Verrechnungspreisdokumentation

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Geprüft: Negativ beurteilt


Ziele

Mit der Dokumentation von Verrechnungspreisen werden bei den Unternehmen verschiedene Ziele verfolgt. Das Hauptziel ist, die in einem Land geltenden Dokumentationspflichten über Verrechnungspreise zu erfüllen. Die steuerlichen Betriebsprüfenden können die Dokumentation einfordern. Je nach Land kann die Nichteinhaltung der Dokumentationspflicht mit teils sehr hohen Strafzuschlägen geahndet werden. Die Verrechnungspreisdokumentation legt auch dar, wie ein bestimmter Verrechnungspreis zu Stande kommt und gerechtfertigt wird. Nicht zuletzt wird mittels der Verrechnungspreisdokumentation das Ziel verfolgt, die Übereinstimmung der angewandten Verrechnungspreise im Unternehmen mit dem Fremdvergleichsgrundsatz zu bestätigen (Dawid & Dorner, 2013, S. 49-50).

Rechtliche Grundlagen Schweiz

Sowohl im Bundesrecht als auch in den kantonalen Gesetzen sind keine expliziten Dokumentationsvorschriften festgehalten (Grant Thornton Switzerland, 2010, S. 2). Das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer vom 14. Dezember 1990, SR 642.11, enthält lediglich allgemeine handelsrechtliche und steuerliche Dokumentationspflichten. Die Unternehmen müssen insbesondere folgende Vorschriften beachten (Vögele & Raab, 2011, S. 1900):

  1. Allgemeine Erklärungs- und Mitwirkungspflichten (Art. 124 des DBG vom 14. Dezember 1990, SR 642.11).
  2. Pflicht zur Erteilung von Auskünften sowie zur Vorlage von Bescheinigungen und Urkunden (Art. 126 Abs. 1, 2 des DBG vom 14. Dezember 1990, SR 642.11; Art. 42 des StHG vom 14. Dezember 1990, SR 642.14).
  3. Schätzung/Annahmen bei der Nichtbefolgung der Pflichten zur Mitwirkung/Auskunftserteilung (Art. 130 Abs. 2 des DBG vom 14. Dezember 1990, SR 642.11)
  4. Ordnungsbusse bei der Nichtbefolgung der Pflichten zur Mitwirkung/Auskunftserteilung (Art. 174 des DBG vom 14. Dezember 1990, SR 642.11)
  5. Aufbewahrungspflichten von zehn Jahren (Art. 126 Abs. 3 des DBG vom vom 14. Dezember 1990, SR 642.11; Art. 958f des OR vom 30. März 1911, SR 220)

Das schweizerische Steuerrecht gibt somit wenig Anhaltspunkte, wie eine Verrechnungspreisdokumentation ausgestaltet sein soll (Stocker & Studer, 2009, S. 390). Aus diesem Grund verweist die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) mit mehreren Richtlinien, unter anderem mit dem Kreisschreiben Nr. 4 vom 19. März 2004, auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien (Vögele & Raab, 2011, S. 1901). Die Steuerbehörden haben somit OECD-konforme Verrechnungspreisdokumentation zu akzeptieren (Stocker & Studer, 2009, S. 390). Dies wird in den länderspezifischen Verrechnungspreisguides von verschiedenen Beratungsunternehmen bestätigt (Deloitte, 2015, S. 211; KPMG, 2015, S. 2; WTS, 2013, S. 154).

OECD-Leitlinien

Die OECD hat zum Thema Verrechnungspreise und Verrechnungspreisdokumentation umfassende Leitlinien herausgegeben. Zurzeit ist sie daran die Leitlinien zu überarbeiten und den sogenannten Two-Tiered Ansatz zu implementieren.

Bisherige Leitlinien

Die OECD-Verrechnungspreisleitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen 2010 bilden den internationalen Rahmen für Verrechnungspreise (Ewert und Wagenhofer, 2008, S. 572). Für die nationale, gesetzliche Umsetzung der OECD-Richtlinien ist jedes einzelne Land verantwortlich. Auf der einen Seite enthalten die Richtlinien Punkte, welche Steuerverwaltungen beachten sollten, wenn sie Vorschriften oder Verfahren zur Verrechnungspreisdokumentation erlassen. Auf der anderen Seite soll die Publikation den steuerpflichtigen Unternehmen eine Hilfestellung bieten (OECD, 2011, S. 207). Die OECD verlangt, dass die Dokumentation der Verrechnungspreise folgende Punkte beinhaltet (Stocker & Studer, 2009, S. 390):

  • Funktions- und Risikoanalyse
  • Definition von Vergleichsunternehmen
  • Anpassungsrechnung
  • Verprobung der Fremdvergleichsgrundsätze

Die Durchsetzung vom Fremdvergleichsgrundsatz ist in der OECD ein bekanntes Problem (OECD, 2014, S. 23). Zurzeit wird aus diesem Grund an verschärften Dokumentationsanforderungen für Verrechnungspreise gearbeitet (Geberth & Heggmair, 2014, S. M08). Dieses Projekt der OECD und der G20-Staaten heisst Base Erosion and Profit Shifting Projekt (BEPS Projekt) (OECD, 2015, S. 1). Das BEPS Projekt möchte weltweit Standards für die Verrechnungspreisdokumentation setzen (Geberth & Heggmair, 2014, S. M08).

Two-Tiered Ansatz

Struktur

Der sogenannte Two-Tiered Ansatz ist Bestandteil der neu herausgearbeitenden Richtlinien der OECD und G20-Staaten. Dabei sollen multinationale Unternehmen ein Master File und Local Files erstellen (PWC, 2014, S. 54; Geberth & Heggmair, 2014, S. M08). Das Master File soll einen Gesamtüberblick über die Unternehmung geben (PWC, 2014, S. 54). Dazu gehört die Beschreibung aller innerbetrieblichen Finanzströme, wie etwa die Verrechnungspreise (S. 55). Die Local Files werden für die jeweiligen Länder, in denen das Unternehmen tätig ist, erstellt und ergänzen das Master File um die jeweiligen lokalen Informationen (Geberth & Heggmair, 2014, S. M08). Das Master File ist in englischer Sprache zu verfassen und die Local Files wenn möglich in der jeweiligen Landessprache (PWC, 2014, S. 54). Der Two-Tiered Ansatz wird insbesondere in der EU praktiziert, da dort ein ähnlicher Ansatz vom Transfer Pricing Forum erarbeitet wurde (Geberth & Heggmair, 2014, S. M08). Zusätzlich zum Master File und den Local Files müssen die multinationalen Unternehmen ein sogenanntes Country-by-Country Reporting erstellen (PWC, 2014, S. 56). Das Country-by-Country Reporting beinhaltet Informationen für jede einzelne Betriebsstätte und Konzerngesellschaft über den Umsatz, die gezahlten Steuern, die Anzahl der Mitarbeitende und deren Personalausgaben etc. (Geberth & Heggmair, 2014, S. M08). Das Interview mit Markus Wyss, Partner Global Transfer Pricing Services bei KPMG, gibt Einblick in die aktuelle Praxis der Verrechnungspreisdokumentationen.

Dokumentation am Beispiel von Deutschland

Deutschland ist ein Mitglied der OECD. Anders als die Schweiz hat Deutschland die Verrechnungspreisdokumentation auf Basis der OECD-Richtlinien gesetztlich geregelt. Nachfolgend wird der Inhalt und das Vorgehen einer Verrechnungspreisdokumentation am Beispiel von Deutschland aufgezeigt.

Dokumentationsinhalt

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In Anlehnung an: Bestandteile einer Verrechnungspreisdokumentation (Dawid & Dorner, 2013, S. 51)

Die Verrechnungspreisdokumentation beinhaltet allgemeine Informationen zum steuerpflichtigen Unternehmen, den verbundenen Unternehmen, dem Geschäftsgang und der Grundlage, auf der die Verrechnungspreise basieren (OECD, 2011, S. 212). Dawid und Dorner (2013) orientieren sich bei ihrem Modell an den in Deutschland geltenden Richtlinien der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung (GAufzV), die wiederum auf den OECD-Verrechnungspreisleitlinien basieren. Aus dem Modell ist ersichtlich, dass die Verrechnungspreisdokumentation aus zwei wesentlichen Teilen besteht: der Sachverhaltsdokumentation und der Angemessenheitsdokumentation (S. 50-55).

Sachverhaltsdokumentation

Die Sachverhaltsdokumentation bildet die Basis zur Beurteilung von angemessenen Verrechnungspreisen und zur Beurteilung von konzerninternen grenzüberschreitenden Transaktionen. Folgende Inhalte sind Bestandteile der Sachverhaltsdokumentation (Dawid & Dorner, 2013, S. 51):

  • Geschäftsbeschreibung
  • Beschreibung der konzerninternen grenzüberschreitenden Transaktionen
  • Funktions- und Risikoanalyse

Angemessenheitsdokumentation

In der Angemessenheitsdokumentation ist der Nachweis zu erbringen, dass die konzerninternen Transaktionen dem Fremdvergleich standhalten. Folgende Inhalte sind Bestandteile der Angemessenheitsdokumentation (Dawid & Dorner, 2013, S. 56):

  • Anwendbarkeit der Verrechnungspreismethoden
  • Kalkulationsgrundlage für die Anwendung der Verrechnungspreismethoden
  • Zugrunde liegenden Drittvergleichsdaten

Vorgehen

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In Anlehnung an: Ablauf bei der Erstellung einer Verrechnungspreisdokumentation (Dawid & Dorner, 2013, S. 51)

Das Vorgehen bei der Erstellung einer Verrechnungspreisdokumentation kann in vier Schritte gegliedert werden:

  1. Definition von Ziel und Umfang der Verrechnungspreisdokumentation
  2. Sachverhaltsermittlung und Funktions- und Risikoanalyse
  3. Angemessenheitsanalyse
  4. Fertigstellung der Dokumentation

In einem ersten Schritt werden die Ziele und der Umfang der Verrechnungspreisdokumentation definiert. Danach wird im zweiten Schritt der Sachverhalt mittels Informationseinsicht und Befragung der Mitarbeitenden ermittelt. Im dritten Schritt wird der Fremdvergleich durchgeführt und dokumentiert. Im vierten und letzten Schritt wird die Dokumentation fertiggestellt und in einem Fazit zusammengefasst (Dawid & Dorner, 2013, S. 51).

Herausforderungen

Im Zusammenhang mit der Verrechnungspreisdokumentation stehen verschiedene Herausforderungen an. Neben den länderspezifischen Vorgaben über die Kosten und den einzuhaltenden Fristen bis hin zu den Konsequenzen einer Nichteinhaltung der Dokumentationspflicht gibt es viele Herausforderungen, die ein Unternehmen im Zusammenhang mit Verrechnungspreisdokumentationen bewältigen muss.

Länderspezifische Vorgaben

Die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien werden lokal unterschiedlich interpretiert und es gibt zudem Unterschiede in der landesspezifischen Gesetzgebung (Deutsche Gesellschaft für Ad-hoc-Publizität, 2013, Titel: WTS legt Studie zu Verrechnungspreisen vor). Auch in Bezug auf die Sprache sind die Vorschriften unterschiedlich. So muss eine Verrechnungspreisdokumentation in der Schweiz laut Gesetz in einer der drei Landessprachen erstellt werden (Art. 70 Abs. 1,2 der BV vom 18. April 1999, SR 101). In der Praxis jedoch kann die Dokumentation oft mehrere verschiedene Sprachen enthalten, auch Englisch wird grösstenteils von den Steuerbehörden der Schweiz akzeptiert (Deloitte, 2015, S. 213; Vögele & Raab, 2011, S. 1901).

Abwägung der Kosten

Strategie

Die Transparenz und Offenlegung liegt für die OECD über der Niedrighaltung der Kosten (Schöneborn, 2014, S. 20). Somit haben die betroffenen Unternehmen hohe Ausgaben für die Erstellung der Dokumentation. Falls die Dokumentation unkorrekt ist und die Unternehmung zur Nachzahlung von Steuern verpflichtet wird, drohen zudem Zinszuschläge und Strafzahlungen. Dies führt schnell zu noch höheren Ausgaben (S. 18).

Fristen zur Einreichung

Neben den Kosten müssen die Unternehmen auch die Fristen im Griff haben. Normalerweise muss die Einkommenssteuererklärung innerhalb von fünf Monaten (Verlängerung um 30 Tage möglich) nach Ablauf des Geschäftsjahres eingereicht werden. Falls die Steuerbehörde eine Anfrage zu Verrechnungspreisen an die Unternehmen richtet, hat diese 30 Tage (Verlängerung möglich) Zeit, um die Informationen zu liefern (Deloitte, 2015, S. 213). Aus diesem Grund ist es empfehlenswert die Dokumentation immer zeitgleich zu erstellen. Erstens nimmt die Erstellung einer Dokumentation viel Zeit in Anspruch und zweitens kann die Steuerprüfung mehrere Jahre nach den Geschäftsvorfällen stattfinden (Deloitte, 2015, S. 213).

Nichteinhaltung der Dokumentationspflichten

Die Dokumentationsvorschriften können folgendermassen verletzt werden (Brähler, 2014, S. 416):

  • Vorgesehene Aufzeichnungen werden nicht vorgelegt
  • Vorgelegte Aufzeichnungen sind ungenügend dokumentiert

Die Nichteinhaltung der Dokumentationspflichten kann zu Strafzahlungen und/oder erhöhten Steuerbelastungen führen, die das Mehrfache einer Steueranpassung betragen können (Grant Thornton Switzerland, 2010, S. 2). Die Beweislast für eine Nichteinhaltung der Dokumentationspflichten liegt in den meisten Ländern (auch in der Schweiz) bei den Steuerverwaltungen (Brähler, 2014, S. 416).

Handlungsinputs für Unternehmen

Strategie

Das Niedrigsteuerland Schweiz verliert durch erhöhte Transparenzrichtlinien tendenziell Steuersubstrat ans Ausland. International tätige Unternehmen tun deshalb gut daran, die bestehenden Verrechnungspreise zu überprüfen und falls nötig Dokumentationen anzupassen. Die untenstehende Tabelle fasst die Handlungsinputs für die Geschäftsleitung und den Finanzchef von international tätigen Unternehmen zusammen (Giger & Happe, 2015, S. 23).

Handlungsinputs für die Geschäftsleitung/den Finanzchef
  • Prüfen der Ländervorschriften und Fristen zur Einreichung von Dokumentationen.
  • Festlegung einer Verrechnungspreis-«policy» und Überprüfung der Umsetzung innerhalb einer Unternehmensgruppe (Angemessenheit prüfen anhand von Funktions- und Risikoanalyse unter Berücksichtigung von Kosten und Leistungen sowie Datenbankanalyse).
  • Berücksichtigung der Steueroptimierungsmöglichkeiten.
  • Aufzeichnungspflichten erfüllen. Prüfen, ob vorhandene Verrechnungspreisdokumentation ausreichend ist.
  • Verträge müssen mit der Verrechnungspreisdokumentation koordiniert sein.
  • Abstimmung der Verrechnungspreisdokumentation mit erfahrenem externem Partner (Steuerexperte) wird empfohlen.
  • Bei Investments ist stets der Exit aufgrund geänderter wirtschaftlicher, politischer oder rechtlicher Entwicklungen zu berücksichtigen.
  • Beobachtung von nationalen und internationalen steuerrechtlichen Entwicklungen im Sinne eines Monitorings ist geboten.

Lern- und Praxismaterialien

Fallstudien & Praxiseinblicke

Quellen

Literaturverzeichnis

Weiterführende Literatur

Autoren

Niklaus Hausheer, Vanessa Helbling, Amel Hodzic, Reto Köpfli