Comroad - Wirtschaftskriminalität: Unterschied zwischen den Versionen

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Die folgende Fallstudie ist ein Beispiel zur Thematik Wirtschaftskriminalität.


==Ausgangslage==
Theorie: [[Wirtschaftskriminalität]]
 
==Comroad - fiktive Umsätze==


Im Jahr 2000 sah es für die börsennotierte Comroad AG optimal aus: Das Unternehmen hatte einen Börsenwert von 1,2 Mrd. Euro, ein renommierter Wirtschaftsprüfer – KPMG – prüfte die Jahresabschlüsse und große Banken boten Kredite an. Das Unternehmen wurde 1995 von Bodo Schnabel gegründet. Es stellte telematische Systeme her, vulgo Navigationssysteme. Die Umsatzentwicklung war hervorragend. 1998 hatte das Unternehmen bescheidene 2,3 Mio. Euro, 1999 waren es bereits 10,2 Mio. Euro und 2000 waren es schließlich 43,9 Mio. Euro. Anfang 2002 schöpfte die Zeitschrift Börse Online Verdacht: Eine Journalistin hatte ein Muster erkannt: Das Unternehmen berichtete zu jedem Quartalsende vorläufige Umsatzzahlen, die später deutlich reduziert wurden. Comroad verschob daraufhin eine Analystenkonferenz, in der schon auditierte Zahlen veröffentlicht werden sollten. KPMG bekam Zweifel und zog sich als Abschlussprüfer von dem Unternehmen zurück. Es wurde ein Sonderprüfer, Roedel & Partner, hinzugezogen. Der Sonderprüfer fand dann, dass ein Großkunde in Hong Kong, das angebliche Unternehmen VT Electronics, ein Phantom war. So fälschte das Unternehmen 96,7 % seiner 2000er, 85,9 % seiner 1999er und 62,7 % seiner 1998er Umsatzerlöse. Bodo Schnabel, der Vorstand von Comroad, wurde zu 7 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Unternehmen wurde von der Börse genommen. KPMGs Ruf hat stark unter dem falschen Urteil über Comroads Bücher gelitten, wobei die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sich verteidigte, dass es selbst Opfer des Betrugs war und nicht Täter. Die Banken, die die Comroad AG an die Börse gebracht hatten, wurden ebenfalls stark kritisiert, dass sie nicht wachsamer waren bei der Auswahl der von ihnen betreuten Unternehmen. Letztlich war der Comroad Skandal auch einer der Gründe für die spätere Auflösung des Neuen Marktes als innovatives Marktsegment für junge Unternehmen an der Frankfurter Wertpapierbörse (Quelle: Henselmann & Hofmann 2010, 192-202.).
Im Jahr 2000 sah es für die börsennotierte Comroad AG optimal aus: Das Unternehmen hatte einen Börsenwert von 1,2 Mrd. Euro, ein renommierter Wirtschaftsprüfer – KPMG – prüfte die Jahresabschlüsse und große Banken boten Kredite an. Das Unternehmen wurde 1995 von Bodo Schnabel gegründet. Es stellte telematische Systeme her, vulgo Navigationssysteme. Die Umsatzentwicklung war hervorragend. 1998 hatte das Unternehmen bescheidene 2,3 Mio. Euro, 1999 waren es bereits 10,2 Mio. Euro und 2000 waren es schließlich 43,9 Mio. Euro. Anfang 2002 schöpfte die Zeitschrift Börse Online Verdacht: Eine Journalistin hatte ein Muster erkannt: Das Unternehmen berichtete zu jedem Quartalsende vorläufige Umsatzzahlen, die später deutlich reduziert wurden. Comroad verschob daraufhin eine Analystenkonferenz, in der schon auditierte Zahlen veröffentlicht werden sollten. KPMG bekam Zweifel und zog sich als Abschlussprüfer von dem Unternehmen zurück. Es wurde ein Sonderprüfer, Roedel & Partner, hinzugezogen. Der Sonderprüfer fand dann, dass ein Großkunde in Hong Kong, das angebliche Unternehmen VT Electronics, ein Phantom war. So fälschte das Unternehmen 96,7 % seiner 2000er, 85,9 % seiner 1999er und 62,7 % seiner 1998er Umsatzerlöse. Bodo Schnabel, der Vorstand von Comroad, wurde zu 7 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Unternehmen wurde von der Börse genommen. KPMGs Ruf hat stark unter dem falschen Urteil über Comroads Bücher gelitten, wobei die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sich verteidigte, dass es selbst Opfer des Betrugs war und nicht Täter. Die Banken, die die Comroad AG an die Börse gebracht hatten, wurden ebenfalls stark kritisiert, dass sie nicht wachsamer waren bei der Auswahl der von ihnen betreuten Unternehmen. Letztlich war der Comroad Skandal auch einer der Gründe für die spätere Auflösung des Neuen Marktes als innovatives Marktsegment für junge Unternehmen an der Frankfurter Wertpapierbörse (Quelle: Henselmann & Hofmann 2010, 192-202.).


[[Kategorie:Fallstudien]]
[[Kategorie:Fallstudien]]

Version vom 18. Dezember 2020, 12:47 Uhr

Die folgende Fallstudie ist ein Beispiel zur Thematik Wirtschaftskriminalität.

Theorie: Wirtschaftskriminalität

Comroad - fiktive Umsätze

Im Jahr 2000 sah es für die börsennotierte Comroad AG optimal aus: Das Unternehmen hatte einen Börsenwert von 1,2 Mrd. Euro, ein renommierter Wirtschaftsprüfer – KPMG – prüfte die Jahresabschlüsse und große Banken boten Kredite an. Das Unternehmen wurde 1995 von Bodo Schnabel gegründet. Es stellte telematische Systeme her, vulgo Navigationssysteme. Die Umsatzentwicklung war hervorragend. 1998 hatte das Unternehmen bescheidene 2,3 Mio. Euro, 1999 waren es bereits 10,2 Mio. Euro und 2000 waren es schließlich 43,9 Mio. Euro. Anfang 2002 schöpfte die Zeitschrift Börse Online Verdacht: Eine Journalistin hatte ein Muster erkannt: Das Unternehmen berichtete zu jedem Quartalsende vorläufige Umsatzzahlen, die später deutlich reduziert wurden. Comroad verschob daraufhin eine Analystenkonferenz, in der schon auditierte Zahlen veröffentlicht werden sollten. KPMG bekam Zweifel und zog sich als Abschlussprüfer von dem Unternehmen zurück. Es wurde ein Sonderprüfer, Roedel & Partner, hinzugezogen. Der Sonderprüfer fand dann, dass ein Großkunde in Hong Kong, das angebliche Unternehmen VT Electronics, ein Phantom war. So fälschte das Unternehmen 96,7 % seiner 2000er, 85,9 % seiner 1999er und 62,7 % seiner 1998er Umsatzerlöse. Bodo Schnabel, der Vorstand von Comroad, wurde zu 7 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Unternehmen wurde von der Börse genommen. KPMGs Ruf hat stark unter dem falschen Urteil über Comroads Bücher gelitten, wobei die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sich verteidigte, dass es selbst Opfer des Betrugs war und nicht Täter. Die Banken, die die Comroad AG an die Börse gebracht hatten, wurden ebenfalls stark kritisiert, dass sie nicht wachsamer waren bei der Auswahl der von ihnen betreuten Unternehmen. Letztlich war der Comroad Skandal auch einer der Gründe für die spätere Auflösung des Neuen Marktes als innovatives Marktsegment für junge Unternehmen an der Frankfurter Wertpapierbörse (Quelle: Henselmann & Hofmann 2010, 192-202.).