Transaktionsbezogene Nettomargenmethode
Als transaktionsbezogene Nettomargenmethode (TNMM) oder in Englisch „Transactional Net Margin Method“ bezeichnet man eine Verrechnungspreismethode. Diese basiert auf den Verrechnungspreisgrundsätzen der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development). Zusammen mit der Gewinnaufteilungsmethode bildet die TNMM den Bereich der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethoden (OECD, 2011, S. 86). Diese Methode vergleicht die Nettomargen aus einem oder mehreren internen Geschäftsvorfällen des steuerpflichtigen Unternehmens mit Nettomargen von vergleichbaren Unternehmen (Vögele & Crüger, 2011, S. 636).
Beschreibung und Grundsätze
Basis für eine TNMM-Verrechnungspreisanalyse ist der erzielte Nettogewinn aus einer oder mehreren gleichartigen kontrollierten, respektive konzerninternen Transaktionen. Als Nettogewinn ist das Betriebsergebnis vor Abzug von Zinsaufwendungen, ausserordentlichen Ergebnissen und Steuern gemeint (EBIT). Der entsprechende Nettogewinn wird in Relation zu einer geeigneten Bezugsgrösse gesetzt, woraus die Nettomarge resultiert. Mögliche Bezugsgrössen sind je nach Anwendungsbereich und Art des Unternehmens die Kosten, der Umsatz oder das Kapital. Es geht darum, die aus der Berechnung resultierende Nettomarge mit solchen Nettomargen zu vergleichen, die das Unternehmen aus gleichartigen Geschäften mit anderen Drittunternehmen erzielt. Hier ist von einem internen Vergleich die Rede. Ist dies nicht möglich, erfolgt ein Vergleich mit Nettomargen aus Transaktionen zwischen fremden Unternehmen. Dabei handelt es sich um einen externen Vergleich (Schwerdt, 2013, S. 163). In beiden Fällen ist eine Funktionsanalyse von den in der Transaktion wahrgenommenen Funktionen und Risiken des verbundenen oder des unabhängigen Unternehmens unabdingbar (Vögele & Raab, 2011, S. 324). Dieses Vorgehen gewährleisten, dass es sich um vergleichbare Transaktionen handelt und somit zuverlässige Ergebnisse resultieren (Schwerdt, 2013, S. 163).
Vorgehensweise bei der Anwendung
Die Auswahl der geeigneten Verrechnungspreismethode geschieht durch die Anwendung des Funktions- und Risikoprofils. Fällt die Wahl auf die TNMM, lässt sich der Prozess in folgende sechs Schritte gliedern (Schwerdt, 2013, S. 166).
Auswahl des zu analysierenden Unternehmens |
In einem ersten Schritt erfolgt die Auswahl des an der kontrollierten Transaktion beteiligten Unternehmens, dessen Finanzzahlen für den Vergleich ausschlaggebend sind. Im Regelfall handelt es sich um jene Partei, die das einfachste Funktions- und Risikoprofil aufweist (Schwerdt, 2013, S. 167; OECD, 2011, S. 128). Bei zwei oder mehreren involvierten Unternehmen ist nur eines in die Verrechnungspreisanalyse einzubeziehen. Grundsätzlich ist dies jenes Unternehmen mit den funktional einfacheren Strukturen (Vögele & Raab, 2011, S. 324).
Zusammenfassung von Transaktionen
Grundsätzlich soll gemäss dem Fremdvergleichsgrundsatz der OECD-Richtlinien für jedes einzelne Geschäft eine isolierte Betrachtung erfolgen. Eine Zusammenfassung von Geschäften ist aber möglich, sobald diese wirtschaftlich eng miteinander verbunden sind und so eine erhöhte Aussagekraft der Analyse resultiert. Alles in allem ist bei der TNMM eine Aggregation von einzelnen Transaktionen vorzunehmen. Dies insbesondere deshalb, da bei unabhängigen Vergleichsunternehmen ebenfalls eine zusammengefasste Betrachtung erfolgt (Schwerdt, 2013, S. 167-168).
Auswahl der zu untersuchenden Wirtschaftsjahre
Um kurzfristige Einflussfaktoren wie beispielsweise eine schwache Konjunkturlage, Wechselkursschwankungen, Produktlebenszyklen oder andere Aspekte auszublenden, sollte bei der Ermittlung von Vergleichsdaten eine Betrachtung über mehrere Perioden erfolgen (Rieke, 2015, S. 84). Die Verwendung von Durchschnittswerten für mehrere Geschäftsjahre führt zu einem verbesserten Analyseergebnis. Diese Vorgehensweise empfehlen auch die OECD-Richtlinien (OECD, 2011, S. 145-147). Die Auswahl der entsprechenden Geschäftsjahre ist abhängig von der Datenverfügbarkeit und der Zielsetzung. Schlussendlich existiert bezüglich Wahl der Geschäftsjahre kein festes Regelwerk. Es können jene Jahre herangezogen werden, die dem Einzelfall am besten entsprechen (Schwerdt, 2013, S. 168).
Auswahl der Vergleichsunternehmen
Die Auswahl von unabhängigen Vergleichsunternehmen erfolgt häufig mittels Unternehmensdatenbanken und basiert normalerweise auf dem Funktions- und Risikoprofil des untersuchten Unternehmens. Die so identifizierten Vergleichsunternehmen müssen anschliessend eine manuelle Nachkontrolle durchlaufen, um die Vollständigkeit und Aktualität der Datenbankinformationen zu überprüfen. Normalerweise erfolgt dieser Schritt mit Hilfe des Internetauftritts oder weiterer Datenbanken. Auf diesen Daten aufbauend werden die Gewinnkennziffern berechnet (Schwerdt, 2013, S. 169).
Auswahl der Gewinnkennziffer |
Anschliessend an die Auswahl der unabhängigen Vergleichsunternehmen erfolgt die eigentliche Analyse der gewonnenen Finanzdaten. Es empfiehlt sich jene Gewinngrösse, welche einen statthaften Vergleich zwischen den Nettogewinnen des zu untersuchenden Unternehmens und den Nettogewinnen der Vergleichsunternehmen erlaubt. Die Gewinnkennziffer wird für jeden Fall individuell festgelegt. In der folgenden Tabelle sind oft verwendete Kennzahlen aufgeführt und ihre Verwendungszwecke erläutert (Schwerdt, 2013, S. 169-170; OECD, 2011, S. 96-102):
Gewinnkennziffer | Geeignet für: |
---|---|
Umsatzrendite
(EBIT/Umsatzerlös) |
Vertriebsgesellschaften
• Direkter Zusammenhang zwischen dem Umfang der Geschäftstätigkeit und den Verkaufsumsätzen |
Nettogewinnaufschlag
(EBIT/operative Gesamtkosten) |
Dienstleistungs- & Produktionsunternehmen
• Geschäftstätigkeit wird primär in den Kosten widerspiegelt |
Kapitalrendite
(EBIT/Betriebsvermögen) |
• Für Unternehmen mit Grundstücken, Fabriken und Anlagen, welche einen starken Einfluss auf den Profit haben |
Berry Ratio
(Bruttogewinn/Operative Kosten) |
Dienstleistungsunternehmen
• Für Unternehmen, die eingesetztes Kapital unzureichend abbilden und / oder den erreichten Absatz in den Finanzdaten nicht vollständig berichten |
Ermittlung einer Bandbreite
Die OECD-Richtlinien (2011) anerkennen die Bestimmung einer Bandbreite aus den Daten der Vergleichsunternehmen (S. 92). In der Praxis sind die Geschäftsbedingungen oft nicht identisch, weshalb eine Berücksichtigung der interquartilen Bandbreite (2. und 3. Quartil) erfolgt (Vögele & Crüger, 2011, S. 638). Liegt die entsprechende Nettomarge der betreffenden Transaktion des zu analysierenden Unternehmens innerhalb dieser Bandbreite, entspricht diese dem Fremdvergleich. Ist dies der Fall, so handelt es sich um einen angemessenen Verrechnungspreis (Schwerdt, 2013, S. 170-171).
Entwicklung der Methode
Da es sich bei der TNMM um eine gewinnorientierte Methode handelt, pflegte die OECD über lange Zeit eine zurückhaltende Einstellung gegenüber deren Anwendung. Erst der weite Anwendungsbereich sowie die rückläufigen Bedenken verschiedener Steuerbehörden gegenüber der Anwendung der Methode „…führten zu einem wachsenden Druck zur internationalen Angleichung der Vorschriften zur Verwendung der TNMM“ (Vögele & Raab, 2011, S. 323). Die grosse Verbreitung der TNMM in der Praxis zeigt aber, dass die Nachrangigkeit der TNMM nicht mehr gegeben ist (Baumhoff & Greinert, 2014, S. 351-353). Sollte allerdings die Anwendung einer geschäftsvorfallbezogenen Standardmethode und geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethode gleichermassen möglich sein, schreibt die OECD die Verwendung der Standardmethode vor (OECD, 2011, S. 65-66).
Würdigung der Methode
Die Anwendung der TNMM beinhaltet positive wie negative Aspekte. Ein positiver Punkt ist die hohe Wahrscheinlichkeit, genügend geeignete Vergleichswerte via Datenbanken zu ermitteln. Diesbezüglich verfügt die TNMM über den entscheidenden Vorteil, dass es bei den geschäftsvorfallbezogenen Standardmethoden oft schwierig ist, qualitativ hochstehende Daten für einen geeigneten Fremdvergleich zu ermitteln (Vögele & Raab, 2011, S. 325). International erfolgt die Ermittlung des Nettogewinns nach mehrheitlich den gleichen Grundsätzen. Dies insbesondere deshalb, da durch eine einheitliche Ermittlung des Nettogewinns eine länderübergreifende Vergleichbarkeit möglich ist (S. 326). Schlussendlich erfolgt bei der Ermittlung des Nettogewinns ein Abzug der Kosten von den Erträgen, weshalb die TNMM ein geringeres Mass an Funktions- und Produktähnlichkeit als die geschäftsvorfallbezogenen Standardmethoden voraussetzt. Anders ausgedrückt sind die Anforderungen an die Vergleichbarkeit tiefer als bei jeder anderen von der OECD vorgeschlagenen Methode (Schwerdt, 2013, S. 164-165). Ein negativer Aspekt ist die immer noch bestehende geringe Akzeptanz der TNMM von den Steuerbehörden, respektive den steuerlichen Gesetzgebern in einigen Ländern (Vögele & Raab, 2011, S. 326). Weiter ist ein Vergleich von Verrechnungspreisen anhand der TNMM unter Umständen mit Ungenauigkeiten verbunden. Dies, da sich die geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethoden ausschliesslich am Gewinn orientieren. Trotzdem ist in der Praxis eine relativ gute Approximation an die tatsächlichen Gegebenheiten möglich (S. 328).
Lern- und Praxismaterialien
Fallstudien |
---|
Quellen
Literaturverzeichnis
- Baumhoff, H. & Greinert, M. (2014). Methoden zur Ermittlung des angemessenen Verrech-nungspreises. In: F. Wassermeyer & H. Baumhoff (Hrsg.). Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen (S. 315-414). Köln: Dr. Otto Schmidt KG.
- OECD (Hrsg). (2011). OECD Leitsätze für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltung 2010. OECD Publishing.
- Rieke, S. (2015). Verrechnungspreise im Spannungsfeld zwischen Konzernsteuerung und internationalem Steuerrecht. Wiesbaden: Springer Gabler.
- Schwerdt, D. (2013). Verrechnungspreismethoden und Ökonomische Analyse. In: R. Dawid & K. Dorner (Hrsg.). Verrechnungspreise. Grundlagen und Praxis (S. 137-197). Wiesbaden: Springer Gabler.
- Vögele, A. & Crüger, A. (2011). Quantifizierung im Rahmen der transaktionsbezogenen Nettomargenmethode. In: A. Vögele, Th. Borstell & G. Engler (Hrsg). Verrechnungspreise. Betriebswirtschaft. Steuerrecht (S. 634 - 666). München: Verlag C. H. Beck.
- Vögele, A. & Raab, J. (2011). Gewinnvergleichs-Methode (Comparable Profits Method) und transaktionsbezogene Nettomargen-Methode (Transactional Net Margin Method). In: A. Vögele, Th. Borstell & G. Engler (Hrsg). Verrechnungspreise. Betriebswirtschaft. Steuerrecht (S. 634 - 666). München: Verlag C. H. Beck.
Weiterführende Literatur
- Darkow, J. (2014). Problemfelder des deutschen Konzernsteuerrechts. Betrachtung der Verrechnungspreise in international agierenden Konzernen. Wiesbaden: Springer Gabler.
- EY. Transfer pricing glossary of terms. Online (24.10.2015): http://www.ey.com/GL/en/Services/Tax/International-Tax/Transfer-Pricing-and-Tax-Effective-Supply-Chain-Management/2012-Transfer-pricing-global-reference-guide---Transfer-pricingglossary-of-terms
- Hughes, E. & Nicholls, W. (2010). The different methods of TP: pros and cons. Online (24.10.2015): http://www.taxjournal.com/tj/articles/different-methods-tp-pros-and-cons
Autoren
Igor Pavlovic, Darko Savic, Patrick Schenker, Florian Zürcher