Atemtechnik: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Cladid-Wiki
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 2: Zeile 2:
[[Kategorie:Körperarbeit]]
[[Kategorie:Körperarbeit]]
[[Kategorie:Inhalte Historischer Unterrichtswerke]]
[[Kategorie:Inhalte Historischer Unterrichtswerke]]
Die '''Atemtechnik''' bei Blasinstrumenten und beim Gesang modifiziert die natürliche Atembewegung zwecks Klangerzeugung von einer entspannten und unbewussten Körperfunktion hin zu einer bewusst gesteuerten „Musizierbewegung“. So wie beim der Streicher die Bogentechnik als kunsvollgeführte Bewegung des Bogens über den Saiten zur Klangerzuegung einsetzt, so bedient sich der Bläser seiner Atemtechnik für die Klangproduktion und für die musikalische Gestaltung.     
Die '''Atemtechnik''' bei Blasinstrumenten und beim Gesang modifiziert die natürliche Atembewegung zwecks Klangerzeugung von einer entspannten und unbewussten Körperfunktion hin zu einer bewusst gesteuerten „Musizierbewegung“. So wie beim der Streicher die Bogentechnik als kunsvoll geführte Bewegung des Bogens über den Saiten zur Klangerzeugung einsetzt, so bedient sich der Bläser seiner Atemtechnik für die Klangproduktion und für die musikalische Gestaltung.     
== Ruheatem - Arbeitsatem ==
== Ruheatem - Arbeitsatem ==
Der grundsätzliche Unterschied zwischen der Ruheatmung und der Atmung beim Spielen eines Blasinstrumentes liegt im Wechsel von Spannung und Entspannung: während bei der Ruheatmung das Einatmen als relativ aktiver Vorgang und die Ausatmung als entspannend erlebt wird, herrschen bei der Klangproduktion genau die umgekehrten Verhältnisse. Die Ausatmung ist die klangerzeugend und somit auch kraftvoll. Darauf folgt der Moment des Entspannens, in welchem reflexartig und ohne Anstrengung die Luft in die Lungen „hineinfallen“ kann.
Der grundsätzliche Unterschied zwischen der Ruheatmung und der Atmung beim Spielen eines Blasinstrumentes liegt im Wechsel von Spannung und Entspannung: während bei der Ruheatmung das Einatmen als relativ aktiver Vorgang und die Ausatmung als entspannend erlebt wird, herrschen bei der Klangproduktion genau die umgekehrten Verhältnisse. Die Ausatmung ist die klangerzeugend und somit auch kraftvoll. Darauf folgt der Moment des Entspannens, in welchem reflexartig und ohne Anstrengung die Luft in die Lungen „hineinfallen“ kann.
Zeile 12: Zeile 12:
Siehe auch [[Atemstütze]]
Siehe auch [[Atemstütze]]


Beim Herstellen des [[Atemstütze#Fritz Winckel|„optimalen Betriebsdruckes“]] für die Klangerzeugung spielen die Atemhilfsmuskulaturen ein zentrale  Rolle: Im Unterschied zur natürlichen Atmung bleiben bei der Klangproduktion - d.h. während der Ausatmung - sowohl ein- und Ausatmungmuskeln aktiv. Ihre antagonistische wirkenden Kräfte produzieren den notwenigen Luftdruck. Um dem [https://de.wikipedia.org/wiki/Zwerchfell Zwerchfell] rundum Bewegungsfreiheit zu gewährleisten, erweist sich die notwendige  Verstärkung der Asuatmung mit dem [https://de.wikipedia.org/wiki/Musculus_latissimus_dorsi sehr grossen Rückenmuskel] - und ''nicht'' mit der vorderen Bauchmuskulatur - als sehr vorteilhaft: Der grosse Rückenmuskel ist jedermann bekannt: beim Husten tritt er in Aktion, er heisst deshalb auch [https://de.wikipedia.org/wiki/Musculus_latissimus_dorsi#Funktion „Hustenmuskel“].
Beim Herstellen des [[Atemstütze#Fritz Winckel|„optimalen Betriebsdruckes“]] für die Klangerzeugung spielen die Atemhilfsmuskulaturen ein zentrale  Rolle: Im Unterschied zur natürlichen Atmung bleiben bei der Klangproduktion - d.h. während der Ausatmung - sowohl ein- und Ausatmungsmuskeln aktiv. Ihre antagonistisch wirkenden Kräfte produzieren den notwenigen Luftdruck. Um dem [https://de.wikipedia.org/wiki/Zwerchfell Zwerchfell] rundum Bewegungsfreiheit zu gewährleisten, erweist sich die notwendige  Verstärkung der Ausatmung mit dem [https://de.wikipedia.org/wiki/Musculus_latissimus_dorsi sehr grossen Rückenmuskel] - und ''nicht'' mit der vorderen Bauchmuskulatur - als sehr vorteilhaft: Der grosse Rückenmuskel ist jedermann bekannt: beim Husten tritt er in Aktion, er heisst deshalb auch [https://de.wikipedia.org/wiki/Musculus_latissimus_dorsi#Funktion „Hustenmuskel“].
Das Vertsärken der Ausatmungsaktivität durch den betonten Einsatz der Rückenmuskulatur hat folgende Vorteile:
Das Verstärken der Ausatmungsaktivität durch den betonten Einsatz der Rückenmuskulatur hat folgende Vorteile:
* Der sehr grosse Rückenmuskel begünstigt die aufrechte Haltung, eine Streckung der Wirbeksäule, und verhindert das Einsinken des Brustkorbes.
* Der sehr grosse Rückenmuskel begünstigt die aufrechte Haltung, eine Streckung der Wirbelsäule, und verhindert das Einsinken des Brustkorbes.
* Dadurch können Zwerchfell, ein- und ausatmende Zwischenrippenmuskulatur sowie weitere Atemhilfsmuskulaturen durch ausbalanciertes Zusammensiel den Luftstrom als autonomes System dosieren.
* Dadurch können Zwerchfell, ein- und ausatmende Zwischenrippenmuskulatur sowie weitere Atemhilfsmuskulaturen durch ausbalanciertes Zusammensiel den Luftstrom als autonomes System dosieren.
* Der Gegendruck im [[Ansatz, Ansatzformung, Embouchure|Ansatzbereich]] kann auf das nötige Minimum eingestellt werden.     
* Der Gegendruck im [[Ansatz, Ansatzformung, Embouchure|Ansatzbereich]] kann auf das nötige Minimum eingestellt werden.     
Zeile 20: Zeile 20:
Zur Funktion der Atem- und Atemhilfsmuskulatur siehe: [http://flexikon.doccheck.com/de/Atemmuskulatur Atemmuskulatur doccheck]]
Zur Funktion der Atem- und Atemhilfsmuskulatur siehe: [http://flexikon.doccheck.com/de/Atemmuskulatur Atemmuskulatur doccheck]]
== Historische Unterrichtswerke: Verbindung von Atemtechnik und allgemeiner Körperhaltung ==
== Historische Unterrichtswerke: Verbindung von Atemtechnik und allgemeiner Körperhaltung ==
Es ist auffallend, dass das Thema der Atmemtechnik in keiner der „Méthoden“ aufgegriffen wird. Im Gensatz dazu findet die allgemeine Körperhaltung sehr grosse Beachtung. Die Hinweise dazu finden sich meist in den ersten Kapiteln der Lehrwerke.  
Es ist auffallend, dass das Thema der Atemtechnik in keiner der „Méthodes“ des 18. und 19. Jh. aufgegriffen wird. Im Gegensatz dazu findet die allgemeine Körperhaltung sehr grosse Beachtung. Die Hinweise dazu finden sich meist in den ersten Kapiteln der Lehrwerke.  
* [[Amand Vanderhagen#Article Premier et très essentiel Position des bras et de la tête|Amand Vanderhagen: „aufrechte, aber lockere Kopfhaltung“]]
* [[Amand Vanderhagen#Article Premier et très essentiel Position des bras et de la tête|Amand Vanderhagen: „aufrechte, aber lockere Kopfhaltung“]]
* [[Frédéric Berr#Spielhaltung|Frédéric Berr: „Kopf gerade, Brust in neutraler Stellung“]]
* [[Frédéric Berr#Spielhaltung|Frédéric Berr: „Kopf gerade, Brust in neutraler Stellung“]]

Version vom 15. August 2015, 15:59 Uhr

Die Atemtechnik bei Blasinstrumenten und beim Gesang modifiziert die natürliche Atembewegung zwecks Klangerzeugung von einer entspannten und unbewussten Körperfunktion hin zu einer bewusst gesteuerten „Musizierbewegung“. So wie beim der Streicher die Bogentechnik als kunsvoll geführte Bewegung des Bogens über den Saiten zur Klangerzeugung einsetzt, so bedient sich der Bläser seiner Atemtechnik für die Klangproduktion und für die musikalische Gestaltung.

Ruheatem - Arbeitsatem

Der grundsätzliche Unterschied zwischen der Ruheatmung und der Atmung beim Spielen eines Blasinstrumentes liegt im Wechsel von Spannung und Entspannung: während bei der Ruheatmung das Einatmen als relativ aktiver Vorgang und die Ausatmung als entspannend erlebt wird, herrschen bei der Klangproduktion genau die umgekehrten Verhältnisse. Die Ausatmung ist die klangerzeugend und somit auch kraftvoll. Darauf folgt der Moment des Entspannens, in welchem reflexartig und ohne Anstrengung die Luft in die Lungen „hineinfallen“ kann.

Einatmung

Um das Lungenvolumen optimal ausnützen zu können, arbeiten bei der Vollatmung gleichzeitig Zwerchfell und äussere Zwischenrippenmuskulatur. (siehe Atemmuskulatur). Die Aktivierung dieser beiden Muskelgruppen bei der Einatmung gilt als Voraussetzung für den Aufbau der Atemstütze (siehe auch Atemtechnik, Übungen).

Ausatmung und Atemstütze

Siehe auch Atemstütze

Beim Herstellen des „optimalen Betriebsdruckes“ für die Klangerzeugung spielen die Atemhilfsmuskulaturen ein zentrale Rolle: Im Unterschied zur natürlichen Atmung bleiben bei der Klangproduktion - d.h. während der Ausatmung - sowohl ein- und Ausatmungsmuskeln aktiv. Ihre antagonistisch wirkenden Kräfte produzieren den notwenigen Luftdruck. Um dem Zwerchfell rundum Bewegungsfreiheit zu gewährleisten, erweist sich die notwendige Verstärkung der Ausatmung mit dem sehr grossen Rückenmuskel - und nicht mit der vorderen Bauchmuskulatur - als sehr vorteilhaft: Der grosse Rückenmuskel ist jedermann bekannt: beim Husten tritt er in Aktion, er heisst deshalb auch „Hustenmuskel“. Das Verstärken der Ausatmungsaktivität durch den betonten Einsatz der Rückenmuskulatur hat folgende Vorteile:

  • Der sehr grosse Rückenmuskel begünstigt die aufrechte Haltung, eine Streckung der Wirbelsäule, und verhindert das Einsinken des Brustkorbes.
  • Dadurch können Zwerchfell, ein- und ausatmende Zwischenrippenmuskulatur sowie weitere Atemhilfsmuskulaturen durch ausbalanciertes Zusammensiel den Luftstrom als autonomes System dosieren.
  • Der Gegendruck im Ansatzbereich kann auf das nötige Minimum eingestellt werden.

Zur Funktion der Atem- und Atemhilfsmuskulatur siehe: Atemmuskulatur doccheck]

Historische Unterrichtswerke: Verbindung von Atemtechnik und allgemeiner Körperhaltung

Es ist auffallend, dass das Thema der Atemtechnik in keiner der „Méthodes“ des 18. und 19. Jh. aufgegriffen wird. Im Gegensatz dazu findet die allgemeine Körperhaltung sehr grosse Beachtung. Die Hinweise dazu finden sich meist in den ersten Kapiteln der Lehrwerke.

Interpretation: Hier wird er Zusammenhang der Atmung und der allgemeinen Spielhaltung evident: Wird bei der Klangproduktion bewusst auf eine aufrechte Körperhaltung geachtet, muss der sehr grossen Rückenmuskel zur Verstärkung der Ausatmung aktiv werden. Würde die Ausatmung durch die geraden Bauchmuskeln forciert, könnte die Haltung nicht aufrecht bleiben und die Atemstütze würde durch den Druck auf das Zwerchfell erschwert.

Beiträge Clarinet-Didactics Autoren