Nutzwertanalyse
Die Nutzwertanalyse ist ein Entscheidungsinstrument, welches mithilfe der Kombination von quantitativen und qualitativen Elementen ein nützliches und erfolgreiches Bewertungsinstrument für verschiedene Alternativen darstellt. Sie wird besonders dort eingesetzt, wo nicht oder nur schwer monetär quantifizierbare Zielbeiträge zu bewerten sind. Insbesondere im Bereich strategischer Investitionsprüfung und Projektprüfung ist das Verfahren ein beliebtes Instrument (Baier, 2008, S. 235-237). Gleichzeitig unterstützt die Nutzwertanalyse Unternehmen, komplexe Entscheidungen zu treffen (Kühnapfel, 2014, S. 1). Dabei drücken die Nutzwerte aus, wie gut eine Alternative ein Ziel des Bewertenden erfüllt (Wannenwetsch, 2014, S. 139). Zunächst werden qualitative und quantitative Kriterien festgelegt und gewichtet. Anschliessend erfolgt die Bewertung der Kriterien auf einer definierten Skala. Die Bewertung wird mit der Gewichtung multipliziert sowie analysiert. Die Summe der gewichteten Punkte ergibt den Nutzwert. Je höher der Nutzwert, umso attraktiver und optimaler gilt die Handlungsalternative (Fiedler, 2016, S. 34-38; Gadatsch & Mayer, 2010, S. 292).
Begriffsdefinition und Abgrenzung
Die Methode der Nutzwertanalyse ist ein Verfahren zur Nutzenerfassung. Die Analyse unterstützt den Vergleich verschiedener Alternativen mithilfe der Bewertung verschiedener Faktoren (Müller, Lang & Hess, 2003, S. 62). Um eine Gesamtbeurteilung aller relevanten Kriterien zu ermöglichen, werden in der Bewertung qualitative und quantitative Einflussgrössen berücksichtigt. Die Nutzwertanalyse ermöglicht Prioritäten einzelner Projekte nachvollziehbar zu gestalten und gleichzeitig die Akzeptanz für die Entscheidungsfindung zu erhöhen (Fiedler, 2016, S. 34). Dabei hilft die Nutzwertanalyse, die Komplexität der qualitativen Kriterien mithilfe einer Rangfolge zu reduzieren und gleichzeitig die Unterschiede offenzulegen (Busse von Colbe, Lassmann & Witte, 2018, S. 313). Das Verfahren unterscheidet sich gegenüber der Kosten-Nutzen-Analyse insofern, dass die Nutzwertanalyse auf die monetären Bewertungen nicht-monetärer Grössen verzichtet (Baier, 2008, S. 236).
Ziel und Zweck
Die Nutzwertanalyse, ein sogenanntes mehrdimensionales Zielsystem, dient dazu, komplexe Fragestellungen offenzulegen. Hierbei bietet die Nutzwertanalyse Unterstützung, komplexe Situationen vereinfacht und teilstrukturiert darzustellen. Qualitative und nicht monetäre Aspekte von Entscheidungsprozessen werden in einer Rangfolge dargestellt. Dabei werden Präferenzen nach verschiedenen nicht monetären Zielkriterien geordnet. Des Weiteren wird der Sachinhalt durch die Teilstrukturierung entemotionalisiert. Dies bedeutet, dass verschiedene Personen ihr Wissen in den Entscheidungsprozess einbringen können. Aus der Ordnung ergibt sich der Nutzwert einer Entscheidung und deren Handlungsalternativen (Busse von Colbe et al., 2018, S. 313; Kühnapfel, 2014, S. 1-10).
Anwendungsbereich
Im Investitionsbereich sowie im Bereich von Um- und Restrukturierungen wird die Nutzwertanalyse häufig angewandt (Baier, 2008, S. 237). Ein weiterer Anwendungsbereich der Nutzwertanalyse ist die Bewertung der Attraktivität von Projekten (Fiedler, 2016, S. 34). Die Nutzwertanalyse kann zudem im Prozess der Lieferantenbeurteilung eingesetzt werden (Wannenwetsch, 2014, S. 137-139). Ferner ist der Einsatz der Nutzwertanalyse immer dann sinnvoll, wenn mindestens einer der folgenden Umstände anzutreffen ist (Kühnapfel, 2014, S. 2-3):
- Hohe Anzahl der Bewertungskriterien
- Unterschiedliche Bewertungskriterien (quantitativ und qualitativ)
- Keine eindeutige Rangfolge der Bewertungskriterien möglich
- Mehrere Personen nehmen am Entscheidungsprozess teil
- Dokumentation der Entscheidungsfindung notwendig
In der Praxis wird die Nutzwertanalyse oft zur Bewertung strategischer Investitionen eingesetzt. Dabei kann die Nutzwertanalyse innerhalb von Forschungs- und Entwicklungsprojekten, Investitionen in den Aufbau neuer Märkte sowie in neue Fertigungs- und Informationstechnologien zum Einsatz kommen (Baier, 2008, S. 237). Aufgrund ihrer geringen Komplexität in der Anwendung und Umsetzung ist der Einsatz der Nutzwertanalyse im Vergleich zu anderen Wirtschaftlichkeitsanalysen in der Praxis sehr häufig anzutreffen (Müller et. al., 2003, S. 60).
Voraussetzung und Durchführung
Eine Nutzwertanalyse muss immer für eine spezifische Fragestellung fallbezogen je nach Unternehmen angepasst werden. Der Einsatz eines Moderators kann sich als nützlich erweisen. Dieser muss das Fachwissen und die nötige Erfahrung besitzen, um eine Nutzwertanalyse erfolgreich zu leiten. Demnach muss der Moderator sicherstellen, dass die Analyse korrekt ausgeführt wird, sich alle Teilnehmer im Prozess einbringen und die vorab definierten Regeln eingehalten werden (Kühnapfel, 2014, S. 21). Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass innerhalb der Unternehmung genügend Know-how im Bereich der Entscheidungssicherheit vorliegt. Mit der Nutzwertanalyse werden Erkenntnisse im Rahmen der Entscheidungsfindung transparenter gestaltet und nicht neue Informationen gewonnen (Kühnapfel, 2014, S. 39).
Bestimmung der Zielkriterien
Zu Beginn werden die Zielkriterien festgelegt. Dabei ist darauf zu achten, dass die gewählten Kriterien nicht schon in einem anderen Analysesystem bezüglich dieser Fragestellung verwendet werden. Ebenfalls ist von deckungsgleichen Kriterien möglichst abzusehen (Busse von Colbe et al., 2018, S. 313). Weiter sollen die Zielkriterien relevant und operational formuliert werden. Kriterien sollten nicht nur deckungsungleich sein, sondern auch nutzenunabhängig (Titgemeyer, 2011, S. 52-53). Ebenfalls sind Kriterien objektiv zu bestimmen. Denn subjektive Bestimmung und Auswertung haben Einfluss auf den schliesslichen Nutzwert (Merhof, Mainka, Michl & Franke, 2012, S. 22).
Gewichtung der Zielkriterien
Nach der Bestimmung der Zielkriterien werden diese gewichtet. Die Gewichtung soll die relative Bedeutung der einzelnen Kriterien für die entsprechende Fragestellung aufzeigen. Insbesondere bei mehr als zehn Kriterien nimmt die Komplexität zu, so dass es nicht mehr möglich ist, Prozentzahlen objektiv auf die Kriterien zu vergeben (Kühnapfel, 2014, S. 10). Um die Objektivität zu gewährleisten, gibt es verschiedene Methoden, die angewendet werden können (Busse von Colbe et al., 2018, S. 315-316).
- Direkte Intervallskalierung: Dabei werden Präferenzen mit einem Gewichtungsfaktor bestimmt.
- Indirekte Intervallskalierung: Dabei werden die Präferenzen ebenfalls mit einem Gewichtungsfaktor bestimmt. Jedoch wird vorab eine Rangreihe der Zielkriterien erstellt.
- Verhältnisskalierung: Im Unterschied zu den ersten Methoden werden bei der Verhältnisskalierung die Gewichtungsfaktoren vergeben, die während der Gewichtungsphase verschiedene Prüfschritte absolvieren und so zur Gewichtung kommen.
- Paarvergleich: Ist in der Handhabung eine einfache Methode. Dabei werden die verschiedenen Kriterien paarweise verglichen. Das wichtigere eingestufte Kriterium bekommt einen Punkt. Je mehr Punkte ein Kriterium hat, desto höher fällt die Gewichtung aus. Abbildung 1 zeigt einen Paarvergleich und die damit verbundenen Gewichtungen auf. Gemäss dieser ist die Kundenzufriedenheit im Vergleich zum Wettbewerbsvorteil wichtiger. Die Wirtschaftlichkeit hat hingegen eine höhere Priorität als die Kundenzufriedenheit.
Ermittlung der Teilnutzung
Die Kriterien werden nach der Gewichtung mit einer definierten Skala, zum Beispiel einer 10er-Skala oder einer Bewertung nach Schulnoten bewertet. Die Skala soll möglichst einfach und ohne Interpretationsmöglichkeit gewählt werden. Danach werden zu allen Handlungsalternativen sämtliche Zielkriterien bewertet. Eine hohe Bewertung bedeutet einen dementsprechend hohen Grad der Kriterien-Erfüllung (Kühnapfel, 2014, S. 16-19).
Ermittlung des Nutzwertes
Die gewichteten Kriterien und die Bewertungen werden nun multipliziert und die Teilresultate der Handlungsoptionen aufsummiert. Das Resultat wird als Nutzwert bezeichnet. Die Beurteilung soll nur auf dem Nutzwert und der daraus resultierenden Rangfolge erfolgen. So bietet beispielsweise die zentrale Finanzbuchhaltung in Abbildung 2 den grössten Nutzwert und wird mit dem 1. Rang beurteilt. Abstände der Nutzwerte sind nicht aussagekräftig und dienen nicht der Bewertung der Handlungsoptionen. Damit die Nutzwertanalyse im Rahmen einer Entscheidungsfindung genutzt werden kann, sollten die Resultate in einer Sensitivitätsanalyse geprüft werden. Hierbei werden die drei Zielkriterien mit der stärksten Gewichtung gleichzeitig verschiedenen Szenarien unterzogen und stufenweise von - 50 % bis + 50 % verändert. Hält die präferierende Handlungsoption mit dem höchsten Nutzwert der Analyse stand, so kann die Handlungsoption positiv weiterverfolgt werden (Kühnapfel, 2014, S. 19-20).
Vor- und Nachteile
Die Nutzwertanalyse weist folgende Vor- und Nachteile auf (Busse von Colbe et al., 2018, S. 330; Kühnapfel, 2014, S. 21; Müller et. al., 2003, S. 61; Ott, 2011, S. 153):
Beschreibung | |
Vorteile |
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Nachteile |
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Lern- und Praxismaterialien
Aufgaben |
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Quellen
Literaturverzeichnis
- Baier, P. (2008). Praxishandbuch Controlling. Grundlagen, Instrumente und Reporting (2. Aufl.). München: FinanzBuch Verlag GmbH.
- Busse von Colbe, W., Lassmann, G. & Witte, F. (2015). Investitionstheorie und Investitionsrechnung, Nutzwertanalyse als Bewertungsinstrument für nicht monetäre Aspekte von Investitionen (5. Aufl.). Berlin, Heidelberg: Springer.
- Fiedler, R. (2016). Controlling von Projekten. Mit konkreten Beispielen aus der Unternehmenspraxis - Alle Aspekte der Projektplanung, Projektsteuerung und Projektkontrolle (7. Aufl.). Wiesbaden: Springer Fachmedien.
- Gadatsch, A. & Mayer, E. (2010). Masterkurs IT-Controlling. Grundlagen und Praxis für IT-Controller und CIOs - Balanced Scorecard - Portfoliomanagement - Wertbeitrag der IT - Projektcontrolling - Kennzahlen - IT-Sourcing - IT-Kosten- und Leistungsrechnung (4. Aufl.). Wiesbaden: Springer Fachmedien.
- Kühnapfel, J. B. (2014). Nutzwertanalysen in Marketing und Vertrieb. Wiesbaden: Springer Fachmedien.
- Merhof, J., Mainka, M., Michl, M. & Franke, J. (2012). Investitionsbewertung. Eine Methodik zur Bewertung und Vergleich von Investitionen. Industrie 4.0 Management, 4, 20-24.
- Müller, A., Lang, J. & Hess, T. (2003). Wirtschaftlichkeit von Controlling-Anwendungssystemen: Konzeption und Erprobung eines Multiperspektiven-Ansatzes. Controlling und Management, 47 (2), 58-66.
- Ott, S. (2011). Investitionsrechnung in der öffentlichen Verwaltung. Die praktische Bewertung von Investitionsvorhaben. Wiesbaden: Gabler Verlag.
- Titgemeyer, M. (2011). Die Nutzwertanalyse zur Beurteilung von Investitionen. WiSt Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 40 (1), 52-54.
- Wannenwetsch, H. (2014). Integrierte Materialwirtschaft, Logistik und Beschaffung (5. Aufl.). Berlin Heidelberg: Springer-Verlag.
Weiterführende Literatur
- Becker, L. & Grundei, J. (2009) Herausforderung Organisations-Controlling - Entwicklung von Bewertungskriterien für die Aufbau- und Führungsorganisation. Controlling & Management, 53 (2), 117-126.
- Schön, D. (2018). Planung und Reporting im BI gestützten Controlling. Grundlagen, Business Intelligence, Mobile BI und Big-Data-Analytics (3. Aufl.). Wiesbaden: Springer Gabler.
Autoren
Anja Closuit, Oliver Faria, Céline Fischer, Simon Haldemann