Anreizsystem

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Unter einem Anreizsystem versteht man formelle und informelle Regeln, die eine Verbindung zwischen den betrieblichen Zielen und den persönlichen Zielen der Mitarbeitenden, insbesondere der Entscheidungsträger, herstellen (Merchant & Van der Stede, 2012, S. 368). Durch die Koppelung von Vergütungsbestandteilen an die Erreichung betrieblicher Ziele sollen Mitarbeitende folglich zu strategiekonformem Verhalten motiviert werden. Abgleitet aus dem Führungskonzept Management by Objectives (MbO) wird durch die Vorgabe von Zielen eine präzise Messung des Beitrags einzelner Elemente zur Verwirklichung übergeordneter Ziele des Systems angestrebt. Die Kontrolle erfolgt danach am Massstab der vorgegebenen Ziele und Messgrössen, wobei diese klar und deutlich zu formulieren sind.

Ziele und Funktionen eines Anreizsystems

Die Ziele und Funktionen von Anreizsystemen sind vielfältig und im Rahmen der Gestaltung des Anreizsystems zu reflektieren. Es stellen sie vorab die Fragen, was das System bezwecken soll und worauf man achten muss, damit die zentralen Funktionen zum Zug kommen. Die Literatur unterscheidet folgende Funktionen (Merchant & Van der Stede, 2012, S. 368-370).

  • Motivationsfunktion: Das Hauptziel eines Anreizsystems besteht darin, die Mitarbeitermotivation zu aktivieren und die Leistungsbereitschaft herbeizuführen. Daher erfolgt eine gezielte Konzeption, um verschiedene Mitarbeitergruppen zu motivieren.
  • Steuerungsfunktion: Der Einsatz von Anreizen und deren Verknüpfung mit betrieblichen Zielen soll die Mitarbeitenden unterschiedlich beeinflussen, belohnen oder sanktionieren. Damit einher geht die Verknüpfung der Personalförderungsmassnahmen mit der individuellen Leistungsbeurteilung.
  • Informationsfunktion: Ein weiteres Ziel umfasst das explizite oder implizite Senden von Informationen, Werten oder Haltungen, die im Unternehmen anerkannt oder abgelehnt werden. Die Fokussierung auf finanzielle Anreize beispielsweise signalisiert, dass die Einkommenshöhe ein nicht unwesentlicher Bestandteil des Status eines Mitarbeiters ist.
  • Veränderungsfunktion: Mithilfe eines Anreizsystems ergibt sich auch die Möglichkeit, bei Veränderungsprozessen rasch und situativ auf das Mitarbeiterverhalten einwirken zu können. Im positiven Fall wird der Mitarbeitende für zusätzliche Anstrengungen belohnt. Gleichzeitig kann eine mangelnde Veränderungsbereitschaft durch negative Anreize sanktioniert werden.

Gestaltung von Anreizsystemen

Elemente eines umfassenden Anreizsystems

Im Rahmen eines Anreizsystems ergibt sich die Möglichkeit, sowohl materielle als auch immaterielle Anreize auszuschöpfen (Bayard, 1997, S. 88). Die Anreize wiederum haben eine extrinsische (äussere Belohnung materieller oder immaterieller Art) oder intrinsische Motivationsfunktion (aus eigenem Willen angestrebt). Letztere spiegeln sich in persönlichen Erfolgs- und Misserfolgserlebnissen wider.

  • Materielle Anreize
    • Direkte finanzielle Anreize: Fixes und variables Entgelt, Prämien
    • Indirekte finanzielle Anreize: Alle geldwerten Anreize, die unabhängig von der Arbeitsleistung sind (Fringe Benefits)
  • Immaterielle Anreize
    • Soziale Anreize: Gruppenmitgliedschaft, Führungsstil, Kooperation, Kommunikation und Status
    • Institutionelle Anreize: Unternehmensstandort, Arbeitszeitregelung, Entwicklungsmöglichkeiten, Arbeitsplatzsicherheit
    • Die Arbeit selbst: Arbeitsinhalt, Tätigkeitsspielraum, Arbeitsvielfalt, Anforderungen

Besonderes Gewicht haben jeweils die finanziellen Anreize, da sie eine erhöhte Bedeutung bei der Befriedigung physiologischer rund sicherheitsorientierter Bedürfnisse besitzen. Darüber hinaus stellen diese einen Massstab dar, wie die eigene Leistung von Anderen bewertet wird. Daher stehen monetäre Anreize bei der Bildung von Anreizsystemen meist im Vordergrund (Stelling, 2005, S. 305).

Anforderungen aus Sicht des Controllings

Entgeltsysteme sind ein wichtiger Bestandteil von Anreizsystemen im Unternehmen. Letztere haben aus Sicht des Controllings im optimalen Fall die nachfolgenden Anforderungen zu erfüllen (Grewe, 2006, S. 13-15).

  • Leistungsorientierung: Orientierung am Leistungsergebnis sowie Ausrichtung auf die geplanten (strategischen und operativen) Unternehmensziele unter Berücksichtigung der individuellen Zielsetzungen der Mitarbeitenden
  • Flexibilität: Situationsbezogene Flexibilität in Bezug auf die Anpassungsfähigkeit bei Unternehmensveränderungen als auch im Hinblick auf ändernde Motive (Bedürfnisse) der Mitarbeiter
  • Gerechtigkeit: Gewährleistung einer anforderungs- und leistungsgerechten sowie marktorientierten Vergütung bei gleichzeitiger Vermeidung von Demotivation, Leistungsreduktion und Abwanderung
  • Transparenz: Sicherstellung der Vergleichbarkeit, Nachvollziehbarkeit und Konsistenz des Anreiz- und Entgeltsystems
  • Wirtschaftlichkeit: Minimierung des Aufwandes für die Gestaltung, Implementierung und Weiterentwicklung des Systems in Anbetracht des Nutzens

Auswahl von Leistungen und Messgrössen

Angesichts der Probleme traditioneller Bonuspläne ist es besonders wichtig, im Rahmen eines Auswahlprozesses die richtigen Leistungen und Messgrössen für ein Anreizsystem zu bestimmen. Falsche Anreize können unter anderem aus konfliktären Zielgrössen, subjektiver Leistungsmessung oder fehlender Langfristorientierung entstehen. Ebenso fördern einseitige Anreize wie beispielsweise die reine Budgeterreichung das kurzfristige Handeln oder die hohe Komplexität verhindert die konsequente Ausrichtung auf strategische Zielsetzungen. Zuletzt gilt es auch die Einschränkungen durch Limitensysteme zu beachten:

  • Obergrenzen (Caps): Verhindern Mehrleistungen, wenn ein Manager die Grenze überschritten hat
  • Untergrenzen (Floors): Fördern Minderleistungen, wenn ein Manager sowieso darunter ist

Der Auswahlprozess soll sich an der Strategie orientieren, weshalb diese vorab geklärt sein muss. Danach ist es möglich, anhand der Kriterien Objektivität, Umfang und Beeinflussbarkeit optimale Messgrössen zu bestimmen. Im Idealfall, aber in der Praxis oft nicht vorhanden, sind Messgrössen, die möglichst objektiv, umfassend und durch die entsprechenden Mitarbeitenden beeinflussbar sind. Entgegengesetzt führt die fehlende Beeinflussbarkeit zu Motivationsproblemen und ein zu kleiner Umfang der Messgrösse bei gegebener Beeinflussbarkeit zur Gefahr von disfunktionalem Verhalten. Als Messgrösse empfehlen sich quantitative Grössen, die sinnvoll messbar sind und sich für einen Vergleich eigenen. Je nach zu messender Leistung kann diese, wie oben erwähnt, einen finanziellen oder nicht-finanziellen Charakter aufweisen.

Ansätze von Anreizsystemen

Balanced Scorecard als Basis für ein Anreizsystem

Anreizsysteme (Trachsel, 2011, S. 40)

Anreizsysteme, die auf einer Balanced Scorecard (BSC) basieren, haben zum Ziel, das Unternehmen bei der erfolgreichen Strategieumsetzung zu unterstützten. Dabei knüpfen die Zielvereinbarungs- und Vergütungssysteme explizit an der BSC an. Dadurch wird ein klarer Bezug geschaffen zwischen den Handlungen der einzelnen Mitarbeiter und den zu erreichenden strategischen Unternehmensziele. Der Mehrwert besteht schliesslich darin, dass sich sämtliche Kräfte deutlich und transparent an der Strategie orientieren und mit geeigneten Anreizen die individuellen Ziele mit den Unternehmenszielen verknüpft werden. Aufgrund der Ausgestaltung einer BSC beinhaltet diese in der Regel ein aus der Strategie abgeleitetes und ausgewogenes Zielsystem, somit sich auch nicht-finanzielle Aspekte angemessen berücksichtigen lassen (Schwertner, Becker & Seubert, 2004, S. 12-15). Nebenstehende Abbildung visualisiert diese Verknüpfung ausgehend von der Balanced Scorecard hin zum BSC-basierten Anreizsystem.

Gleichwohl existiert die Gefahr, ein Führungs- und Kommunikationsinstrument zur Leistungsmessung und Anreizgestaltung zu benutzen. Es stellen sich daher zahlreiche Fragen, bezüglich der Anzahl der Kennzahlen, der Angemessenheit der Kennzahlen oder auch bezüglich des Einflusses auf die Gestaltung und Akzeptanz der BSC. Zudem erhält das Instrument durch die Kaskadierung von Bereichs-, Team und individuellen Zielgrössen eine hohe Komplexität. Letztlich ist auch sicherzustellen, dass zuverlässige Ziel- und Istwerte ausgewählt werden, die eine möglichst objektive Leistungsmessung ermöglichen.

Bonussystem basierend auf dem EVA

Ausgangspunkt für die Berechnung eines EVA-basierten Bonus stellen die festzulegenden Zielwerte für den Economic Value Added der Unternehmensgruppe und der dezentralen Einheiten dar. Die die Bestimmung von Zielvorgaben kann das Unternehmen die spezifischen Marktbedingungen beachten. Anspruchsvolle und herausfordernde Ziele wirken motivationssteigernd auf die Mitarbeitenden. Die Bonusfaktoren werden durch den Vergleich der Zielvorgaben mit den realisierten EVA-Werten bestimmt und anschliessend gewichtet zum Bonusfaktor für die Unternehmensperformance aggregiert. Die EVA-basierte Bonus oder Malus eines Mitarbeitenden berechnet sich letztlich durch die Multiplikation des Zieljahresgehalts mit dem mitarbeitergruppenspezifischen prozentualen variablen Anteil und dem gewichteten Bonusfaktor für die Unternehmensperformance. Um die Langfristorientierung sicherzustellen wird der Bonus zunächst auf ein persönliches Bonuskonto eingestellt und mit zukünftigen Bonusbeträgen verrechnet. Die Bonusbeträge unterliegen somit einem ständigen Performancerisiko. Die Auszahlungsmodalitäten erfolgen häufig im Rahmen einer sogenannten Bonusbank, die negative-Boni erlaubt und eine fortlaufende Berechnung sicherstellt.

Lernmaterialien

Aufgaben Fallstudien

Quellen

Literaturverzeichnis

  • Bayard, N. (1997). Unternehmens- und personalpolitische Relevanz der Arbeitszufriedenheit. Bern: Haupt.
  • Currle, M. & Witzemann, T. (2004). Bonusbanken: Unternehmenswertsteigerung und Managementvergütung langfristig verbinden. Controlling, Heft 11, S. 631-637.
  • Grewe, A. (2006). Implementierung neuer Anreizsysteme: Grundlagen, Konzept und Gestaltungsempfehlungen (3. Aufl.). München: Hampp.
  • Merchant, K.A. & Van der Stede, W.A. (2012). Management Control Systems. Performance Measurement, Evaluation and Incentives (3rd Ed.). Harlow, UK: Prentice Hall.
  • Schwertner, K., Becker W. & Seubert, C.-M. (2004). Erfolgsgarant Balanced Scorecard. Personal magazine, 12/2004, S. 12-15.
  • Speckbacher, G. & Bischof, J. (2000). Die Balanced Scorecard als innovatives Managementsystem. DBW 60, 4/2000, S. 795-810.
  • Stelling, J.N. (2005). Kostenmanagement und Controlling (2. Aufl.). München: Oldenbourg.

Weiterführende Literatur

  • Dahlhaus, C. (2009). Investitions-Controlling in dezentralen Unternehmen: Anreizsysteme als Instrument zur Verhaltenssteuerung im Investitionsprozess. Wiesbaden: Gabler.
  • Hostettler, S. & Stern, H.J. (2007). Das Value Cockpit. Sieben Schritte zur wertorientierten Führung für Entscheidungsträger (2. Aufl.). Weinheim: Wiley-VCH Verlag.
  • Koch, M. & Pertl, M. (2009). Beteiligung an Chancen und Risiken. Es lebe die Bonus-Bank! Stern Stewart Research, Volume 40.