Atemtechnik
Die Atemtechnik bei Blasinstrumenten und beim Gesang modifiziert die natürliche Atembewegung zwecks Klangerzeugung von einer entspannten und unbewussten Körperfunktion hin zu einer bewusst gesteuerten „Musizierbewegung“. So wie der Streicher die Bogentechnik als kunstvoll geführte Bewegung des Bogens über den Saiten zur Klangerzeugung einsetzt, so bedient sich der Bläser seiner Atemtechnik für die Klangproduktion und für die musikalische Gestaltung.
Beiträge der Interviewpartner
- Francois Benda
- Philippe Cuper
- Gerald Kraxberger
- Ernesto Molinari
- Heinrich Mätzener
- Robert Pickup
- Frédéric Rapin
- Milan Rericha
- Ernst Schlader
Ruheatem - Arbeitsatem
Der grundsätzliche Unterschied zwischen der Ruheatmung und der Atmung beim Spielen eines Blasinstrumentes liegt im Wechsel von Spannung und Entspannung: während bei der Ruheatmung das Einatmen als relativ aktiver Vorgang und die Ausatmung als entspannend erlebt wird, herrschen bei der Klangproduktion genau die umgekehrten Verhältnisse. Die Ausatmung ist die klangerzeugend und somit auch kraftvoll. Darauf folgt der Moment des Entspannens, in welchem reflexartig und ohne Anstrengung die Luft in die Lungen „hineinfallen“ kann.
Einatmung
Um das Lungenvolumen optimal ausnützen zu können, arbeiten bei der Vollatmung gleichzeitig Zwerchfell und äussere Zwischenrippenmuskulatur. (siehe Atemmuskulatur). Die Aktivierung dieser beiden Muskelgruppen bei der Einatmung gilt als Voraussetzung für den Aufbau der Atemstütze (siehe auch Atemtechnik, Übungen).
Ausatmung und Atemstütze
Siehe auch Atemstütze
Beim Herstellen des „optimalen Betriebsdruckes“ für die Klangerzeugung spielen die Atemhilfsmuskulaturen eine zentrale Rolle: Im Unterschied zur natürlichen Atmung bleiben bei der Klangproduktion - d.h. während der Ausatmung - sowohl Ein- und Ausatmungsmuskeln aktiv. Ihre antagonistisch wirkenden Kräfte produzieren den notwenigen Luftdruck. Um dem Zwerchfell rundum Bewegungsfreiheit zu gewährleisten, erweist sich die notwendige Verstärkung der Ausatmung mit dem sehr grossen Rückenmuskel - und nicht mit der vorderen Bauchmuskulatur - als sehr vorteilhaft: Der grosse Rückenmuskel ist jedermann bekannt: beim Husten tritt er in Aktion, er heisst deshalb auch „Hustenmuskel“. Das Verstärken der Ausatmungsaktivität durch den betonten Einsatz der Rückenmuskulatur hat folgende Vorteile:
- Der sehr grosse Rückenmuskel begünstigt die aufrechte Haltung, eine Streckung der Wirbelsäule, und verhindert das Einsinken des Brustkorbes.
- Dadurch können Zwerchfell, ein- und ausatmende Zwischenrippenmuskulatur sowie weitere Atemhilfsmuskulaturen durch ausbalanciertes Zusammenspiel den Luftstrom als autonomes System dosieren.
- Der Gegendruck im Ansatzbereich kann auf das nötige Minimum eingestellt werden.
Zur Funktion der Atem- und Atemhilfsmuskulatur siehe: Atemmuskulatur doccheck]
Historische Unterrichtswerke: Verbindung von Atemtechnik und allgemeiner Körperhaltung
Es ist auffallend, dass das Thema der Atemtechnik in keiner der „Méthodes“ des 18. und 19. Jh. aufgegriffen wird. Im Gegensatz dazu findet die allgemeine Körperhaltung sehr grosse Beachtung. Die Hinweise dazu finden sich meist in den ersten Kapiteln der Lehrwerke.
- Amand Vanderhagen: „Aufrechte, aber lockere Kopfhaltung“
- Frédéric Berr: „Kopf gerade, Brust in neutraler Stellung“
- Jean-Xavier Lefèvre: „aufrechte Haltung des Kopfes“
- Backofen: „Der Spieler muss aufrecht stehen“
- Joseph Fröhlich: „den Körper ganz gerade zu halten“
Interpretation: Hier wird er Zusammenhang der Atmung und der allgemeinen Spielhaltung evident: Wird bei der Klangproduktion bewusst auf eine aufrechte Körperhaltung geachtet, muss der sehr grossen Rückenmuskel zur Verstärkung der Ausatmung aktiv werden. Würde die Ausatmung durch die geraden Bauchmuskeln forciert, könnte die Haltung nicht aufrecht bleiben und die Atemstütze würde durch den Druck auf das Zwerchfell erschwert.