Ansatz, traditionelle Formen: Unterschied zwischen den Versionen

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Beitrag von Heinrich Mätzener <br />
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== Blatt oben oder unten? ==
== Blatt oben oder unten? ==
Die Frage nach der richtigen Position des Blattes - soll es Ober- oder Unterlippe berühren? - beschäftigte während des 19. Jh. wohl alle namhaften Klarinetten Pädagogen. Die heute gebräuchliche Ansatztechnik mit Blatt nach unten und Zähnen auf dem Mundstück hat eine lange Entwicklung hinter sich. Das Wissen und Experimentieren mit den früheren Formen der Ansatztechnik erweitert die Flexibilität aller am Ansatz beteiligten Bereiche wie die Position des Unterkiefers, Form und Spannung der Lippenmuskulatur und aller in der Mundhöhle für die Klangqualität relevanten Vorgänge: Zungenform und -Position, Ausformung der Mundhöhle durch Mundboden und weichen Gaumen, Kehlkopf und Stimmritze.
=== „Übersichblasen“ ===
=== „Übersichblasen“ ===
Der Spielpraxis von von Oboe und Fagott folgend wurde die Klarinette, meist auch von diesen Instrumentalisten gespielt<ref>Joan Michelle Blazich[https://etd.ohiolink.edu/rws_etd/document/get/ucin1122911553/inline]: ''Amand Vanderhagen: „Original Text, English Translation, and a Commentary on Amand Vanderhagen’s Méthode Nouvelle et Raisonnée Pour La Clarinette (1785) and Nouvelle Méthode de Clarinette (1799): A Study in Eighteenth-Century French Clarinet Music''. Edwin Mellen Press, Lewiston 2009, S. 3. Stand 24. Juli 2014</ref>mit entsprechendem Ansatz angeblasen: Das Blatt wurde von der Oberlippe kontrolliert, die Unterlippe hatte Kontakt mit dem Mundstück. Diese Anblasart wurde in den historischen Unterrichtswerken '''„Übersichblasen“'''  genannt. In der heutigen Fachliteratur<ref>Heike Fricke: ''Die Klarinette im 18. Jahrhundert: Tendenzen und Entwicklungen am Beispiel der Sir Nicholas Shackleton Collection''. Finkenkruger Musikverlag, Falkensee 2013, S. 269</ref> wird dieser Ansatz als '''maxilliarer Ansatz''' bezeichnet (von lateinisch Maxilla, der Oberkiefer).
Der Spielpraxis von von Oboe und Fagott folgend wurde die Klarinette, meist auch von diesen Instrumentalisten gespielt<ref>Joan Michelle Blazich[https://etd.ohiolink.edu/rws_etd/document/get/ucin1122911553/inline]: ''Amand Vanderhagen: „Original Text, English Translation, and a Commentary on Amand Vanderhagen’s Méthode Nouvelle et Raisonnée Pour La Clarinette (1785) and Nouvelle Méthode de Clarinette (1799): A Study in Eighteenth-Century French Clarinet Music''. Edwin Mellen Press, Lewiston 2009, S. 3. Stand 24. Juli 2014</ref>mit entsprechendem Ansatz angeblasen: Das Blatt wurde von der Oberlippe kontrolliert, die Unterlippe hatte Kontakt mit dem Mundstück. Diese Anblasart wurde in den historischen Unterrichtswerken '''„Übersichblasen“'''  genannt. In der heutigen Fachliteratur<ref>Heike Fricke: ''Die Klarinette im 18. Jahrhundert: Tendenzen und Entwicklungen am Beispiel der Sir Nicholas Shackleton Collection''. Finkenkruger Musikverlag, Falkensee 2013, S. 269</ref> wird dieser Ansatz als '''maxilliarer Ansatz''' bezeichnet (von lateinisch Maxilla, der Oberkiefer).

Version vom 27. Juli 2014, 16:33 Uhr

Beitrag von Heinrich Mätzener

Blatt oben oder unten?

Die Frage nach der richtigen Position des Blattes - soll es Ober- oder Unterlippe berühren? - beschäftigte während des 19. Jh. wohl alle namhaften Klarinetten Pädagogen. Die heute gebräuchliche Ansatztechnik mit Blatt nach unten und Zähnen auf dem Mundstück hat eine lange Entwicklung hinter sich. Das Wissen und Experimentieren mit den früheren Formen der Ansatztechnik erweitert die Flexibilität aller am Ansatz beteiligten Bereiche wie die Position des Unterkiefers, Form und Spannung der Lippenmuskulatur und aller in der Mundhöhle für die Klangqualität relevanten Vorgänge: Zungenform und -Position, Ausformung der Mundhöhle durch Mundboden und weichen Gaumen, Kehlkopf und Stimmritze.

„Übersichblasen“

Der Spielpraxis von von Oboe und Fagott folgend wurde die Klarinette, meist auch von diesen Instrumentalisten gespielt[1]mit entsprechendem Ansatz angeblasen: Das Blatt wurde von der Oberlippe kontrolliert, die Unterlippe hatte Kontakt mit dem Mundstück. Diese Anblasart wurde in den historischen Unterrichtswerken „Übersichblasen“ genannt. In der heutigen Fachliteratur[2] wird dieser Ansatz als maxilliarer Ansatz bezeichnet (von lateinisch Maxilla, der Oberkiefer).

Das „Übersichblasen“ wurde im ausgehenden 18. Jhd. in Paris gelehrt, wo auch von Amand Vanderhagen und Jean-Xavier Lefèvre die ersten umfassenden Unterrichtswerke für Klarinette erschienen sind[3]. Nach der Französischen Revolution wurde diese Anblastechnik im Einflussbereich des „Conservatoire National de Musique“ bis ca. 1836 praktiziert.

In Italien setzen die Klarinettisten die Tradition des "Übersichblasens" fort und die Methode hielt sich bis in die Mitte des 20 Jhd. Ferdinando Busoni (1866-1925)[4], der Vater der Komponisten Ferrucio Busoni, hielt das „Übersichblasen“ für das einzig Richtige, da der Klang im Kontakt mit der schwächeren Oberlippe weit modulationsfähiger und weicher, die Möglichkeiten der Schattierungen grösser und die Intonation reiner war.

Wichtigste Vertreter der dem Bel Canto nahe stehenden „Neapolitanischen Schule[5]“ sind Fredinando Sebastiani[6] (1803-1860) und sein Schüler Gaetano Labanchi (1829-1908). Zusätzlich zu den klanglichen Vorteilen, die das "Übersichblasen" mit sich bringt, hebt Gaetano Labanchi die grossen dynamsichen Möglichkeiten bis hin zum Verklngenlassen des pianissimo ("Si può talmente assottigliare da produire i suoni di un'eco piu o meno lontana comecchè si voglia") sowie die Variabilität der Artikulationsmöglichkeiten bei dieser Anblastechnik hervor.[7].

„Untersichblasen“

Beim „Untersichblasen“ berührt das Blatt die Unterlippe. Diese Ansatzart, auch mandibularer Ansatz genannt (von Lateinisch Mandibula, der Unterkiefer), fand zunächst im deutschen Sprachraum Verbreitung.

Heinrich Baermann, der Vater des Verfassers der "Clarinett-Schule", Carl Baermann, feierte mit dieser Anblastechnik 1817/18 in Paris als Solist grosse Erfolge. Die Professoren des "Conservatoire National de Musique" waren von den dynamsichen und klanglichen Möglicheiten Heinrch Baermanns dermassen beeindruckt, dass sie die neue Anblastechnik, das "Untersichblasen" als Standart einführten:"Ca permet une grande fléxibilté de dynamique; forte avec beaucoup de force, piano écho avec tant de douceur qu’ on aurait cru que les sons venait d’une salle voisine"[8] (sur jeux de Baermann, 1808 à Pais) …je conseillerai de tenir en garde contre une mauvaise habitude qui existe en Allemagne: c’est de mordre sur le bec. Ce défault donne une mauvaise qualité de sons, et nuit à la flexibilité de l’expression.

„Untersichblasen“ als Doppellippenansatz

"untersichblasen", die Zähne haben Komntakt mit dem Mundstück

Carl Baermann war kompromissloser Verfechter des „Untersichblasens“, und die oberen Zähne hatten dabei direkten Kontakt mit dem Mundstück, das vor Abnützungen durch eine Silberplatte geschützt war. Diese Anblasart hält Baermann für „natürlicher und zweckmässiger...da die Ausdauer und daher in notwendiger Folge die Sicherheit wenigstens die doppelte ist“ . Werden Ober- und Unterlippe über die Zähne gezogen, würde „...der Ton dem Bläser selbst, jedoch nur scheinbar, weicher klingt...“[9].

Die Zähne berühren das Mundstück

Einzelnachweise

  1. Joan Michelle Blazich[1]: Amand Vanderhagen: „Original Text, English Translation, and a Commentary on Amand Vanderhagen’s Méthode Nouvelle et Raisonnée Pour La Clarinette (1785) and Nouvelle Méthode de Clarinette (1799): A Study in Eighteenth-Century French Clarinet Music. Edwin Mellen Press, Lewiston 2009, S. 3. Stand 24. Juli 2014
  2. Heike Fricke: Die Klarinette im 18. Jahrhundert: Tendenzen und Entwicklungen am Beispiel der Sir Nicholas Shackleton Collection. Finkenkruger Musikverlag, Falkensee 2013, S. 269
  3. Amand Vanderhagen: Méthode nouvelle et Raisonnée. Paris, 1785.

    Jean-Xavier Lefèvre:[2]Méthode de clarinette adoptée par le conservatoire pour servire à l’ètude dans cet établissement. Paris, 1803. Stand 25. Juli 2014

  4. Ferdinando Busoni: Scuola di perfezionamente per il clarinetto: scale di esercizj in tutti toni...con aggiunta di sette grandi studi. Hamburg-Cranz, 1883. Zitiert nach Eric Hoeprich[3]: The Yale Musical Instrument Series, The Clarinet. Yale University Press: New Haven and London, 2008. S. 201-202. Stand 18. Juni 2014
  5. Ingrid Elizabeth Pearson[4]: Ferdinando Sebastiani, Gennaro Bosa and the Clarinet in Nineteenth-Century Naples. The Galpin Society Journal 2007, Vol 60, S. 203–115.
  6. Fredidano Sebastiani: ’’Methodo per clarinetto’’. Napoli, 1855. Zitiert nachIngrid Elizabeth Pearson[5]: „Ferdinando Sebastiani, Gennaro Bosa and the Clarinet in Nineteenth-Century Naples“. The Galpin Society Journal 2007, Vol 60, S. 209
  7. Gaetano Labanchi[6]: Metodo Progressivo per Clarinetto. Napoli, 1886, S.2 Stand 25. Juli 2014,
  8. Frédéric Berr: Traité, Paris 1837, S.8
  9. Carl Baermann[[7]]:Vollständige Clarinett-Schule: von dem ersten Anfang bis zur höchsten Ausbildung des Virtuosen ; in 2 Theilen und 4 Abtheilungen verfasst; Erster Theil I. Abtheilung; Theoretischer Teil op.63. Joh. André, Offenbach, Main 1861, S.6. Stand 25. Juli 2014

Literatur

  • Lawson, Collin, Ingrid Pearson:[8]The Early Clarinet: A Practical Guide. Cambridge University Press, 2000. Stand 1. Juli 2014.
  • Eric Hoeprich[9]: The Clarinet. Yale University Press, 2008.