Saarbrücker Formel: Unterschied zwischen den Versionen

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* Führungsleitlinien und kommunikative Unternehmenskultur können beide das Commitment verbessern. Durch deren Existenz lässt sich das Commitment jedoch nicht messen (Scholz, 2007, S. 25).
* Führungsleitlinien und kommunikative Unternehmenskultur können beide das Commitment verbessern. Durch deren Existenz lässt sich das Commitment jedoch nicht messen (Scholz, 2007, S. 25).


== Lern- und Praximaterialien ==
== Lern- und Praxismaterialien ==
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Version vom 10. Mai 2020, 10:24 Uhr

Die Saarbrücker Formel, auch Transparent Human Capital Valuation genannt, ist ein Instrument der Humankapitalbewertung. Die Formel wurde im Jahr 2004 von Scholz, Stein und Bechtel an der Universität des Saarlands in Saarbrücken entwickelt (Scholz, Stein & Bechtel, 2011, S. 201). Die Saarbrücker Formel lässt sich im ertragspotenzialorientierten Bewertungsansatz einordnen.

Berechnung der Saarbrücker Formel

Abb. 1: Saarbrücker Formel (Eigene Darstellung i. A. an Scholz und Stein, 2006, S. 9)

Die Saarbrücker Formel, sichtbar in Abbildung 1, setzt sich aus vier multiplikativen und additiv verknüpften Komponenten zusammen. Zuerst werden alle Mitarbeitenden in Gruppen gemäss ihrem Tätigkeitsfeld eingeteilt. Jede Gruppe setzt sich aus der Anzahl Vollzeitstellen (FTEi) zusammen und wird mit dem jeweiligen branchenüblichen Marktgehalt (li) multipliziert. Daraus ergibt sich der Marktwert. Dieser Betrag wird mit der durchschnittlichen Wissensrelevanzzeit (wi), welche im Verhältnis zur durchschnittlichen Betriebszugehörigkeit steht, multipliziert. Wissensrelevanzzeit ist die Zeitspanne, in der das Wissen der Mitarbeitenden zu 100 % wertschöpfungsrelevant ist. Mit der Zeit verliert das Wissen an Relevanz und wird über die Betriebszugehörigkeit (bi) abgeschrieben. Zur Formel kommt der Ausdruck (PEi) hinzu. Dieser ist das Ergebnis aus der Multiplikation der Wissensrelevanzzeit mit den Kosten der Personalentwicklung und soll die Massnahmen der Wissenserhaltung widerspiegeln. Der Ausdruck (PEi) wird schliesslich mit dem Motivationsindex (Mi) multipliziert. Der Index beinhaltet die Ergebnisse einer Befragung der Mitarbeitenden zu ihrem Engagement (Commitment), zum Arbeits- und Führungsumfeld (Context) und zu ihrer Unternehmensbindung (Retention) (Brast & Krüger, 2010, S. 735). Zur Humankapitalbewertung ist der Motivationsindex bei 1 fixiert. Soll die Wertänderung in Geldeinheiten berechnet werden, so gilt es den Motivationskoeffizienten (= Motivationsindex – 1) zu verwenden (Scholz, Stein & Bechtel, 2011, S. 222). Zur Anwendung der Saarbrücker Formel besteht eine Aufgabe (vgl. Lern- und Praxismaterialien).

Die Formel beruht auf vier Komponenten, welche auch in Abbildung 1 ersichtlich sind. Die HC-Wertbasis entsteht aus der Multiplikation von Vollzeitstellen und Marktgehalt. Sie widerspiegelt die Grösse der Fähigkeiten der Mitarbeitenden, welche zur Leistungserstellung zur Verfügung steht. Die Division von Wissensrelevanzzeit und Betriebszugehörigkeit ergibt den HC-Wertverlust. Dieser verdeutlicht den Verlust an Wissenssubstanz, welcher einem Unternehmen widerfährt. Die Personalentwicklungskosten bilden die HC-Wertsteigerung ab. Diese Kosten entstehen beispielsweise durch Weiterbildungen. Letzter Bestandteil ist die HC-Wertveränderung. Diese Komponente umfasst die Motivationsindizes und kann eine Wertmehrung oder -minderung aufweisen (Scholz, Stein & Bechtel, 2011, S. 202–204).

Die Saarbrücker Formel kombiniert im erfolgspotenzialorientierten Bewertungsansatz zugleich mehrere Bewertungsansätze. Die HC-Wertbasis liegt dem marktwertorientierten Ansatz, die HC-Wertsteigerung dem accounting-orientierten Ansatz und die HC-Wertveränderung dem indikatorenbasierten Ansatz zugrunde (Scholz & Stein, 2006, S. 9).

Spezifizierung der Saarbrücker Formel

Durch diverse Weiterentwicklungen wird versucht, die Formel zu standardisieren und die Manipulierbarkeit zu minimieren (Scholz, 2007, S. 26). Dadurch wurde eine Differenzierung nach Erfahrungs- und Fachwissen vorgenommen. Fachwissen widerspiegelt das Wissen aus der Schule, Berufsausbildung oder dem Studium. Dieses kann, abgesehen von einer weiteren theoretischen Ausbildung, nicht aufgefrischt werden. Das Fachwissen wird in der Formel durch die Wissensrelevanzzeit bewertet. Diese Zeitspanne zeigt, wie lange das Wissen zu 100 % wertschöpfungsfähig ist. Bei Stellenantritt (Betriebszugehörigkeit = 1) bringt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter das volle Repertoire an Fachwissen mit. Hintergrund ist der Ausdruck wi/bi der mit 1 bzw. 100 % gedeckelt ist. Aufgrund dieser Tatsache bleibt die Wertschöpfung des Fachwissens so lange erhalten, bis die Betriebszugehörigkeit den Wert der Wissensrelevanzzeit nicht überschreitet. Kommt es zu einer Überschreitung, muss die Wertschöpfung abgeschrieben werden. Dies widerspiegelt die organisationale Trägheit oder den technologischen Fortschritt. Hinzu kommt, dass je höher die Dynamik im Arbeitsumfeld ist, desto kürzer ist die Wissensrelevanzzeit und desto stärker muss diese abgeschrieben werden. Das Erfahrungswissen wird als linear steigende Funktion angesehen. Aus der Kombination von Fach- und Erfahrungswissen entsteht danach die aggregierte Wissensverlaufskurve (Brast & Krüger, 2010, S. 735–736). Weiter wurde zur Bestimmung von Commitment, Context und Retention ein Fragebogen mit 30 Standardfragen (sog. M30) entwickelt. Dieser hat sich in mehreren Befragungen bewährt und als besonders aussagekräftig erwiesen (Scholz, 2007, S. 26).

Implementierung der Saarbrücker Formel

Für die technische Umsetzung der Saarbrücker Formel besteht eine Softwarelösung. Unternehmen können das Berechnungsmodul mit den Gehaltsdaten und der Wissensrelevanzzeit verknüpfen. Zudem kann das Modul an die internetgestützten M30-Befragungen angebunden werden (Scholz, 2007, S. 26).

Kritische Würdigung der Saarbrücker Formel

Die Entwicklung der Saarbrücker Formel scheint über Jahre gereift zu sein. Die Vorteile, welche mit der Anwendung der Formel entstehen, scheinen dies zu bestätigen. Jedoch gibt es auch einige Punkte, die die Bedeutung der Formel schwächen.

Vorteile der Saarbrücker Formel

Mit der Saarbrücker Formel lässt sich festhalten, wie sich das Humankapital in der Vergangenheit entwickelt hat, wie es sich gegenwärtig entwickelt und wie es sich, abhängig von der Personalstrategie, in Zukunft entwickeln wird. Zudem wird das Humankapital als eigenständige Grösse angesehen, welches sich unabhängig von Gewinn oder Aktienkurs errechnet. Vielmehr ist das Humankapital Verursacher von Gewinn und leistet dadurch einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenswert (Scholz, 2007, S. 26–27). Durch die vier HC-Komponenten stellt sie einen ganzheitlichen Ansatz dar und erfüllt somit Punkt sechs der Forderungen (Scholz, Stein & Bechtel, 2011, S. 202). Weitere Vorteile lauten:

  • Fokus wird auf monetäre Grösse des Mitarbeiterwertes gelegt (Kossbiel, 2007, S. 344 zit. in Schwarz, 2010, S. 99).
  • Nutzt vorhandene Daten aus dem Personalsystem (Ringlstetter & Kaiser, 2008, S. 143 zit. in Schwarz, 2010, S. 99).
  • Aufgrund des standarisierten Vorgehens ist der Humankapitalwert über die Jahre vergleichbar. Gibt dem Management die Möglichkeit über durchgeführte Personalmassnahmen zu urteilen. Zudem können externe Personen die Entwicklung über Jahre nachvollziehen (Schwarz, 2010, S. 99).
  • Unterteilung in Beschäftigungsgruppen ermöglicht einen internen Vergleich (Benchmark) zwischen den Gruppen (Schwarz, 2010, S. 99).
  • Formel ist auch für nicht börsenkotierte Unternehmen nutzbar, da der Marktwert des Unternehmens keine Rolle spielt (Schwarz, 2010, S. 99).


Nachteile der Saarbrücker Formel

Nichtsdestotrotz weist die Formel einige Schwächen auf. So werden von Schwarz (2010) folgende Punkte genannt:

  • Marktgehalt: Zugriff auf die branchenüblichen Durchschnittsgehälter ist nicht einheitlich geregelt (S. 95).
  • Einteilung Beschäftigungsgruppen: Es ist nicht klar definiert, wie stark die Gruppen untergegliedert werden sollen. Wird die Beschäftigungsgruppe beispielsweise anhand ihres Bildungsabschlusses gegliedert, wird über die Tatsache hinweggesehen, dass Ingenieure meistens höher entlohnt werden als Sozialpädagogen (S. 95).
  • Lineare Wissensveralterung: Der lineare Verlauf der Wissensabnutzung ist in einem dynamischen Umfeld höchst fragwürdig und unrealistisch (S. 95).
  • Vernachlässigung des Erfahrungswissens: Erfahrungswissen findet keine Berücksichtigung in der Formel. Weder explizit, obwohl die Entwickler den Faktor als Zusammensetzung von Fach- und Erfahrungswissen definieren, noch implizit über die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Eine lange Verbleibedauer im Unternehmen wirkt sich aufgrund ihrer Positionierung im Nenner wertmindernd aus. Das Lernen, welches auch ohne Personalentwicklungsmassnahmen während des Verbleibs entsteht, wird gänzlich vernachlässigt (Wilson, 1971, S. 204 zit. in Schwarz, 2010, S. 95).
  • Motivationsindex: Die Aggregation der Teilindizes Commitment, Context und Retention zum Motivationsindex ist kritisch zu betrachten. Die Indizes schliessen nicht an die Erkenntnisse der psychologischen Grundlagenforschung an. Quantifizierung der Motivation ist problematisch, da es sich um ein komplexes und dynamisches Phänomen handelt und nicht wirklich auf das Leistungsverhalten der Mitarbeitenden hinweist (Wilson, 1971, S. 204; Becker, Labucay & Rieger, 2007, S. 47 zit. in Schwarz, 2010, S. 96).
  • Führungsleitlinien und kommunikative Unternehmenskultur können beide das Commitment verbessern. Durch deren Existenz lässt sich das Commitment jedoch nicht messen (Scholz, 2007, S. 25).

Lern- und Praxismaterialien

Aufgaben

Quellen

Literaturverzeichnis

  • Scholz, C. & Stein, V. (2006). Humankapital messen. Personal. Zeitschrift für Human Resource Management, 58 (1), 8–11.
  • Scholz, C., Stein, V. & Bechtel, R. (2011). Human Capital Management. Raus aus der Unverbindlichkeit (3. aktual. Auflage). Köln: Wolters Kluwer Deutschland.

Autoren

Nadja Waser, Adrian Wespi, Maurice Westphal