Fallstudie - Familienfreundliche Unternehmenspolitik

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Ausgangslage

Im Rahmen einer Studie der Prognos AG wurde untersucht, ob eine familienfreundliche Unternehmenspolitik positive betriebswirtschaftliche Effekte auf Schweizer Unternehmen hätte. In der Studie, verfasst von Seidel (2010), nahmen Unternehmen wie die Migros, die Post, Novartis sowie Raiffeisen teil (S. 3). In der Studie wurde eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt.

Nach einer Analyse des Ist-Zustandes wurden in der Studie diverse Vorteile von familienfreundlichen Massnahmen sowie die dazugehörigen Kosten eruiert. Der Nutzen sowie die Kosten wurden hierbei zunächst nur beschrieben, jedoch noch nicht in Geldeinheiten ausgedrückt (S. 16-35). So wurde beispielsweise dargelegt, dass die Flexibilisierung des Arbeitsortes Zeitgewinne durch den Wegfall des Arbeitsweges sowie Flexibilität für die Mitarbeitenden bedeutet. Ausserdem wurde gefolgert, dass die Massnahme zu Pensumserhöhungen von Mitarbeitenden führen könnte, die nun über mehr Zeit verfügen. Dadurch würden sich die Kosten für Ersatzpersonal senken. Abbildung 1 stellt dar, wie gewisse Effekte zunächst nur beschrieben und noch nicht quantifiziert wurden.

Abb. 1: Kosten der Personalbeschaffung (Seidel, 2010, S. 42)

Des Weiteren wurde erläutert, dass für die Einrichtung des Heimarbeitsplatzes Kosten für die Ausstattung anfallen würden. Unterstützt wurden diese Aussagen durch Erkenntnisse von Victorinox, einer weiteren Teilnehmerin der Studie (S. 25-26). So konnten diverse Massnahmen und Handlungsalternativen mit den dazugehörigen Kosten und Nutzen abgeleitet werden.

Anschliessend wurden weitere Effekte erforscht, welche in der Studie «Ausstrahlungseffekte» genannt wurden. Diese Effekte können situationsbedingt und indirekt in Unternehmen eintreten (S. 39). Somit lassen sich diese Wirkungen als indirekte Effekte klassifizieren. Die Konsequenzen der Massnahmen wurden hierbei von der Perspektive der Eltern sowie der Unternehmen betrachtet (S. 39).

Ermittlung der Nutzenseite

Danach wurde ein Modell für die Kosten-Nutzen-Analyse erarbeitet. Im Modell wurden reale Daten von 20 Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen untersucht (S. 45). Es wurde festgestellt, dass mit familienfreundlichen Massnahmen vor allem die Personalbeschaffungskosten reduziert werden könnten. Die bereits in Abbildung 1 gezeigten Elemente der Personalbeschaffungskosten wurden an dieser Stelle quantifiziert und in Geldeinheiten ausgedrückt. Dabei wurden unterschiedliche Einkommensklassen (EK) unterschieden, wie man in Abbildung 2 sieht:

Abb. 2: Wiederbeschaffungskosten nach Einkommensklassen (Seidel, 2010, S. 48)

Achtung: Es handelt sich bei diesen Positionen zwar um Kosten, dies bedeutet jedoch nicht, dass diese in der Kosten-Nutzen-Analyse auch auf der Kostenseite erscheinen werden. Mit den familienfreundlichen Massnahmen sollen diese Kosten nämlich reduziert werden. Somit ergibt sich daraus ein Nutzen.

Um eine konkrete Summe für diesen Nutzen zu eruieren, wurden in der Studie diverse Szenarien und Wahrscheinlichkeiten ausgerechnet. Der Fokus war dabei auf der möglichen Reduktion der Personalbeschaffungskosten (S. 53-58). Diese Reduktion würde beispielsweise durch eine Absenkung der Fluktuationsrate oder einer Steigerung der Rückkehrrate erzielt werden (S. 57). Es wurde stets ein Basis-, ein Real- sowie ein Optimalszenario berechnet (S. 48). So konnte mit Unsicherheiten besser umgegangen werden.

Zuletzt ergab sich ein berechneter Wert von CHF 266'932 für den Nutzen eines Unternehmens bei Einsatz von familienfreundlichen Massnahmen. Dieser sollte das Einsparpotenzial einer Unternehmung ausdrücken.

Ermittlung der Kostenseite

Um die Kostenseite zu verstehen, ist die folgende Darstellung hilfreich. In Abbildung 3 werden die Aufwände dargestellt, die für die Umsetzung einer Massnahme für ein Unternehmen jährlich anfallen könnten.

Abb. 3: Aufstellung des familienfreundlichen Pakets (Seidel, 2010, S. 49)

Diese Massnahmen wurden zuvor detailliert ergründet und auf ihre Nützlichkeit untersucht. Der Betrag von CHF 247'000 stellt die Kosten eines (fiktiven) Unternehmens dar, die fällig werden, wenn es ein Paket aus familienfreundlichen Massnahmen umsetzen möchte.


Gegenüberstellung von Nutzen und Kosten

Zuletzt wurden die beiden Summen gegenübergestellt. In Abbildung 4 zeigt sich, dass somit eine positive Differenz aus Nutzen und Kosten resultierte.

Abb. 4: Aggregierte Kosten-Nutzen-Analyse (Seidel, 2010, S. 59)

Daraus ergab sich die Empfehlung für Unternehmen, die familienfreundlichen Pakete anzubieten. Die Studie errechnet eine Rendite von 8% auf das eingesetzte Kapital (CHF 19'932 geteilt durch CHF 247'000) und vermerkt, dass diese Zahl auf konservativen Annahmen basiert. Zudem wurden nicht quantifizierbare Auswirkungen wie «Motivation, Loyalität und Einsatzbereitschaft der Mitarbeitenden» nicht berücksichtigt (S. 6).

Die Studie zeigt, dass eine Kosten-Nutzen-Analyse wertvoll sein kann, um mögliche Massnahmen zu prüfen. Sie ist ein gutes Beispiel, dass Modelle vorsichtig und reflektiert angegangen werden müssen. Zudem beschreibt sie, wo mögliche Konsequenzen nicht berücksichtigt werden konnten und weshalb. Insofern bietet sie Entscheidungsträger*innen eine differenzierte Entscheidungsgrundlage. Die Grösse der Studie zeigt jedoch auch, dass eine Kosten-Nutzen-Analyse sehr aufwändig sein kann. Besonders wenn man mit Wahrscheinlichkeiten arbeitet, dürfte wohl auch mathematisches Wissen unerlässlich sein. Zudem erforderte die Studie eine gute Datengrundlage sowie viel Rechercheaufwand für die Erarbeitung von Massnahmen. Hier zeigen sich die Vorteile einer konsolidierten Studie mit mehreren Unternehmen. Eine solche Untersuchung auf Stufe einer einzelnen Unternehmung durchzuführen, hätte wohl allein aufgrund der Ressourcen eine grosse Herausforderung dargestellt.

Zudem hat sich am Fallbeispiel wiederum die Flexibilität und Arbitrarität der Kosten-Nutzen-Analyse gezeigt. Statt den Nutzen durch die Kosten zu dividieren, wurde hier eine Subtraktion durchgeführt. Hieraus ergibt sich ein Geldbetrag, welcher für die Leser*innen wohl einfacher zu verstehen ist als ein Quotient. Ausserdem wurden in der Analyse von Seidel (2010) nicht nur Wahrscheinlichkeiten eingesetzt, es wurden auch verschiedene Szenarien berechnet, um das Risiko einer Fehleinschätzung zu minimieren. Zudem ist hervorzuheben, dass nicht quantifizierbare (nicht tangible) Kosten teils nicht berücksichtigt wurden. Auch hier musste reflektiert vorgegangen werden, um eine nützliche Entscheidungsgrundlage zu schaffen.

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Quellen