EVA: Shareholder Conversions
Zur Ermittlung eines realitätsnahen Economic Value Added (EVA) werden buchhalterische Anpassungen, sogenannte Conversions (auch Adjustments oder Adjustierungen), vorgenommen. Durch solche Conversions wird versucht, die durch das Rechnungswesen bereitgestellten Zahlen in aussagekräftigere periodische Grössen zu überführen (Volkart, 2011, S. 322; Keller & Plack, 2001, S. 350). Die Sichtweise der Gläubiger wird also verlassen und jene des risikofreudigen Eigenkapitalgebers eingenommen (Gundel, 2012, S. 75). Die verschiedenen Conversions werden zeitlich nacheinander vorgenommen (Operating Conversions, Funding Conversions, Shareholder Conversions und letztlich Tax Conversions).
Durch die Shareholder Conversions werden nicht bilanzierfähige Vermögensgegenstände einbezogen. Alle vorgenommen Anpassungen müssen sowohl in der Gewinngrösse als auch in der Vermögensgrösse gleichwohl behandelt werden (Keller & Plack, 2001, S. 348). Dies bedeutet, dass jegliche eigenkapitalähnliche Posten, die in der handelsrechtlichen Bilanz nicht aktiviert bzw. passiviert werden, bei der Ermittlung des EVA so behandelt werden, als ob für sie Vermögenswerte oder Lasten in der Bilanz erfasst werden (Gladen, 2014, S. 143).
Demzufolge betreffen Shareholder Conversions, wie bereits weiter oben erwähnt, die Bilanz wie auch die Erfolgsrechnung. Im ersten adjustierten Jahr wird die Bilanz vergrössert und die Erfolgsrechnung entlastet, d.h. es hat eine positive Auswirkung auf den EVA, weil der Gewinn meist höher ist als ohne die Conversions. In den Folgejahren muss eine Parallelrechnung geführt werden, in welcher nur noch die Veränderungen der Conversions nachgetragen werden müssen. Die nebenstehende Grafik zeigt diese Aufrechnungen grafisch auf. Die verwendeten Zahlen dienen als Anschauungsbeispiel.
Aufwendungen mit Investitionscharakter
Aufwendungen mit Investitionscharakter sind immaterielle Werte, welche entweder erworben oder selbst erarbeitet wurden, wobei die erworbenen Werte meist keine Schwierigkeiten darstellen, da diese nach dem Anschaffungskostenprinzip aktiviert und dann abgeschrieben werden dürfen (Hostettler, 2002, S. 139).
Selbst erarbeitete Werte wie Forschung und Entwicklung werden je nach Rechnungslegungsstandard unterschiedlich behandelt: nach US-GAAP sollen diese als Aufwand direkt die Erfolgsrechnung belasten, während die International Financial Reporting Standards (IFRS; früher IAS) zwischen Forschungs- und Entwicklungsphase unterscheiden. „Für die Forschungsarbeit besteht ein Aktivierungsverbot, wogegen für die Entwicklungsphase ein Aktivierungsgebot nach IAS 38.57 besteht“, sofern alle sechs Ansatzbedingungen erfüllt sind (Gundel, 2012, S. 96).
Für den EVA hingegen sollen alle Ausgaben für Forschung und Entwicklung analog zu den herkömmlichen Investitionen behandelt werden. Die Nutzungsdauer ist der Zeitdauer anzupassen, in welcher Cashflows von dem entwickelten Produkt erwartet werden (Gundel, 2012, S. 97). Hostettler (2002) rät auch, weitere Ausgaben mit Investitionscharakter wie Marketing und Restrukturierung zu aktivieren (S. 142-143).
Wird die Conversion in Bezug auf Aufwendungen mit Investitionscharakter vorgenommen, werden die Aufwendungen aber nicht in denjenigen Jahren belastet, in denen sie anfallen. Mittels Abschreibungen und Zinskosten werden die Aufwendungen über die angenommene Nutzungsdauer verteilt. Die Nutzungsdauer orientiert sich an der Zeitdauer, in welcher Zahlungsströme für die entwickelten Produkte und Dienstleistungen erwartet werden (Gundel, 2012, S. 97; Volkart, 2011, S. 323).
Bewertung Sachanlagen
IFRS lässt zwei verschiedene Methoden zur Bewertung von Sachanlagen zu: Das Anschaffungskostenmodell oder das Neubewertungsmodell (Gundel, 2012, S. 82).
- Das Anschaffungskostenmodell ist auch das in der Schweiz häufigste gebrauchte Modell, bei dem die Anschaffungskosten beim Erwerbsdatum aktiviert werden und dann jährlich planmässig abgeschrieben, respektive eventuelle Wertminderungen angesetzt werden (Gundel, 2012, S. 83; Hostettler, 2002, S. 133)
- „Bei der Neubewertungsmethode ist der Zeitwert zum Zeitpunkt der Neubewertung abzüglich aller nach der Neubewertung anfallenden plan- und ausserplanmässigen Abschreibungen anzusetzen“. Ziel dieser Methode ist es, den Buchwert möglichst dem Marktwert anzunähern (Gundel, 2012, S. 83).
Es sollten folgende mögliche Anpassungen für den EVA überlegt werden (Gundel, 2012, S. 83):
- Inflationierung des Sachanlagevermögens: Die Auswirkung der Teuerung soll berücksichtigt werden, allerdings ist diese Anpassung umstritten, da die für die Berechnung benötigten Parameter schwierig bestimmbar sind und oft von subjektiven Einflüssen abhängen (Hostettler, 2002, S. 134, vgl. auch Gundel, 2012, S. 83).
- Schätzung von Markwerten für das Sachanlagevermögen: Gundel (2012) empfiehlt, nur bei offensichtlichen Unterbewertungen der Buchwerte, diese neu zu schätzen (S. 87). Gundel (2012) und Hostettler (2002) sind sich einig, dass dies für die Mehrheit der bilanzierten Vermögenswerte nicht zutrifft und deshalb von einer Schätzung abgesehen werden soll (S. 136; S. 87).
- Abschreibung auf das Sachanlagevermögen: In der Abbildung rechts wird gezeigt, welchen Einfluss die beiden Abschreibungsarten (linear und degressiv) auf den EVA bei gleichbleibenden Cashflows von 16'000 jährlich hat. Zum einen zeigt diese Grafik auf, dass die beiden Abschreibungsarten sehr unterschiedlichen Einfluss auf den EVA haben. Zum anderen zeigt diese auf, dass sich der EVA stets verbessert, obwohl die Leistung des Investitionsgutes konstant bleibt. Dies kann zu Fehlentscheiden im Management führen (Gundel, 2012, S. 89-90).
Es ist also wichtig, dass eine Abschreibungsmethode gefunden wird, welche diese falschen Aussagen und Anreize vermeidet. Gundel (2012) schlägt dafür das Annuitätenverfahren vor, bei welchem die Abschreibungen so gestaltet werden, dass die Summe der Abschreibungen und die Zinsen auf das verbleibende Kapital im Zeitverlauf konstant bleiben (S. 91). Hostettler (2002) schlägt als Alternative zu den eher schwierigen Anpassungen vor, für den EVA die Bewertungsdifferenzen auf Basis der Brandversicherungswerte zu berücksichtigen (S. 137).
Vorräte
Vorräte wie beispielsweise Rohstoffe oder Hilfsstoffe werden unter IFRS oder US-GAAP nach dem Niederstwertprinzip bewertet, was nicht der Realität entspricht (Gundel, 2012, S. 79). Diese sollen zum Nettoveräusserungswert bewertet werden, als ob die Vorräte per Ende Jahr verkauft würden (Stewart, 1991, S. 113).
Rückstellung für Forderungsausfälle
Forderungen werden auf der Aktivseite bilanziert. Grundsätzlich können Forderungen gegenüber Lieferanten oder sonstigen Dritten als eine Art Kreditgewährung betrachtet werden. Bei einer Zahlungsfrist von bspw. 30 Tagen wird dem Schuldner für diesen Zahlungsaufschub ein Kredit gewährt, da er die Forderung nicht sofort zu begleichen hat. Aus solchen Kreditgewährungen ergeben sich für das Unternehmen Risiken. Damit diese Risiken korrekt in der Bilanz abgebildet werden, kann mittels einer Conversion eine Rückstellung für voraussichtliche Forderungsausfälle gebildet werden. Aufgrund dessen, dass Ausfälle von Forderungen zur ökonomischen Realität eines jeden Unternehmens gehören, sollen sie anhand dieser Adjustierung auf der Aktivseite mit einem negativen Vorzeichen (bspw. unterhalb der Position „Forderungen aus Lieferung und Leistung“) erfasst werden (Gundel, 2012, S. 77).
Goodwill
Goodwill entsteht aus dem Unterschiedsbeitrag zwischen Bilanzwert und Kaufpreis der gekauften Unternehmung (Hostettler & Stern, 2004, S. 42). Der Goodwill wird je nach Rechnungslegungsstandard entweder erfolgswirksam über mehrere Jahre abgeschrieben, erfolgsneutral mit dem Eigenkapital verrechnet (Hostettler, 2002, S. 144) oder einem jährlichen Impairment Test unterzogen (Gundel, 2012, S. 102).
Hostettler (2002) kritisiert die Verrechnung mit dem Eigenkapital, weil sie die Bilanz verkürzt und zu Renditeverzerrungen führt (S. 144). Deshalb müsste die Bilanz für den EVA angepasst werden. Bei der Aktivierung des Goodwills muss erst entschieden werden, ob er auch abgeschrieben werden soll oder in der Bilanz bestehen bleibt. Ist der Goodwill ein immaterieller Wert, der identifizierbar ist, so soll abgeschrieben werden. Ist der Goodwill jedoch nicht identifizierbar, so ist eine Abschreibung nicht zwingend (Hostettler, 2002, S. 147). Nach IFRS und auch US-GAAP ist seit 2004 ein jährlicher Impairment Test vorgeschrieben, bei dem der aktuelle Wert des Goodwills ermittelt wird und bei einer allfälligen Wertminderung ausserordentlich abgeschrieben werden muss (Gundel, 2012, S. 102).
Lern- und Praxismaterialien
Aufgaben | Fallstudien |
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Quellen
Literaturverzeichnis
- Gladen, W. (2014). Performance Measurement. Controlling mit Kennzahlen (6. Aufl.). Wiesbaden: Verlag Dr. Th. Gabler/GWV Fachverlage GmbH.
- Gundel, T. (2012). Der EVA als Management und Bewertungsinstrument. Wiesbaden: Gabler.
- Hostettler, S. (2002). Economic Value Added (EVA): Darstellung und Anwendung auf Schweizer Aktiengesellschaften. Bern: Haupt.
- Hostettler, S. & Stern, H. J. (2004). Das Value Cockpit. Sieben Schritte zur wertorientierten Führung für Entscheidungsträger. Weinheim: Wiley-VCH.
- Keller, B. & Plack, A. (2001). Economic Value Added (EVA) als Unternehmenssteuerungs- und bewertungsmethode. krp Kostenrechnungspraxis - Zeitschrift für Controlling, Accounting & System-Anwendungen, 45. Jg., H. 6, S. 347-351.
- Stewart, B. (1991). The Quest for Value. New York: HarperBusiness.
- Volkart, R. (2011). Corporate Finance. Grundlagen von Finanzierung und Investition (5. Aufl.). Zürich: Versus-Verlag.
Weiterführende Literatur
- Hostettler, S. (2003). Economic Value Added – Lektionen aus der Praxis. Der Schweizer Treuhänder, Nr. 3, S. 117-122.
- Schmeisser, W., Rönsch, M. & Zilch, I. (2009). Shareholder Value Approach versus Corporate Social Responsibility. Eine unternehmensethische Einführung in zwei konträre Ansätze. Mering: Rainer Hampp.
Autoren
Anouk Hosch, Eliane Hürzeler, Nina Isenschmid, Beat Koller