Morphologischer Kasten

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Der morphologische Kasten ist eine Methode der Kreativitätsentwicklung, die zur Generierung von Ideen und Produkten verwendet wird (Wagner, 2022, S. 177). Ursprünglich wurde die Methode vom Schweizer Astrophysiker Fritz Zwicky im Jahr 1989 entwickelt und ist seit Jahrzehnten eine etablierte analytische Methode (Kaufmann, 2021, S. 164).

Einführung in den morphologischen Kasten

Im Bereich des Controllings spielt das Innovationscontrolling eine entscheidende Rolle, da es die Einführung kreativer Ansätze wie den morphologischen Kasten zur Entwicklung innovativer Lösungen unterstützt. Der morphologische Kasten konzentriert sich darauf, systematische neue Lösungsansätze für bereits existierende Probleme oder Ansätze zu finden. Das zu bewältigende Problem wird in seine verschiedenen Merkmale zerlegt und in einer mehrdimensionalen Matrix angeordnet. Dies ermöglicht die systematische Kombination dieser Merkmale, um eine möglichst breite Palette von Lösungsalternativen zu generieren, wobei auch die Prozesskostenrechnung eine Rolle spielen kann, um effiziente und kosteneffektive Lösungen zu identifizieren (Kaufmann, 2021, S. 164).

Obwohl der morphologische Kasten keine agile Methode ist, kann er dennoch in einem agilen Kontext verwendet werden, um die Suche nach Lösungen zu unterstützen (Link, 2014, S. 103). Der morphologische Kasten zielt darauf ab, ein umfassendes Lösungssystem für ein gegebenes Problem zu erstellen, was ihn zu einem wichtigen Instrument bei der Unterstützung von Strategieentscheidungen im Controlling macht (Traut-Mattausch & Kerschreiter, 2012, S. 277).

Begriffsherkunft

Der Begriff "Morphologie" entstammt den griechischen Wörtern "morphe" für "Gestalt" und "logos" für "Wort" oder "Lehre". Dieser Fachausdruck wurde von Johann Wolfgang von Goethe geprägt, der damit eine Wissenschaft bezeichnete, die sich auf die Formen in der Natur konzentriert (Freitag, 2020, S. 234). Heutzutage wird der Begriff "Morphologie" im Sinne von Blumenschein & Ehrlers (2015) als "Lehre von den strukturellen Ordnungs- und Aufbauprinzipien" verstanden (S. 103). Beispielsweise dient der Fachausdruck in der Sprachwissenschaft zur Beschreibung der Analyse von Wörtern, die auf den kleinsten bedeutungstragenden Einheiten, den Morphemen, basiert. Durch die Zerlegung von Wörtern in Morpheme und deren anschliessende Rekombination nach bestimmten Regeln lassen sich neue Wortbildungen generieren (Freie Universität Berlin, 2016).

Grundlegende Bausteine des morphologischen Kastens

Um im morphologischen Kasten verschiedene Lösungsansätze zu entwickeln, wird das Problem in einzelne Parameter zerlegt und in einer Matrix abgebildet (Wagner, 2022, S. 177). Die Auswahl der Parameter sollte von Expertinnen und Experten erfolgen, um eine fundierte und präzise Bestimmung zu gewährleisten. Diese Parameter werden in der Matrix aufgeführt und für jeden werden mögliche Ausprägungen definiert. Die Kombination je einer Ausprägung pro Parameter bildet potenzielle Lösungen (Traut-Mattausch & Kerschreiter, 2012, S. 277).

Mit Hilfe der ABC-Analyse können Parameter und Ausprägungen priorisiert werden. Die so erarbeiteten Lösungsansätze bedürfen einer weiteren Prüfung auf ihre Umsetzbarkeit. Die Erstellung eines morphologischen Kastens kann sowohl individuell als auch in Gruppen erfolgen und nimmt üblicherweise mehrere Stunden bis Tage in Anspruch (Becker, 2018, S. 170–171). Kocian-Dirr (2019) bietet eine generelle Visualisierung eines morphologischen Kastens (S. 336).

Abb. 1: Morphologischer Kasten (Kocian-Dir, 2019, S.336)

Morphologischer Kasten im Controlling

Der morphologische Kasten kann für Controller von grossem Nutzen sein, da sie eine systematische Vorgehensweise zur Problemlösung bietet (Álvarez & Ritchey, 2015). Die Methode kann helfen, Lösungen zu entwickeln, insbesondere für komplexe und schlecht strukturierte Probleme im Finanzcontrolling oder Funktionscontrolling.

Der morphologische Kasten unterstützt den Controller dabei, Komplexität zu reduzieren, Probleme und Lösungsmöglichkeiten systematisch zu erfassen und kreative Ansätze zu entwickeln (Mareis, 2018).

Der morphologische Kasten ist auch bei der Entwicklung von Kennzahlensystemen, wie beispielsweise dem DuPont-Kennzahlensystem, nützlich (Álvarez & Ritchey, 2015). Der Controller kann sämtliche für ein Unternehmen relevanten Leistungsdimensionen erfassen und kombinatorisch betrachten. Daraus lassen sich dann Kennzahlensysteme ableiten, die die Leistung ganzheitlich abbilden.

Insgesamt ist der morphologische Kasten daher eine wertvolle Methode im Methodenrepertoire des Controllers (Mareis, 2018).

Anwendungsbereiche des morphologischen Kastens

Der morphologische Kasten findet Anwendung in verschiedenen Bereichen, in denen komplexe multidimensionale Probleme strukturiert und analysiert werden müssen. Ein solcher Anwendungsbereich liegt in der Produkt- und Technologiegestaltung. Hier kann die gezielte Veränderung der Form und Struktur erheblichen Einfluss auf den Rechenaufwand und die Verarbeitung von Informationen haben. Die Methode wird häufig in den Ingenieurwissenschaften, insbesondere im Produktdesign genutzt (Pfeifer & Scheier, 2001, S. 608).

Darüber hinaus wird der morphologische Kasten in einer breiten Palette von Forschungsbereichen eingesetzt. Die Methode hat Anwendungen in der Technologieprognose, um verschiedene Szenarien zu analysieren und Trends vorherzusagen. In der Politikanalyse kann sie dazu beitragen, komplexe politische Probleme zu strukturieren und Lösungen zu entwickeln. Im Bereich der Organisationsentwicklung kann die Methode zur Gestaltung effizienterer Organisationsstrukturen verwendet werden. Sie findet auch Anwendung in der kreativen Schriftstellerei, um Ideen zu strukturieren und innovative Ansätze zu entwickeln. Die breite Anwendbarkeit des morphologischen Kastens macht sie zu einem vielseitigen Werkzeug in wissenschaftlichen und praktischen Anwendungsfeldern (Álvarez & Ritchey, 2015).

Anleitung zur Erstellung eines morphologischen Kastens

Der morphologische Kasten ist eine bewährte Methode zur strukturierten Problemlösung und Ideenentwicklung. Er basiert, gemäss Schawel & Billing (2018), auf drei grundlegenden Schritten:

Schritt 1: Problemdefinition und Analyse
Zu Beginn muss das Problem sorgfältig definiert und analysiert werden. Dies umfasst eine detaillierte Beschreibung des Problems sowie die Identifizierung und Zerlegung in seine relevanten Elemente oder Parameter. Gemäss Blumenschein & Ehlers (2015) sind die Parameter logische und unabhängige Merkmale des Problems, welche nach Bestimmung in einer Tabelle senkrecht untereinander aufgelistet werden (S. 103). Dieser Schritt legt den Grundstein für die weitere Arbeit am morphologischen Kasten. Eine klare Problemdefinition ermöglicht es, die richtigen Elemente für die Lösungsfindung zu identifizieren.

Beispiel eines morphologischen Kastens "Schritt 1"(eigene Darstellung in Anlehnung an Schawel & Billing, 2018, S. 133)








Schritt 2: Erarbeitung von Elementausprägungen
Für jedes identifizierte Problemelement müssen mögliche Ausprägungen erarbeitet werden. Dieser Schritt ist entscheidend, da er das Material liefert, aus dem die Lösungen entwickelt werden. Also eine Art Lösungssuche für jedes kleine Teilproblem. Die Ausprägungen sind die verschiedenen Varianten oder Optionen, die für jedes Element denkbar sind. Diese verschiedenen Lösungen sind jeweils hinter den Teilproblemen waagerecht zu notieren. Dieser Schritt wird oft in einer übersichtlichen Tabelle oder Matrix dargestellt, um die Übersichtlichkeit zu wahren. Gemäss Rustler (2014) sind «3-5 Variationen pro Parameter eine gute Richtgrösse, um den morphologischen Kasten nicht zu komplex werden zu lassen» (S. 154). Nach Antosch-Bardohn (2021) eignet sich der morphologische Kasten aber auch für «komplexe Sachverhalte analytisch zu durchdringen», wenn es mehr Ausprägungen sein sollten (S. 98).

Beispiel eines morphologischen Kastens "Schritt 2" (eigene Darstellung in Anlehnung an Schawel & Billing, 2018, S. 133)








Schritt 3: Entwicklung von Lösungsvarianten und Auswahl
Im letzten Schritt werden alle möglichen Kombinationen der Elementausprägungen erarbeitet. Diese Kombinationen stellen potenzielle Lösungsvarianten dar. Es ist wichtig, kreativ zu denken und alle denkbaren Kombinationen zu berücksichtigen. «Die Kombination der Ausprägungen soll möglichst vorurteilsfrei erfolgen, um die Qualität der dadurch entstehenden Lösungen zu erhöhen». Nachdem alle Varianten entwickelt wurden, erfolgt die Auswahl einer präferierten Lösungsvariante. Dies kann durch Abwägen der Vor- und Nachteile der verschiedenen Varianten geschehen. Es spielt keine Rolle, ob Sie beim Kombinieren systematisch vorgehen oder nach dem Zufallsprinzip durchprobieren. Wichtig ist, dass Sie verschiedene Kombinationen erstellen (Antosch-Bardohn, 2021, S. 98; Freitag, 2020, S. 235). Die ausgewählte Lösung sollte die Anforderungen des Problems am besten erfüllen. Der morphologische Kasten ermöglicht es, strukturiert und systematisch Lösungen für komplexe Probleme zu generieren. Er ist eine wertvolle Methode, um kreative Ideen zu entwickeln und die bestmögliche Lösung für eine gegebene Herausforderung zu finden.

Beispiel eines morphologischen Kastens "Schritt 3" (eigene Darstellung in Anlehnung an Schawel & Billing, 2018, S. 133)

Vor- und Nachteile des morphologischen Kastens

Die Verwendung des morphologischen Kastens bringt wie alle Techniken neben den Vorteilen auch einige Nachteile mit sich, welche nach Freitag (2020); Rakov (2020); Wagner (2022) wie folgt definiert werden:

Vorteile Nachteile
Intuitive Anwendung in Einzel- als auch in Gruppenarbeit Kreativitätseinschränkung durch starres, systematisches Vorgehen
Transparenz über alle Lösungsmöglichkeiten durch systematische Vorgehensweise und Übersichtlichkeit der Matrix gegeben Grosser Bewertungsaufwand und Unübersichtlichkeit, falls zu viele Parameter oder Ausprägungen gewählt werden
Grosse Zahl an Lösungsvarianten durch viele Kombinationsmöglichkeiten Expertenwissen über das entsprechende Problem wird benötigt
Effiziente Strukturierung von Informationen Unfähigkeit, alle möglichen Optionen zu erfassen
Zuverlässiger Prozess Keine Radikalen Erneuerungen, da Lösung auf vorhandenen Informationen basiert

Lern- und Praxismaterial

Die Autorenschaft stiess während der Recherche zum Thema des morphologischen Kastens, auf ein hilfreiches YouTube-Video, präsentiert von Alexander Blumenau. Dieses Video präsentiert eine allgemeine und leicht verständliche Einführung in die Methodik des morphologischen Kastens. Das Video erklärt Grundlagen, wie der morphologische Kasten genutzt werden kann und dient als ergänzende Informationsquelle, um einen Überblick über die Methodik zu erhalten.

Video
Morphologischer Kasten einfach erklärt

Die folgenden Fallstudien können zum Thema "Morphologischer Kasten" bearbeitet werden:

Fallstudien

Um die praktische Anwendung des morphologischen Kastens zu erleichtern, hat die Autorenschaft eine Excel-Vorlage erstellt. Diese Vorlage bietet einen leeren morphologischen Kasten, der direkt genutzt werden kann, um effizient Lösungsvarianten zu entwickeln und Entscheidungen systematisch zu strukturieren.

Vorlage morphologischer Kasten
Datei:Vorlage morphologischer Kasten.xlsx

Quellen

Literaturverzeichnis

  • Blumenschein, A., & Ehlers, I. U. (2015). Ideen managen im Kreativprozess. In A. Blumenschein & I. U. Ehlers (Hrsg.), Ideen managen: Eine verlässliche Navigation im Kreativprozess (S. 47–174). Springer Fachmedien.
  • Kaufmann, T. (2021). Morphologischer Kasten. In T. Kaufmann (Hrsg.), Strategiewerkzeuge aus der Praxis: Analyse und Beurteilung der strategischen Ausgangslage (S. 163–175). Springer.
  • Pfeifer, R., & Scheier, C. (2001). Understanding Intelligence. MIT Press.
  • Rustler, F. (2014). Denkwerkzeuge der Kreativität und Innovation: Das kleine Handbuch der Innovationsmethoden (1. Aufl.). creaffective, München.
  • Schawel, C., & Billing, F. (2018). Morphologischer Kasten. In C. Schawel & F. Billing (Hrsg.), Top 100 Management Tools: Das wichtigste Buch eines Managers Von ABC-Analyse bis Zielvereinbarung (S. 219–221). Springer Fachmedien.
  • Traut-Mattausch, E., & Kerschreiter, R. (2012). Kreativitätstechniken. In M. Wastian, I. Braumandl, & L. von Rosenstiel (Hrsg.), Angewandte Psychologie für das Projektmanagement: Ein Praxisbuch für die erfolgreiche Projektleitung (S. 263–281). Springer.
  • Wagner, K. (2022). Kreativität. In B. Leyendecker & P. Pötters (Hrsg.), Werkzeuge für das Projekt- und Prozessmanagement: Klassische und moderne Instrumente für den Management-Alltag (S. 165–194). Springer Fachmedien.

Abbildungsverzeichnis

Autoren

Jeremy Arnet, Tim Reichlin, Alden von Euw, Joel Wermelinger