Ökobilanz

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Geprüft: Positiv beurteilt

In einer Ökobilanz wird die ökologische Sichtweise der industriellen Tätigkeiten zusammengefasst, welche über die Normen ISO 14040 und 14044 definiert sind (Köpffer & Grahl, 2009, S. 1). Meist wird von einer Produkt-Ökobilanz gesprochen, welche den Lebenszyklusprozess, auf Englisch den Life Cycle Assessment (LCA), veranschaulicht. Dieser zeichnet den Verlauf der industriellen Tätigkeit von der Rohstoffentnahme über die Verarbeitung, die Herstellung, die Distribution bis zur Entsorgung und Recycling der Produkte auf. Dieser Prozess ist in Abbildung 1 dargestellt. Die Ökobilanz, spezifischer Produkt-Ökobilanz, gewinnt immer mehr an Bedeutung. Anhand dieser Bilanz können Spezialisten zum Beispiel die Treibhausemissionen messen und die Wirkungsabsicht auf unsere Ökologie abschätzen, beurteilen und falls notwendig Massnahmen dazu entwickeln (Gleich, 2014, S. 96).

Abb. 1: Life Cycle Assessment (Loyer, 2006, online)

Begriffsdefinition

Die Ökobilanz, oder auch Umweltbilanz, beschreibt die Umweltbelastungen auf verschiedenen Bilanzebenen, welche von einem Unternehmen in einer bestimmten Zeitdauer ausgehen (Kytzia, 1995, S. 1). Diese Ökobilanzen werden über die Normen ISO 14040 und 14044 definiert (Köpffer & Grahl, 2009, S. 1).

Ökobilanzen stellen ein ökologieorientiertes Informations- und Entscheidungsinstrument dar, welche alle Stoff-, Energie-, und Güterflüsse eines Unternehmens messen (Kytzia, 1995, S. 1; Günther, 1994, S. 269). Die Ökobilanz enthält das Wort Bilanz, zeigt jedoch nicht wie gewohnt einen Soll-/Ist-Vergleich. Sie veranschaulicht eine Input-Output-Bilanz, welche die verbrauchten Stoffe in Mengen und Kosten anhand einer Flussrechnung auflistet. (Hallay & Pfriem, 1992, S.163, zit. in Neuhau, 2008, S. 247). Dabei dient die Ökobilanz als Instrument des Öko-Controllings und der Unternehmensführung (Gayk, 1996, S. 233).

Ziel

Das Ziel der Ökobilanz ist die unternehmerischen Tätigkeiten nach deren ökologischen Aspekten zu bewerten und somit die Verringerung der Umweltbelastung zu steuern (Kachler, 2013, S. 38). Dank diesem Unternehmensinstrument sollen die wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile sowie auch deren Risiken miteinander vereint werden. Die Ökobilanz soll dabei der Offenlegung der Schwachstellen, der Verbesserung der Umwelteigenschaften der Produkte und als Entscheidungshilfe für Beschaffung und Einkauf sowie als Werbemittel dienen (Gayk, 1996, S. 233). Da bereits heute die physikalischen, ökonomischen und technischen Aspekte feste Bestandteile des Entwicklungsprozesses sind, soll zudem das ökologische Wissen anhand der Ökobilanz integriert werden (Seitz, 2003, S. 59).

Bilanzebenen

Ökobilanzen können für gesamte Unternehmen, Produktionsprozesse oder Produkte erstellt werden. Diese werden nachfolgend vorgestellt.

Betriebs- bzw. Input-Output-Bilanz

Der ökologisch wesentliche Input eines Unternehmens wird mit den Produkten und Kondukten, die den Betrieb verlassen (Output), verglichen. Mithilfe einer Bewertung werden Informationen über die ökologischen Effekte des ganzen Unternehmens inklusive aller Standorte gewonnen (Hallay & Pfriem, 1992, S. 58, zit. in Günther, 1994, S. 270).

Prozessbilanz

Bei der Prozessbilanz werden die Transformationsvorgänge zwischen Input und Output untersucht. Nach dem Input-/ Output-Schema werden die Stoff- und Energiemengen analysiert, welche in den Produktionsprozess eingehen und diesen nach der Umwandlung wieder verlassen (Günther, 1994, S. 270).

Produktbilanz

In der Produktbilanz findet eine Bewertung der ökologischen Wirkungen für jedes betriebsspezifische Produkt über dessen gesamten Lebenszyklus statt. Dazu werden alle benutzten Stoffe und Energien sowie die aufgrund des Produktes anfallende Emissionen analysiert und bewertet (Günther, 1994, S. 271). Für die Aufbereitung der Produktbilanz werden unter der Norm ISO 14040 Rahmenbedingungen anhand vier einzelner Komponenten bestimmt, welche im Kapitel 5, Rahmenbedingungen nach ISO 14040, definiert sind (ISO 14040, zit. in Köpffer & Grahl, 2009, S. 27).

Sachbilanz

Die Substanzbilanz erfasst Eingriffe, welche die Umwelt bleibend schädigen. Dazu zählen Flächennutzung, Bebauung, Landschaftseinschnitte, Boden- oder Grundwasserverunreinigungen (Hallay & Pfriem, 1992, S. 88, zit. in Günther, 1994, S. 272).

Datengrundlagen

Abb. 2: Datengrundlage Ökobilanz (Kytzia, 1995, S. 137)

Wie in Abbildung 2 zu sehen ist, erhält die Ökobilanz interne Informationen aus dem betrieblichen Rechnungswesen, den Systemen der Produktionsplanung und -steuerung, den Emissionsmessberichten sowie den Umweltschutzstatistiken. Das betriebliche Rechnungswesen nennt das Mengengerüst der jährlichen Güterflüsse inklusive der Energieträger und des Wasserverbrauchs in Geldeinheiten. Auf dessen Basis wird eine Rückrechnung auf physikalische Masseinheiten vollzogen (Kytzia, 1995, S. 129–130).

Das System der Produktionsplanung und Produktionssteuerung ergänzt die Daten aus dem betrieblichen Rechnungswesen anhand von prozess- und flussspezifischen Informationen im Produktionsbereich. Die Emissionsmessberichte enthalten Messungen von Abluft- und Abwasserströmen, welche umweltschutzrelevante Stoffkonzentrationen beschreiben. Abfall-, Wasser- und Energiestatistiken enthalten weitere Informationen, welche für die Ökobilanzierung verwendet werden. Für die Wirkungsbilanzierung werden weitere externe Informationen herangezogen (Kytzia, 1995, S. 130-131).

Zusammenfassend ermöglicht die Ökobilanz eine umweltschutzbezogene Gesamtbetrachtung der Geschäftstätigkeit anhand von numerischen Messgrössen. Mithilfe der Kennzahlen können Planungs- und Steuerungsgrössen für die Führung entwickelt werden. Des Weiteren werden dank der Ökobilanz Stoffflussinformationen im betrieblichen Informationssystem zu einem kohärenten Datenbestand zusammengefasst (Kytzia, 1995, S. 137–138).

Rahmenbedingungen nach ISO 14040

Die Produkt-Ökobilanz wird nach ISO 14040 in vier einzelne Komponenten aufgeteilt. Diese Komponenten werden folglich definiert und beschreiben (ISO 14040, zit. in Köpffer & Grahl, 2009, S. 27).

Festlegung des Zieles und des Untersuchungsrahmens

Der erste Schritt der Ökobilanzierung enthält die klare Beschreibung der zu beantwortenden Fragestellung und des Verwendungszwecks der Resultate. Es werden grundlegende Bedingungen an die konkrete Ausgestaltung der Untersuchung definiert. Dazu werden unter anderem folgende Punkte festgelegt: Beabsichtigte Anwendung, Gründe für die Durchführung der Studie und Zielgruppendefinition (DIN, 2006, S. 15-16). Beim Untersuchungsrahmen werden unter anderem folgende Punkte definiert: Zu untersuchendes Produktsystem, Funktion des Produktsystems, Systemgrenze, Methode für die Wirkungsabschätzung, Methoden zur Auswertung und die Anforderungen an die Daten (DIN, S. 16).

Sachbilanz

Die Sachbilanzerstellung findet in der zweiten Phase der Ökobilanzierung statt. Sie umfasst alle Verfahren, welche sich mit der Beschreibung, Beschaffung, Modellierung und Berechnung der Stoff- und Energieflüsse beschäftigen. Das numerische Resultat bildet die Sachbilanz (Siegenthaler, 2006, S. 92).

Wirkungsabschätzung

Das Ziel dieser Phase ist eine entscheidungsorientierte Verdichtung und Beurteilung von Resultaten der Sachbilanz (Siegenthaler, 2006, S. 93-94). Damit soll die Umweltrelevanz besser nachvollzogen werden können (DIN, 2006, S. 6). Es werden zwei wesentliche Elemente unterschieden: Die Wirkungsanalyse und die Gewichtung. Bei der Wirkungsanalyse wird geklärt, welche Inputs- oder Outputs wie stark zu den Umweltveränderungen beitragen. Die Gewichtung bestimmt die ökonomische, naturwissenschaftliche oder sozialwissenschaftliche Bedeutung der Umweltveränderung (Siegenthaler, 2006, S. 94-95).

Auswertung

Als letzte der vier Phasen werden bei der Auswertung die Resultate der Sach- und Wirkungsbilanz mit den festgelegten Zielen verglichen und analysiert. Dies legt den Grundstein für Schlussfolgerungen und Entscheidungshilfen (DIN, 2006, S. 6).

Anwendung

Die Ausführungen der Anwendungsmöglichkeiten beziehen sich vor allem auf mittlere und grosse Unternehmen.

Intern

Ökobilanzen können dem Unternehmen eine umfassende Übersicht bieten, bei der Prioritätensetzung helfen, Entscheide unterstützen und bei Alternativen und Sachfragen anwendbar sein. Dabei ist die Ökobilanz für kurz- bis mittelfristige Entschiede einsetzbar (Braunschweig & Müller-Wenk, 1993, S. 21).

Extern

Die Ökobilanz kann im Rahmen der Umweltberichterstattung auch als Kommunikationsmittel für den Dialog zwischen Unternehmen und Umfeld eingesetzt werden (Fassbender-Wynands, Seuring & Nissen 2009, S. 108). Dabei sind mögliche Zielgruppen die Kunden, Behörden, Nachbarn, Umweltverbände, Konsumentenverbände, Lieferanten, Mitbewerbende, Branchenverbände, Aktionär/-innen und Kreditgebende (Braunschweig & Müller-Wenk, 1993, S. 23).

Andere

Staatliche Regelungen verlangen immer mehr und mehr nach einer Ökobilanz (Braunschweig & Müller-Wenk, 1993, S. 25). Mittlerweile liegen auch ISO-Normen vor, welche die Erstellung von produktbezogenen Ökobilanzen regeln (Seuring, Pick & Fassbender-Wynands, 2009, S. 117).

Kritische Würdigung

Eine Grundkritik ist, dass sich nicht alle Umwelteinwirkungen quantifizieren und steuern lassen (Schill, 2000, S. 145). Dies wiedergibt auch Strobel und Wagner (2009) folgendermassen: «ökologieorientierte Informationsinstrumente sind häufig mit dem Mangel behaftet, dass sie sich auf Maßgrößen verschiedenster Dimension beziehen, die sich unter Umständen zwar einzeln, nicht aber zu einer (oder wenigen) Größe(n) verdichtet quantitativ darstellen lassen.» (Strobel & Wagner, 1999, S. 13, zit. in Neuhaus, 2008, S. 249). Zudem sind die Ökosysteme so komplex, dass die Realität nur in einem kleinen Rahmen als Model abgebildet werden kann (Schill, 2000, S. 145).

Weiter sind in den ISO-Normen 14040 und 14044 keine faktisch-inhaltliche Festlegungen zu den Wirkungskategorien enthalten (Prammer, 2010, S. 24). Es wird lediglich eine Struktur im Allgemeinen dargestellt. Daher ist die Ausgestaltung der Inhalte den Unternehmen überlassen (Schrack, 2016, S. 140).

Der Hauptkritikpunkt der Ökobilanz ist der mit ihrer Erstellung einhergehende Aufwand in personeller sowie auch finanzieller Hinsicht (Schrack, 2016, S. 140). Auch Prammer (2010) erwähnt den finanziellen Aufwand zur Informationsbeschaffung, welcher sehr hoch einzustufen ist. Dieser stellt für viele Unternehmen eine grosse Hürde dar (S. 24).

Ausserdem enthält die Ökobilanz mit der Abgrenzung des Untersuchungsfeldes, der Abschätzung der Umweltauswirkungen oder der Beurteilung der Ergebnisse viele subjektive Elemente. Ein unternehmensübergreifender Vergleich, die objektive Berichterstattung oder Ziel- und Steuerungsgrössen sind aufgrund der subjektiven Elemente der Ökobilanz nur eingeschränkt möglich (Sailer, 2017, S. 177).

Lern- und Praxismaterial

Fallstudien

Quelle

Literaturverzeichnis

Weiterführende Literatur

  • Biel, A. (2013). Nachhaltigkeitscontrolling Interview mit Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Péter Horváth und Prof. Dr. Ronald Gleich. Controller Magazin.
  • Finkbeiner, M. & Schwager, B. (2016). Umweltmanagement für kleine und mittlere Unternehmen: Die ISO 14000-Serie und ihre Umsetzung (3., aktualisierte und erweiterte Auflage). Berlin: Beuth Verlag GmbH.
  • Hilpert, H., Schumann, M. & Kranz, J. (2013). Green Information Systems wirksam einsetzen. Wiesbaden: Springer Fachmedien.
  • Kellner, F., Goerk, A. & Lienland, B. (2017). Mit CO2-Kennzahlen die Ökobilanz verbessern. Controlling & Managenent Review, 61 (9), S. 58-64.
  • Longin, F., Lewandowski, I. & Wagner M. (2014). Wie steht es um die Ökobilanz. Staatgut-Magazin, S. 30-31.
  • Nagy, G. (2013). Umweltcontrolling. Unterstützung der Investitionsentscheidungen für eine ökologieorientierte Unternehmensführung. CONTROLLER Magazin, März/April, 85-87.
  • Piontek, J. (2005). Controlling (3. Aufl.). München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH.
  • Prammer, H. (2010). Wie lässt sich die operative Umweltleistung von Unternehmen messen? In H. K. Prammer (Hrsg.). Corporate Sustainability (S. 7-36). Wiesbaden: Gabler Verlag.
  • Schaltegger, S. & Strum, A. (1995). Öko-Effizienz durch Öko-Controlling. Zur praktischen Umsetzung von EMAS und ISO 14'001. Zürich: vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich.

Autoren

Valérie Hostettler, Julia Lagler, Jil Lendeczky, Tina Nikolovski, Susana Pires Nunes