Henkel – SSC Bratislava

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Geprüft: Positiv beurteilt

Die Henkel AG & Co. KGaA ist ein weltweit tätiger Konzern der Konsumgüterindustrie mit den Unternehmensbereichen Wasch- / Reinigungsmittel, Kosmetik / Körperpflege und Adhesive Technologies. Der Konzern besitzt in Bratislava, Slowakische Republik, eines seiner beiden Shared Service Center (SSC). Am Beispiel dieses SSC wird einerseits der Einführungsprozess, andererseits der Aufgabenbereich von SSC in internationalen Konzernen aus Praxissicht fallspezifisch dargestellt.

Strukturierter Einführungsprozess

Standortwahl

Der Wahl von Bratislava als Standort eines SSC für den Henkel-Konzern gingen detaillierte Studien und Analysen voraus. In diesem Rahmen wurden unterschiedliche Kriterien von mehreren alternativen Standorten erhoben. Diese umfassten vor allem die allgemeinen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den untersuchten Ländern sowie im Speziellen die Infrastruktur vor Ort sowie das Bildungs- und Lohnkostenniveau von potenziellen Mitarbeitenden. Im Verlauf der Standortanalyse kristallisierten sich dabei vor allem zwei Hauptargumente heraus, die schliesslich den Ausschlag für den Standort Bratislava gaben: Da das SSC in erster Linie europäische Business-Prozesse abdecken sollte, kamen aus sprachlichen Erwägungen Länder ausserhalb Europas nicht in Frage. Der Henkel-Konzern besitzt zudem nicht die kritische Grösse, um eine grosse Anzahl sprachenspezifischer SSC zu etablieren. Daher war die Sprachenkompetenz der potenziellen neuen Mitarbeiter ein entscheidendes Standortkriterium. Das zweite Hauptargument waren die im Vergleich zu Westeuropa niedrigeren Lohnkosten. Den Ausschlag für Bratislava und die Slowakische Republik gaben schliesslich weitere Kriterien.

So konnte in Bratislava auf die bereits existierende Infrastruktur von Henkel Slovensko zurückgegriffen werden, bspw. in den Bereichen Informationstechnologie und Personalwesen. Es entfiel zudem die Notwendigkeit, eine separate rechtliche Gesellschaft zu gründen, da das SSC in die bestehende Struktur der Landesgesellschaft integriert werden konnte. Weitere Argumente waren die politische Stabilität des Landes und die geringe Entfernung zu Deutschland und vor allem zu Wien, der Osteuropa-Zentrale des Henkel-Konzerns. Zudem ist neben der Sprachkompetenz auch das generelle Ausbildungsniveau der Beschäftigten in der Slowakischen Republik ausreichend hoch. Ein weiterer Standortvorteil bestand schliesslich darin, dass Bratislava bisher – insbesondere im Vergleich zu alternativen Standorten wie Prag oder Warschau – noch kein „überhitzter“ Standort von SSC internationaler Unternehmen war.

Ablauf der Prozessverlagerung

Die Verlagerung der ausgewählten Finanzprozesse in das SSC erfolgte nicht als „Big Bang“, sondern schrittweise. Begonnen wurde im Jahr 2006 mit einer Belegschaft von 14 Mitarbeitern in Bratislava. Als erster Prozess wurde der „Intercompany“-Prozess, also die Abwicklung und Dokumentation aller Warenströme und Verbuchungen zwischen den einzelnen Henkel-Konzerngesellschaften, in das neue SSC verlagert. Da dieser Prozess bereits zuvor am Hauptsitz in Düsseldorf zentralisiert war, gestaltete sich die Auslagerung relativ problemlos. Auch Teile des „Purchase-to-Pay“-Prozesses, also die Kreditorenbuchhaltung, wurde bereits in dieser Phase durch das SSC wahrgenommen. Diese erste Phase war durchaus als Test-Phase angelegt, bevor in den Jahren 2007 und 2008 weitere Prozesse ins SSC verlagert wurden.

Erfolgsfaktoren für Einführung

Als äusserst wichtiger Erfolgsfaktor für die Einführungsphase erwies sich die uneingeschränkte Unterstützung des Verlagerungsprozesses durch das Topmanagement des Henkel-Konzerns. Als gewichtige Herausforderung erwies sich das Werben um Zustimmung und Unterstützung auf der Team- und mittleren Führungsebene. In vielen Bereichen galt lange Zeit die Anzahl der unterstellten Mitarbeiter als Massstab für die Bedeutung einer Führungskraft. Es mussten daher im Zuge des Verlagerungsprozesses für Führungskräfte andere Wege der Profilbildung aufgezeigt werden. Solche neuartigen, profilbildenden Faktoren stellten die Kompetenz der Führungskräfte, die Endverantwortung für die Prozesse oder die Bedeutung der verbleibenden strategischen Aufgaben dar. Auch auf der Ebene der einzelnen Teams musste klar kommuniziert werden, dass ihr Wert für den Henkel-Konzern durch die Verlagerung einzelner Prozesse ins SSC nicht geringer wurde. Schliesslich war es in vielen Bereichen nun möglich, sich stärker auf strategische Value Adding Aufgaben zu konzentrieren. Diese Änderung der Selbstwahrnehmung der Mitarbeiter kann als langfristiger Prozess bezeichnet werden, der bei Henkel in der Verantwortung des lokalen Change-Managements liegt.

Ausbau des Aufgabenbereichs

Aufgaben SSC Bratislava

Im Henkel SSC Bratislava arbeiteten im September 2008 125 Mitarbeiter, die 20 fast ausschliesslich europäische Länder der Henkel-Welt unterstützen. Neben den Prozessen „Intercompany“ und „Purchase-to-Pay“ wird auch die Debitorenbuchhaltung – der „Order-to-Cash“-Prozess – für Europa in Bratislava wahrgenommen. Dieser Prozess beinhaltete die Verbuchung von Zahlungseingängen und das sogenannte „Deduction Management“. Bei Letzterem handelt es sich um das Überprüfen von Rechnungskürzungen, die Kunden bspw. aufgrund von Gutschriften, Skonti oder aber Qualitäts- und Quantitätsmängeln vornehmen. Weitere Aufgaben im SSC sind die Forderungseintreibung („Collection“), die Produktkalkulation für Westeuropa sowie die Anlagenbuchhaltung. Die Forderungseintreibung beinhaltet dabei das gesamte Mahnverfahren, in dessen Verlauf Kunden schriftlich oder telefonisch an die Zahlung der Rechnung erinnert werden. Die Produktkalkulation bezeichnet die Berechnung der Herstellkosten, d. h. der Gesamtkosten, die durch die Produktion einer Ware entstehen. Dieser Prozess ist umfassend automatisiert, wobei alle Kontrollschritte vom SSC in Bratislava durchgeführt werden. Der Aufgabenbereich der Anlagenbuchhaltung umfasst die Verbuchung von Anlagenbeschaffungen und Anlagenveräusserungen sowie von Anlagenvernichtungen.

Kommunikation zwischen SSC und Konzern

Zwischen dem SSC und den Empfängern der Serviceleistung im Henkel-Konzern besteht eine klare Kunden-Lieferanten-Beziehung. Welche Aktivitäten verlagert werden sollen, wird von dem gemeinsamen Projektteam, bestehend aus der zentralen Finanzorganisation in Düsseldorf und Wien, dem lokalen Management in den Ländern und den SSC Experten in Bratislava festgelegt. Das SSC ist nach der Übernahme der Prozesse für die laufende Sicherstellung der Prozess- und Dienstleistungsqualität verantwortlich.

Praktische Erfahrungen

Die praktischen Erfahrungen aus der Gestaltung des SSC in Bratislava zeigen, dass es zu kurz gegriffen ist, die Verlagerung eines Prozesses in ein SSC nur als Verlagerung von Aufgaben und Kompetenzen zu verstehen. Entscheidend für den Erfolg der Verlagerung ist auch der Transfer des Wissens, das hinter den einzelnen Prozessen steht. Training der Mitarbeiter und Dokumentation der Prozessschritte bilden daher im Henkel-Konzern die Eckpfeiler eines erfolgreichen Wissenstransfers. Im Rahmen der Trainingsmassnahmen reisen Mitarbeiter des SSC in die einzelnen Länder, um sich die zu verlagernden Prozesse vorab anzusehen. Zusätzlich reisen auch Mitarbeiter aus den einzelnen Ländern nach Bratislava, um ihr Wissen im Rahmen von Trainings an die Mitarbeiter des SSC weiterzugeben. Für einen sauberen Übergang der Prozessverantwortung ist dabei die ausführliche Dokumentation der Prozesse bereits vor dem Zeitpunkt der Prozessverlagerung unbedingt notwendig. Die angefertigte Dokumentation dient zudem als Grundlage für ausführliche Handbücher, die im Rahmen der Mitarbeiter-Trainings eingesetzt werden. Diese Handbücher wiederum finden Eingang in eine für diesen Zweck eingerichtete Datenbank, die zudem jedem Mitarbeiter des SSC als Nachschlagewerke dient.

Eine Verlagerung von Prozessen in ein SSC ist nur mit einer adäquaten technischen Unterstützung möglich. Der bisherige, häufig papierhafte Belegfluss muss durch spezielle IT-gestützte Prozesse ersetzt werden, die bspw. im Rahmen von Rechnungsverarbeitungen eine zielgerichtete Zuweisung der Rechnung an die einzelnen Aufgabenträger eines Prozesses möglich machen.

Quelle

  • Becker, W., Kunz, C. & Mayer, B. (2009). Shared Service Center. Konzeption und Implementierung in internationalen Konzernen. Stuttgart: Kohlhammer.