Zumwald – Verrechnungspreise im Konzern: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Zumwald AG mit Hauptsitz in Köln produziert und verkauft medizinische Diagnosegeräte und biomedizinische Testgeräte. Das Unternehmen gliedert sich in sechs Divisionen und erwirtschaftet einen jährlichen Umsatz von knapp drei Milliarden Euro. Die stark dezentralen Organisationseinheiten geniessen weitgehende Autonomie, sofern sie die vorgegebenen Performancekennzahlen erreichen. Die [[Performance Measurement|Performancemessung]] und Managementvergütung basiert dabei auf dem Return on Invested Capital (ROIC) sowie auf den Verkaufszahlen. Obwohl die Divisionen teils vertikal integriert sind, können diese die Zulieferunternehmen frei auswählen (Merchant & Van der Stede, 2012, S. 293-294).
Die Zumwald AG mit Hauptsitz in Köln produziert und verkauft medizinische Diagnosegeräte und biomedizinische Testgeräte. Das Unternehmen gliedert sich in sechs Divisionen und erwirtschaftet einen jährlichen Umsatz von knapp drei Milliarden Euro. Die stark dezentralen Organisationseinheiten geniessen weitgehende Autonomie, sofern sie die vorgegebenen Performancekennzahlen erreichen. Die [[Performance Measurement|Performancemessung]] und Managementvergütung basiert dabei auf dem [[Renditeorientierte Messgrössen#ROC / RONA / ROIC|Return on Invested Capital (ROIC)]] sowie auf den Verkaufszahlen. Obwohl die Divisionen teils vertikal integriert sind, können diese die Zulieferunternehmen frei auswählen (Merchant & Van der Stede, 2012, S. 293-294).


== Vielschichtige Problemstellung ==
== Vielschichtige Problemstellung ==
Im August 2012 entstand ein Disput zwischen den Managern der folgenden drei Divisionen aufgrund einer Verrechnungspreisproblematik.
 
Im August 2012 entstand aufgrund einer Verrechnungspreisproblematik ein Disput zwischen den Managern der folgenden drei Divisionen.
 
* Die Imaging Systems Division (ISD) verkauft komplexe Ultraschall- und Magnetresonanzsysteme, die typischerweise 500‘000 bis eine Million Euro kosten.
* Die Imaging Systems Division (ISD) verkauft komplexe Ultraschall- und Magnetresonanzsysteme, die typischerweise 500‘000 bis eine Million Euro kosten.
* Heidelberg produziert hochauflösende Monitore, Grafikcontroller sowie Displaysysteme, die zur einen Hälfte an externe Kunden und zur anderen Hälfte an interne Kunden, vor allem an ISD, verkauft werden.
* Heidelberg produziert hochauflösende Monitore, Grafikcontroller sowie Displaysysteme, die zur einen Hälfte an externe Kunden und zur anderen Hälfte an interne Kunden, vor allem an ISD, verkauft werden.
* Applikationsspezifische Schaltungen und Montageteile fertigt die Electronic Components Division (ECD). Ursprünglich wurde die Division als interner Zulieferer für andere Divisionen aufgebaut. Inzwischen hat das Management jedoch externe Kunden akquiriert, weshalb die Division neu als Profit-Center mit externem Marktzugang geführt wird.
* Applikationsspezifische Schaltungen und Montageteile fertigt die Electronic Components Division (ECD). Ursprünglich wurde die Division als interner Zulieferer für andere Divisionen aufgebaut. Inzwischen hat das Management jedoch externe Kunden akquiriert, weshalb die Division neu als [[Profit-Center]] mit externem Marktzugang geführt wird.


Dem Disput ging die Neuentwicklung eines Ultraschallsystems (X73) von ISD voraus, das dem Kunden zahlreiche Vorteile in Prozessablauf und -kosten sowie Platzersparnisse bringt. Ingenieure von Heidelberg waren an der Entwicklung beteiligt, deren Einsatz vergütete man damals zu Vollkosten. Nach dem Abschluss des Entwicklungsprojekts bat das Management von ISD die Division von Heidelberg um eine Offerte für die Displayproduktion des Systems X73. Darüber hinaus wurden die Angebote der zwei externen Unternehmen Bogardus NV und DisTechnologies Plc berücksichtigt.
Dem Disput ging die Neuentwicklung eines Ultraschallsystems (X73) von ISD voraus, das dem Kunden zahlreiche Vorteile in Prozessablauf und -kosten sowie Platzersparnisse bringt. Ingenieure von Heidelberg waren an der Entwicklung beteiligt, deren Einsatz vergütete man damals zu [[Vollkosten als Verrechnungspreis|Vollkosten]]. Nach dem Abschluss des Entwicklungsprojekts bat das Management von ISD die Division von Heidelberg um eine Offerte für die Displayproduktion des Systems X73. Darüber hinaus wurden die Angebote der zwei externen Unternehmen Bogardus NV und DisTechnologies Plc berücksichtigt.


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Nach intensiver Diskussion kündigte das Management von ISD mit Geschäftsführer Conrad Bauer an, das Angebot von DisTechnologies Plc vorzuziehen. Paul Halperin, Geschäftsleitungsmitglied von Heidelberg, beklagte sich sofort, bekam jedoch nicht die gewünschte Antwort, worauf er Rolf Fettinger, den CEO von Zumwald, bat, die Situation zu diskutieren. In der darauf folgenden Sitzung nahmen Bauer, Halperin, Fettinger sowie Christian Schönberg, Geschäftsführer von ECD, teil. ECD könnte die elektronischen Komponenten an Heidelberg liefern, wenn diese den Zuschlag von ISD erhalten. Conrad Bauer äusserte sofort sein Missfallen:
Nach intensiver Diskussion kündigte das Management von ISD mit Geschäftsführer Conrad Bauer an, das Angebot von DisTechnologies Plc vorzuziehen. Paul Halperin, Geschäftsleitungsmitglied von Heidelberg, beklagte sich sofort, bekam jedoch nicht die gewünschte Antwort, worauf er Rolf Fettinger, den CEO von Zumwald, bat, die Situation zu diskutieren. In der darauf folgenden Sitzung nahmen Bauer, Halperin, Fettinger sowie Christian Schönberg, Geschäftsführer von ECD, teil. ECD könnte die elektronischen Komponenten an Heidelberg liefern, wenn diese den Zuschlag von ISD erhalten. Conrad Bauer äusserte sofort sein Missfallen:


„Paul will uns seine Standardmargen verrechnen, was ich nicht eingehen kann. Wir versuchen das Produkt X73 in einem sehr kompetitiven Markt abzusetzen. Wie soll es möglich sein, einen ordentlichen ROIC zu präsentieren, wenn wir nicht zu Marktpreisen einkaufen können? Paul offeriert mir nur Listenpreise, diese kann ich unmöglich den Kunden weitergeben. Ich denke, wir verschwenden hier nur Zeit. Es wäre viel sinnvoller, wenn wir analysieren, wie wir in diesem Umfeld bestehen können.“
''„Paul will uns seine Standardmargen verrechnen, was ich nicht eingehen kann. Wir versuchen das Produkt X73 in einem sehr kompetitiven Markt abzusetzen. Wie soll es möglich sein, einen ordentlichen ROIC zu präsentieren, wenn wir nicht zu Marktpreisen einkaufen können? Paul offeriert mir nur Listenpreise, diese kann ich unmöglich den Kunden weitergeben. Ich denke, wir verschwenden hier nur Zeit. Es wäre viel sinnvoller, wenn wir analysieren, wie wir in diesem Umfeld bestehen können.“''


Darauf antwortet Halperin: „Conrad will, dass wir die Produktpreise unter die Selbstkosten senken, was es uns verunmöglicht, die Investitionen zu finanzieren. Bei der Entwicklung haben unsere Ingenieure ohne Gewinnzuschlag mitgearbeitet und zudem besteht die von Zumwald beschlossene Regelung, nicht von den Gewinnmargen abzuweichen. Auch für das Gesamtunternehmen ergäbe sich durch den internen Bezug ein besseres Ergebnis. Wenn Conrad nicht als Teamplayer agiert, muss halt die Zentrale den Entscheid für den internen Bezug fällen." In der anschliessenden Diskussion kamen folgende Fakten ans Licht:
Darauf antwortet Halperin: ''„Conrad will, dass wir die Produktpreise unter die Selbstkosten senken, was es uns verunmöglicht, die Investitionen zu finanzieren. Bei der Entwicklung haben unsere Ingenieure ohne Gewinnzuschlag mitgearbeitet und zudem besteht die von Zumwald beschlossene Regelung, nicht von den Gewinnmargen abzuweichen. Auch für das Gesamtunternehmen ergäbe sich durch den internen Bezug ein besseres Ergebnis. Wenn Conrad nicht als Teamplayer agiert, muss halt die Zentrale den Entscheid für den internen Bezug fällen."'' In der anschliessenden Diskussion kamen folgende Fakten ans Licht:


# Der vorgesehene Preis von ISD für das System X73 beträgt 340‘000 Euro. Die Kosten der weiteren Komponenten betragen € 72‘000. Die Fertigungskosten von ISD belaufen sich auf € 144‘000, wovon € 117‘700 fix sind.
# Der vorgesehene Preis von ISD für das System X73 beträgt 340‘000 Euro. Die Kosten der weiteren Komponenten betragen € 72‘000. Die Fertigungskosten von ISD belaufen sich auf € 144‘000, wovon € 117‘700 fix sind.
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== Vertagte Entscheidung ==
== Vertagte Entscheidung ==
Der CEO vom Zumstein, Rolf Fettinger, verschob aufgrund der zahlreichen Voten die Entscheidung, versprach gleichzeitig aber sämtliche Ansichten zu würdigen und den Entschluss baldmöglichst zu kommunizieren. Beim Abschluss der Sitzung war er sich entsprechend unsicher, ob es überhaupt einen gangbaren Kompromiss gibt. Schlussendlich fragte er sich, ob die existierenden Managementvorgaben zielführend sind oder ob diese zusätzliche Zielkonflikte begünstigen.
Der CEO vom Zumstein, Rolf Fettinger, verschob aufgrund der zahlreichen Voten die Entscheidung, versprach gleichzeitig aber sämtliche Ansichten zu würdigen und den Entschluss baldmöglichst zu kommunizieren. Beim Abschluss der Sitzung war er sich entsprechend unsicher, ob es überhaupt einen gangbaren Kompromiss gibt. Schlussendlich fragte er sich, ob die existierenden Managementvorgaben zielführend sind oder ob diese zusätzliche Zielkonflikte begünstigen.


== Fragen zur Fallstudie ==
== Fragen zur Fallstudie ==


# Weshalb steht der interne Bezug, vergütet zu Vollkosten plus Gewinnzuschlag, hier überhaupt zur Diskussion?
# Weshalb steht der interne Bezug, vergütet zu [[Vollkosten plus Gewinnaufschlag als Verrechnungspreis|Vollkosten plus Gewinnzuschlag]], hier überhaupt zur Diskussion?
# Aufgrund welcher Fakten treffen Sie eine Entscheidung und wie fällt diese aus?
# Aufgrund welcher Fakten treffen Sie eine Entscheidung und wie fällt diese aus?



Aktuelle Version vom 6. April 2016, 19:00 Uhr

Geprüft: Positiv beurteilt

Die Zumwald AG mit Hauptsitz in Köln produziert und verkauft medizinische Diagnosegeräte und biomedizinische Testgeräte. Das Unternehmen gliedert sich in sechs Divisionen und erwirtschaftet einen jährlichen Umsatz von knapp drei Milliarden Euro. Die stark dezentralen Organisationseinheiten geniessen weitgehende Autonomie, sofern sie die vorgegebenen Performancekennzahlen erreichen. Die Performancemessung und Managementvergütung basiert dabei auf dem Return on Invested Capital (ROIC) sowie auf den Verkaufszahlen. Obwohl die Divisionen teils vertikal integriert sind, können diese die Zulieferunternehmen frei auswählen (Merchant & Van der Stede, 2012, S. 293-294).

Vielschichtige Problemstellung

Im August 2012 entstand aufgrund einer Verrechnungspreisproblematik ein Disput zwischen den Managern der folgenden drei Divisionen.

  • Die Imaging Systems Division (ISD) verkauft komplexe Ultraschall- und Magnetresonanzsysteme, die typischerweise 500‘000 bis eine Million Euro kosten.
  • Heidelberg produziert hochauflösende Monitore, Grafikcontroller sowie Displaysysteme, die zur einen Hälfte an externe Kunden und zur anderen Hälfte an interne Kunden, vor allem an ISD, verkauft werden.
  • Applikationsspezifische Schaltungen und Montageteile fertigt die Electronic Components Division (ECD). Ursprünglich wurde die Division als interner Zulieferer für andere Divisionen aufgebaut. Inzwischen hat das Management jedoch externe Kunden akquiriert, weshalb die Division neu als Profit-Center mit externem Marktzugang geführt wird.

Dem Disput ging die Neuentwicklung eines Ultraschallsystems (X73) von ISD voraus, das dem Kunden zahlreiche Vorteile in Prozessablauf und -kosten sowie Platzersparnisse bringt. Ingenieure von Heidelberg waren an der Entwicklung beteiligt, deren Einsatz vergütete man damals zu Vollkosten. Nach dem Abschluss des Entwicklungsprojekts bat das Management von ISD die Division von Heidelberg um eine Offerte für die Displayproduktion des Systems X73. Darüber hinaus wurden die Angebote der zwei externen Unternehmen Bogardus NV und DisTechnologies Plc berücksichtigt.

Lieferant Kosten pro X73-System (€)
Heidelberg Division 140'000
Bogardus NV 120'500
DisTechnologies Plc 100'500

Nach intensiver Diskussion kündigte das Management von ISD mit Geschäftsführer Conrad Bauer an, das Angebot von DisTechnologies Plc vorzuziehen. Paul Halperin, Geschäftsleitungsmitglied von Heidelberg, beklagte sich sofort, bekam jedoch nicht die gewünschte Antwort, worauf er Rolf Fettinger, den CEO von Zumwald, bat, die Situation zu diskutieren. In der darauf folgenden Sitzung nahmen Bauer, Halperin, Fettinger sowie Christian Schönberg, Geschäftsführer von ECD, teil. ECD könnte die elektronischen Komponenten an Heidelberg liefern, wenn diese den Zuschlag von ISD erhalten. Conrad Bauer äusserte sofort sein Missfallen:

„Paul will uns seine Standardmargen verrechnen, was ich nicht eingehen kann. Wir versuchen das Produkt X73 in einem sehr kompetitiven Markt abzusetzen. Wie soll es möglich sein, einen ordentlichen ROIC zu präsentieren, wenn wir nicht zu Marktpreisen einkaufen können? Paul offeriert mir nur Listenpreise, diese kann ich unmöglich den Kunden weitergeben. Ich denke, wir verschwenden hier nur Zeit. Es wäre viel sinnvoller, wenn wir analysieren, wie wir in diesem Umfeld bestehen können.“

Darauf antwortet Halperin: „Conrad will, dass wir die Produktpreise unter die Selbstkosten senken, was es uns verunmöglicht, die Investitionen zu finanzieren. Bei der Entwicklung haben unsere Ingenieure ohne Gewinnzuschlag mitgearbeitet und zudem besteht die von Zumwald beschlossene Regelung, nicht von den Gewinnmargen abzuweichen. Auch für das Gesamtunternehmen ergäbe sich durch den internen Bezug ein besseres Ergebnis. Wenn Conrad nicht als Teamplayer agiert, muss halt die Zentrale den Entscheid für den internen Bezug fällen." In der anschliessenden Diskussion kamen folgende Fakten ans Licht:

  1. Der vorgesehene Preis von ISD für das System X73 beträgt 340‘000 Euro. Die Kosten der weiteren Komponenten betragen € 72‘000. Die Fertigungskosten von ISD belaufen sich auf € 144‘000, wovon € 117‘700 fix sind.
  2. Die standardisierten Herstellkosten der Division Heidelberg von € 105‘000 für jedes Displaysystem haben einen geschätzten variablen Anteil von € 50‘000. Dabei sind die Personalkosten fix, da das deutsche Gesetz nur unter sehr restriktiven Bedingungen Personalentlassungen erlaubt.
  3. Aufgrund der anhaltend schwierigen Wirtschaftslage sind die vorgesehenen Produktionslinien von Heidelberg derzeit etwa 70% ausgelastet. Im vorangegangenen Jahr variierte die monatliche Produktion zwischen 60% und 90% der Gesamtkapazität.
  4. Die Kosten von Heidelberg beinhalten € 21‘600 an elektronischen Montageteilen von ECD. Deren Vollkosten betragen € 18‘000, wovon etwa die Hälfte der Kosten im eigenen Betrieb anfallen. Die internen Verträge sehen aus Anreizgründen vor, dass ECD interne Verkäufe zu Vollkosten plus 20% verrechnet. Momentan produziert die Division ECD zu 90% der totalen Kapazität.

Geschäftsführer Bauer betonte am Ende der Sitzung abermals die Freiheit der Divisionen, auch externe Produkte zu beziehen. Nebenbei stellte er auch den verhältnismässig kleinen Umsatzanteil sämtlicher Divisionen für dieses neue Produkt heraus (weniger als 5%).

Vertagte Entscheidung

Der CEO vom Zumstein, Rolf Fettinger, verschob aufgrund der zahlreichen Voten die Entscheidung, versprach gleichzeitig aber sämtliche Ansichten zu würdigen und den Entschluss baldmöglichst zu kommunizieren. Beim Abschluss der Sitzung war er sich entsprechend unsicher, ob es überhaupt einen gangbaren Kompromiss gibt. Schlussendlich fragte er sich, ob die existierenden Managementvorgaben zielführend sind oder ob diese zusätzliche Zielkonflikte begünstigen.

Fragen zur Fallstudie

  1. Weshalb steht der interne Bezug, vergütet zu Vollkosten plus Gewinnzuschlag, hier überhaupt zur Diskussion?
  2. Aufgrund welcher Fakten treffen Sie eine Entscheidung und wie fällt diese aus?

Quelle

  • Merchant, K. A. & Van der Stede, W. A. (2012). Management Control Systems. Performance Measurement, Evaluation and Incentives (3rd Ed.). Harlow, UK: Prentice Hall.