Internationale Verrechnungspreise: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 16. März 2015, 10:28 Uhr
Verrechnungspreise sind Wertansätze für innerbetrieblich erstellte Leistungen, die von anderen, rechnerisch abgrenzbaren Unternehmensbereichen bezogen werden (Ewert & Wagenhofer, 2014, S. 567). Sie zählen heute zu den wichtigsten Instrumenten in der Führung von dezentralen Organisationen (Pfaff & Stefani, 2006, S. 1). Im internationalen Kontext haben Verrechnungspreise im Rahmen der (Konzern-) Besteuerung eine besondere Bedeutung. Mit dem Ansetzen von Verrechnungspreisen kann die Erfolgshöhe zwischen den grenzüberschreitenden Geschäftseinheiten und somit der national anfallende Steueraufwand beeinflusst werden (Weber & Schäffer, 2011, S. 209). Um dieser grenzüberschreitenden Steuerverschiebung entgegenzusetzen, haben insbesondere westliche Industrieländer mit vergleichsweise hohen Steuersätzen in den letzten Jahren die Vorschriften zur Verrechnungspreisbestimmung und zur Dokumentationspflicht deutlich verschärft (Baumhoff, Dücker & Köhler, 2010, S. 301).
Funktionen von internationalen Verrechnungspreisen
Innerhalb eines Konzerns werden verschiedene Leistungen unter den Konzerngesellschaften ausgetauscht. Die wichtigsten grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen innerhalb eines Konzerns sind folgende (Brähler, 2010, S. 407):
- Übertragung von Wirtschaftsgütern
- Gebrauchsüberlassung von materiellen Wirtschaftsgütern
- Gebrauchsüberlassung von immateriellen Gütern
- Dienstleistungen
- Kapitalverkehr
Diese grenzüberschreitenden Leistungen werden mit Hilfe von sogenannten internationalen Verrechnungspreisen gegenseitig verrechnet. Verrechnungspreisen kommen im internationalen Leistungsaustausch eine besondere Bedeutung zu, da mit Hilfe von ihnen Gewinne bzw. Verluste von einem Konzernunternehmen zu einem anderen Konzernunternehmen über die Landesgrenze hinaus verlagert werden können, so dass eine möglichst geringe Steuerbelastung für den gesamten Konzern entsteht (Brähler, 2010, S. 413). Zudem erfüllen internationale Verrechnungspreise folgende Funktionen zur Reduzierung aussenhandelsspezifischer Kosten bzw. Risiken (Metz, 2011, S. 14):
- Begrenzung von Wechselkursrisiken
- Reduzierung von Zollzahlungen
- Einhaltung von Import- und Exportbeschränkungen
Über die Ausgestaltung und Festlegung von Verrechnungspreisen kann die Steuerlast des Gesamtkonzerns direkt beeinflusst und optimiert werden. Dabei werden die Gewinne in steuerlich vorteilhafte Länder innerhalb der einzelnen Konzerngesellschaften verschoben (Brähler, 2010, S. 413). Die Fallstudie Wirkung von internationalen Verrechnungspreisen sowie das Video der Khan Academy (2012) über Transfer Pricing zeigen mit einem Zahlenbeispiel die Auswirkungen von internationalen Verrechnungspreisen auf die Steuerbelastung und somit wiederum auf den Konzerngewinn auf. Zur Vermeidung extremer steuerlicher Gestaltungen durch die Unternehmen haben jedoch Fisken sowie internationale Organisationen Gestaltungsempfehlungen und steuerliche Vorschriften erlassen. Insbesondere die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat sich diesem Thema angenommen (Weber & Schäffer, 2011, S. 209-210). Es bestehen jedoch weiterhin Fisken, die über ausgeklügelte Methoden die Steueroptimierung über Verrechnungspreise zulassen. Die Fallstudie Double Irish With a Dutch Sandwich, in der Praxis angewendet unter anderem von Apple sowie Google, gibt einen konkreten Einblick.
Rechtliche Grundlagen und Aspekte
Gewinnverlagerungen ins Ausland durch unangemessene konzerninterne Verrechnungspreise werden von den betroffenen Fisken verständlicherweise nicht akzeptiert, da ihnen dadurch erhebliche Steuereinnahmen entgehen (Brähler, 2010, S. 410). Um dieser Steuerverschiebung entgegenzutreten, haben besonders westliche Industrieländer mit vergleichsweise hohen Steuersätzen in den letzten Jahren die Vorschriften zur Verrechnungspreisbestimmung und zur Dokumentationspflicht deutlich verschärft (Baumhoff, Dücker & Köhler, 2010, S. 301).
Schweizerisches Recht
In der Schweiz existieren bisher keine spezifischen Verrechnungspreisvorschriften, jedoch beinhalten das geltende schweizerische Steuerrecht und verschiedene Verwaltungsanweisungen zahlreiche Hinweise, wie in der Schweiz Verrechnungspreisfragen gehandhabt werden. Die OECD-Richtlinien sowie der Fremdvergleichsgrundsatz kommen dabei zur Anwendung (Stocker & Studer, 2009, S. 386-387).
OEDC-Leitsätze für multinationale Unternehmen
Die OECD (engl. Organisation for Economic Co-operation and Development) hat in Zusammenhang mit internationalen Verrechnungspreisen OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen aufgestellt. Die OECD-Leitsätze stellen Verhaltensnormen und Empfehlungen von Regierungen an die Unternehmen für ein verantwortungsvolles unternehmerisches Verhalten dar. Ziel der OECD-Leitsätze ist es unter anderem, die Aktivitäten der multinationalen Unternehmen in Einklang mit den staatlichen Politiken (insbesondere Steuerpolitik) zu bringen. Die Leitsätze beruhen auf Freiwilligkeit und haben keinen rechtlich verbindlichen Charakter. Es besteht jedoch ein von den Mitgliedsstaaten geführter nationaler Kontaktpunkt, bei welchem Verstösse gegen die Leitsätze gemeldet werden können (SECO, online). Neben den OECD-Leitsätzen sind weitere nationale sowie internationale Vorschriften und Regelungen wie zum Beispiel das EU-Übereinkommen anwendbar (Brähler, 2010, S. 425).
Fremdvergleichsgrundsatz und Verrechnungspreismethoden
Als zentraler Grundsatz für die Verrechnungspreisbestimmung auf nationaler sowie auf internationaler Ebene gilt der Fremdvergleichsgrundsatz der OECD, das sogenannte „dealing at arm’s length principle“. Der Fremdvergleichsgrundsatz ist im OECD-MA vom 22. Juli 2010 Art. 9 verankert (Kahle, 2007, S. 96). Er verlangt, dass der Verrechnungspreis für einen internen Leistungsaustausch gleich hoch sein soll, wie wenn dieser Leistungsaustausch mit einem unabhängigen Dritten erfolgt wäre. Dies bedeutet, dass der jeweils gewählte Verrechnungspreis dem Fremdvergleich standhalten muss (Brähler, 2010, S. 413-414). Dabei bestehen gemäss Brähler (2010) verschiedene Arten des Fremdvergleichs:
- Der betriebsinterne vs. betriebsexterne Fremdvergleich: Der betriebsinterne Fremdvergleich vergleicht eine Transaktion, die ein Konzern mit einer zum gleichen Konzern angehörigen Gesellschaft durchführt, mit einer Transaktion, die derselbe Konzern mit einem fremden Unternehmen durchführen würde. Der betriebsexterne Fremdvergleich hingegen vergleicht eine Transaktion eines Konzerns mit einer zwischen zwei anderen, unabhängigen Unternehmen durchgeführten Transaktion.
- Der konkrete vs. hypothetische Fremdvergleich: Der konkrete Fremdvergleich lässt sich nur anwenden, wenn die Transaktion nicht nur innerhalb des Konzerns, sondern auch zwischen unabhängigen Dritten tatsächlich stattgefunden hat. Falls keine solchen Transaktionen stattfinden, kommt der hypothetische Fremdvergleich zur Anwendung.
- Der direkte vs. indirekte Fremdvergleich: Der direkte Fremdvergleich wird angewendet, wenn die entscheidenden Faktoren der verglichenen Transaktionen deckungsgleich sind. Falls ähnliche Geschäftstransaktionen zugrunde gelegt werden, die um die Abweichung der tatsächlichen Transaktion korrigiert werden, wird von einem indirekten Fremdvergleich gesprochen (S. 414-417).
Kalkulationsverfahren
Der Fremdvergleichsgrundsatz alleine schreibt kein bindendes Kalkulationsverfahren zur Berechnung der Verrechnungspreise vor. Vielmehr ist ein geeignetes Kalkulationsverfahren durch den Steuerpflichtigen selbst zu operationalisieren (Weber & Schäffer, 2011, S. 215). Die OECD-Richtlinien nennen jedoch zur Konkretisierung der Verrechnungspreisermittlung folgende steuerlich relevanten Methoden, die zur Einhaltung des Fremdvergleichsgrundsatzes verwendet werden können (Dawid & Dorner, S. 139):
- Preisvergleichsmethode
- Kostenaufschlagsmethode
- Wiederverkaufspreismethode
- Transaktionsbezogene Nettomargenmethode
- Gewinnaufteilungsmethode
Zur Berechnung und Festlegung von Verrechnungspreisen wird oft eine Vergleichbarkeitsanalyse erstellt. Die OECD stellt dazu ein Neun-Schritte-Prozess (Best Practice) zur Verfügung (Raschle & Borriello, 2011, S. 1075-1080).
Advanced Pricing Agreements
Da der Fremdvergleichsgrundsatz mit Schwierigkeiten behaftet ist, haben Unternehmen ausserdem die Möglichkeit, Advanced Pricing Agreements (APA) zu vereinbaren. APA stellen zeitlich befristete Vereinbarungen zwischen den Steuerpflichtigen und den beteiligten Steuerverwaltungen dar. Sie regeln, welche Verrechnungspreismethode und welche Preise oder Margen im Rahmen des internen Leistungsaustausches anwendbar sind und von den jeweiligen Finanzverwaltungen akzeptiert werden. Dadurch entsteht für das steuerpflichtige Unternehmen eine Rechts- und Planungssicherheit. In der Schweiz und in den USA ist dieses Verfahren weit verbreitet (Kahle, 2007, S. 98).
Dokumentation
Das schweizerische Steuerrecht beinhaltet für Unternehmen keine spezifischen Verpflichtungen zur Erstellung einer Verrechnungspreisdokumentation. Die Unternehmen sind jedoch verpflichtet, eine vollständige und richtige Veranlagung gemäss Art. 126 des DBG vom 14. Dezember 1990, SR 642.11, zu ermöglichen und auf Verlangen den Veranlagungsbehörden mündlich oder schriftlich Auskunft zu erteilen sowie die dafür benötigten Dokumente vorlegen zu können. Die Ausgestaltung einer Verrechnungspreisdokumentation kann frei gewählt werden. Auch hier verweist die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) auf die OECD-Leitsätze und deren Vorgaben zur Verrechnungspreisdokumentation. Die OECD verlangt, dass die Verrechnungspreisdokumentation folgende Punkte beinhaltet (Stocker & Studer, 2009, S. 390):
- Funktions- und Risikoanalyse
- Definition von Vergleichsunternehmen
- Anpassungsrechnung
- Verprobung der Fremdvergleichsgrundsätze
Korrekturen und Gegenberichtigungen
Die Schweizer Steuerbehörde kann Korrekturen und Gegenberichtigungen von Transaktionen nur vornehmen, wenn sie ein klares Missverhältnis beweisen kann. Die Korrektur kann bis auf fünf Jahre zurück vorgenommen werden und wird hauptsächlich für Gewinnkorrekturen angewendet (Stocker & Studer, 2009, S.2-4).
Die OECD-Richtlinien (OECD-MA vom 22. Juli 2010 Art. 9 Abs. 1) geben eine ähnliche Gewinnkorrektur vor, wie das schweizerische Recht. Um Doppelbesteuerungen bei Korrekturen zu vermeiden, werden die OECD-Vertragsstaaten in Abs. 2 darauf angehalten, die Anpassungen bei einer begründeten Gegenberichtigung zu akzeptieren. Diese Korrektur ist allerdings keine rechtliche Verpflichtung und wird in den meisten Fällen in den bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen geregelt (Brähler, 2010, S.167).
Lern- und Praxismaterialien
Fallstudien |
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Quellen
Literaturverzeichnis
- Baumhoff, H., Dücker, R. & Köhler, S. (2010). Besteuerung, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen. Wiesbaden: Gabler.
- Brähler, G. (2010). Internationales Steuerrecht. Wiesbaden: Gabler.
- Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG] vom 14. Dezember 1990, SR 642.11.
- Dawid, R. & Dorner, K. (2013). Verrechnungspreise. Grundlagen und Praxis. Wiesbaden: Springer Gabler.
- Ewert, R. & Wagenhofer, A. (2014). Interne Unternehmensrechnung (8. Aufl.). Berlin: Springer.
- Kahle, H. (2007). Internationale Verrechnungspreise aus steuerlicher Sicht. ZfCM, Controlling & Management, 51 H.2 (2007), S. 96-101.
- Khan Academy (2012). Transfer Pricing and Tax Havens. Online (03.11.2013): http://www.youtube.com/watch?v=TLSYwkWCIzA
- Metz, A. (2011). Internationale Transferpreissetzung und der "European Code of Conduct“. München: Grin.
- OECD. (2010). Model Tax Convention on Income and on Capital 2010 (OECD-MA) vom 22. Juli 2010. Paris.
- Pfaff, D. & Stefani, U. (2006). Verrechnungspreise im Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis. Universität Zürich.
- Raschle, N. & Borriello, M. (2011). Neue OECD-Verrechnungspreis-Richtlinien in der Unternehmenspraxis. Der Schweizer Treuhänder, 12/11, S. 1075-1080.
- SECO. OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Online (13.10.2013): http://www.seco.admin.ch/themen/00513/00527/01213/index.html?lang=de
- Stocker, R. & Studer, C. (2009). Bestimmung von Verrechnungspreisen. Ausgewählte Aspekte der schweizerischen Praxis. Der Schweizer Treuhänder, 5 (2009), S. 368-393.
- Weber, J. & Schäffer, J. (2011). Einführung in das Controlling. Stuttgart: Schäffer-Poeschl.
Weiterführende Literatur
- EY. (2013). Navigating the choppy waters of international tax. 2013 Global Transfer Pricing Survey [Broschüre]. EYGM Limited.
- KPMG. (2011). Global Transfer Pricing Review [Broschüre]. KPMG International.
- OECD. (2010). OECD Transfer Pricing Guidlines for Multinational Enterprises and Tax Administrations
- OECD. (2013). Public Consultation: Draft Handbook on Transfer Pricing Risk Assessment
- OECD (Hrsg.). (2011). OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. OECD Publishing
Autoren
Pascal Sommer, Adrian Tschopp, Jasmin Wydler