Ansatz, Ansatzformung, Embouchure: Unterschied zwischen den Versionen

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| ref        = <ref>Joseph Fröhlich: '' Vollständige theoretisch-pracktische Musikschule für alle beym Orchester gebräuchliche wichtigere Instrumente zum Gebrauch für Musikdirectoren - Lehrer und Liebhaber; II. Theil, Klarinettenschule'', S.13. Bonn 1811 [http://books.google.ch/books?id=aO1CAAAAcAAJ&printsec=frontcover&dq=inauthor:%22Franz+Joseph+Fr%C3%B6hlich%22&hl=de&sa=X&ei=3w3sUvW2BYmp7Qa71YHgAQ&ved=0CDUQ6wEwAQ#v=onepage&q&f=false]</ref>
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== Übungen mit Instrument ==
=== "Messa di Voce" mit Doppellippenansatz ===
Siehe auch [[Tonübungen]]
Als möglichst täglich auszuführende Tonübung empfiehlt sich das "[[Messa di Voce]]",  mit [[Ansatz, traditionelle Formen|Doppellippenansatz]].
Eine Studie von [https://www.cabrillo.edu/salsa/listing.php?staffId=1755 John Patrick Graulty] <ref>John Patrick Graulty: ''The status of the double-lip clarinet embouchure in present-day pedagogy and performance: A study of college clarinet instructors and symphony orchestra clarinetists''. EdD from Columbia University, Teachers College 1989</ref>  belegt den positiven Effekt von Tonübunugen mit Doppellippenansatz: Neben der Kräftigung der Lippenmuskulatur ist auch eine Veränderung des Mundinnenraumes zu beabochten, die sich positiv auf die Tonqualität auswirkt. (siehe auch [[Ansatz, traditionelle Formen#„Untersichblasen“ als Doppellippenansatz|Ansatz, traditionelle Formen]])
==== Musikalische Zielsetzungen ====
Die Aufgabenstellung scheint einfach: auf einer liegenden langen Note muss der Klang im pianissimo einsetzten, man muss ihn bis zur Mitte seiner Dauer zu einem grossen Forte anschwellen lassen. In der zweiten Hälfte seiner Dauer wird er wieder kontinuierlich dynamisch abgebaut und zum in sich verklingenden pianissimo zurückgeführt. Beim An- und Abschwellenlassen lassen sich folgende musikalische Ziesetzungen veroflgen:
* Erzeugen eines zentrierten, geräuschfreien Tones
* Kontrolle über die Klangfarbe
* Stabilität der Intonation
* Dynamisch ruhige Tonfühurng, kontinuierliche dynamische Entwicklung
==== Spieltechnische Umsetzung ====
Zu Beginn nur in der in der Chalumeaulage üben: Ist hier genügend Sicherheit in der Tongebung erreicht, kann progressiv bis in die hohe Lage aufgestiegen werden. Beim '''[[Traditionelle Ansatzformen#„Untersichblasen“ als Doppellippenansatz|Doppellippenansatz]]''' bedecken Ober- und Unterlippen die Zähne. Das Blatt berührt die Unterlippe und die oberen Zähne haben keinen Kontakt mit dem Mundstück. Mundstück und Blatt werden von den Lippen "umhüllt" (franz: "enveloppé")<ref>Frédéric Berr, Prospère Mimart: ''Méthode complet de clarinette'', Leduc, Paris 1836, S.4 und 1907 S.4</ref>. Diese Ansatzform lässt sich nur mit relativ leichteren Blättern und relativ geringerem Druck, welcher durch die Haltearbeit in Kombination mit der Ansatzformung und nicht durch den Unterkiefer erzeugt werden muss, realisieren. Die Kieferöffnung muss ''vor'' dem Ansetzen des Tones stabilisiert sein. Der geringe, aber notwendige Druck, den die Lippen auf das Blatt ausüben, kann durch zwei zu kombinierende Kräfte erzeugt werden:
# Nach der Ansatzformung, einer leichten Kieferöffung, und nach dem Einsetzten der Luftführung wird das Instrument von einem zu geringem Kontakt mit den Lippen durch die '''Haltearbeit''' bis zur [[Haltearbeit#Haltearbeit und Ansatzlinie|Ansatzlinie]] geführt.
# Nach einer zu lockeren Ansatzformung (Doppellippenansatz), der leichten Kieferöffung, dem Ansetzen des Instrumentes durch die Haltearbeit und nach dem Einsetzten der Luftführung wird der Klang durch den Übergang von der zu lockeren zu einer bewusst verstärkten Ansatzformung - die Mundwinkel schliessen sich dabei! - hervorgerufen.
# Achte auf einen bewussten Ausgleich von Luftmenge und Luftdruck (siehe [[Atemstütze]])
# Achte auf eine aufrechte [[Spielhaltung|Spielhaltung, allgemeine Körperhaltung]]
# Übe mit rotierender Aufmerksamkeit auf diese Anweisungen, um schliesslich die Spielbewegungen zu automatisieren und Sicherheit in den musikalichen Zielsetzngen zu erlangen.
== Übungen ohne Instrument ==
Diese Übungen dienen der spezifischen Körperbeherrschung im Ansatzbereich: die einzelnen klangrelevanten Komponenten des Ansatzes werden isoliert ins Bewusstsein gerückt und auf taktiler und kinästhetischer Ebene trainiert.
Anhand der [[:Kategorie:Übungen mit Instrument|Übungen mit dem Instrument]] lassen sich die auditiven, taktilen und kinästhetischen Wechselwirkungen entsprechend der eigenen Klangvorstellungen entwickeln und optimieren.
=== Position und Stabilisierung des Unterkiefers ===
Wenn man gähnen muss, dies aber niemand am Gesichtsausdruck
bemerken darf – man kann es „Anstandsgähnen“ nennen,
entfernt sich der Unterkiefer nur leicht vom Oberkiefer. Von aussen ist kaum eine Veränderung des Gesichtsausdruckes wahrnehmbar, die Mundhöhle formt und stabilisiert sich
jedoch in idealer Weise für einen frei schwingenden Klarinettenton. Die Position des Anstandsgähnens muss bei der aktiven Ausatmung für die Klangproduktion beibehalten werden. Der Unterkiefer entfernt sich parallel in der Distanz von einem [[Klarinettenblatt]] oder Bleistift vom Oberkiefer, soll aber nicht mit forciertem Kraftaufwand nach unten gezogen werden, sondern locker in dieser Position wie an imaginärem Schnüren am Oberkiefer aufgehängt sein (frei nach Johanna Gutzwiller 1997, S. 38) <ref>Johanna Gutzwiller: ''Körperklang - Klangkörper: ein Arbeitsbuch über Körperarbeit für Chorleiter, Sänger und Instrumentalisten'', S.38. Musiked. Nepomuk, Aarau 1997</ref>.
==== Übung ====
Ein- und Ausatmen, während der Unterkiefer in der Position des Anstandsgähnens „aufgehängt“ bleibt. Dazu den Vokal „u“ formen <ref name="Guy"> Larry Guy und Daniel Bonade: ''The Daniel Bonade Workbook: Bonade’s Fundamental Playing Concepts, with Illustrations, Exercises, and an Introduction to the Orchestral Repertoire''. Rivernote Press, Stony Point, New York 2007</ref>.
=== Mundhöhle, Rachen und Zungenform ===
Das Senken lassen des Unterkiefers wie beim Anstandsgähnen bewirkt eine Öffnung des Rachens. Ergänzend dazu wird der Vokal „u“ geformt, um die Zunge, vorbereitend für die [[Artikulation]] am Klarinettenblatt, in eine günstige Position und Form zu bringen.
==== Übung ====
# Stelle die Kieferposition des „Anstandsgähnen“ her.
# Tippe nun mit der Zungenspitze während des Einatmens leicht gegen die oberen Schneidezähne.
# Versuche, dieses Einatmen mit einer sanften Streckung der Halswirbelsäule zu verbinden. Der Hinterkopf wird wie von unsichbarar Hand nach oben gezogen.
# Behalte diese Positionen (Kopf, Halswirbelsäule und Zunge) während der Ausatmung - darauf folgt ein entspanntes Einatmen.
=== Oberlippe ===
{{Absatz-L}}
[[Datei:oberlippe.jpg|thumb|links|150px|Oberlippe]]
Gekoppelt an die Vokalformung „u“ zentriert sich auch der Muskel der Oberlippe, die Mundwinkel werden gegen die Mitte gezogen. Zusätzlich soll die Oberlippe nach unten gezogen werden. Sie schmiegt sich dem Mundstück an. Dies kann durch die Position des Zeigefingers, der leicht an die oberen Scheidezähne gedrückt wird, geübt werden.
==== Übung ====
Mit der Oberlippe versuchen, den gegen die oberen Schneidezähne gedrückten Zeigefinger Finger nach unten zu schieben. Diese Übung betont zusätzlich die flache, nach unten gezogene Form des Kinns.
=== Unterlippe und Kinn ===
{{Absatz-L}}
[[Datei:unterlippe_und_kinn.jpg|thumb|links|150px|Unterlippe und Kinn]]
Die Unterlippen schmiegen sich dem Bogen der vorderen unteren Zahnreihe an und formen ein kompaktes Kissen, an welches das Mundstück angesetzt wird. Empfohlene Technik von Keith Stein, 1958:
{{Zitat
| Text        = <nowiki>[</nowiki> ... <nowiki>]</nowiki> a <nowiki>''</nowiki>two way stretch<nowiki>''</nowiki> of opposite pulls <nowiki>[</nowiki> ... <nowiki>]</nowiki> is simultaneously transpiring between the jaw drawing downwards and the immediate lower lip reaching upwards.
| Autor      = Keith Stein
| Quelle      = The Art of Clarinet Playing
| Übersetzung = Eine gleichzeitig nach oben und unten gerichtetes Ziehen <nowiki>[</nowiki> ... <nowiki>]</nowiki> setzt mit dem Ausatmen ein und zieht das Kinn nach unten, während sofort eine nach oben gerichtet Spannung die Unterlippe nach oben zieht.
| ref        = <ref>Keith Stein: ''The Art of Clarinet Playing'', S. 12 Princeton, N.J. ©1958. [https://books.google.ch/books?hl=de&lr=&id=EdvJ3JleBy4C&oi=fnd&pg=PA5&dq=+Keith+Stein:+The+Art+of+Clarinet+Playing&ots=r2trEwdojX&sig=7e5eBqifzqKQk_c3_C4bFMKKAkc#v=onepage&q=Keith%20Stein%3A%20The%20Art%20of%20Clarinet%20Playing&f=false] eingesehen am 15. Mai 2015</ref>}}
==== Übung ====
Den Vokal „i“ formen, dabei bewusst den Kontakt der Unterlippe zur unteren Zahnreihe herstellen. Diesen Kontakt behalten während die [[Vokalformung]] zu „u“ wechselt. Die Unterlippe formt sich auf diese Weise zu einem kompakten Kissen, das Kinn ist flach nach unten gespannt.
{{Absatz}}
=== Alternative Methode zur Ansatzformung ===
{{Absatz-L}}
[[Datei:obama_milkshake.jpg|thumb|links|150px|"Trinkhalm-Mund"]]
Unter- und Oberlippe, aber auch Wangen, Zungen und Rachen werden in eine für die Klangerzeugung günstige Position gebracht, wenn wir mit einem eher dünnen Trinkhalm ein Getränk (nicht die Luft!) kräftig einzusaugen.
==== Übung ====
„Trinkhalm-Mund“: Ober- und Unterlippe kräftig so formen, wie wenn man mit einem Trinkhalm ein Getränk einsaugen würde. Beobachte dabei die Festigkeit der Wangen und des Mundbodens, sowie die Konstellationen von Zunge und Rachen. Der auf diese Weise geformte Mund-Rachenbereich ist für den Klarinettenansatz sehr geeignet.
{{Absatz}}
* Unabhängig von dieser Position durch eine kleine Mundöffnung ein- und ausatmen.
* Locker einatmen, bei der Ausatmung den Trinkhalm-Mund formen.
=== Aktivierung der Resonanzräume durch bewusste Vokalformung ===
Eine bewusst ausgeführte Vokalformung (auch als "innerer Ansatz", Englisch als „[[voicing]]<ref>''Luc D.M.A Jackman: Early Clarinet Performance as Described by Modern Specialists, with a Performance Edition of Mathieu Frédéric Blasius’s IIe Concerto de clarinette.'' (2005), P. 40</ref>“ beschrieben) übt einen starken Einfluss auf die Qualität des Instrumentalklanges aus. Kieferposition, Rachenöffnung, Zungenform und -Position, das Ausformen des Mundinnenraumes durch Mundbodenmuskulatur beeinflussen im Wechselspiel mit der [[Luftführung]] die Luftgeschwindigkeit und den Luftdruck in der Mundhöhle. Namhafte Pädagogen lassen zum Training der Ausfomrung der Mundhöle Tonübungen mit Doppellippenansatz spielen ([[Ansatz, Ansatzformung#"Messa di Voce" mit Doppellippenansatz|siehe oben]]).
Die physikalische Grösse „akustischer Widerstand“ quantifiziert das Verhältnis von Luftdruck und Luftgeschwindigkeit. Der akustische Widerstand in der Mundhöhle ist gleich gross wie der akustische Widerstand in der Mundstückkammer (Siehe auch [http://www.phys.unsw.edu.au/jw/z.html Joe Wolfe]: What is acoustic impedance and why is it important? <ref>Joe Wolwe: ''Clarinet Acoustics. '' http://www.phys.unsw.edu.au/jw/z.html</ref>).
==== Übung ====
a) Trinkhalm-Mund formen (siehe auch obere Übung), dann einen Ton summen, und die Vibrationen in Mund-, Kiefer-, Nasen- und Stirnhöhle, Kehlkopf und Brustkorb beobachten
b) Trinkhalm-Mund formen, einen Ton summen, dann den Mund ganz wenig öffnen. Den Luftstrom vertärken, so dass die immer noch gut geformten Lippen und die genannten Resonanzräume vibrieren. Beim Entstehen der Vibrationen spielt das Herunterziehen der Oberlippe eine wichtige Rolle.<ref name="Guy">: ''The Daniel Bonade Workbook: Bonade’s Fundamental Playing Concepts, with Illustrations, Exercises, and an Introduction to the Orchestral Repertoire''. Rivernote Press, New York 2007</ref>


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==


* [[Haltearbeit]]
* [[Haltearbeit]]
* [[Ansatz, Übungen]]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 1. August 2015, 18:44 Uhr

Während im französischen und englischen Sprachraum das Wort Embouchre (ital. imboccatura, span. embocadura) das aktive „Umhüllen“ des Mundstückes mit den Lippen betont, impliziert das deutsche Wort Ansatz das Ansetzen des Instrumentes an den Mund durch die Haltearbeit. Die Ansatzformung durch Lippen und Mund erzeugt im Zusammenspiel mit der Haltearbeit den notwendigen Druck der Unterlippe auf Blatt (unten) und Mundstück (oben). So kann mit entsprechend dosierter Luftführung (siehe auch Atemstütze) der Klang erzeugt werden. Ansatz, Haltearbeit, Luftführung und Atemstütze bilden somit das System, das es bei der Klangerzeugung in sich fein auszubalancieren gilt.

Die Ansatzformung ist massgeblich an der Qualität von Ansprache, Artikulation, Klangfarbe und Dynamik beteiligt. Darüber hinaus entscheidet sie über die physiologische Ausdauer beim Spielen eines Blasinstrumentes. Die historische Entwicklung der Klarinette und des Klarinettenspiels brachte unterschiedliche Techniken der Ansatzformung hervor.

Physiologische Grundlagen

Mimische Gesichtsmuskulatur

In der Ansatzformung trainiert der Bläser Kraft und Unabhängigkeit derGesichtsmuskulatur. Dabei spielen der [https://de.wikipedia.org/wiki/Musculus_orbicularis_oris Ringmuskel des Mundes und der „Niederzieher der Unterlippe“ eine besonders wichtige Rolle. Die mimische Gesichtsmuskulatur bewegt keine Skeletteile und hat ihren Ursprung häufig nicht nur an festen Knochen; die Muskelansätze sind häufig untereinander verwoben. Dies hat zur Folge, dass die Ansatzformung eine spezifisch differenzierte Kontrolle über die verschiedenen Muskelaktivierungen erfordert.

Vokalformung durch Zunge und Mundinnenraum

Auch die Ausformung des Mundinnenraumes durch unterschiedliche Vokalformung und Atkivierung von Muskeln im Bereich des weichen Gaumens und des Mundbodens spielen eine wichtige Rolle bei der Ansatzformung. Analog zur [4] spielt die Vokalbehandlung auch bei der Ansprache und beim klanglichen Ausgleich zwischen den verschiedenen Registern eine wichtige Rolle. (Siehe auch François Benda)

Ansatzdruck

Damit die durchströmende Luft das Klarinettenblatt in Schwingung versetzt, ist ein fein dosierter Ansatzdruck, welcher die Öffnung zwischen Klarinettenblatt und Mundstück verkleinert, notwendig. Folgende Faktoren können dazu eingesetzt werden:

Ansatzlinie

Als Ansatzlinie wird die Stelle bezeichnet, an welcher das Blatt auf der Unterlippe aufliegt. Die Ansatzlinie bestimmt den Anteil des Klarinettenblattes, der frei schwingen kann. Da sich die Spize des Klarinettenblattes nach vorne verjüngt und da gleichzeitig die Öffnung zwischen Blatt und Mundstück zur Spitze hin grösser wird, wirkt sich derselbe Durck je nach Lage der Ansatzlinie unterschiedlich auf das Schwingungsverhalten des Blattes aus.

Folgende Faktoren beeinflussen die Lage der Ansatzlinie:

  • Durch eine geschlossenere Kieferposition verschiebt sich die Ansatzlinie nach oben, es schwingt dementsprechend eine kleinere Fläche des Blattes, durch eine eher geöffnete Kieferposition lässt sich in Kombination mit der Haltearbeit die Ansatzlinie weiter unten am Blatt plazieren.
  • Durch gleichzeitiges Öffnen und nach vorne Schieben des Unterkiefers kann die Ansatzlinie weiter unten am Blatt platziert werden. Diese Technik sollte mit Vorsicht und entsprechend der indivuduellen Zahnstellung angewandt werden. (siehe François Benda und Keith Stein
  • Die Haltearbeit kann das ganze Instrument mehr oder weniger in Richtung Ansatz schieben.
  • Die Ausmasse des Mundstückes: ein spitziger geformtes Mundstück hat zur Folge, dass bei gleichbleibender Öffnung des Unterkiefers mehr Mundstück in den Mund genommen wird.


In neuerer Zeit knüpft Neidich an diese Lehrmeinung an: Er verbindet die Lage der Ansatzlinie mit den verschiedenen Registern: im Chalumeau und in der Mittellage liegt die Ansatzlinie weiter oben am Blatt, in Klarinregister etwas weiter unten und in der hohen Lage verschiebt sich diese Linie noch etwas weiter in deise Richtung[1]

Martin Spangenberg, Professor an der Hanns Eisler Musikhochschule in Berlin, gibt dazu folgenden Kommentar: "Die Ansatztechnik, bei welcher der Ansatz durch Druck gegen die oberen Zähne stabilisiert wird, findet bei vielen Klarinettisten erfolgreiche Anwendung. Damit verbindet sich Stabilität im Ansatzbereich. Ich halte es jedoch für notwendig, die Ansatzlinie entsprechend der gespielten Tonlage weiter oben oder weiter unten am Blatt platzieren zu können. Dies bedingt entsprechende Flexibilität bei der Positionierung des Mundstückes. Die Haltearbeit des Instrumentes wird so zum Teil der Ansatzformung, je nachdem wie weit das Mundstück in den Mund angesetzt wird, verschiebt sich die Ansatzlinie auf dem Blatt nach unten oder nach oben. Bei höheren Tönen liegt die Ansatzlinie weiter unten.“[2]

Häufiger Fehler

Beissen

In vielen Unterrichtswerken und Studien wird auf die fehlerhafte Druckerzeugung im Ansatzbereich durch die Kiefermuskulatur hingewiesen. Für den Anfänger ist es naheliegend, den notwendigen Druck auf das Blatt mit dem relativ viel stärkeren musculus masseter anstatt durch die um ein vielfaches schwächere Ringmuskulatur des Mundes (Ringmuskel des Mundes) zu erzeugen. Folge davon ist ein gepresster Ton und die hohe Lage lässt sich schlecht anspielen. Artikulation und Intonation lassen sich kaum kontrollieren.

Fehlende Unabhängigkeit von Ansatzformung und Artikulation

Eine zuverlässige Ansprache, die Kontrolle über Intonation und Klangfarbe beruht weitgehend auf der Unabhängigkeit zwischen der Ansatzformung und der Zungenartikulation. Im Vergleich zum alltäglichen Artikulieren beim Sprechen bewegen sich Zunge, Unterkiefer und mimische Gesichtsmuskulatur frei und sind auf natürliche weise miteinander verbunden. Das Artikulieren auf dem Blasinstrument erfordert Stabilität der Ansatzformung bei gleichzeitiger Flexibilität von Vokalformung und Zungenartikulation. Dies ist eine der Hauptschwierigkeiten, die es zu überwinden gilt und erfordert viel Übung. (siehe auch Übungen mit dem Instrument)

Historische Quellen

Doppellippenansatz und Ansatzdruck

Siehe auch Ansatz, traditionelle Formen

Die deutlich schlankeren Klarinettenmundstücken, die bis ca. 1810 üblich waren, liessen sich sehr gut mit Dopellippenansatz spielen (Siehe dazu auch Albert Rice [3], Clarinet emboucures.) Der Doppellippenansatz beeinflusst die Zungenform und -Stellung wie auch die Ausformung der Mundhöhle: die Zunge rollt sich etwas nach hinten. Diese Form vergrössert das Volumen der Mundhöhle. Die Zungenposition muss jedoch insofern verändert werden, dass die Zungenspitze zwecks leichter Artikulation bewusst in die Nähe der Blattspitze gebracht wird.

Als wichtige Quellen, in welchen die Spielweise mit Blatt nach unten, jedoch ohne Kontakt der oberen Zähne mit dem Blatt instruiert wurde, dienen Unterrichtswerke aus dem französischen und italienischen Sprachraum, so z.B. das "Traité" und die "Methode" von Frédéric Berr [4] (siehe auch Literaturliste). In der Méthode von Frédéric Berr findet sich auch ein wichtiger Hinweis betreffend Druck, der auf das Blatt ausgeübt wird: Um das Blatt frei schwingen zu lassen, sollten die Lippen das Blatt nur so fest umschliessen, dass bei den Mundwinkeln keine Luft austreten kann. Ein Betonen des Schliessens mit den beiden Mundwinkeln ist darüber hinaus ein Mittel, die Intonation nach unten zu korrigieren.

„La pression totale des deux lèvres sur le bec doit suffire à empêcher l’air de s’échapper par les coins de la bouche; si l’on augmentait maladroitement cette pression, l’anche trop comprimée ne pourrait plus vibrer.“

„Der gesamte Druck beider Lippen auf das Mundstück muss genügen, um zu verhindern, dass die Luft bei den Mundwinkeln austreten kann. Wenn man den Druck ungeschickterweise erhöht, wird das Blatt [an das Mundstück] gedrückt und kann nicht mehr vibrieren.“

Frédéric Berr: Traité[5]

Nach den erfolgreichen Konzerten Heinrich Baermanns in Paris und mit den Unterrichtswerken Frédéric Berrs etablierte sich das "Unterischblasen" in Paris. Berr ist aber weiterhin überzeugt, mit Doppellippenansatz die besten klanglichen Resultate zu erreichen. Er weist darauf hin, dies auch deshalb vorteilhaft ist, weil mit dem Unterkiefer kein Druck auf das Blatt ausgeübt wird. In seinem Traité hebt er die grossen Vorteile des Untersichblasens hervor, warnt aber vor dem Kontakt der oberen Zähne mit dem Mundstück:

„Ca permet une grande fléxibilté de dynamique; forte avec beaucoup de force, piano écho avec tant de douceur qu’ on aurait cru que les sons venait d’une salle voisine » (p.8) (sur jeux de Baermann, 1808 à Pais) [...] Je conseillerai de tenir en garde contre une mauvaise habitude qui existe en Allemagne: c’est de mordre sur le bec. Ce défault donne une mauvaise qualité de sons, et nuit à la flexibilité de l’expression. (p. 8)“

„Das erlaubt eine grosse dynamische Flexibilität; das forte erklingt mit grosser Kraft, das piano echo ist so zart, dass man glaubte, der Ton käme aus einem benachbarten Zimmer. [...] Ich empfehle, sich vor einer schlechten Gewohnheit in Acht zu nehmen, die in Deutschland existiert: es handelt sich um das Beissen auf das Mundstück. Dieser Fehler hat eine schlechte Tonqualität zur Folge und zerstört die Flexibilität des Ausdrucks.“

Frédéric Berr: Traité[6]

Der Tradition von Frédéric Berr folgend empfehlen heute besonders in Amerika namhafte Klarinettisten und Pädagogen das Training des Doppellippenansatzes als besten Weg für den Aufbau einer soliden und gleichzeitig flexiblen Tonbildung: "Für Tonübungen lasse ich von den Studenten die mit Doppellippenansatz auszuführen. Die ist für die Tonbildung sehr empfehlenswert. Das aktive Umschliessen des Mundstückes durch beide Lippen bringt die Zunge grundsätzlich in eine für die Resonanzformung günstige Form. Wird die Zungenspitze in die Nähe der Blattspitze gebracht, optimiert sich die Resonanzformung zusätzlich. Die notwendige Spannung im Kinn („spitzes Kinn“) stellt sich dabei automatisch ein."[7].

Empfehlungen für den Doppellippenansatz geben Ricardo Morales Ricardo Morales, Tom RidenourRichard Stolzmann,

Ansatzlinie

Eine frühe Quelle, die je nach Tonhöhe mit eine unterschiedlichen Lage der Ansatzlinie empfiehlt, findet sich in Joseph Fröhlichs Klarinettenschule, Bonn 1811:

„...dass man das Rohr ohne allen Zwang oder merkbaren Absatz immer tiefer bis fast an den Faden in den Mund nehme, indem man mit den Lippen immer fester drückt, ohne den Ansatz selbst zu ändern, denn das muss bloss das Werk der Lippen seyn.“

Joseph Fröhlich: Klarinettenschule[8]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Charles Neidich [1]
  2. Martin Spangenberg: Gespräch mit Heinrich Mätzener am 14. April 2014, Hochschule für Musik Hanns Eisler, Berlin (n. publ.)
  3. Alber Rice: Clarinet Embouchurers . The Musical Times Vol. 124, No. 1689, English Music (Nov., 1983), p. 665 [2]
  4. Frédéric Berr: Traité complet de la clarinette A quatorze clés, Manuel indispensable aux personnes qui professent cet instrumente e celles qui l’étudient Duverger, Paris 1836. 'Méthode complète de clarinette. Leduc, Paris 1836
  5. Frédéric Berr: Traité complet de la clarinette A quatorze clés, Manuel indispensable aux personnes qui professent cet instrumente e celles qui l’étudient Duverger, Paris 1836. 'Méthode complète de clarinette. Leduc, Paris 1836
  6. Frédéric Berr: Traité complet de la clarinette A quatorze clés, Manuel indispensable aux personnes qui professent cet instrumente e celles qui l’étudient, S.8. Duverger, Paris 1836. 'Méthode complète de clarinette. Leduc, Paris 1836
  7. David Shifrim: Gespräch mit Heinrich Mätzener, Yale University School of Music, 29. März 2014 (n.publ.)
  8. Joseph Fröhlich: Vollständige theoretisch-pracktische Musikschule für alle beym Orchester gebräuchliche wichtigere Instrumente zum Gebrauch für Musikdirectoren - Lehrer und Liebhaber; II. Theil, Klarinettenschule, S.13. Bonn 1811 [3]

Literatur

  • Larry Guy: Embouchure Building for Clarinetists: A Supplemental Study Guide Offering Fundamental Concepts, Illustrations, and Exercises for Embouchure Development. Rivernote Press, 2011.
  • Larry Guy und Daniel Bonade: The Daniel Bonade Workbook: Bonade’s Fundamental Playing Concepts, with Illustrations, Exercises, and an Introduction to the Orchestral Repertoire. Rivernote Press, 2007.
  • David Pino: The Clarinet and Clarinet Playing. Courier Corporation, New York 1980, Neuauflage 2014. google books
  • Keith Stein: Art of Clarinet Playing. Alfred Music Publishing, 1958. google books