Governance Leader

Aus Controlling-Wiki
Geprüft: Positiv beurteilt

Die Rolle des Governance Leaders (oder Funktional Leader, Guardian) beinhaltet die Entwicklung, Dokumentation und das Monitoring unternehmensweiter Richtlinien und Standards des Controllings. Diese Richtlinien sind vielfältig und können z. B. die Verbuchung von Sachverhalten, Kalkulationsschemas, Datenzugriffsberechtigungen oder Kennzahlendefinitionen umfassen. Aufgrund der steigenden Menge strukturierter und unstrukturierter Daten (Big Data) sowie der zunehmenden Verbreitung lokaler und virtueller IT-Systeme (z. B. Cloud) erhält die Governance-Rolle noch mehr Gewicht in Bezug auf die Regulierung (Langmann, 2019, S. 44).

Herkunft und Begriffsdefinition

Die fortschreitende Digitalisierung zum Digital Controlling hin sorgt für eine steigende Datenmenge, insbesondere durch Big Data, sowie zum Gebrauch verschiedenster IT-Systeme. Diese Entwicklung verlangt eine entsprechende Regulierung. In diesem Zusammenhang sollen Fragen wie «Welche Daten dürfen für welche Zwecke im Controlling verwendet werden?», «Welche Quellen sind zu verwenden?» oder «Welche Systeme dürfen benutzt werden?» durch die Governance-Rolle im Controlling geklärt werden (Langmann, 2019, S. 43–44). Der Einsatz von grossen Datenmengen erfordert eine Data Governance. «Unter Data Governance fallen alle Rahmenbedingungen und Richtlinien, die die Sicherheit und den Umgang mit Daten über den gesamten Datenlebenszyklus festhalten. Data Governance-Richtlinien müssen im Digital Controlling umfassend verfügbar sein und regelmäßig aktualisiert werden» (Keimer & Egle, 2020, S. 7–8). Die Entwicklung und Überwachung der benötigten Richtlinien sowie Standards obliegt dem Controlling, bzw. dem Governance Leader im Sinne einer Compliance (Langmann, 2019, S. 43–44).

Zweck

Die Controlling-Governance soll mit ihrer Tätigkeit zu einer hohen Qualität der Daten und Informationen beitragen. Folgende Gefahren für die Daten- und Informationsqualität können infolge der Digitalisierung festgestellt werden:

  • Informationschaos: Durch die Festlegung von bereichsübergreifenden Richtlinien und Standards sollen inkonsistente oder gar widersprüchliche Daten vermieden werden. Dies ist ansonsten in Verbindung mit der Digitalisierung insofern problematisch, da Daten keine einheitliche Herkunft haben, sondern vermehrt direkt aus den zuständigen Bereichen stammen (Heimel & Müller, 2019, S. 413–414).
  • Inkompatibilität: Die unterschiedlichen Datenquellen können dazu führen, dass nicht sämtliche Daten und Informationen für die Weiterverarbeitung im Controlling geeignet sind. Entsprechend sollte zur Qualitätssicherung die Kompatibilität mittels der Governance sichergestellt werden (S. 414).
  • Informationsüberflutung: Die steigende Datenmenge kann zu einer Informationsüberflutung führen. Durch die Controlling-Governance soll verhindert werden, dass das Management mit irrelevanten Daten überhäuft wird. Entsprechend muss die Datenmenge kontrolliert und nach relevanten Steuerungsgrössen untersucht werden (S. 414).
  • Regulatorische und ethische Anforderungen: Auch die Datensicherheit darf nicht vernachlässigt werden, insbesondere jene von persönlichen oder wettbewerbsrelevanten Daten (S. 414).

Rollenprofil

Abbildung 1 zeigt den Einfluss der Digitalisierung, bzw. der Automatisierung auf das Controlling in der Zukunft auf. Die Rollen Pathfinder / Innovator, Governance / Functional Lead und Business Partner nehmen an Wichtigkeit zu. Der Controller als Service Provider wird immer weniger bedeutend sein. Zahlen extrahieren und Reports zusammenstellen werden immer mehr automatisiert und fallen daher in Zukunft weg (Langmann, 2019, S. 46).

Abb. 1: Veränderung der künftigen Schwerpunkte von Controlling-Rollen (Langmann, 2019, S. 46)

Aufgaben

Wie die Abbildung 2 aufzeigt, umfasst der grundlegende Aufgabenbereich des Governance Leaders Entwicklung, Roll-Out, Dokumentation und Monitoring unternehmensweiter Richtlinien und Standards des Controllings, beispielweise Kalkulationsschema und Kennzahlen (Langmann, 2019, S. 43).

Abb. 2: Rollen des Controllings (Langmann, 2019, S. 43)

In anderen Literaturen finden sich jedoch andere Beschreibungen. Beispielsweise werden diese Aufgaben auf drei verschiedene Rollen aufgeteilt. Der Data Engineer ist für die Sicherstellung der Datenqualität und angemessene Data Governance zuständig. Der Guardian stellt die Einhaltung von Richtlinien sicher und der Functional Leader definiert und kommuniziert Controlling-Strategien und Richtlinien (Schäffer & Brückner, 2019, S. 21).

Die verschiedenen Rollenprofile des Controllers bringen auch verschiedene Herausforderungen mit sich, z. B. die «veränderte Datenverfügbarkeit durch Big Data und verbesserte Analysemöglichkeiten durch Business Analytics» (Wolf & Heidlmayer, 2019, S. 28). Es zeigt sich, dass Daten für die Tätigkeit des Controllings eine entscheidende Rolle spielen. Jedoch stellen insbesondere die Ermittlung neuer Datenquellen, der Umgang, die Speicherung sowie die Auswertung der Daten ebenfalls neue Herausforderungen für Unternehmen dar (Keimer et al., 2018, S. 19). Im Rahmen der Governance-Rolle muss sich das Controlling nun mit diesen Herausforderungen auseinandersetzen. Jedoch nimmt dabei auch das Datenmanagement eine entscheidende Rolle ein. Der Governance Leader hat «durch die Erstellung zentraler Richtlinien die Datensicherheit, -qualität, -verfügbarkeit und -konsistenz sicherzustellen» (Wolf & Heidlmayer, 2019, S. 29). Damit sollen inkonsistente Daten vermieden sowie ein einheitlicher Umgang mit den Informationen garantiert werden (Schlenkrich & Wisbert, 2019, S. 52). Somit trägt der Governance Leader zur Qualität der Managemententscheidungen bei, da diese auf der Qualität der zugrunde liegenden Daten und Informationen beruhen («garbage in, garbage out») (Schäffer & Weber, 2017, S. 2). Folglich ist es Aufgabe der Controlling-Governance, steuerungsrelevante Daten und Kennzahlen für das Management inhaltlich richtig und qualitativ hochwertig zusammenzuführen. Dazu sind unternehmensweite Richtlinien und Standards unverzichtbar (Heimel & Müller, 2019, S. 414–415).

Kompetenzen

Folgende Hauptkompetenzen werden von einem Governance Leader erwartet:

Hauptkompetenzen Beschreibung
Finanzen und Controlling Es müssen in diesem Bereich relevante Prozesse bekannt sein, um die benötigten Richtlinien prüfen zu können und auch Rahmenbedingungen zu erstellen. Weiter braucht es Kenntnisse über finanzielle und nicht-finanzielle Kennzahlen, um die Überprüfung sicherzustellen (Schäffer & Brückner, 2019, S. 16).
Technologie und Analyse Bei diesem Kompetenzfeld stehen wegen der Veränderung der technischen Möglichkeiten der Datenschutz und die Datensicherheit für einen Governance Leader im Zentrum. Zudem werden Grundkenntnisse bei BI-Tools vorausgesetzt (Schäffer & Brückner, 2019, S. 18).
Geschäftsverständnis Governance Leader verfügen über Branchenkenntnisse und kennen das Geschäftsmodell und die Werttreiber des Unternehmens (Schäffer & Brückner, 2019, S. 27).
Kommunikation und Zusammenarbeit Dazu gehören Teamfähigkeit und zielgerichtetes Diskutieren. Da die Rolle des Governance Leaders auch eine Führungsfunktion beinhaltet, ist Leadership und Motivation der Mitarbeitenden ebenfalls bedeutend (Schäffer & Brückner, 2019, S. 19). Durch die Nähe zur Führungsebene wird Durchsetzungsvermögen benötigt (Langmann, 2019, S. 44).
Persönliche Fähigkeiten und Eigenschaften Analytisches Denken, Problemlösungsorientierung, kritisches Denken und Reflexion, persönliche Integrität und Rückgrat oder auch Durchhaltevermögen und Beharrlichkeit sind für die Rolle des Governance Leaders wichtig (Schäffer & Brückner, 2019, S. 19).

Herausforderungen

Herausforderungen kommen vor allem im Zusammenhang mit den neuen Technologien und der damit verbundenen Unsicherheit und Unwissenheit. Cloud-Lösungen kommen immer mehr vor und werden in naher Zukunft nicht mehr wegzudenken sein. Es besteht die Gefahr, dass der Überblick schwindet und somit nicht klar ist, wo genau die Daten in der Cloud gespeichert sind. So kann es sein, dass Subunternehmen darauf Zugriff haben. Wenn dies nicht bekannt ist, so kann die Datensicherheit nicht mehr gewährleistet, das Auskunftsrecht gewährt oder Berechtigung und Löschung der Daten nicht mehr wahrgenommen werden. Weiter kommen Compliance-Fragen hinzu. Daten können durch das Speichern auf der Cloud auf verschiedenen Rechenzentren auf der ganzen Welt verteilt sein. Hierbei muss nicht nur auf Datenschutz und Datensicherheit geachtet werden, sondern auf weitere rechtliche Aspekte. So muss die Frage bezüglich Aufbewahrungs- oder Beweispflicht oder auch die Einhaltung von zum Beispiel Geheimhaltungspflichten geklärt werden. Oftmals sind sich Unternehmen nicht bewusst, dass die Verantwortung zur Einhaltung der Datenschutzregeln nicht bei den Anbietern von Cloud-Lösungen liegt, sondern beim Unternehmen. Um Missbrauch von böswilligen Mitarbeitenden zu verhindern, müssen Zugriffsberechtigungen, sowohl physisch als auch virtuell, mit Bedacht erteilt und dementsprechend laufend kontrolliert werden. Ein weiteres Problem, welches aber nicht nur das Controlling betreffen kann, ist der Datenverlust. Dies kann durch Diebstahl, Löschung, fehlerhafte Überschreibung oder sonstige Veränderungen erfolgen. Auch hier empfiehlt sich, Richtlinien zu erfassen und Berechtigungen vorsichtig zu erteilen (Schweizerische Eidgenossenschaft, online).

Digitalisierungsgrade im Bereich Governance

Die untenstehende Tabelle zeigt, wie weit das Unternehmen bezüglich Digitalisierung im Bereich Governance ist. Die Stufe Digital Newbie bedeutet, dass das Unternehmen bis jetzt keine nennenswerte Schritte Richtung Digitalisierung gemacht hat. Diese Stufe wird vor allem in KMUs angetroffen. Auf der Stufe Digital Mainstream haben Unternehmen bereits erkennbare Schritte Richtung Digitalisierung gemacht. Als Digital Pioneer werden Unternehmen bezeichnet, die im Bereich Digitalisierung weit vorangeschritten sind. Ihre Normstrategie ist es, das Bestehende aufrecht zu erhalten und dabei im Bereich Digitalisierung immer auf dem neuesten Stand zu sein (Langmann, 2019, S. 49–51).

Digital Newbie Digital Mainstream Digital Pioneer
• Richtlinien für Controlling zwar vorhanden, aber ohne Bezug zur Digitalisierung • Zentrale Richtlinien im Controlling dokumentiert mit Bezug zur Digitalisierung • Zentrale Richtlinien im Controlling dokumentiert mit Bezug zur Digitalisierung
• Keine eigene Govenance-Verantwortung für Controlling • Dezidierte Governance-Verantwortung vorhanden • Dezidierte Governance-Einheit vorhanden
• Unregelmässige Prüfung der Einhaltung von Richtlinien • Manuelle Prüfung der Einhaltung von Richtlinien • Systemgestützte Prüfung der Einhaltung von Richtlinien (u.a. mit Analytics-Werkzeugen)

Organisatorische Eingliederung

Abb. 3: Rollenverteilung innerhalb einer modernen Controlling-Organisation (Heimel & Müller, 2019, S. 419)

Durch die veränderte Controller-Rolle infolge der Digitalisierung ist es empfehlenswert, das Controlling nach organisatorischen Modulen, zum Beispiel Teams, zu organisieren (Müller & Schmidt, 2011). Dies zeigt sich auch in der Praxis. Entsprechend wird dort die Governance-Rolle meist in einer getrennten Einheit innerhalb des Controllings geführt, somit ähnlich wie die Revision. Die Abbildung 3 zeigt eine solche Organisation. Des Weiteren resultiert aus der Ansiedlung unterhalb der 1. oder 2. Führungsebene die nötige Durchsetzungskompetenz und Aufmerksamkeit (Langmann, 2019, S. 44).

Lern- und Praxismaterialien

Aufgaben

Quellen

Literaturverzeichnis

  • Müller M. & Schmidt, H. (2011). Effizienz bleibt wichtig Unterstützung der Steuerung wird wichtiger. In: R. Gleich, S. Gänßlen & H. Losbichler (Hrsg) Challenge Controlling Trends und Tendenzen. Haufe Lexware.
  • Schlenkrich, K. & Wisbert, H. (2019). Effizienz von Controllingsystemen in der digitalen Transformation. In T. Kümpel, K. Schlenkrich & T. Heupel (Hrsg.), Controlling & Innovation 2019: Digitalisierung (S. 39–56). Springer Gabler.

Weiterführende Literatur

Autoren

Jennifer Killer, Simeun Music, Milos Ognjanovic, Ilirida Rechi Alasani, Tanja Reusser