Frédéric Berr

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Biografisches

1794 in Mannheim geboren, erhielt Frédéric Berr[1] im Alter von sechs Jahren von seinem Vater Jacob Berr den ersten Violinunterricht. Später lernte er zusätzlich Flöte und Fagott, welches über längere Zeit sein bevorzugtes Instrument blieb. Schon mit 16 Jahren trat er auf Drängen seines Vaters in die Dienste der Militärkapelle eines französischen Infanterieregimentes ein. Hier lernte er Klarinette, eine Notwendigkeit, um die ihm nach kurzer Zeit anvertraute leitende Funktion zu übernehmen.

1819 gelang es ihm in Paris Fuss zu fassen. Hier vertiefte er seine Fertigkeiten auf der Klarinette, verliess 1823 die Dienste der Armee und übernahm die Nachfolge von Giovanni Battista Gambaro als Soloklarinettist im Théatre Italien. Sein vielgerühmtes Spiel könnte wie bei Johann G. H. Backofen oder später bei Richard Mühlfeld auch mit seinen Kenntissen des Violinspiels zusammenhängen.

Er trat schliesslich die Nachfolge von Jean-Xavier Lefèvre im Conservatoire de Paris an und unterrichtete dort von 1831 bis 1838. Zu seinen Schülern am Conservatoire de Paris ist Hyacinthe Klosé zu nennen, dessen Méthode als Standard-Unterrichtswerk für die zusammen mit Lois-Auguste Buffet entwickelte "Clarinette à anneaux mobiles" internationale Anwendung gefunden hatte.

Als Komponist war Frédéric Berr vorerst Autodidakt, später erhielt er Unterricht von François-Joseph Fétis und Anton Reicha. Sein kompositorisches Schaffen umfasst ca. 500 Werke, vorwiegend Musik für grössere Harmoniebesetzungen und Kammermusik mit Bläsern.

Musikalisch-ästhetische Grundsätze

Während sich Jean-Xavier Lefèvre, Berrs Vorgänger am Conservatoire de Musique de Paris, bei seinen musikalisch-ästhetischen Grundsätzen mit Begeisterung und viel Idealismus an der griechischen Antike orientierte, schien sich die Realität - was die Klangästhetik betrifft - nicht immer nach seinen Wunschvorstellungen zu entwickeln. Anlässlich eines Konzertes am Conservatoire kritisierte Mendelssohn Lefèvres Schüler I. F. Dacosta. Er schrieb 1832 in einem Brief an Zelter:

„[...] die erste Clarinette, die schreit und einen steifen, nicht angenehmen Vortrag und Ton hat [...]“

Felix Mendelssohn: Brief an Zelter, 15. Februar 1832[2][3]

Frédéric Berr dürfte das französische Klarinettenspiel ähnlich kritisch beurteilt haben. Er stand den verschiedenen nationalen Entwicklungen und Traditionen wohl offener wie manch in Paris ausgebildeter Klarinettist gegenüber. Auf der ersten Seite seiner "Méthode" beschreibt er die Vorzüge von Heinrich Baermanns Klarinettenspiel, das in Paris 1818 mit Begeisterung aufgenommen wurde. Berr brachte die erstaunlichen klanglichen und dynamischen Möglichkeiten, welche damals viele deutsche Klarinettisten auszeichnete, mit der Ansatztechnik zurück und stellte auch die Verbindung zu Baermanns Lehrer, Joseph Beer her. Im Gegensatz zu dem im Conservatoire de Paris vorgeschriebenem "Übersichblasen" pflegte dessen Schule mit grossem Erfolg das "Untersichblasen" die nun Frédéric Berr auch in Paris einführte. Er warnte aber gleichzeitig davor, wenn nun mit dem Blatt nach unten gespielt würde, nicht zu leichte Blätter zu spielen und nicht auf das Mundstück zu beissen, wie dies viele deutsche Klarinettisten tun würden (Méthode S.3).

Iwan Müllers Erfindungen, die zu einer "Clarinette omnitonique" führten, hatten die tonartliche Beweglichkeit zum Ziel. Zusätzliche Klappen ersetzten die komplizierten Gabelgriffe durch einfachere Fingersätze, viele Figuren liessen sich nun ohne grösseen Übeaufwand spielen. Die neuen Griffe waren auch klanglich kräftiger und stabiler als die Gabelgriffe, insbesondere f’ und fis’, unvergleichlich besser wurde die Intonation von h. Diese Neuerungen kamen Frédéric Berrs Vorstellungen einer klanglich ausgeglichenen Skala - so wie er es von der Violine her kannte – entgegen.

Didaktischer Kanon

Vorbild Gesang

Folgendes Zitat weist darauf hin, dass sich Berr und Lefèvre in den Idealvorstellungen eines guten Klarinettenunterrichtes sehr nahe standen. (vgl. Jean-Xavier Lefèvre, didaktischer Kanon)

„Le plus beau timbre est celui qui réunit la douceur à l’éclat[...]On se formera l’oreille par l’habitude d’entendre avec étude les belles voix ou les instruments, qui sont parvenus à les imiter, car la voix humaine est le plus beau de tous les instruments.“

„Am schönsten ist dasjenige Timbre, das Sanftheit mit Leuchten vereint...Man wird sich das Gehör dadurch schulen, [mit analytischen Geist] schönen Stimmen, oder Instrumenten, welche die Stimmen gut imitieren zu können, zuzuhören. Denn die menschliche Stimme ist das schönste aller Instrumente.“

Frédéric Berr: Traité[4]

Die Unterrichtswerke: "Méthode" und "Traité"

1836 veröffentlichte Frédéric Berr zwei grosse pädagogische Werke für Klarinette: die "Méthode" [5] und das sehr umfangreiche "Traité"[4]. Frédéric Berr führte das „Untersichblasen“ als neue Ansatz-Methode am Pariser Konservatorium ein. Seine „Méthode“ enthält neben differenziert erläuterten Themen der Klarinettendidaktik zahlreiche Duette mit wertvollen musikalisch-stilistischen und instrumentaltechnischem Inhalten..

Diskussion der Ansatztechnik

Schon in der Einleitung seiner "Méthode complète de Clarinette" geht Frédéric Berr auf die Thematik des "Übersich-" und "Untersichblasens" ein. Er führt am COnservatoire de Paris das „Untersichblasen“ ein und begründet den Fortschritt vieler französischer Klarinettisten mit der Einführung dieser Methode. Diese Änderung der Ansatztechnik konnte sich erst etablieren, nachdem sich Jean-Xavier Lefèvre vom Berufsleben zurückgezogen hatte.

Die Thematik (Blatt auf dem Mundstück nach oben oder nach unten) ist im Zusammenhang mit der «Méthode de Clarinette» von Jean Xavier Lefèvre (Paris, 1802) zu betrachten. Von einer neunköpfigen künstlerischen Kommission des Conservatoire de Musique de Paris unter der Leitung des administrativen Direktors und Gründers Bernard Sarrette wurde Jean Xavier Lefèvre, ausgewählt und beauftragt, eine "Méthode de clarinette…pour servir dans cet institut" zu verfassen. Ein Jahr später, 1802, wurde die Méthode von Lefèvre nach einer Prüfung durch die Kommission zum Kanon des Klarinettenspiels in Paris bestimmt. Lefèvre schreibt einen Ansatz vor, bei welchem die Oberlippe das Blatt, und die Unterlippe das Mundstück berührt (siehe Übersichblasen). Man war damals überzeugt, dass auf diese Weise die unübertroffene Qualität der Klarinette, den Gesang nachahmen zu können, am besten erreicht werden konnte. Die Leitung des Conservatoires hatte den zentralistischen Anspruch, allgemeingültige Lehrwerke zu publizieren. So ist in den Betrachtungen von Oliver Vogel zu lesen: „Die Sammlung der musikalischen Wissenschaft im Conservatoire bezweckte nicht Einheit an sich, sondern galt der Beherrschung der Praxis. Sie setzte eine Beurteilungsgrundlage für alle Themen des Lehrbetriebs, die für ganz Frankreich verbindlich war und die ganz Europa zum Modell hingestellt wurde".[6] Dennoch ist es bemerkenswert, dass sich in Paris seit 1785 (siehe Méthode von Amand Vanderhagen) aussschliesslich eine Ansatztechnik halten konnte, während im deutschsprachigen Raum - wie im Lehrwerk von Johann Georg Heinrich Backofen dokumentiert - schon um 1803 verschiedene Ansatzformen nebeinander mit Erfolg praktiziert wurden.

Ansatzformung (Position de l'Embouchure)

"Untersichblasen", Doppellippenansatz

Siehe auch "Untersichblasen", Doppellippenansatz. Berr lehrt den Doppellippenansatz, mit Blatt nach unten. Im Zusammenhang mit dem in Paris vollzogenem Wechsel vom "Übersich"- zum "Untersichblasen" beschreibt Berr in seinem „Traité“ [4] die Vorteile des „Untersichblasens“ bezüglich der dynamischen Flexibilität:

„Ca permet une grande flexibilté de dynamique; forte avec beaucoup de force, piano écho avec tant de douceur qu’ on aurait cru que les sons venait d’une salle voisine »“

„Dies erlaubt ein grosse dynamische Flexibilität; Das Forte hat viel Kraft, das piano echo lässt sich so zart spielen, als glaubte man, der Klange käme von einem benachbarten Zimmer.“

Frédéric Berr: Traité, S.8[4]

Der Kontakt Zähne/Mundstück muss jedoch vermieden werden, dies würde die Klangqualität beeinträchtigen.

Unter- und Oberlippe

Wichtig sind folgende Hinweise

  • Die Unterlippe bedeckt die Zähne, liegt aber nicht waagrecht auf den Zähnen, sondern bildet, vor der Zahnreihe ein Kissen, worauf das Blatt zu liegen kommt.
  • Die Oberlippe umhüllt das Mundstück, es darf nie auf das Mundstück gebissen werden.

Ansatzdruck

Weitere Hinweise betreffend Ansatzdruck sind hier wiedergegeben:

„La pression totale des deux lèvres sur le bec doit suffire à empêcher l’air de s’échapper par les coins de la bouche; si l’on augmentait maladroitement cette pression, l’anche trop comprimée ne pourrait plus vibrer. [...] La positions des lèvres étant fixée, elle ne doivent point participer aux changemenats des doigts, ni se reserrer pour obtnenir les sons aigus, ni se rlacher si on veut produire des sons graves. [...] C'est donc par la direction plus ou moins renforcée de la colonne d'air que les sons aigus et les tons graves reçoivent le degré de force et de vibration nécessaires. [...] Les quatre régistres de l'instrument doivent être parcourue avec la même égalité, sans doner plus de force avec les lèvres.“

„Der von beiden Lippen auf das Mundstück ausgeübte Druck muss ausreichen, um zu verhindern, dass Luft bei den Mundwinkeln austritt; sollte man diesen Druck ungeschickt erhöhen, würde das zu stark gepresste Blatt nicht mehr frei schwingen [...] Die Position und der Druck der Lippen bleiben stabil, unabhängig von den Fingerbewegungen und unabhängig von der Tonhöhe. [...] Es ist die Luftführung, nicht der Ansatzdruck, der je nach Tonhöhe zu modifizieren ist. [...] Die vier Register des Instrumnetes müssen mit ausgeglichen gespielt werden, ohne men Ansatzdruck zu ändern. [...]“

Frédéric Berr: Méthode S.12 und 13[4].
Quietschen

Es ist nicht empfehlenswert stärkere Blätter zu spielen, um die hohen Töne besser anspielen zu können. Wird ein zu strenges Blatt mit zu viel Druck gegen das Mundstück gepresst, gibt es keine genügend grosse Öffnung mehr, um die Luft durchströmen zu lassen. Die Luft wird mit zu viel Kraft durch das Instrument gestossen, staut sich vor dem Blatt und bringt dieses zum Quietschen.

Dadurch stellt Berr einen Zusammenhang zwischen Ansatzdruck und Luftführung her - zwei Parameter, die in ausgeglichener Balance zueinander stehen müssen. Wird auf das "Zuviel Luft" durch höheren Ansatzdruck reagiert, entsteht die Gefahr des Quietschens. Der in der Gesangstechnik bereits verwendete Begriff des Appogio (siehe Atemstütze und [5]) fand noch keinen Eingang in die Unterrichtswerke um 1830, dürfte aber in Berrs Unterrichtspraxis Anwendung gefunden haben. Ohne regulierende Kräfte der Atem- und Atemhilfsmuskulatur war es nicht möglich, die beschriebenen Anweisungen der Luftführung umzusetzen und gute klangliche Resultate zu erreichen.



Vom Blatt und vom Mundstück

Mundstück

Am wichtigsten ist die Symmetrie der beiden Schenkel des Mundstückes, welche in entscheidendem Mass die Klangqualität beeinflusst. Deshalb ist es [bei Holzmundstücken] wichtig, diese Symmetrie immer wieder zu kontrollieren.

Blatt

Berr gibt bewusst keine präzisen Angaben über die Form und Stärke des Blattes. Das Blatt muss immer den Ausmassen des Mundstücks, den Lippen und der Kraft des Bläsers angepasst sein.

Allgemeine Körperhaltung

Spielhaltung

Man muss den Kopf gerade halten, die Brust bleibt in neutraler Stellung, um die Bewegung der Lungen zu erleichtern. Der Körper muss stabil und unbeweglich bleiben; Bewegungen der Ellbogen sind schädlich für die Ausübung (des Klarinettenspiels). Beim Notenlesen müssen die Noten auf Augenhöhe platziert werden [!].

Haltearbeit

Das Gewicht des Instrumentes liegt zum Teil auf der linken Hand, die rechte Hand hält die Klarinette in einer Position, die mit dem Körper des Spielers einen Winkel von 40° bildet.

Hände, Handgelenke und Finger

Die Hände ruhen ohne Verspannung auf dem Instrument, die Handgelenke sind etwas abgerundet und die Finger sind leicht gebogen. Die Finger dürfen beim Öffnen nur 2 bis 3 cm über die Tonlöcher angehoben werden. Um die Tonlöcher wieder zu schliessen, werden sie fallen gelassen, sie dürfen nicht auf das Instrument schlagen.

Taktiles Gefühl

Frédéric Berr bringt die Fingertechnik in Zusammenhang mit der Luftführung. Fingerbewegungen, Luftführung und Instrumentenklang sollen eine Einheit bilden. Durch die geschickte Kombination der Bewegung der Finger mit der Tonbildung [Luftführung] erreicht der Klarinettist hervorragende Resultate. Siehe Luftführung und Fingerbewegung

Luftführung, Fingerbewegung und Klangqualität

Dosieren der Luft

Frédéric Berr ist der erste Klarinettenpädagoge, der in seiner "Méthode" die Thematik der Luftführung näher beleuchtet.

„Après avoir aspiré d’air il ne faut pas le dépenser inutilement, on doit au contraire le conserver à sa disposition et rester toujours maître de sa direction et du degré de force que le son exige...Au lieu de conduire l'aire en colonne droite comme on le ferait avec un piston, la pluspart des artistes qui joueat des instruments à vent, dépensent tout de suite, en l'expirant en gerbe, et ils ne peuvent former des sons égaux et de longue durée; des sons droits.“

„Nachdem man eingeatmet hat, darf man die Luft nicht unnütz verschwenden, man muss sie im Gegenteil in sich zurückbehalten und immer die Kontrolle über ihre Richtung und über die Menge der Luft, die der [gespielte] Ton fordert, haben...Anstatt die Luft wie eine [fast stehenden] aufrechte Luftsäule, vergleichbar mit einem Druckkolben zu führen, verschwenden die meisten Künstler, die ein Blasinstrument spielen, die Luft zu schnell und in zu grosser Menge. Auf diese Weise können sie keinen lange ausgehaltenen und stabil geführten Ton formen.“

Frédéric Berr: Méthode S. 4[5]

Um eine optimale Klangentwicklung und musikalische Gestaltung zu erreichen, muss die Luftmenge bewusst dosiert werden können und jederzeit verfügbar sein. Diese Dosierung richtet sich nach der Dynamik und der aktuellen Register- und Tonlage (siehe Fritz Winckel, optimaler Betriebsdruck).



Richtung des Luftstromes

Zusätzlich - oder um dieses "Dosieren" umzusetzen - hebt Berr als wichtiges klangformendes Mittel die Richtung hervor, in der die Luft geführt werden muss (siehe auch Paolo Beltramini). Er stellt dadurch eine enge Verbindung zwischen Fingerbewegungen und Luftführung her:

„...Mais on an remarqué que l'air lancé dans l'instrument en suivant la ligne perpendiculaire inferieure ne procurait point une qualité de son aussi bonne que lorsqu'il suivait la ligne supérieure, c'est-à-dire lorsque la colonne d'aire passe sous les doits.“

„Wir haben bemerkt, dass eine Luftführung, die direkt unter die Fingerkuppen gelenkt wird, also nicht in die Mitte der Innenbohrung der Klarinette, sondern entlang der oberen Innenwand, eine deutlich bessere Klangqualität hervorbringt.“

Frédéric Berr: Méthode S. 4[5]



Luftführung (Diriger le Souffle) und Fingerbewegung

Berr setzt sich also nicht nur mit der Luftmenge, die zum Ansatz geführt wird und zur Aktivierung der Luftsäule notwendig ist auseinander, er stellt auch eine enge sensitive Verbindung zwischen Luftführung und Fingerbewegung her. Das taktile Gefühl der Finger muss demjenigen eines Pianisten gleichen, dem es durch Ausdruck und Feinfühligkeit gelingt, jeden auf jeder Taste gegebenen Ton zu nuancieren und zu gestalten. Das Begriffspaar "Ausdruck und Feinfühligkeit" weist auf die stetige Wechselwirkung von Aktion (=Ausdruck) und Rezeption durch taktile, kinästhetische und auditive Wahrnehmung (=Feinfühligkeit) beim Instrumentalspiel hin.

Frühere, aber auch spätere Unterrichtswerke legen das Hauptgewicht der Tonbildung in die Ansatzformung (siehe Carl Baermann 1861 Clarinettschule, S. 5: "Der Ansatz ist für die Tonbildung das wichtigste, ja er ist eigentlich die Tonbildung selbst").

Zungenartikulation (Coup de Langue), Toneinsatz

„Pour exprimer le bruit produit par le coup de langue, on a dit à tort, que celui qui l'exécute fait entendre les syllabes TU TU. On pourrait peindre l'action de la langue en disant qu'elle semble rejeter de la bouche un petit bout de file lorsqu'elle dirige l'air dans l'instrument.“

„Das Geräusch [die Silbe], welches der Zungenschlag [die Zungenbewegung bei der Artikulation eines Tones] ausführt, hat man fälschlicherweise mit der Silbe TÜ TÜ beschrieben. Man könnte die Zungenbewegung wie folgt umschreiben: die Zunge bewegt sich so, wie wenn sie ein kleines Stück Faden aus dem Mund entfernen [spicken] wollte, und zwar in dem Moment, wo sie die Luft ins Instrument leitet.“

Frédéric Berr: Méthode complète S. 3[5]

Weitere Inhalte der "Méthode"

Einführung

Nach einer kurzen Zusammenfassung der Geschichte der Klarinette geht der Autor auf die Ansatztechnik ein.

Chromatische Grifftabelle, 13-Klappen Klarinette

Einteilung des Tonumfanges in Chalumeau (e bis fis'', Griff mit Seitenklappe), Mittellage (fis' als Gabelgriff bis b''), Klarinlage h' bis cis''', alles offen ausser Daumen und Überblasklappe) und hohe Lage (cis bis g mit bestimmten Fingersätzen gis'' bis c''' ohne zu fixierende Fingersätze)

Alle Griffe, auch die früher gebräuchlichen Gabelgriffe werden aufgezeigt.

Klarinette im Orchester

Am Schluss der Einführung zu seiner "Méthode" widmet sich Frédéric Berr der Thematik der Intonation im Orchester und gibt dazu foglende Hinweise "Die Verwendung der Klarinette im Orchester fordert spezielle Vorkehrungen im Vergleich zu anderen Instrumenten oder Stimmen, die sie begleitet. Man muss sich ab der Faulheit einiger Künstler empören, die nicht mindestens ¼ Stunde vor Konzertbeginn einspielen um sich [und das Instrument] aufzuwärmen. Die Art und Weise einzustimmen (auf a) ist oft unterschiedlich. Die einen wollen immer mit der B-Klarinette einstimmen; das gespielte h, klingend a’, ist jedoch Leitton und folglich immer zu hoch. Andere Künstler benutzen die C-Klarinette; aber das a auf der C Klarinette ist entweder zu hoch oder zu tief ... Die A Klarinette muss genommen werden, um zu stimmen. Denn ihr A ist der richtige Ton, auf dem sämtliche Instrumente sich einstimmen sollten.

Es reicht nicht, nur zu Beginn einzustimmen, man muss in denselben Stimmungsverhältnissen [zwischen den Instrumenten] spielen bis zum Ende des Konzertes. Da die Blasinstrumente den Einflüssen der Luft unterworfen sind, kann es vorkommen, das eine Klarinette mit allen Instrumenten übereinstimmt, ausser mit Fagott und Flöte oder umgekehrt. In diesem Fall muss man nicht auf seinem Recht beharren, sondern einen Konsens finden und sich gegenseitig mit Respekt behandeln.

Intonation in der Oper

Es ist zu bemerken, dass bei einem Gesangssolo, in dem der Klarinettist ein paar Takte pausiert, in dieser Zeit der Sänger ⅛ bis ¼ Ton sinkt. Wenn danach der Klarinettist wieder mit einem kleinen Solo einsetzt, wird es einen hörbaren Intonationsunterschied geben. In diesem Fall muss man den Violinen zuhören, die dem Sänger in allen Nuancen folgen und sich allen Intonationsänderungen biegen können und die allgemein Harmonie beibehalten." [5] (Übersetzung: Heinrich Mätzener)

Einzelnachweise

  1. François-Joseph Fétis: Biographie universelle des musiciens et bibliographie générale de la musique ; Tome 2ème Bruxelles 1835. Bayerische Staatsbibliothek[1]
  2. Felix Mendelssohn, Brief an Zelter, 15. Februar 1832, in: David Charlton, Classical Clarinet Technique: Documentary Approaches. Early Music, Vol. 16, No. 3, Aug., 1988
  3. Felix Mendelssohn Bartholdy, Anja Morgenstern und Uta Wald (Hrsg.): Sämtliche Briefe. Bd. 2: Juli 1830 bis Juli 1832, Kassel, Bärenreiter 2009.
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 Frédéric Berr: Traité complète de la Clarinette à quatorze Clés, Manuel indispensable aux personnes qui professent cet Instrument e celles qui l’étudient. Paris Duverger, Paris 1836
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 Frédéric Berr: Méthode complète de Clarinette adoptée au Conservatoire de Musique de Paris. Paris 1836. IMSLP [2]
  6. Oliver Vogel: Der romantische Weg im Frühwerk von Hector Berlioz, S.207. Beihefte zum Archiv für Musikwissenschaft 53, Franz Steiner Verlag, Wiesbaden 2003 [3]