Humankapitalbewertung

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Geprüft: Positiv beurteilt

Humankapitalbewertung, als Instrument des Personalcontrollings, ordnet den Mitarbeitenden einen monetären Wert zu (Pietsch, 2008, S. 178). Eine Humankapitalbewertung weist zehn Nutzenversprechen auf und stellt zugleich zehn Qualitätsanforderungen (Scholz, 2007, S. 21–22). Es bestehen kosten-, wert- und erfolgspotenzialorientierte Bewertungsmethoden (Pietsch, 2008, S. 179). Basierend auf diesen Methoden gibt es unterschiedliche Bewertungsansätze der Humankapitalbewertung. Dabei ist die Saarbrücker Formel ein bekannter Ansatz (Scholz, Stein & Bechtel, 2011, S. 57). Abhängig in welcher organisatorischen Einheit die Humankapitalbewertung angesiedelt ist, können Spannungsfelder zwischen Personalcontrolling und Human Resources entstehen (Scholz, 2007, S. 20). Die Humankapitalbewertung bringt nicht zwingend Transparenz mit. Dies kann zu Fehlleiten von Informationen und Schwierigkeiten im Unternehmen führen (Pietsch, 2008, S. 187).

Begriffsdefinitionen

Humankapitalbewertung setzt sich aus den Teilen «Humankapital» und «Bewertung» zusammen. Es gilt zuerst die Frage zu klären, was einerseits unter dem Begriff Humankapital zu verstehen ist und was andererseits mit der Bewertung von Humankapital gemeint ist.

Definition Humankapital
Eine allgemeingültige und eindeutige Definition für das Humankapital existiert in der Literatur nicht. Gemäss Scholz, Stein & Bechtel werden unter Humankapital das Wissen, die Fähigkeiten und die Kreativität der Mitarbeitenden verstanden (2006, S. 24, 51, zit. in Schwarz, 2010, S. 72).

Definition Bewertung von Humankapital
Die Bewertung von Humankapital ist ein Instrument des Personalcontrollings. Ziel ist es, durch eine periodische Erfassung, Darstellung und Auswertung den ökonomischen Wert des Humankapitals zu beziffern (Riese, 2007, S. 277f., 280; Oechsler, 2006, S. 494, zit. in Schwarz, 2010, S. 73). Die Humankapitalbewertung soll Transparenz über die ökonomische Bedeutung der Mitarbeitenden schaffen und ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg nachweisen. Die Humankapitalbewertung dient nicht nur zur internen Steuerung der Humanressourcen, sie liefert auch eine externe Berichterstattung für Investoren und Analysten (Pietsch, 2008, S. 178). Bisher ist es jedoch nicht gelungen, die Anforderungen einer Humankapitalbewertung zu einer einheitlichen Richtlinie und zu einem Rechenalgorithmus zu vereinen. Oftmals scheitert es daran, die Vielfältigkeit der Mitarbeiterstruktur sowie die unternehmensspezifischen Gegebenheiten in angemessener Weise zu kombinieren (Brast & Krüger, 2010, S. 732).

Relevanz der Humankapitalbewertung

Abb. 1: Bedeutung und Einfluss des Erfolgsfaktors Humankapital (Credit Suisse, 2016, S. 10)

Investitionen in das immaterielle Kapital erhöhen die Produktivität und können das Wirtschaftswachstum positiv beeinflussen (SECO, 2015, S. 1). Wie die Abbildung 1 aus einer Studie der Credit Suisse (2016) bestätigt, ist für Schweizer Unternehmen das Humankapital der wichtigste Erfolgsfaktor für die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen (S. 10). Trotzdem wird der Personalbereich unter Druck gesetzt, welcher sich durch die Implementierung des Shareholder-Value-Managements noch verstärkt hat (Pietsch, 2008, S. 179). Aufgrund Kostenreduktionsbedarf bricht eine Entlassungswelle über das Unternehmen herein. Diese Welle birgt die Gefahr, dass wertvolles Humankapital aus dem Unternehmen gespült wird. Es kann sein, dass der verlorene Humankapitalwert grösser ist als die Kostenersparnis (Stein, 2008, S. 25). Personalbereiche sind deshalb daran interessiert, die Mitarbeitenden von ihrem (negativen) Status als Kostenfaktor wegzuholen (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 6–7, zit. in Schwarz, 2010, S. 73). Stattdessen soll den Mitarbeitenden ihr (positiver) Beitrag zum Unternehmenswert auf Basis von finanziellen Kriterien nachgewiesen werden (Pietsch, 2008, S. 178).

Zehn Nutzenversprechen der Humankapitalbewertung

Mit der Humankapitalbewertung werden vielfältige Nutzenversprechen verknüpft. Bereits im vorherigen Abschnitt wurden diese angetönt. Bilanzorientierte Vertreterinnen und Vertreter möchten den Wert des Humankapitals aufdecken und diesen gegenüber internen sowie externen Personen nachweisen. Hingegen möchten personalwirtschaftliche Vertreterinnen und Vertreter zeigen, wie die Ressource Mensch in einem Unternehmen genutzt und aufrechterhalten wird. Im Folgenden werden die zehn Nutzenversprechen der Humankapitalbewertung kurz erläutert. Eine Humankapitalbewertung kann gemäss Scholz (2007) helfen …:

  1. … Humankapital zu erhalten. Oftmals werden zur Bewertung von Personalmassnahmen Instrumente eingesetzt, welche sich auf die Personalkosten fokussieren und so automatisch auf einen Personalabbau hinweisen. Bei der Humankapitalbewertung geht es stattdessen darum, das Humankapital als positive Grösse darzustellen und ihre Bedeutung als Investitionsmöglichkeit zu verdeutlichen (S. 20–21).
  2. … Risiken zu lokalisieren. In vielen Geschäftssituationen geht es darum abzuschätzen, welche personelle Risiken für ein Unternehmen bestehen. Es gilt die Frage zu beantworten, inwieweit ein Unternehmen dauerhaft mit dem gegenwärtigen Humankapital rechnen kann (S. 21).
  3. … Wissen zu managen. Wird der ökonomische Wert des Wissens der Belegschaft erfasst, kann eine Aussage getroffen werden über die Dimensionen Wissensverlust und -auffrischung (S. 21).
  4. … die Transparenz zu erhöhen. Die Bewertung soll zu verstehen geben, wie das komplexe Gebilde «Humankapital» aufgebaut ist und wie die einzelnen Komponenten zu bewerten sind (S. 21).
  5. … Personalmassnahmen zu bewerten. Mit der Bewertung des Humankapitals wird über die reine Kostenbetrachtung hinausgehend die gesamte ökonomische Wirkung der geplanten und realisierten Massnahmen beurteilt (S. 21).
  6. … Resultate zu kontrollieren. Veränderungen des Humankapitals sind innerhalb der Unternehmensbereiche sowie im Zeitverlauf vergleichbar. Damit ist es auch möglich «Best Practices» zu identifizieren, die den Weg in eine erfolgreiche Personalarbeit weisen (S. 21).
  7. … die Personalabteilung als Business Partner zu stärken. Wird die Personalarbeit anhand monetärer Grössen beurteilt, schafft dies die Basis für Akzeptanz und Glaubwürdigkeit. Grund dafür ist, dass die Diskussion um «HR als Business Partner» immer auch an die Existenz einer monetären Humankapitalbewertung gekoppelt ist (S. 21).
  8. … den Strategiebezug zu verbessern. Humankapitalbewertung bietet die Chance die Personalstrategien aus vagen Aussagen wie «das Identifizieren, Halten und Qualifizieren der Leistungsträgerinnen und Leistungsträger» in monetäre Grössen zu übersetzen. Dadurch werden Handlungsoptionen offengelegt (S. 21).
  9. … die Ratings bei Banken zu verbessern. Unternehmen müssen umfangreiche Informationen über ihre Geschäftsaktivitäten vorweisen, um gute Konditionen für Kredite zu erhalten. Bei dieser Prüfung spielt der ökonomische Wert des Humankapitals eine zentrale Rolle (S. 21).
  10. … die Personalarbeit zu professionalisieren. Zentrales Kriterium der Professionalisierung ist die Fähigkeit, den Wert des Humankapitals in einer monetären Grösse richtig zu erfassen, ohne dass die Mitarbeitenden ausschliesslich auf ihren Geldwert reduziert werden. Es ist somit kein Ziel per se, den Humankapitalwert zu bestimmen, nur damit ein solcher ausgewiesen werden kann. Vielmehr geht es darum, Wertschöpfungspotenziale zu lokalisieren, zu analysieren, zu sichern und dadurch geeignete Werttreiber zu verbessern (S. 21).

Zehn Forderungen an die Humankapitalbewertung

Abgesehen von den zwingenden Grundsätzen bei der Humankapitalbewertung wie Standardisierung, Objektivierbarkeit und Vergleichbarkeit, soll die Bewertung zehn Qualitätsanforderungen genügen. An diesen zehn Forderungen soll sich die Humankapitalbewertung ausrichten. Die Humankapitalbewertung muss laut Scholz (2007) …:

  1. … mehr sein als eine blosse Umbenennung der Personalplanung. Sie soll den Wert der Mitarbeitenden erfassen und ihn in aussagekräftigen Kennzahlen verdichten. Dadurch wird die Humankapitalbewertung zu einem eindeutig abgrenzbaren Teilbereich des Personalmanagements. In diesem soll es darum gehen, eine quantitative sowie qualitative Bewertung der Mitarbeitenden vorzunehmen (S. 21).
  2. … sich zu den Mitarbeitenden als wichtiger Vermögenswert bekennen. Der Unternehmenswert setzt sich aus dem materiellen Anlagevermögen, dem sonstigen immateriellen Vermögen sowie dem Humankapital zusammen. Es ist nicht möglich, als erstes den Unternehmenswert zu bestimmen und davon den Wert des materiellen Anlagevermögens sowie den Wert des sonstigen immateriellen Vermögens abzuziehen. Das Humankapital darf keinesfalls als Restgrösse betrachtet werden. Vielmehr ist es eine grundlegende Voraussetzung, um überhaupt den Unternehmenswert bestimmen zu können (S. 21).
  3. … Aufgabe eines Personalexperten sein. Mitarbeitende dürfen nicht, wie die restlichen immateriellen Vermögenswerte, aus einer rein finanzorientierten Perspektive betrachtet werden. Es geht darum, sich mit etwas auseinanderzusetzen, welches eine Spezialität mitbringt. Mitarbeitende können entscheiden, ob sie das Unternehmen verlassen oder im Unternehmen bleiben (S. 21–22). Im Gegensatz zu anderen Vermögenswerten besitzt das Unternehmen nämlich kein Eigentumsrecht an den Mitarbeitenden, sondern lediglich ein beschränktes Nutzungsrecht (Zdrowomyslaw, 2007, S. 240).
  4. … ohne Beachtung auf Werte wie Aktienkurse arbeiten und sich stattdessen am Arbeitsmarkt ausrichten. Beliebt ist der Wert des Humankapital an den Aktienkurs zu koppeln und mit den «herausgerechneten» Ertragswerten zu argumentieren. Beim Aktienkurs spielen jedoch noch unzählige andere Faktoren mit, welche das Unternehmen oftmals selbst nicht steuern kann. Nichtsdestotrotz bleiben Marktpreise als Grundlage wichtig, aber nur solche, die sich auf dem Arbeitsmarkt ergeben (Scholz, 2007, S. 22).
  5. … Bewertung und Optimierung ermöglichen. Humankapitalbewertung braucht eine Bewertungs- und Gestaltungsphase. Zuerst braucht es eine Humankapitalmessung in einzelnen Abteilungen, Gruppen oder im Gesamtunternehmen. Darauf folgt die Optimierung, mit dem Ziel, den Wert des Humankapitals mit personalwirtschaftlichen Instrumenten wie Trainings zu steigern (S. 22).
  6. … einen ganzheitlichen Ansatz befolgen. Die Humankapitalbewertung muss mindestens die Komponenten Wertbasis (Ausgangswert), Wertminderung (durch bspw. Motivationsdefizite) und Wertrisiko (durch bspw. Fluktuationsgefahr) beinhalten (S. 22).
  7. … eine Zukunftsorientierung umfassen. Die Zukunftsorientierung darf sich ausschliesslich auf das in den Mitarbeitenden bestehende Potenzial beziehen. Sie darf sich beispielsweise nicht auf zukünftig geschätzte Ertragswerte im Absatzmarkt konzentrieren, weil diese nicht durch personalwirtschaftliche Massnahmen gesteuert werden können (S. 22).
  8. … sich auf Bereichs- und Gesamtunternehmensebene abspielen. Das heisst, die Ergebnisse müssen auch aggregiert werden können. Bereichswerte müssen auf Ebene des Gesamtunternehmens zusammengefasst werden können (S. 22).
  9. … eine Verbindung zu den wertschöpfenden Aktivitäten des Personalmanagements finden. Wird die Optimierung des Humankapitals als Lenken von Investitionen in den Faktor Arbeit angesehen, so muss die Humankapitalbewertung Bezüge schaffen zur Personalbeschaffung, Personalentwicklung, Personalretention und Personalführung (S. 22).
  10. … den kollektiven Wettbewerb mit individueller Chancenvielfalt verknüpfen. Durch die Veränderungen der Arbeitswelt in Richtung mehr Wettbewerb, darf eine Humankapitalbewertung nicht zu fest in die sozialen Aspekte abrutschten, sondern soll das ursprüngliche Ziel der Humankapitalmaximierung verfolgen. Deshalb ist es umso wichtiger, einen Anschluss an die Wettbewerbsstrategien und an die Karrierestrategien der Mitarbeitenden zu garantieren (S. 22).

Bewertungsmethoden der Humankapitalbewertung

Bei der Humankapitalbewertung können drei Bewertungsmethoden unterschieden werden. Dabei handelt es sich um eine kosten-, wert- oder erfolgspotenzialorientierte Methode (Pietsch, 2008, S. 179). Jede dieser Methode orientiert sich an einem Paradigma (bedeutet Beispiel oder Muster).

Kostenorientierte Methode – Kostenverrechnungsparadigma

Diese Methode nimmt eine inputorientierte Bewertung der Mitarbeitenden vor. Die anfallenden Kosten werden auf den Personaleinsatz verrechnet. Das Ziel einer kaufmännischen vorsichtigen Sicht steht im Vordergrund (Brast & Krüger, 2010, S. 732). Die Methode wird als einseitig eingeschätzt, weil die Mitarbeitenden primär als Kostenfaktor betrachtet werden. Dadurch richtet sich der Fokus auf die Personalkostenreduktion (Pietsch, 2008, S. 179). Dies birgt wiederum die Gefahr, dass wertvolles Humankapital aus dem Unternehmen gespült wird (vgl. Relevanz der Humankapitalbewertung).

Wertorientierte Methode – Überschussverteilungsparadigma

Bei dieser Methode wird ein erwirtschafteter Erfolg (z. B. Entwicklung des Unternehmenswerts) unter anderem dem Faktor Mensch zugerechnet. Dabei geht es darum, den Beitrag der Mitarbeitenden am Unternehmenserfolg zu identifizieren und die Bewertung des Humankapitals an die Entwicklungen des finanziellen Unternehmenserfolges zu binden (Pietsch, 2008, S. 179). Konkret wird ein «Return» wie beispielsweise ein Discounted Cash Flow oder ein Aktienkurs gesucht. Dieser Return wird aufgeteilt in die Kategorie «Ertragswert, verursacht durch Humankapital» und «Ertragswert, verursacht durch Nicht-Humankapital». Innerhalb der Kategorie wird der Return eher willkürlich einzelnen Teams oder Mitarbeitenden zugeordnet. Es kann sogar so weit kommen, dass gar nichts verteilt werden kann (Scholz, 2007, S. 22–23).

Erfolgspotenzialorientierte Methode – Ertragspotenzialparadigma

Diese Methode löst sich gänzlich von der Idee, dass realisierte oder prognostizierte Unternehmenserfolge den Ausgangspunkt der Humankapitalentwicklung schaffen. Die Methode orientiert sich am Erfolgspotenzial der Mitarbeitenden und bestimmt ihren Wert zunächst unabhängig von der konkreten (Erfolgs-)Situation des Unternehmens (Pietsch, 2008, S. 179). Die Methode richtet sich folglich danach, was der gegenwärtige Personalbestand in der Lage ist zu leisten, ohne dass die konkreten Unternehmenssituationen berücksichtigt werden (Brast & Krüger, 2010, S. 732). Kosten- und Wertschöpfungsanalyse bleiben weiterhin Instrumente der Personalarbeit. Die Denkweise des Ertragspotenzialparadigmas ermittelt hingegen das Potenzial, welches ein Unternehmen mit seinen vorhandenen Mitarbeitenden, deren Wissen sowie derer Motivation erreichen kann. Dadurch distanziert sich die Methode klar vom Überschussverteilungsparadigma, welches durch Produkt- oder Marktkombination den Humankapitalwert bestimmt (Scholz, 2007, S. 23).

Bewertungsansätze der Humankapitalbewertung

Abb. 2: Bewertungsansätze der Humankapitalbewertung (Eigene Darstellung i. A. an Scholz, Stein & Bechtel, 2011, S. 60ff.)

Basierend auf den zehn Zielen, den zehn Forderungen und den drei Paradigmen sind diverse Ansätze zur Humankapitalbewertung entwickelt worden (Scholz, 2007, S. 23). Scholz, Stein und Bechtel (2011, S. 57) definierten dabei sechs Arten von Bewertungsansätzen, welche in Abbildung 2 ersichtlich sind. Jedoch ist dies keine abschliessende Aufzählung.

Scholz (2007) urteilt jedoch auch kritisch über die eigenen entworfenen Ansätze. Die Berechnungen erfüllen zwar die Vision «Berechnung des Humankapitalwertes und Ausweis in einer monetären Grösse», jedoch bestehen einige Schwächen. Dies vor allem, wenn das Überschussverteilungsparadigma verfolgt wird. Es ist teilweise rechnerisch möglich, unter Ausnützung der Bewertungsspielräume, dass auf den einzelnen Mitarbeitenden kein Gewinn mehr verteilt werden kann. Scholz sieht diese Bewertungswillkür in einigen Ansätzen als problematisch. Dadurch kann relativ leicht der Humankapitalwert unter oder über seinem effektiven Wert berechnet werden. Basierend auf dieser Kritik entstand die Idee, die Nachteile einzelner willkürlichen und unstandardisierten Bewertungsansätze zu kompensieren sowie ihre Stärken zu aggregieren. Ausgangspunkt des neu entworfenen Bewertungsansatzes sind die beschriebenen Forderungen und die konsequente Umsetzung des Ertragspotenzialparadigmas (S. 25). Das Ergebnis ist der integrative Ansatz der Saarbrücker Formel (Scholz, Stein & Bechtel, 2011, S. 201).

Saarbrücker Formel

Die Saarbrücker Formel, auch Transparent Human Capital Valuation genannt, wurde im Jahr 2004 von Scholz, Stein und Bechtel an der Universität des Saarlands in Saarbrücken entwickelt (Scholz, Stein & Bechtel, 2011, S. 201). Die Grundidee der Saarbrücker Formel lautet wie folgt: Humankapital ist das Wirkungspotenzial der Mitarbeitenden im Unternehmen. Besitzen die Mitarbeitenden über veraltetes Wissen, muss diese Tatsache abgeschrieben werden. Hingegen kann durch eine Personalentwicklung das Potenzial gesteigert werden. Folglich kann sich das Humankapital in beide Richtungen entwickeln, abhängig von den Faktoren: Bereitschaft der Mitarbeitenden (Commitment), Angemessenheit des Arbeitsumfeldes (Context) und Neigung der Mitarbeitenden, im Unternehmen zu verbleiben (Retention). Diese Faktoren lassen sich vereinfachend auch als «Motivation» deklarieren (Scholz, 2007, S. 25).

Spannungsfeld: Personalcontrolling und Human Resources

Gemäss Scholz (2007) driften bei der Humankapitalbewertung zwei Sichtweisen aufeinander zu. Die eine vertritt eine betriebswirtschaftliche, finanzorientierte Sichtweise. Es geht darum, Bewertungsansätze richtig umzusetzen und die Ergebnisse angemessen intern und extern zu präsentieren. Oftmals spielt auch der Gedanke mit, dass es sich bei den Mitarbeitenden grundsätzlich um Kostenverursacher handelt. Das Gegenstück bildet die personalwirtschaftliche Sichtweise. Diese versucht den Mitarbeitenden als betrieblich wichtigen Teil zu bewerten. Daraus soll eine Optimierung des Humankapitals abgeleitet und entsprechende Strategien entwickelt werden können. Durch diese Sichtweisen können sich zwei mögliche Szenarien entwickeln. Das erste Szenario trennt das Personalcontrolling, und somit auch die Humankapitalbewertung von der Personalabteilung, und integriert es im Gesamtcontrolling. Die betriebswirtschaftliche Seite monetarisiert das Humankapital nach Ansätzen, welche nichts mit der personalwirtschaftlichen Steuerung gemeinsam haben, jedoch kompatibel mit der Rechnungslegung sind. Auf der anderen Seite, in der Personalabteilung, stehen nicht-monetäre Indikatoren im Mittelpunkt. Die Mitarbeitende werden anhand qualitativer Indikatoren gemessen. Da beide Seiten getrennt voneinander arbeiten, ist von einer Verträglichkeit der Prozesse und deren Ergebnisse auszugehen. Im zweiten Szenario müssen sich die Personalverantwortlichen, ob sie wollen oder nicht, mit der monetären Bewertung des Humankapitals beschäftigen. Die Bewertung soll sich starr nach dem Ertragspotenzialparadigma und unabhängig von Absatz- und Kapitalmarkt abspielen. In diesem Szenario ist eine Aufgabenteilung nötig, denn es wird lediglich auf einem Spielfeld gespielt. Planung, Bewertung und Gestaltung des Humankapitals fällt in den Kompetenzbereich des Human Resources. Das Personalcontrolling übernimmt die Prüfung (S. 28). Es zeigt sich, dass bei diesem Szenario Spannungen auftreten können und unterschiedliche Sichtweisen aufeinanderprallen.

Kritische Würdigung der Humankapitalbewertung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Humankapitalbewertung in der praktischen Umsetzung auf grundlegende Probleme stösst. Dies zeigt sich auch bei der Saarbrücker Formel. Gemäss Pietsch (2008) führt die Vielfalt an Bewertungsansätzen zu Verwirrung und gegensätzlichen Ergebnissen. Diese Mehrdeutigkeit, und teilweise auch die fehlende Akzeptanz der Bewertung im Unternehmen, führt dazu, dass der Humankapitalbewertung die Transparenz über die ökonomische Bedeutung der Mitarbeitenden fehlt. Es stellt sich die Frage, welche Steuerungswirkungen die mehrdeutigen Humankapitalinformationen entfalten und wie mit solchen Informationen umzugehen ist. Aus dieser Problematik können zwei gewichtige Konsequenzen auftreten. In einem Unternehmen bestehen eine Vielzahl von Stakeholderinteressen. Je nach Interessenslage werden Humankapitalinformationen entweder als unbezweifelbares Indiz oder als fehlerhafter Fakt behandelt. Das opportunistische Interpretationsverhalten nutzt die Mehrdeutigkeit der Informationen und die fehlende Transparenz im eigenen Interesse aus. Zusätzlich verschärft die fehlende Akzeptanz im Unternehmen diese Entwicklung. So können vielfältige Interpretationsmöglichkeiten sanktionsfrei von den Verantwortlichen ausgenutzt werden. Zudem bleiben die Ergebnisse aus der Humankapitalbewertung für die verantwortlichen Stellen zunächst unverbindlich. Das heisst, dass beispielsweise Humankapitalinformationen nicht in die Bemessungsgrundlage einer erfolgsabhängigen Entlohnung einfliessen. Folge ist, dass niemand für Ergebnisse verantwortlich sein will. Zudem kommen wiederum die flexiblen Interpretationsmöglichkeiten und die Mehrdeutigkeit hinzu. Sie ermöglichen, die eigenen Verantwortlichkeiten zu reduzieren. Es lässt sich sogar so weit gehen, dass die Verantwortung auf andere Akteure oder auf das ganze Unternehmen transferiert werden. Als Lösung kommt die Institutionalisierung der Humankapitalbewertung zum Einsatz. Institutionalisierung meint den Prozess der Einbettung eines bestimmten Konzepts in einer Organisation. Für eine erfolgreiche Humankapitalbewertung ist nicht ausschliesslich die Wahl der richtigen Bewertungsmethode relevant. Die Institutionalisierung hilft, Erwartungs- und Verhaltungsmustern im Umgang mit den Humankapitalinformationen zu verfestigen. Auf unterschiedlichen Wegen kann es gelingen, dadurch die Mehrdeutigkeit zu verringern, die Akzeptanz zu sichern sowie die Steuerungslücken, sprich die opportunistische Interpretationsstrategien, aufzufüllen (S. 183–184, 187).

Am Anfang des Eintrages wurden diverse Nutzenversprechen, welche eine Humankapitalbewertung hervorbringt, erläutert. Wird abschliessend das gesamte Gebilde der Humankapitalbewertung betrachtet, treten durchaus Fragezeichen auf. Vor allem Punkt vier (Transparenz erhöhen) und Punkt sieben (Personalabteilung als Business Partner stärken) können in Frage gestellt werden. Wie bereits oben ausgeführt, erhöht die Humankapitalbewertung nicht unter allen Umständen die Transparenz. Zudem trägt das Spannungsfeld zwischen Personalcontrolling und Human Resources nicht zwingend dazu bei, die Funktion des HRs zu stärken. Abschliessend gilt es festzuhalten, dass die Humankapitalbewertung, als Instrument im Personalcontrolling, die monetäre Erfassung der Mitarbeitenden ermöglicht. Dadurch kann den Mitarbeitenden ihren positiven Beitrag zum Unternehmenserfolg nachgewiesen werden und es wird einem möglichen Kostensenkungsdruck entgegengewirkt. Nichtsdestotrotz gibt es nach wie vor keine Berechnungsart, welche ohne Nachteile auskommt. Auch die Saarbrücker Formel tut dies nicht. Es gibt keine «perfekte» Formel. Jedes Unternehmen hat demzufolge eigenständig zu entscheiden, welche Bewertungsmethode und welcher Bewertungsansatz zu verwenden ist. Wichtig dabei ist jedoch auch die Einbettung des Prozesses der Humankapitalbewertung im Unternehmen. Ansonsten entstehen nicht förderliche Hindernisse wie die opportunistischen Interpretationsstrategien und die Erosion der Verantwortlichkeitsstrukturen.

Lern- und Praxismaterialien

Aufgaben Fallstudien
Humankapitalbewertung – Quiz Biscuit AG – Humankapitalbewertung

Quellen

Literaturverzeichnis

  • Scholz, C., Stein, V. & Bechtel, R. (2011). Human Capital Management. Raus aus der Unverbindlichkeit (3. aktual. Auflage). Köln: Wolters Kluwer Deutschland.
  • Zdrowomyslaw, N. (2007). Instrumente des Personalcontrollings. In N. Zdrowomyslaw (Hrsg.). Personalcontrolling. Der Mensch im Mittelpunkt. Erfahrungsberichte, Funktionen und Instrumente (S. 152–241). Gernsbach: Deutscher Betriebswirte.

Weiterführende Literatur

  • Wucknitz, U. D. (2009). Handbuch Personalbewertung. Messgrössen, Anwendungsfelder, Fallstudien für das Human-Capital-Management. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.


Autoren

Nadja Waser, Adrian Wespi, Maurice Westphal