Gaetano Labanchi
Gaetano Labanchi (1829-1905), Soloklarinettist des Orchestra del Theatro San Carlo in Neapel und Lehrer am berühmten Conservatorio di San Pietro a Majella war Nachfolger von Ferdinando Sebastiani (1803-1860). Er schrieb seine "Gran Metodo Progressivo per Clarinetto"[1] im Jahre 1886, fünf Jahre nach dem Erscheinen von Carl Baermanns "Clarinettschule". Beide Klarinettisten spielten vergleichbare Instrumente (siehe Ingrid Elizabeth Pearson, 2007 [2]), vertraten jedoch gegensätzliche Lehrmeinungen betr. der Ansatzformung:
Ansatzformung, klangliche Möglichkeiten und Artikulation
Labanchi erwähnt beide Arten des Ansatzes, das Übersichblasen und das Untersichblasen. Er empfiehlt die erste Methode, da er überzeugt ist, dass sich der Klang besser entfalten kann, sich aber auch nach Belieben bis ins äusserste pianissimo führen lässt. Durch die Position des Blattes direkt unter dem Gaumen berührt die Zungenspitze den Zwischenraum zwischen Blatt und Mundstück. Dadurch lassen sich mit Leichtigkeit mehr Möglichkeiten unterschiedlicher Artikulationen realisieren. Mit dem Blatt nach oben kann man in allen Registern mit klarem Ton spielen, die Sprünge von den tiefen zu den hohen Tönen lassen sich besser realisieren.
„[...] la voce si espande dippiù, e si può talmente assottigliare da produrre i suoni di un’eco più o meno lontana comecchè si voglia.
Si ottiene così uno staccato preciso, anche per quello legato e picchettato; perchè la punta della lingua viene battere fra la punto del becco, e quella della linguetta. Insomma, con la linguetta da sopra, si può fare tutto ciò che si vuole non solo, ma si avranno benanco più chiari bassi, ed i medii, come pure più spontanei gli accuti;“
Haltearbeit und Ansatz
Das Instrument, welches Labanchi verwendet, scheint mit dem als Baermann-Ottensteiner-Klarinette bezeichneten Modell (siehe Nachbau von Stephen Fox) übereinzustimmen. Die Angaben in der Grifftabelle S. 13 beschreiben die Haltearbeit der rechten Hand mit einer Daumenstütze "Il pollice serve di sostenere lo strumento piazzando lo sotto l'appogio". ["Der Daumen dient dazu, das Instrument zu halten, indem man ihn unter der Daumenstütze platziert" ]. Zusätzlich bedient der rechte Daumen die Fis/Cis-Klappe, eine Erfindung, die auf Iwan Müllers "clarinette omnitonique"] zurückgeht. Während Frédéric Berr im Zusammenhang mit dieser Doppelfunktion des Daumens vor einer Belastung im Ansatzbereich warnte, vertritt Labanchi die Ansicht, dass auch in dieser Konstellation ein Übersichblasen ohne weiteres möglich ist. Auch Carl Baermann verwendet neben der Daumenstütze die Fis/Cis-Klappe. Seine Anweisungen betr. Ansatzformung sind jedoch denjenigen aus Neapel diametral entgegengesetzt: er empfiehlt das "Untersichblasen" mit Kontakt der Zähne auf dem Mundstück!
Siehe auch auf der Seite Ansatz, traditionelle Formen die Beschreibung der Zusammenhänge zwischen Haltearbeit und Ansatzformung.