „Berr“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  3. Felix Mendelssohn, Brief an Zelter, 15. Februar 1832, in: David Charlton, Classical Clarinet Technique: Documentary Approaches. Early Music, Vol. 16, No. 3, Aug., 1988
  4. Frédéric Berr: Traité complet de la clarinette A quatorze clés, Manuel indispensable aux personnes qui professent cet instrumente e celles qui l’étudient, S. 27 Duverger, Paris 1836
  5. Frédéric Berr: Méthode complète de Clarinette adoptée au Conservatoire de Musique de Paris. Paris 1836.
  6. Frédéric Berr: Méthode complète de Clarinette adoptée au Conservatoire de Musique de Paris. Paris 1836.
  7. 7,0 7,1  Frédéric Berr: Méthode complète de clarinette adoptée au conservatoire de Musique de Paris. Messonier, Paris 1863.