Klangfarbe

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Beiträge der Interviewpartner

Definition und Analyse von Klangfarbe

Russel Harlow, Klanganalyse von Ralph McLane Video

Die Klangfarbe oder dasTimbre eines Tones wird vom Lautstärkenverhältnis von Grundschwingung (1. Partialton), Obertönen und Rauschanteilen bestimmt. Das Bild aller Teilschwingungen, auch Obertonspektrum genannt, verändert sich im zeitlichen Verlauf. Dies ist ebenfalls als Parameter der Klangfarbe relevant. Russel Harlow erläutert am Beispiel eines Klarinettensolos von Ralph McLane den Zusammenhang zwischen Obertonspektrum, Ansatztechnik und Klangfarbe (siehe Video links). Weitere Klangbeispiele siehe unten.

Klangsinn und Klangbeispiele

Der Klangsinn, einer der fünf Sinne des Menschen, sollte als kritisch-auditive Wahrnehmung das Üben und Musizieren immer begleiten und in einem steten Kreislauf das soeben Gehörte mit der zuvor definierten Vorstellung des klanglichen Ereignisses vergleichen. Durch den Klangsinn werden Klangfarbe, Intonation, Dynamik, Artikulation in Wechselwirkung zwischen auditiver Wahrnehmung und Tiefensensibilität kritisch beurteilt und verfeinert.
Das subjektive Empfinden der Klangfarbe unterliegt ästhetischen Entscheidungen, die ihrerseits stark vom aktuellen kulturellen Umfeld und von Modeströmungen geprägt sind. Im Verlauf des 20. Jh. nivellierten sich die klanglichen Unterschiede der nationalen Schulen, und international etablierte sich ein eher dunkles und weiches Klangideal (siehe auch Stephanie Angloher, 2007)[1]).
Wie sich im Laufe der Zeit die Klangästhetik innerhalb der Französischen Schule veränderte, lässt sich anhand historischer Aufnahmen verfolgen. So unterscheidet sich beispielsweise das Klangideal der "alten Französischen Schule" um 1920, gesammelt auf der LP "The French clarinet school - revisited" [2] deutlich von demjenigen der "Französischen Schule um 1960.

Alte Französische Schule
Prospère Mimart, spielte mit Doppellippenansatz. Klangbeispiel: Schubert, Der Hirt auf dem Felsen (1915?)[3]
Gaston Hamelin, Schüler von Charles Turban spielte mit Doppellippenansatz. Klangbeispiel: Debussy, Première Rhapsodie (1933) [4] Auguste Perrier, Schüler von Charles Turban, spielte mit Doppellippenansatz. Klangbeispiel: Armand Bournonville, Fantasie-impromptu in C-Sharp Minor, Op. Posth. 66 (1928)[5]·
Französisch-amerikanische Schule
Doppellippenansatz
Ralf McLane, Schüler von Gaston Hamelin, spielte mit Doppellippenansatz. Klangbeispiel: Mozart Klarinettenquintett KV 581 (1952)[6]
Neue Französische Schule
Ulysse Delécluse, Schüler von Auguste Perrier wechselte die Technik und spielte mit einfachem Ansatz. Klangbeispiel: Carl Maria von Weber, Grand Duo Concertant (1951?)[7]
Französische Schule heute
Nicolas Baldeyrou, (ehemaliger Schüler von Michel Arrignon, dieser wiederum war Schüler von Ulysse Delécluse) Klangbeispiel 1: Debussy Rhapsodie, Orchestre Philharmonique de Radio France, Myung-Whun Chung, Nicolas Baldeyrou clarinet (2015)[8]
Klangbeispiel 2: Rachmaninov Vocalise | Nicolas Baldeyrou on a boxwood clarinet! (2020)[9]

Historische Quellen

Valentin Roeser
Dies ist die früheste Quelle. Roeser (1764)[10] weist bereits auf die unterschiedlichen Klangfarben, die sich entsprechend der verschiedenen Stimmungen der Klarinetten ergeben. Die honen Klarinette in E und F empfiehlt er nur für "lärmige Stücke" einzusetzen, in der Skala der grösser werdenden Klarinetten hat die Klarinette in G (Alt-Lage), die sanfteste Klangfarbe.

„Celles en E, si, mi et en F, ut, fa sont très aigues et l’on ne s’en sert dans L’orchestre que pour les pièces à grand bruit. Celles en G, re, sol est la plus douce espèce, mais on en trouve rarement, parce qu’elle n’est pas absolument nécessaire, attendu, que pour jouer en G, re, sol, on peut s’en servir d’autres, comme nous le verrons par la suite.“

„Die [Klarinette] in E, h, e und F, c, f [die Kleinbuchstaben nennen die geeigneten Tonarten] sind sehr hoch [spitz und scharf] und werden im Orchester nur für laute Stücke verwendet. Die in [Klarinette] in G, re, sol ist die süßeste Art, aber sie ist selten zu finden, weil sie nicht unbedingt notwendig ist, denn es wird erwartet, dass man zum Spielen in den [Tonarten] re und sol andere verwenden kann, wie wir später sehen werden.“[10]

Christian Friedrich Daniel Schubart

Christian Schubart (1739-1791)
Felix Mendelssohn (1809-1847)
Heinrich Baermann (1784-1847)

Christian Friedrich Daniel Schubart (c.1777) assoziierte die Klarinette mit «In Liebe zerflossenes Gefühl»

„Der Ton ist so süß, so hinschmachtend, und wer die Mitteltinten [dynamische und klangliche Mittelstufen] darauf auszudrücken vermag, darf seines Sieges über die Herzen gewiß sein.“

Christian Friedrich Daniel Schubart: Ideen zur Ästhetik der Tonkunst (1806)[11]

Felix Mendelssohn

„Ich gäbe zu Zeiten (z. B. jetzt) ganz Paris drum, nur einen Augenblick jene süße Welt bezaubernder Töne, Tönchen und Tönchenchenchen hören zu können, die Deinem hölzernen Instrumente so luftig, duftig, weise, leise, friedlich, niedlich, lebend, bebend, fließend, sprießend, grüßend, um- schließend entströmen und sehr gut klingen.“

Felix Mendelssohn: Brief Felix Mendelssohn Bartholdys an Heinrich Baermann vom 16.4.1832[12]

Frederic Berr (1836)

Frédéric Berr (1794-1838)
Carl Baermann (1810-1885)

„Le plus beau timbre est celui qui réunit la douceur à l’éclat.“

„Das schönste Timbre [Klangfarbe] ist dasjenige, welches Sanftheit mit Leuchten vereinigt.“

Frédéric Berr: Méthode complète, S. 3 (1836)[13]


Carl Baermann

„Da der Ton das Mittel ist, durch welches der Künstler zu dem Zuhörer spricht, so muss auf Tonbildung und Veredelung die grösste Mühe und Sorgfalt verwendet werden [...] Schön ist der Ton, wenn er einen vollen, vibrierenden, und metallartigen Klang hat und in allen Nuancen und Lagen denselben Charakter behält, bei grösster Fülle seine Schönheit nicht einbüsst und durch Schrille oder Schärfe keine unangenehmen Eindruck hinterlässt; er muss so ausdrucksvoll und biegsam sein, dass er in den zartesten Stellen bei allen Schattierungen sich leicht und bindend nüancieren lässt, mit einem Wort, der schönsten Frauenstimme ähnelt. Doch wenn der Ton auch alle diese Eigenschaften besitzt und es fehlt ihm sein eigentliches Wesen, das "göttliche", welches der Mensch als die Garantie seiner Bestimmung in sich trägt, "die Seele", so ist alles Bemühen und Streben wirkungslos, das diese gefrorene Musik von dem Feuer des Prometheus nicht erreicht wird.“

Carl Baermann: Vollständige Clarinett-Schule (1861)[14]

Als wichtiger Aspekt der Grundtechnik muss die Kontrolle über die Klangfarbe gelten: Carl Baermann fordert gleichzeitig eine Formbarkeit des Klanges. Dabei kommt zum Ausdruck, dass der Klang in seiner Schönheit nicht starr ("gefroren"), sondern lebendig und modulationsfähig sein muss.

Hector Berlioz (1856)

Carl Hector Berlioz

„Les instruments à anche simple tels que les clarinettes et le Cor de basset, constituent une famille dont la parenté avec celle de Hautbois n’est pas aussi rapprochée qu’on pourrait le croire. Ce qui l’en distingue surtout [par] la nature du son. Les clarinettes, en effet, ont dans le medium une voix limpide, plus pleine. Plus pure que celle des instruments à anche double n’est jamais exempt d’une certaine aigreur ou âpreté, plus ou moins dissimulé par le talent des exécutants. Les sons aigues de la dernière octave à partir de l’UT au-dessus des portées, participent seuls un peu un peu de l’aigreur des sons forts du Hautbois, pendant que le caractère des sons les plus graves, se rapproche, par la rudesse des vibrations, de celui de certaines notes du Basson.“

„Einzelrohrblattinstrumente wie Klarinetten und Bassett-Instrumente sind eine Familie, deren Verwandtschaft mit der Oboe nicht offensichtlich ist, wie man glauben könnte. Was sie vor allem auszeichnet, ist die Art ihres Klanges. Klarinetten haben in der Tat eine klare, vollere Stimme in der Mittellage. Sie sind reiner als die Doppelrohrblattinstrumente, die nie frei von einer gewissen Bitterkeit oder Härte sind, die durch das Talent der Interpreten mehr oder weniger verdeckt wird. Die hohen Töne der letzten Oktave über dem c3, nehmen allein schon ein wenig der Bitterkeit der Töne der Oboe an, während der Charakter der tiefsten Töne mit der Stärke der Schwingungen bestimmten Tönen des Fagotts ähnelt.“

Hector Berlioz: Traité d'instrumentation et d'orchestration[15]


Weitere Quelle zur Klangfarbe siehe:
Joseph Fröhlich (1822)[16]





Didaktik der Klangfarbe, Beiträge der Interviewpartner

Die eigene Klangvorstellung sprachlich definieren

Sylvie Hue erachtet es als eine der wichtigsten Aufgaben, den Schülern zu vermitteln, sich selber zuzuhören. Sie müssen lernen, ihren eigenen Klang kritisch zu beurteilen, ihn zu beschreiben, und sich ein eigenes ästhetisches Urteil zu bilden.
Für Frédéric Rapin muss der Ton immer einen klar definierbaren Kern haben. Der Klang vibriert um diesen Kern. Dieses Konzept fördert Präsenz, Farbe und Eleganz des Spiels und schafft die Voraussetzung, den Klang intonieren zu können. Es ist essentiell, die Etüden, Tonleiter- und Akkordstudien mit der bestmöglichen Klangqualität, d.h. mit bewusst kontrollierter Klangfarbe auszuüben.
Alain Billard ist überzeugt, dass zur Beschreibung von Klangfarbe und Klangqualität immer mehrerer Eigenschaften, präzisiert durch ergänzende Adjektive, erwähnt werden müssen. Der Effekt einer künstlerisch wertvollen Klangqualität bleibt letztendlich im metaphysischen verhaftet. Was die Emotionen der Zuhörer auslöst und schliesslich anzustreben ist, sind die Vibrationen der Musik, das Vibrieren der Luft.
François Benda setzt sich das Ziel, über alle Tonlagen eine homogene Klangfarbe zu erreichen. Der Klang darf unten nicht stumpf, oben nicht spitz und scharf sein.
Für Steve Hartman ist das Know-how, alle Register mit einer homogenen Klangfarbe verbinden zu können, Grundlage der Phrasenbildung. Erst dies ermöglicht es, eine klangliche Linie zu zeichnen, ohne dass einzelne Töne unkontrolliert hervortreten. Es ist jedoch erwünscht, dass die verschiedenen Register ihren eigenständigen Charakter erhalten. Um künstlerische Qualität zu erreichen, soll der Klang jederzeit dynamisch und farblich lebendig und formbar sein. Man sollte spieltechnisch die Flexibilität erreichen, in solistischen Stellen gut den Klang gut zu projizieren, je nach musikalischem Zusammenhang muss man sich klanglich aber auch in einem Holzbläser- oder Streichersatz mit anderen Farben vermischen zu können.
James Campbell weist darauf hin, dass der Spieler seinen eigenen Klang immer heller wahrnimmt, wie ihn die Zuhörer im Saal empfinden. Ein mit einem schnellen Luftstrom erzeugter, scheinbar heller Klang, wird im Saal dunkler, und reich an Obertönen wahrgenommen. Besonderes Augenmerk legt er im Unterricht auf die Registerwechsel, deren klangliche Kontrolle durch differenzierte Vokalformung erreicht wird.




Das Gehör schärfen

Alain Damiens schärft das Gehör durch die Auseinandersetzung mit leisesten Tönen und Geräuschen. Als Beispiel erwähnt er die Komposition «Dal Niente» von Helmuth Lachenmann[17], wo mit auditiver Sensibilität unterschiedlich gefärbte Geräusche durch verschiedene Vokalformungen ausgeführt werden müssen. Als weitere Übung zu Verfeinerung des Gehörs empfiehlt Alain, den eigenen Klang "mit den Ohren nach Obertönen abzutasten". Diese didaktische Idee verfolgt auch Russel Harlow anhand der Klanganalyse von Ralph McLane (siehe oben). Er stellt diese Analyse in direkten Zusammenhang mit der Doppellippen-Ansatzformung.




Technik der Klangfärbung

Vokale und Formanten

Siehe auch Vokalisieren und Singen
In einem Wikipedia-Artikel[18] werden Fomanten als «charakteristische Minima und Maxima im Obertonspektrum einer akustischen Schwingung» definiert. Das Online Lexikon[19] umschreibt den Begriff als «den Bereich im Klangspektrum, in dem sich unabhängig von der Tonhöhe Schallenergie konzentriert». Und weiter: «Im Klang von Musikinstrumenten wird durch Formanten eine für das Instrument typische vokalähnliche Klangfarbe gebildet».
Um den Klang zu formen, und um eine individuell optimale Klangfarbe zu finden, lässt Ernesto Molinari seine Studierenden mit Formanten arbeiten und experimentieren – wie auch Harri Mäki sucht er dabei für die angestrebte Klangfärbung eine optimale Vokalformung.
Als wichtigen Pfeiler bei der Technik der Klangformung und Kontrolle über die Klangfarbe nennt Frédéric Rapin das Öffnen des Rachens. Dieser Bereich lässt sich wie Form und Position der Zunge der Vokalformung zuordnen. Beim Öffnen des Rachens muss die Zunge - im Unterschied zu Sprache und zum Gesang - so positioniert sein, dass sie an der Blattspitze artikulieren kann. Durch kritisches Hören müssen Zunge und weicher Gaumen in eine Position und Form gebracht werden, welche das beste klangliche Ergebnis hervorbringen. Die Schwierigkeit besteht darin, Mundhöhle, Rachen und Zunge unabhängig von der Ansatzformung der Lippen bestmöglich zu modifizieren. Das Öffnen der Nasenhöhlen wird dem Klang zusätzlich Resonanz verleihen. Ausserdem ist für die Klangfarbe auch die individuelle Physiognomie des Mundes entscheidend: die Grösse der Zähne und der Lippen, die Form des Kinns, die Beschaffenheit der mimischen Muskulatur.
James Campbells Priorität ist es, einen fokussierten, gut projizierenden Klang in allen Lagen zu haben. Wie Harri Mäki arbeitet er mit seine Student*innen darauf hin, für jeden Ton und für jede Registerlage die passende Zungenform und -Position zu finden, diese zu automatisieren und während des Spiels entsprechend der Tonlage sofort anzupassen.

Doppellippenansatz

Richard Stoltzman wechselte erst nach seinem Masterabschluss vom einfachen Ansatz zum Doppellippenansatz, auch aus dem Grund, die Klangfarbe mit dieser Technik besser kontrollieren zu können. Er betont, dass diese Umstellung, die er im Unterricht bei Kalmen Oppermann lernte, nicht einfach war.
David Shifrins erster Lehrer, James Callas, der wiederum Schüler von Daniel Bonade war, spielte mit Doppellippenansatz und war überzeugt, dass dies die beste Grundlage für einen farbenreichen Klang und für ein gutes Legato sei. David empfand seinen Ton im Ensemblespiel zu wenig kräftig und im forte zu hell, und wechselte deshalb zum normalen Ansatz. Er behielt jedoch als klangrelevantes Element der Tonbildung dieselbe Technik der Ausformung von Rachen und Mundhöhle, die mit dem Doppellippensatz verbunden ist, bei.
Steve Hartman wechselte auf der Suche nach mehr Fokus und Flexibilität in seinem Klang vom einfachen Ansatz zum Doppellippenansatz. Damit veränderte sich die Innenausformung der gesamten Mundhöhle, was sich positiv auf die Klangformung auswirkte. Ralph Mc Lane spielte dabei als Vorbild eine wichtige Rolle.

Den Klang auf der Basis der tiefen Töne formen

James Campbel lässt seine Studenten viel Tonübungen im Chalumeauregister spielen. Wird hier ein voller, runder Klang erreicht, kann darauf aufbauend auch im Klarinregister der Klang gut geformt werden.

Resonanzgriffe

Wenn es der musikalische Zusammenhang erlaubt, spielen Milan Rericha und Harri Mäki die «kurzen» Töne (g1 bis b1) mit Resonanzgriffen. So lassen sich in Verbindung mit einer geeigneten Vokalisierung die Obertöne verstärken, was mit einer kräftigeren Klangfarbe einhergeht.

Allgemeine Körperhaltung

Michel Westphal wie auch Heinrich Mätzener legen grossen Wert auf eine aufrechte, lockere Körperhaltung, das Mundstück muss zum Ansatz geführt werden, der Kopf darf sich nicht in Richtung des Mundstückes nach vorne neigen. Heinrich Mätzener et al. zeigten in einer SNF Studie (Luzern, 2013) auf, dass sich eine Klangproduktion, verbunden mit vorteilhaften Klangqualitäten, als körperaufrichtende Aktion definieren lässt.

Der Einschwingvorgang des Klanges

Eli Eban wie auch Alain Billard legen grossen Wert auf bewusstes Gestalten des Einschwingvorganges. Dieser prägt das Empfinden der Klangfarbe des Tones. Es geht demnach darum, die Artikulation und Vokalisierung sowie die Luftführung jedes neuen Toneinsatzes sorgfältig und bewusst zu gestalten.
François Benda arbeitet vorerst darauf hin, einen Klang mit möglichst geringem Geräuschanteil zu produzieren. Eine geeignete Blatt-Mundstückkombination, sowie eine darauf abgestimmte und ausbalancierte Ansatz- und Atemtechnik müssen die gesamte Luftmenge, die für die Klangproduktion eingesetzt wird, zu Klang umwandeln. Die Anweisungen des Lehrers müssen die individuellen Dispositionen des Bläsers berücksichtigen und dürfen die Persönlichkeit der Studierenden nicht schmälern.
Sylvie Hue nennt als einfaches Mittel, den Klang von Geräusch zu befreien und zu fokussieren, die Luftführung nicht als «warme Luft», sondern vielmehr als «kalte Luft» zu gestalten. Dieselbe Idee, jedoch anders formuliert, vertritt Gerald Kraxberger: er achtet daurauf, den Rachen nicht zu weit zu öffnen, und vielmehr den Klang «vorne im Ansatz» zu fokussieren.

Lernen durch Imitieren

Philippe Cuper und Seunghee Lee empfehlen jedem Schüler, möglichst viel Aufnahmen zu hören. So schult er sein kritisches Hören und entwickelt eine eigene Klangästhetik. Es ist wichtig, Vorbilder zu haben, und diese dürfen auch imitiert werden. Mit seinem persönlichen Charakter, den es auch zu fördern gilt, wird er schliesslich seinen individuell geprägten Klang entwickeln können.
Ernst Schlader ist überzeugt, dass sich die spezifischen Musizierbewegungen, welche eine hellere oder dunklere Klangfarbe (wie auch höher oder tiefer Intonation) bewirken, kaum beschreiben lassen. Es sind sehr kleine Muskeln mit subtilen Bewegungen im Rachen und im Vokaltrakt im Spiel. Das Vorspielen, das gemeinsame Spielen und Imitieren als sind dazu die didaktischen Mittel. Der Schüler muss über sein Gehör reagieren und sich diese Fertigkeiten und Musizierbewegungen durch implizites Lernen aneignen.

Flexibilität

Paolo Beltramini und Thomas Piercy erwarten, dass je nach Stil und je nach Anforderungen der Komponisten die Klangfarbe angepasst werden kann. Brahms darf nicht wie Stockhausen, Copland darf nicht wie Brahms klingen. Auf dem Konzertpodium empfiehlt es sich, eher einen dunkleren Klang zu suchen, im Orchestergraben ist ein hellerer Klang von Vorteil.
Auch John Moses legt die Priorität auf eine Technik der Tonproduktion, welche es erlaubt, die Klangfarbe je nach Stil anzupassen.

Modeströmungen

Michel Arrignon hält vorerst fest, dass er nicht für die eine oder andere ästhetische Überzeugung Partei ergreifen möchte. Er beobachtet jedoch - weltweit - eine gegenwärtige Besessenheit «obsession», auf Kosten anderer musikalischer Qualitäten einen matten, geglätteten, aber auch unpersönlichen Klang anzustreben. So werden ältere Aufnahmen, z.B. die ausgezeichneten, eleganten und fein artikulierten Interpretationen von Jaques Lancelot auf Grund seines hellen Klanges abgelehnt. Auf Jacques Lancelot (Klangbeispiel: Jean Françaix, Klarinettenkonzert) folgten andere Interpreten und Professoren, wie z.B. Guy Deplus, der sich für einen dunklen Ton stark machte. Was letztendlich zählt, ist nicht die Klangfarbe. Der Klang ist nur Mittel zum Zweck, nämlich die Musik dem Publikum näher zu bringen.
David Shifrin beobachtet bei den jungen Studienanwärtern in Yale im internationalen Vergleich eine Vereinheitlichung des Klangideals. Dabei stehen die Auswahl von Mundstück und Blättern im Vordergrund.
Pascal Moraguès beschreibt, wie sich die Klangfarbe der französischen Schule seit seiner Studienzeit bei Ulysse Delécluse, als Vertreter der sehr hellen französischen Klarinettenklanges, bis zum heutigen Klangideal eines dunklen Tones, der sich an deutschen und österreichischen Vorbildern orientiert, gewandelt hat.
James Campbell bestätigt dies und beobachtet eine Vereinheitlichung des Klangideals seit den 1970-er Jahren. Nationale Schulen sind noch hörbar, jedoch in weit geringerem Masse. Ein «midatlantic sound», eine Art internationaler Klang hat sich etabliert und das technische Niveau der Klarinettisten hat sich deutlich gesteigert.
David Shifrin erwähnt als Erstes, dass seine Generation Zugang zu sehr viel Tonaufnahmen von allen möglichen Klarinettisten und Schulen hatte. So entwickelte er seine eigene Klangvorstellung. Auffallend war, dass viele seiner Lehrer, bei Daniel Bonade Unterricht genommen hatten, jedoch zu einem ganz unterschiedlichen persönlichen Klang gefunden hatten. In den USA trafen alle möglichen Einflüsse aufeinander. Die französische, deutsche und italienische Schule bis hin zu Einflüssen aus Orteuropa und der Ästhetik des Jazz konnten je nach Affinität prägend auf einen angehenden Musiker wirken. Heute lässt sich eher eine Vereinheitlichung des Stils und des Klangideals beobachten. Es ist heute schwieriger, das deutsche oder das französische System klanglich auseinanderzuhalten. Die Suche nach einem «idealen Klang» kann das ganze Leben lang andauern.
Auch Philippe Cuper stellt eine Vereinheitlichung der Klangfarben fest.

Prioritäten setzen

Paolo Beltramini macht sich stark dafür, dass in erster Linie gut intoniert werden muss, das ist wichtiger ob ein Ton heller oder dunkler ist. Ausserdem muss der Klang gut projizieren, und die musikalische Aussage muss immer im Vordergrund stehen.
Für Eli Eban ist ein zentrierter, immer bewusst geformter Klang ein zentrales Anliegen.
Thomas Piercy sucht in erster Linie die musikalische Aussage. Er geht dabei auch das Risiko ein, die Kontrolle über den Klang zu verlieren.

Individuelle Dispositionen, Muttersprache

Paolo Beltramini und Richard Stoltzman beobachten je nach Physiognomie des Spielers, aber auch je nach Muttersprache Unterschiede in der Vokalformung. Auch wenn sich die nationalen Schulen stark angenähert haben, existieren sie aufgrund der verschiedenen Sprachräume auch heute noch. Ein japanisches «o» klingt durchwegs einheitlich und rund. In anderen Sprachen gibt es innerhalb eines Vokals schon ganz unterschiedliche Färbungen, was sich direkt auf die Tonbildung auswirkt.

Instrument, Mundstück und Blätter

Philippe Cuper, Sylvie Hue: es ist die Aufgaben des Lehrers, den Schüler bei der Auswahl eines passenden Instrumentes, Mundstücks und auch der Blätter zu unterstützen.
Steve Hartmans ersetzt je nach gewünschter klanglicher Veränderung die Blattzwinge durch eine Blattschnur.
Richard Sotltzman zitiert seinen Lehrer Kalmen Opperman, der die Klangformung in der Mundhöhle als wichtiger einstufte wie die Qualität von Blatt und Mundstück: «the reed vibrates, but you makle the sound!»
David Shifrin warnt davor, dass mit härteren Blättern wohl ein weicher und dunkler Klang erzeugt werden kann, dabei aber Variabilität von Klangfarben und Artikulationen sowie die Kontrolle über die Intonation verloren gehen. Er beobachtet, dass junge Studienanwärter in Yale Mundstück und Blättern die wichtigste Rolle bei der Produktion eines «universellen Klanges» zuschreibt.
Jérôme Verhaeghe: Mundstücke, mit einem eher schmaleren Rand ergeben einen helleren, obertonreicheren Klang, ein breiter Rand dunkelt den Klang ab, erfordert jedoch mehr Anstrengung bei der Klangproduktion. Erfahrungen in der Oper Garnier und Rückmeldungen von Dirigenten bestätigten Jérôme darin, dass die Wahl des «leichteren» Materials die richtige ist. Man hört von aussen nicht nur einen grösseren Farbenreichtum, auch die Leichtigkeit des Spiels fällt positiv auf. Jérôme Verhaeghe ist auch überzeugt, dass die Physiognomie die Klangfarbe stärker prägt als die Wahl von Mundstück und Blätter.
Für François Benda ergeben unterschiedliche Instrumente und die jeweils dazu passenden Mundstücke und Blätter, die dann wiederum unterschiedlich anzublasen sind, verschiedene Klangfarben.
Michel Westphal erwähnt, dass klanglich sehr gute Resultate auch unabhängig vom Material, Alter oder Bauweise der Instrumente hervorgebrachte werden können.

Einzelnachweise

  1. Angloher, Stephanie. 2007. Das deutsche und französische Klarinettensystem eine vergleichende Untersuchung zur Klangästhetik und didaktischen Vermittlung. Zugl.: München, Univ., Diss., 2007.[1]
  2. Cahuzac, Louis, Folmer Jensen, Isabel French, Prospère Mimart, R. Hughes, Gaston Hamelin, Pierre Coppola, et al. 2000. The French clarinet school - revisited. [Place of publication not identified]: Grenadilla.
  3. YouTube, abgerufen am 24. September 2020
  4. YouTube, abgerufen am 24. September 2020
  5. YouTube, abgerufen am 16. November er 2020
  6. YouTube, abgerufen am 16. November er 2020
  7. Gallica, abgerufen am 24. September 2020
  8. YouTube, abgerufen am 16. November er 2020
  9. YouTube, abgerufen am 16. November er 2020
  10. 10,0 10,1 Roeser, Valentin. Essai d’instruction pour ceux qui composent pour le cor et pour la clarinette. Paris 1764 p.3,4 [2] {19.November 2020}
  11. Schubart, Ludwig. Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst 1806, S.320. Bayerische Staatsbibliothek digital, eingesehen am 15. 11. 2020
  12. Brief Felix Mendelssohn Bartholdys an Heinrich Baermann vom 16.4.1832, zitiert nach Ludwig Nohl, Musiker-Briefe, S. 311.
  13. Frédéric Berr: Traité, S. 27. Duverger, Paris, 1836
  14. Carl Baermann: Vollständige Clarinett-Schule: von dem ersten Anfang bis zur höchsten Ausbildung des Virtuosen; in 2 Theilen und 4 Abtheilungen verfasst; [1,1]. Johann André, Offenbach a/M 1861. Bayerische Staatsbibliothek, S 33.Bayerische Staatsbibliothek digital, eingesehen am 15. 11. 2020
  15. Berlioz, H., & Berlioz, H. (1970). Traité d'instrumentation et d'orchestration: [1843] : [op. 10] : nouvelle édition suivie de ; "L'art du chef d'orchestre" : [1856]. Westmead: Gregg Internat. Publ. p.157 imslp, eingesehn am 07. 11. 2020
  16. Fröhlich, Franz Joseph. 1811. Vollständige theoretisch-pracktische Musikschule für alle beym Orchester gebräuchliche wichtigere Instrumente. IIte Abteilung, S.7, §1 {25. November 2020}
  17. Lachenmann, H. (2005). Dal niente (Interieur III): Für einen Solo-Klarinettisten = for a solo clarinet-player. Wiesbaden: Breitkopf & Härtel.
  18. Wikipedia, Formanten eingesehen am 17. November 2020
  19. Spektrum.de eingesehen am 17. November 2020