Artikulation: Unterschied zwischen den Versionen

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=Historische Quellen=
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Wie die Geschichte der Unterrichtsliteratur zeigt, war das heute übliche Artikulieren mit einer leichten Zungenbewegung am Blatt nicht immer die einzige Methode. [[Joseph Fröhlich#§ 5 Articulation auf dem Clarinett|Joseph Fröhlich]] (1811) erwähnt die das Artikulieren mit der Zunge, bevorzugt jedoch das Artikulieren „mit der Brust", verbunden mit dem Doppellipenansatz. Dabei soll die Spielart mit dem Blatt "ob er dem Kopfe" (die Oberlippe berührend) gepflegt werden, da auf diese Weise die Grundlage für einen "festen vollen Ton" gegeben ist. Auf die Weise sei es für den Bläser einfacher "mehr nach der richtigen Singmethode" vorzutragen, und "zu nuancieren, alle Schattierungen im Ausdruck zu geben". Gleichzeitig fordert [[Jean-Xavier Lefèvre#Article VI Artikulation („De l'Articulation")|Jean-Xavier Lefèvre]] (1802) - bei gleicher Anblasart wie Fröhlich - grundsätzlich bei jedem Toneinsatz einen "coup de langue" (Zungenschlag). Um genügend Agilität und Ausdauer zu erreichen, ist von der Technik, durch eine zitternde Bewegung der Kehle oder der Brust („faire agir par secousse, le gausier ou la poitrine") zu artikulieren, abzusehen.  
Wie die Geschichte der Unterrichtsliteratur zeigt, war das heute übliche Artikulieren mit einer leichten Zungenbewegung am Blatt nicht immer die einzige Methode. [[Joseph Fröhlich#§ 5 Articulation auf dem Clarinett|Joseph Fröhlich]] (1811) erwähnt die das Artikulieren mit der Zunge, bevorzugt jedoch das Artikulieren „mit der Brust", verbunden mit dem Doppellipenansatz. Dabei soll die Spielart mit dem Blatt "ob er dem Kopfe" (die Oberlippe berührend) gepflegt werden, da auf diese Weise die Grundlage für einen "festen vollen Ton" gegeben ist. Auf die Weise sei es für den Bläser einfacher "mehr nach der richtigen Singmethode" vorzutragen, und "zu nuancieren, alle Schattierungen im Ausdruck zu geben". Gleichzeitig fordert [[Jean-Xavier Lefèvre#Article VI Artikulation („De l'Articulation")|Jean-Xavier Lefèvre]] (1802) - bei gleicher Anblasart wie Fröhlich - grundsätzlich bei jedem Toneinsatz einen "coup de langue" (Zungenschlag). Um genügend Agilität und Ausdauer zu erreichen, ist von der Technik, durch eine zitternde Bewegung der Kehle oder der Brust („faire agir par secousse, le gausier ou la poitrine") zu artikulieren, abzusehen.  
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1855 weist auch [https://books.google.ch/books?id=Hnh0G2wrJvsC&pg=PA201&lpg=PA201&dq=Ferdinando+Sebastiani&source=bl&ots=vmHOUOBO0N&sig=ACfU3U0MoQEUeuVGn1BW0Wxnufdlzy2bzg&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwi3rfj00ffpAhUFQhUIHbWIAesQ6AEwD3oECAoQAQ#v=onepage&q=Ferdinando%20Sebastiani&f=false Ferdinando Sebastiani]in seiner Klarinettenschule <ref name="Sebastiani">Ferdinando Sebastiani: ''Metodo Progressivo per Clarinetto''. Napoli 1886, S.7. Zitiert nach Adriano Amore: ''Ferrindando Sebastiani (1803-1860) und die Neapolitanische Klarinettenschule'', in das rohrblatt, Juni 2008, S.58-60.</ref> im Zusammenhang mit der Blattposition auf die Wichtigkeit variierter Artikulationsarten auf der Klarinette hin. Im Gensatz zu Fröhlich ist er aber der Meinung, dass das „Übersichblasen" die Variabilität der Artikulation einschränkt und dass sich die Artikulationsart beim „Untersichblasen" besser variieren lässt.
{{Zitat
| Text        = ''So ist es [beim Übersichblasen] nur möglich, das Battuto zu spielen, während Picchettato, Stakkato und andere Farben, die den Wert der Klarinette ausmachen, nicht möglich sind.''
| Autor      = Ferdiando Sebastiani
| Quelle      = Metodo per Clarinetto.   
| lang        = it
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[https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Backofen Johann Georg Heinrich Backofen]<ref name="Anweisung">Backofen, Johann Georg Heinrich, and Karl Ventzke. 1986. Anweisung zur Klarinette nebst einer kurzen Abhandlung über das Basset-Horn. Celle: Moeck eproint der Asigabe Leipzig 1803).</ref> (1803) wiederum möchte es der Entscheidung jedes Einzelnen überlassen, ob mit Einfachem- oder Doppellippenastz gespielt wird, auf ob "über" oder "unter sich geblasen" wird. Er erwähnt drei verschieden Artikulationsarten: mit der Zunge. mit den Lippen <nowiki>[</nowiki>durch Schliessen und Öffnen der Kieferstellung<nowiki>]</nowiki> oder mit der Kehle. Um die musikalisch besten Resultate zu erreichen, empfiehlt Heinrich Backofen das differenzierte Artikulieren mit der Zunge:  
[https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Backofen Johann Georg Heinrich Backofen]<ref name="Anweisung">Backofen, Johann Georg Heinrich, and Karl Ventzke. 1986. Anweisung zur Klarinette nebst einer kurzen Abhandlung über das Basset-Horn. Celle: Moeck eproint der Asigabe Leipzig 1803).</ref> (1803) wiederum möchte es der Entscheidung jedes Einzelnen überlassen, ob mit Einfachem- oder Doppellippenastz gespielt wird, auf ob "über" oder "unter sich geblasen" wird. Er erwähnt drei verschieden Artikulationsarten: mit der Zunge. mit den Lippen <nowiki>[</nowiki>durch Schliessen und Öffnen der Kieferstellung<nowiki>]</nowiki> oder mit der Kehle. Um die musikalisch besten Resultate zu erreichen, empfiehlt Heinrich Backofen das differenzierte Artikulieren mit der Zunge:  
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Ein weiterer wertvoller Hinweis zur Ausführung der Artikulation der Zunge am Klarinettenblatt findet sich auf S.4 der „Méthode" von Frédéric Berr <ref name="Méthode"> Frédéric Berr: ''Méthode complète de Clarinette adoptée au Conservatoire de Musique de Paris.'' Paris 1836.</ref>:
Ein weiterer wertvoller Hinweis zur Ausführung der Artikulation der Zunge am Klarinettenblatt findet sich auf S.4 der „Méthode" von Frédéric Berr <ref name="Méthode"> Frédéric Berr: ''Méthode complète de Clarinette adoptée au Conservatoire de Musique de Paris.'' Paris 1836.</ref>:


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Kommentar: Frédérique Berr beschreibt den Zungenschlag (coup de langue) biem Artikulieren von einzelnen Tönen oder beim Toneinsatz als ein '''Zurückziehen''' der Zunge. Diese Beschreibung entspricht auch dem didaktischen Konzept, das [[Daniel Bonade#Artikulation|Daniel Bonade]] in seinem Compendium beschreibt.
Kommentar: Frédérique Berr beschreibt den Zungenschlag (coup de langue) biem Artikulieren von einzelnen Tönen oder beim Toneinsatz als ein '''Zurückziehen''' der Zunge. Diese Beschreibung entspricht auch dem didaktischen Konzept, das [[Daniel Bonade#Artikulation|Daniel Bonade]] in seinem Compendium beschreibt.


==Variabilität der Artikulation: Ferdinando Sebastiani==
Zur Frage und Notation verschiedener Artikulationsarten in historischen Unterrichtswerken siehe auch [[Toneinsatz, Ansprache#Instrumentaltechnische Umsetzung|Toneinsatz, Ansprache]]
In seiner Klarinettenschule weist 1855 Ferdinando Sebastiani <ref name="Sebastiani">Ferdinando Sebastiani: ''Metodo Progressivo per Clarinetto''. Napoli 1886, S.7. Zitiert nach Adriano Amore: ''Ferrindando Sebastiani (1803-1860) und die Neapolitanische Klarinettenschule'', in das rohrblatt, Juni 2008, S.58-60.</ref> im Zusammenhang mit der Blattposition auf die Wichtigkeit variierter Artikulation auf der Klarinette hin. Während das „Übersichblasen" die Variabilität einschränkt, lässt sich die Artikulationsart beim „Untersichblasen" variieren.
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| Text        = ''So ist es nur möglich, das Battuto zu spielen, während Picchettato, Stakkato und andere Farben, die den Wert der Klarinette ausmachen, nicht möglich sind.''
| Autor      = Ferdiando Sebastiani
| Quelle      = Metodo per Clarinetto.   
| lang        = it
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Zur Frage verschiedener Artikulationsarten in historischen Unterrichtswerken siehe auch [[Toneinsatz, Ansprache#Instrumentaltechnische Umsetzung|Toneinsatz, Ansprache]]





Version vom 10. Juni 2020, 18:18 Uhr

Zur Begriffserläuterung von Artikulation in der Musik siehe auch Wikipedia.

Beiträge der Interviewpartner

Historische Quellen

Wie die Geschichte der Unterrichtsliteratur zeigt, war das heute übliche Artikulieren mit einer leichten Zungenbewegung am Blatt nicht immer die einzige Methode. Joseph Fröhlich (1811) erwähnt die das Artikulieren mit der Zunge, bevorzugt jedoch das Artikulieren „mit der Brust", verbunden mit dem Doppellipenansatz. Dabei soll die Spielart mit dem Blatt "ob er dem Kopfe" (die Oberlippe berührend) gepflegt werden, da auf diese Weise die Grundlage für einen "festen vollen Ton" gegeben ist. Auf die Weise sei es für den Bläser einfacher "mehr nach der richtigen Singmethode" vorzutragen, und "zu nuancieren, alle Schattierungen im Ausdruck zu geben". Gleichzeitig fordert Jean-Xavier Lefèvre (1802) - bei gleicher Anblasart wie Fröhlich - grundsätzlich bei jedem Toneinsatz einen "coup de langue" (Zungenschlag). Um genügend Agilität und Ausdauer zu erreichen, ist von der Technik, durch eine zitternde Bewegung der Kehle oder der Brust („faire agir par secousse, le gausier ou la poitrine") zu artikulieren, abzusehen.

1855 weist auch Ferdinando Sebastianiin seiner Klarinettenschule [1] im Zusammenhang mit der Blattposition auf die Wichtigkeit variierter Artikulationsarten auf der Klarinette hin. Im Gensatz zu Fröhlich ist er aber der Meinung, dass das „Übersichblasen" die Variabilität der Artikulation einschränkt und dass sich die Artikulationsart beim „Untersichblasen" besser variieren lässt.

So ist es [beim Übersichblasen] nur möglich, das Battuto zu spielen, während Picchettato, Stakkato und andere Farben, die den Wert der Klarinette ausmachen, nicht möglich sind.

Ferdiando Sebastiani: Metodo per Clarinetto.[1]. (Übersetzung Adriano Amore)



Johann Georg Heinrich Backofen[2] (1803) wiederum möchte es der Entscheidung jedes Einzelnen überlassen, ob mit Einfachem- oder Doppellippenastz gespielt wird, auf ob "über" oder "unter sich geblasen" wird. Er erwähnt drei verschieden Artikulationsarten: mit der Zunge. mit den Lippen [durch Schliessen und Öffnen der Kieferstellung] oder mit der Kehle. Um die musikalisch besten Resultate zu erreichen, empfiehlt Heinrich Backofen das differenzierte Artikulieren mit der Zunge:

„Der Zungenstoss wäre also, so wie bei allen pbruigen Blasinstrumenten, der beste, unerachtet er anfangs auf der Klarinette der schwerste ist, weil dei Zuge durch den Schnabel, der den Mund ziemlich füllt, sehr geniert ist. So wie aber die vorerwähnten Klarinettisten gern alles Schleifen (binden), so missbrauchen letztere auch die Zunge und tragen manchmal sanfte sangbare Stellen durch diesen Missbrauch raus vor. Mich dünkt, nur rasche muntere Sätze wären für sie geeignet. Überhaupt muss der Charakter, der Geist, die Bewegung des musikalischen Satzes selbst zur besten Richtschnur dienen, wie ihn der Klarinettist in Ansehung der Zunge vorzutragen hatDenn nicht bei jeder Note kann der Komponist anzeigen, wie er sie behandelt haben will, er muss auch etwas dem Gefühl des Musikers zutrauen.“

Johann Georg Heinrich Backofen: Anweisung S.12[2]



Ein weiterer wertvoller Hinweis zur Ausführung der Artikulation der Zunge am Klarinettenblatt findet sich auf S.4 der „Méthode" von Frédéric Berr [3]:

„Pour exprimer le bruit produit par ce coup de langue, on dit à tort, que celui qui exécute fait entendre les syllabes TU TU. On pourrait peindre l'action de la langue en disant qu' elle semble rejeter de la bouche un bout de fil lorsque'elle dirige l'air dans l'instrument.»“

„Das Geräusch, das die Zunge beim Artikulieren am Blatt hervorruft, beschreibt man fälschlicherweise mit Tu Tu. Man könnte die Aktion, welche die Zunge beim Artikulieren am Blatt ausführt, wie folgt umschreiben: Die Zunge bewegt sich auf dieselbe Weise, wie wenn sie ein Stückchen Faden aus dem Mund expulsieren möchte. Dies erfolgt im selben Moment, in welchem die Zunge die Luft ins Instrument leitet.“

Frédéric Berr: Méthode[3]

Kommentar: Frédérique Berr beschreibt den Zungenschlag (coup de langue) biem Artikulieren von einzelnen Tönen oder beim Toneinsatz als ein Zurückziehen der Zunge. Diese Beschreibung entspricht auch dem didaktischen Konzept, das Daniel Bonade in seinem Compendium beschreibt.

Zur Frage und Notation verschiedener Artikulationsarten in historischen Unterrichtswerken siehe auch Toneinsatz, Ansprache



Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Ferdinando Sebastiani: Metodo Progressivo per Clarinetto. Napoli 1886, S.7. Zitiert nach Adriano Amore: Ferrindando Sebastiani (1803-1860) und die Neapolitanische Klarinettenschule, in das rohrblatt, Juni 2008, S.58-60.
  2. 2,0 2,1 Backofen, Johann Georg Heinrich, and Karl Ventzke. 1986. Anweisung zur Klarinette nebst einer kurzen Abhandlung über das Basset-Horn. Celle: Moeck eproint der Asigabe Leipzig 1803).
  3. 3,0 3,1 Frédéric Berr: Méthode complète de Clarinette adoptée au Conservatoire de Musique de Paris. Paris 1836.