Kosten-Nutzen-Analyse

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Die Kosten-Nutzen-Analyse (KNA) ist ein Instrument zur ökonomischen Beurteilung von Handlungsalternativen. Dabei erfolgt eine Gegenüberstellung der Kosten und der Nutzen für die jeweiligen Alternativen (Schellberg, 2022, S. 533).

Definition und Abgrenzung

Die Methodik der Kosten-Nutzen-Analyse als gegenüberstellendes Verfahren von Kosten und Nutzen hat einen breiten Auslegungsbereich, der diverse Varianten umfasst. Die KNA verfügt über wenige fundamentale Prinzipien, welche das willkürliche Hinzufügen von Zusatzkriterien ermöglichen (Sen, 2000, S. 950–951). Ein zentraler Grundsatz ist dabei die Quantifizierung von quantitativen und qualitativen Variablen in Geldeinheiten (Sen, 2000, S. 935; Neumer & Margraf, 2009, S. 989; Westermann, 2012, S. 4). Dieser Grundsatz grenzt das Verfahren von anderen Verfahren wie der Nutzwertanalyse ab. Bei dieser können Variablen mit Nutzenpunkten bewertet werden (Friedrichsen & Ahting, 2021, S. 122). Ein weiteres Verfahren ist die Kosten-Wirksamkeits-Analyse. Diese beschreibt ein Verfahren, bei dem die Kosten monetär bewertet werden, während der Nutzen auf nicht-monetärer Basis ermittelt wird (Pfeffer, 2014, S. 86–87).

Die KNA soll ein einheitliches Verfahren zur Entscheidungsfindung darbieten (Drèze & Stern, 1987, S. 909). Dabei ist das entscheidende Kriterium eine möglichst hohe, positive Differenz zwischen den in Geldeinheiten ausgedrückten Nutzen und Kosten (Neumer & Margraf, 2009, S. 989). Das Verfahren basiert auf dem Opportunitätskostenprinzip. Opportunitätskosten lassen sich als «entgangener Nutzen für eine alternative Verwendung der Ressourcen» definieren (Wittmann, 1985, zit. in Jacobi, 2001, S. 16). Konkret bedeutet dies, dass ein Entscheid grundsätzlich unter der Berücksichtigung von Handlungsalternativen stattfindet.

Anwendungsbereich

Besonders im öffentlichen Bereich wird die Methodik der Kosten-Nutzen-Analyse durch staatliche Institutionen angewendet. Dies, weil sie es erlaubt, nebst monetären Faktoren auch qualitative Faktoren einzubeziehen, die einen Einfluss auf das Wohlbefinden der Bevölkerung haben (Adler & Posner, 1999, S. 167, 245). Das Verfahren erlaubt es, die Werte der Wohlfahrtsökonomie mit Elementen der privatwirtschaftlichen Investitionsrechnung zu verbinden (Hanusch, 2011, S. 1). Entsprechend ist der öffentliche Sektor auch der Ursprung der Methodik, welche in den 1950er und 1960er-Jahren erstmals eingesetzt wurde (Schellberg, 2022, S. 534). Jedoch hat die KNA auch in der Privatwirtschaft Anwendungsbereiche. So kann sie als Instrument zur Evaluierung von Investitionen und Projekten angewendet werden (Drèze & Stern, 1987, S. 911; Schellberg, 2022, S. 533). Die KNA wird auch im modernen Umfeld angewendet, so zum Beispiel im Bereich Big Data (Dursun, 2019, S. 52).

Vorgehen

Ablauf einer Kosten-Nutzen-Analyse

Eine Kosten-Nutzen-Analyse (KNA) kann zu verschiedenen Zeitpunkten im Lebenszyklus eines Projekts durchgeführt werden. Die Ex-ante-Kosten-Nutzen-Analyse wird vor der Entscheidung über die Umsetzung eines Projekts durchgeführt, um festzustellen, ob das Projekt der Gesellschaft einen Nutzen bringt. Die Ex-post-Kosten-Nutzen-Analyse hingegen wird nach Abschluss des Projekts durchgeführt, um zu bewerten, ob dieses sich als gute Idee erwiesen hat. Die Kosten-Nutzen-Analyse medias res liegt dazwischen und bewertet laufende Projekte siehe Abbildung 1. Durch sie können Empfehlungen abgeleitet werden, Projekte zu beenden oder zu verändern, wenn dies sinnvoll erscheint (Weimer et al., 2018, S. 3).

Abb. 1: Arten von Kosten-Nutzen-Analysen (Eigene Darstellung)

Im Folgenden wird der Ablauf einer Ex-ante-Kosten-Nutzen-Analyse beschrieben, da diese Form in der Literatur am weitesten verbreitet ist. Dabei ist es zunächst zielführend, das zentrale Problem zu definieren und Ziele aufzustellen. Dabei sollen auch Teilziele formuliert und gewichtet werden. Zudem sollen Ausschlusskriterien definiert werden (Friedrichsen & Ahting, 2021, S. 122). Letztere dienen wohl dazu, Handlungsalternativen vorgängig auszuschliessen, die den ausgewählten Mindestanforderungen nicht entsprechen. Um konkret mit der Kosten-Nutzen-Analyse zu beginnen, werden die Handlungsalternativen formuliert und ausgewählt. Dies geschieht unter Berücksichtigung von Nebenbedingungen, die den Entscheid beeinflussen können. Dann werden die potenziellen Auswirkungen der Alternativen eruiert. Positive Auswirkungen werden als Nutzen, negative Auswirkungen als Kosten erfasst. Jeder Position wird dabei ein Geldwert zugemessen. Dabei gilt es zu beachten, dass die Auswirkungen über eine längere Zeit spürbar werden können. Um diesem Umstand gerecht zu werden, wird die Methode der Diskontierung angewendet. So können vergleichbare Werte erzeugt werden, die sich auf den aktuellen Zeitpunkt beziehen (Hanusch, 2011, S. 7). Um die Diskontierung durchführen zu können, wird der sogenannte Diskontierungszinssatz verwendet, um die Geldbeträge abzinsen zu können. Auf diese Weise kann der Barwert (Present Value) eines Vorhabens ermittelt werden. Nach Ermittlung des Diskontierungszinssatzes können die jeweilig anfallenden Kosten und Nutzen rechnerisch abgezinst werden. Die Berechnung des Barwerts erfolgt mit Hilfe der unten dargestellten Formeln. Dabei werden die Summen der Kosten (KG) und des Nutzens (NG) über eine Betrachtungsdauer von «n»-Jahren berechnet (Westermann, 2012, S. 26). Weitere Informationen zur Diskontierung sind auf der Seite zur Investitionsrechnung zu finden.


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Anschliessend erfolgt die Ermittlung des Verhältnisses zwischen dem Nutzen und den Kosten. Nach Schellberg (2022) wird zur Beurteilung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses die Summe der Nutzen durch die Summe der Kosten dividiert. Ist der resultierende Quotient grösser als eins, so wird die Alternative als vorteilhaft angesehen (S. 533). Es gilt das Prinzip, dass das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis auch grundsätzlich die auszuwählende Alternative ist. Dies wird mit der nachfolgenden Tabelle visualisiert.


Vorteilhafte Investition Unvorteilhafte Investition

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Jedoch darf diese Alternative nicht unreflektiert ausgewählt werden. Zuvor bedarf es nämlich einer rückblickenden Sensitivitätsanalyse der Bewertungen und der in Kauf genommenen Unsicherheiten (Hanusch, 2011, S. 7; Friedrichsen & Ahting, 2021, S. 123). Es stellt sich die Frage, ob die verwendeten Parameter richtig eingesetzt wurden. Möglicherweise kann sich das Ergebnis nämlich ändern, wenn man einzelne Bewertungen anpasst (Friedrichsen & Ahting, 2021, S. 123). Entsprechend kann sich die Anpassung dieser Parameter empfehlen (Hanusch, 2011, S. 7). Sen (2000) empfiehlt hierbei einen iterativen Ansatz. Werte sollen nicht als fix betrachtet werden, sondern während des Analyseprojekts laufend revidiert werden. So kann verstanden werden, welche Implikationen die verschiedenen Werte auf das Resultat ausüben (S. 943). Zuletzt folgt die kritische Klassierung und Auswahl der besten Handlungsalternative(n). Dabei sollen die in die Entscheidung eingeflossenen Informationen und Kriterien berücksichtigt werden (Hanusch, 2011, S. 7; Friedrichsen & Ahting, 2021, S. 123). Gemäss Hanusch (2011) ist es im Nachgang der Analyse wichtig, die Ergebnisse der Analyse sowie zusätzliche relevante Informationen in einem Bericht zusammenzufassen. Dabei sollen auch herbeigezogene Datenquellen belegt werden sowie methodische Probleme im Rahmen der Analyse beleuchtet werden. Anhand des Berichts sollen Drittpersonen in der Lage sein, die Analyse nachzuvollziehen (S. 7).

Bewertung von Variablen

Wie im Rahmen der Definition erwähnt wurde, erlaubt die Kosten-Nutzen-Analyse eine Vielzahl an zusätzlichen Kriterien und Vorgehensweisen. Für die abzuwägenden Konsequenzen einer Handlungsalternative finden sich diverse Klassifizierungsmöglichkeiten in der Literatur. Eine geläufige Unterscheidung der Kosten und Nutzen ist die Klassifizierung in tangible und intangible sowie in direkte und indirekte Effekte (Jacobi, 2001, S. 17; Hanusch, 2011, S. 9). Tangibel sind Kosten und Nutzen, wenn man ihnen einen klaren Wert zuschreiben kann. Beispielsweise können hierzu Marktwerte bestehen. Intangible Effekte können nicht klar beziffert werden, so zum Beispiel der Wert einer Steigerung der Lebensqualität. Direkte Kosten und Nutzen entstehen intentional in Zusammenhang mit einer Massnahme. Indirekte Effekte entstehen zwar auch in Zusammenhang mit der Massnahme, sie wurden jedoch nicht als Konsequenz eingeplant (Jacobi, 2001, S. 16).

Reale Effekte sind Auswirkungen, die unmittelbar mit einem Projekt oder Vorhaben in Verbindung stehen. Pekuniäre Effekte hingegen führen lediglich zu einer Veränderung in der Verteilung von Geld oder Nutzen (Hanusch, 2011, S. 10). Eine weitere Möglichkeit ist die Unterscheidung in finale und intermediäre Effekte. Die finalen Effekte eines Projektes führen unmittelbar zu einer Erhöhung oder Senkung des Nutzens. Intermediäre Effekte stiften Nutzen, können aber auch durch ihre Umsetzung weitere Kosten generieren (Hanusch, 2011, S. 11). Die Vielzahl an Klassifizierungsmöglichkeiten dürften situationsbedingt einen Mehrwert bieten. Es ist jedoch zu erwähnen, dass es keine allgemein anerkannte Richtlinie in der Literatur gibt. Die Begriffe sind nicht trennscharf und weichen voneinander ab (S. 9). Dies unterstreicht die in der Abgrenzung erwähnte Willkür in der Disziplin. Wichtig dürfte der reflektierte Umgang mit diesem Umstand sein. Nach Jacobi (2001) ist beispielsweise der Einbezug von intangiblen und indirekten Kosten und Nutzen nicht zwingend. Solche Effekte, die latent eintreten können, sind sehr aufwändig zu berechnen (S. 19). Zudem sind zugeschriebene Werte oft nur Schätzungen und können möglicherweise der Realität nicht entsprechen. Hierbei wird auf die Signifikanz der Sensitivitätsanalyse hingewiesen (S. 202). In der untenstehenden Tabelle werden die verschiedenen Effekte mit Beispielen in Anlehnung an Hanusch (2011, S. 9-11) genauer erläutert:

Effekte Beispiele
Reale und pekuniäre Effekte Bei einer neueröffneten Autobahn können die realen und pekuniären Effekte aufgezeigt werden. Durch die neue Autobahn können die Verkehrsteilnehmer*innen Zeit sparen. Durch die Zeitersparnis haben die Verkehrsteilnehmer*innen beispielsweise mehr Freizeit und dadurch erhöht sich deren individueller Nutzen. Als typisch pekuniäre Effekte gelten zusätzliche Gewinne, die entstehen, wenn entlang der Autobahn neue Raststätten gebaut und von den Reisenden frequentiert werden.
Direkte und indirekte Effekte Um die direkten und indirekten Effekte aufzuzeigen, dient das Beispiel eines Baus eines neuen Flughafens an zentraler Lage. Der direkte Nutzen dieses Projekts beinhaltet in erster Linie die Zeitersparnis für Flugpassagier*innen. Die direkten, negativen Auswirkungen sind hauptsächlich die Kosten für den Bau und den Betrieb des Flughafens. Die indirekten Effekte hängen mit der Lärmbelästigung zusammen, die die Anwohner*innen des neuen Flughafens erleben werden.
Tangible und intangible Effekte Für negative, intangible Effekte können Eingriffe in das Bild einer intakten Landschaft gelten, die mit dem Bau von Brücken, Autobahnen oder Wasserstrassen verbunden sind. Der tangible Effekt aus dem Bau ist, dass Autos eine Fläche überqueren können. Eine exakte Grenze zwischen tangiblen und intangiblen Effekten lässt sich oft nicht ziehen, da die Übergänge oft fliessend sind.
Intermediäre und finale Effekte Finale Effekte sind beispielsweise bei der Errichtung von öffentlichen Freizeiteinrichtungen zu erkennen, da diese ab Eröffnung Nutzen stiften. Auf der anderen Seite sind intermediäre Effekte bei Autobahnen zu erkennen. Eine neue Autobahn kann den Pendelverkehr und die Verkehrsströme in einer Region verändern. Dies kann zu einer Umverteilung der Verkehrsbelastungen führen und neuen Nutzen sowie auch Kosten für den Strassenverkehr erzeugen.

Eine weitere Möglichkeit, die sich im Rahmen der Kosten-Nutzen-Analyse bietet, ist die Gewichtung der Werte in Zusammenhang mit ihrer Wahrscheinlichkeit. Dies kann sinnvoll sein, wenn die zugeschriebenen Wahrscheinlichkeiten sowie die eingesetzte Methodik begründet sind. Gefährlich kann solch ein Vorgehen jedoch sein, wenn wichtige Bedenken aufgrund berechneter Wahrscheinlichkeiten ignoriert werden (Sen, 2000, S. 942). So könnte beispielsweise eine Handlungsalternative eines Unternehmens in einer Umweltkatastrophe resultieren. Schreibt das Unternehmen dieser Katastrophe eine sehr tiefe Wahrscheinlichkeit zu, so wird sich die gewichtete Bewertung auf der Kostenseite nur gering auswirken. Dem Risiko wird so ein Geldwert zugeschrieben werden, welcher die möglichen Konsequenzen nicht akkurat ausweist. Die Erkenntnis aus diesem Unterkapitel ist, dass es keine richtige oder falsche Auslegung für die Kosten-Nutzen-Analyse gibt. Der reflektierte Umgang mit dem Instrument sowie die Situationsabhängigkeit soll an dieser Stelle hervorgehoben werden. Es sollen die Schwachstellen und Stärken des Verfahrens berücksichtigt werden, damit gute Entscheidungen getroffen werden können.

Kritik und Würdigung

Eine Prämisse, die in der KNA oft vorausgesetzt wird, ist, dass die Analyse eine umfassende und komplette Beurteilung ermöglicht. Dies setzt jedoch voraus, dass alle möglichen Konsequenzen eruiert werden können. Zudem unterstellt die KNA eine Vergleichbarkeit von diversen Folgen einer Handlungsalternative. Dies wird von Kritiker*innen als unrealistisch angesehen (Sen, 2000, S. 939–940). Allgemein besteht die Gefahr von willkürlichen und unfundierten Bewertungen. Es ist schwierig, den unterschiedlichen Variablen einen Geldwert zuzuschreiben (Adler & Posner, 1999, S. 178–179). Wenn von Menschen verlangt wird, den Nutzen eines Projekts in harten Zahlen auszudrücken, besteht die Gefahr, sie dazu zu drängen, ungenaue Informationen zu liefern (Kolodziej & Mostberger, 2008, S. 83). Die Beurteilungen in der KNA sollen stets begründet sein, um diesen Umständen entgegenzuwirken (Sen, 2000, S. 942). Befürworter*innen der Kosten-Nutzen-Analyse führen den Mehrwert auf, dass im Gegensatz zu anderen Verfahren alle relevanten Einflüsse berücksichtigt werden können (Adler & Posner, 1999, S. 245). Die Methode erlaubt es, unterschiedliche Perspektiven einzubeziehen und ist demokratisch geprägt (Pearce et al., 2006, S. 35). Zudem wird die Anwendungsfreundlichkeit der Methodik hervorgehoben (Sen, 2000, S. 951). Dieser Punkt ist nicht zuletzt der Logik des Ausdrucks in Geldeinheiten zuzuschreiben (S. 942). Diese Logik ist wohl für eine Mehrheit der Bevölkerung nachvollziehbar und simpel. Ausserdem kann basierend auf den vorangehenden Erkenntnissen gesagt werden, dass es die Methode erlaubt, situationsbedingte Umstände zu berücksichtigen. Die Kosten-Nutzen-Analyse erlaubt Flexibilität in ihrer Auslegung.

Lern- und Praxismaterialien

Aufgaben Fallstudien

Quellen

Literaturverzeichnis

Autorenschaft

Fabienne Burkhardt, Michèle Hess, Joshua Reinhard, Silvan Rölli, James Worthington