Duale Verrechnungspreise
Definition
Zwischen den verschiedenen Abteilungen eines Unternehmens werden Güter geliefert und Dienstleistungen erbracht. Um die Kosten und Erträge der einzelnen Unternehmensbereiche verursachergerecht zuzuordnen, müssen diese innerbetrieblichen Leistungen bewertet werden. Gegenüber den Marktpreisen, welche von den externen Kunden verlangt werden, gelten für interne Kunden die Verrechnungspreise, zu welchen die dualen Verrechnungspreise gehören. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass im Unterschied zu anderen Methoden unterschiedliche Preise für die Leistungserbringer und -empfänger gelten. Duale Verrechnungspreise versuchen den Konflikt zwischen der Lenkfunktion und der Erfolgsermittlungsfunktion zu lösen (Friedl, 2013, S. 322). Die Zentrale der Unternehmung übernimmt die Ausgleichsfunktion für die Gewinndifferenzen, die in den unterschiedlichen Bereichen erwirtschaftet werden (Ewert & Wagenhofer, 2008, S. 611).
Abgrenzung zum Zwei-Kreis-System
Das Zwei-Kreis System erlaubt gemäss Vernholt et al. (2012) zwei getrennte Abschlüsse: Einerseits die Buchhaltung und andererseits die Kostenrechnung (S. 41). Der Unterschied liegt darin, dass die Verrechnungspreise je nach Funktion, die sie erfüllen sollen, gemäss einer anderen Methode berechnet werden.
Übersicht über verschiedene Varianten dualer Verrechnungspreise
Eine Übersicht über die Zusammenstellung verschiedener Verrechnungspreise für den liefernden und abnehmenden Bereich gibt Tabelle 1:
Autoren | Werk, Seitenzahl | Vergütung liefernder Bereich | Belastung beziehender Bereich |
---|---|---|---|
Anthony & Govindarajan; Eccles | Management Control, S. 220; Problems, S. 101 | Marktpreis Zwischenprodukt | Vollkosten Zwischenprodukt |
Atkinson et al. | Management Accounting, S. 573 | Absatzpreis Endprodukt abzüglich Fertigungskosten beziehender Bereich | Variable Kosten Zwischenprodukt |
Coenenberg | Kostenrechnung, S. 565 | Summe aus Vollkosten und Gewinnzuschlag | Zweistufiger Lenkpreis |
Drury | Cost Accounting, S. 806 | Summe aus variablen Stückkosten und Gewinnzuschlag | Variable Stückkosten Zwischenprodukt |
Ewert & Wagenhofer | Interne Unternehmensrechnung, S. 624 | Absatzpreis Endprodukt abzüglich Fertigungskosten beziehender Bereich | Vollkosten Zwischenprodukt |
Frese | Verrechnungspreise, S. 950 | Marktpreis Zwischenprodukt | Variable Kosten Zwischenprodukt |
Horngren, Foster & Datar | Cost Accounting, S. 800 | Summe aus Vollkosten und Gewinnzuschlag | Marktpreis Zwischenprodukt |
Kaplan & Atkinson | Management Accounting (1989), S. 460 | Absatzpreis Endprodukt abzüglich Fertigungskosten beziehender Bereich | Summe variable Stückkosten und Opportunitätskosten Zwischenprodukt |
Tabelle 1: Vorschläge für duale Verrechnungspreissysteme in Anlehnung an: Friedl, 2013, S. 323
Nach Friedl (2013) weisen die Vorschläge zwei Gemeinsamkeiten auf:
- Wenn der abnehmende Bereich mit den Kosten des Zwischenproduktes belastet wird, können seine Entscheidungen über die Herstellung und Verwertung der Endprodukte an die Unternehmensziele gekoppelt werden.
- Wenn der liefernde Bereich für die Lieferung des Zwischenproduktes so vergütet wird, dass er einen Erfolg ausweisen kann, können seine Entscheidungen zwischen interner und externer Verwertung der Zwischenprodukte unternehmenszielorientiert gelenkt werden (S.323).
Duale Verrechnungspreise Variante 1: Marktbasiert und variable Kosten
Nach Wala & Haslehner (2009) können für den abnehmenden Bereich die Grenzkosten als Verrechnungspreis für die interne Leistung bestimmt werden, während der liefernde Bereich mit dem Marktpreis bezahlt wird. Somit erhält der leistende Bereich marktbasierte Verrechnungspreise, während der abnehmende Bereich nur die variablen Kosten bezahlt (S. 357).
Vorteile
- Für den abnehmenden Bereich entsteht ein Wettbewerbsvorteil, da er seine Zwischenprodukte intern zu kostenbasierten Verrechnungspreisen bezieht. Extern würde er die Produkte zu Marktpreisen einkaufen müssen. Wenn der liefernde Bereich zudem seine Zwischenprodukte auch auf dem Markt verkauft, wird er mit den dort herrschenden Bedingungen für seine Leistungserstellung entlohnt (Friedl, 2013, S. 324). Da der liefernde Bereich mit dem Marktpreis vergütet wird, kann ein Bereichserfolg erzielt werden, was eine Lenkungsfunktion hat (Friedl, 2013, S. 323).
- Die Fehlzurechnung von Gemeinkosten wird durch den Verrechnungspreis auf Basis der variablen Kosten vermieden. Bei dem abnehmenden Bereich wird mit den effektiven variablen Kosten aus Sicht der Unternehmung weitergerechnet (Wala & Haslehner, 2009, S. 355).
Nachteile
- Der liefernde Bereich nimmt durch ihren Verrechnungspreis den höchstmöglichen Gewinn ein, während der beziehende Bereich mit seinem Verrechnungspreis den niedrigsten Preis für die Zwischenprodukte bezahlt. Dadurch erfüllen duale Verrechnungspreise nicht die Erfolgsermittlungsfunktion (Ewert & Wagenhofer, 2008, S. 613).
- Die fixen Kostenanteile des liefernden Bereichs werden bei den Verrechnungspreisen nicht berücksichtigt und belasten damit seinen Bereichserfolg (Friedl, 2013, S. 301).
Duale Verrechnungspreise Variante 2: Marktbasiert und Vollkosten
Die zweite vorgestellte Variante der dualen Verrechnungspreise basiert auf marktbasieren Preisen für den liefernden und vollkostenbasierten Preisen für den abnehmenden Bereich. Dadurch ergeben sich andere Vor- und Nachteile gegenüber der Variante mit marktbasierten und variablen Kosten.
Vorteile
- Der liefernde Bereich verkauft seine Produkte an den beziehenden Bereich zu Vollkosten. Dies ermöglicht es dem liefernden Bereich, seine gesamte Kosten abzudecken (Wala & Haslehner, 2009, S. 354).
Nachteile
- Aufgrund der Verrechnungspreis-Methode nach Ewert und Wagenhofer (2008) ermitteln beide Bereiche den gleichen Gewinn. Ein Vergleich der verschiedenen Bereiche hinsichtlich Profitabilität oder ihrem Beitrag zum Gesamtgewinn kann daher nicht mehr gezogen werden. Dies hat zur Folge, dass die Erfolgsermittlungsfunktion von Verrechnungspreisen nicht mehr gewährleistet ist (Ewert & Wagenhofer, 2008, S. 613; Wala & Haslehner, 2009, S. 356).
- Durch die Verrechnung der gesamten Kosten an den abnehmenden Bereich werden variable und fixe Kosten beim Abnehmer zu variablen Stückkosten. Dadurch besteht das Risiko von Fehlsteuerungen. Der beziehende Bereich könnte einen Auftrag ablehnen, weil er seine Kosten nicht decken kann, obwohl er aus Sicht des Gesamtunternehmens einen positiven Deckungsbeitrag erwirtschaften würde (Wala & Haslehner, 2009, S. 355).
Gemeinsamer Vorteil beider Varianten
Bei beiden Varianten kann die Zentrale kann über die Festlegung der dualen Verrechnungspriese die Anreizwirkungen optimal steuern (Friedl, 2013, S. 322). Die Koordinations- und Lenkungsfunktion ist eine interne Funktion und soll die optimale Ressourcenallokation für das Gesamtunternehmen sicherstellen sowie eine Entscheidungsunterstützung sein. Die dualen Verrechnungspreise ermöglichen eine optimale Ressourcenallokation, da die leistungserbringende und die leistungsempfangende Unternehmenseinheit beide die gewinnmaximierende Menge produzieren (Ewert & Wagenhofer 2008, S. 613).
Gemeinsame Nachteile beider Varianten
Beide Konzepte dualer Verrechnungspreise weisen gemeinsam zahlreiche Nachteile auf, wie untenstehende Auflistung zeigt:
- Die Differenz der unterschiedlichen Verrechnungspreise wird als Ausgleichsverlust bezeichnet und bei der Zentrale der Unternehmung belastet (Wala & Haslehner, 2009, S. 357).
- Die Folge der dualen Verrechnungsmethode ist, dass die Bereichsgewinne höher ausfallen als der Gesamtgewinn des Unternehmens. Die zwei unterschiedlichen Preise für dieselbe Leistung sind zudem Anlass für zahlreiche Diskussionen, welches nun „der richtige“ Preis ist. Daher ist die Akzeptanz der dualen Verrechnungspreise in der Praxis sehr gering (Ewert & Wagenhofer, 2008, S. 613). Zudem wird ein aufwändiges Rechnungswesen benötigt, um den bereinigten Gesamtgewinn ausweisen zu können (Wala & Haslehner, 2009, S. 357).
- Durch duale Verrechnungspreise können nicht erwünschte Anreizeffekte gesetzt werden. Kritisch sind diese dann, wenn sich zwei Bereiche so absprechen, dass beide Bereiche auf Kosten der Zentrale besser gestellt werden (Ewert & Wagenhofer, 2008, S. 611). Dies geschieht durch gezielte Manipulation der Kostenfunktionen, bei welchen gemeinsam eine „neue“, für beide Bereiche gewinnsteigernde Menge ermittelt wird. Dies liegt jedoch nicht im Interesse des Gesamtunternehmens, da dessen Gewinn durch eine suboptimale Menge sinkt. Die Verlierer sind die Zentrale, welche höhere Ausgleichsverluste tragen muss, sowie die Gesamtunternehmung, welche tiefere Gewinne ausweist (Ewert & Wagenhofer, 2008, S. 614).
- Die ausgewiesenen Bereichserfolge entsprechen nicht der Leistung der Bereiche. Aus diesem Grund eignen sich die Bereichserfolge nicht als Grundlage für Entscheidungen der Geschäftsleitung, wie beispielsweise die Entlohnung für die Bereichsleiter (Friedl, 2013, S. 325).
- Die Zentrale entscheidet über die Menge und über den jeweiligen Verrechnungspreis. Damit nimmt die Zentrale den dezentralen Bereichen die Entscheidungsfreiheit (Friedl, 2013, S. 300). Für den beziehenden Bereich besteht somit kein Anreiz, extern nach günstigeren Produkten zu suchen (Friedl, 2013, S. 324, Wala & Haslehner, 2009, S. 357).
Anwendung in der Praxis
Duale Verrechnungspreise werden in der Praxis aufgrund der diversen geschilderten Nachteile kaum akzeptiert. Zudem bleibt die Frage offen, welcher von beiden Verrechnungspreisen nun der „richtige“ sei (Ewert & Wagenhofer, 2008, S. 613). Ebenfalls stösst die Tatsache, dass die Summe der Bereichsgewinne als höher ausgewiesen wird als der Gesamtgewinn des Unternehmens, auf wenig Akzeptanz (Ewert & Wagenhofer, 2008, S. 633). Zudem wird für die Bereinigung der doppelt ausgewiesenen Erfolge bei der Zusammenführung zum Unternehmenserfolg ein aufwändigeres Rechnungswesen benötigt (Friedl, 2004, S. 494, zit. in Wala, 2006, S. 20).