Erlösabweichungen
Eine Abweichungsanalyse lässt sich nicht nur auf der Kostenseite vornehmen, sondern auch auf der Erlösseite. Aus dem Vergleich der geplanten Absatzmengen und -preise mit den erzielten Werten ergeben sich die Absatzvolumen- und die Absatzpreisabweichung (Horsch, 2015, S. 170).
Definition
Während der Erlösplanung werden für die einzelnen Produkte und Absatzmärkte die Mengen und Preise als Planwerte festgelegt (Horsch, 2015, S. 169). Anstelle von Planwerten ist in der Literatur und in der Praxis auch oft von Sollwerten oder Standardwerten die Rede. Mithilfe von Szenarioanalysen, Risikoanalysen und anderen Instrumenten kann die Entwicklung des Marktes geschätzt und so die Planwerte festgelegt werden (Reim, 2015, S. 313-314). Die in der Planungsphase erarbeiteten Planwerte bilden die Grundlage für das wirtschaftliche Geschehen im Planjahr, an denen anschliessend die tatsächlich eingetretenen Ergebnisse gemessen werden. Da aber unvorhersehbare Dinge die Planwerte abweichen lassen können, entstehen sogenannte Erlösabweichungen. Sie zeigen die Differenz des geplanten und des tatsächlichen Erlöses auf. In der Literatur und der Praxis werden auch oft Umsatzerlösabweichungen oder Absatzabweichungen als Synonyme verwendet (Joos, 2014, S. 287).
Erlösabweichungsanalyse (Soll-Ist-Vergleich)
Die Aufgabe der Erlösabweichungsanalyse ist es, Abweichungen zwischen den Plan- und Ist-Erlösen zu berechnen und deren Ursachen zu ermitteln. Um die Ursache einer Abweichung zu analysieren, wird die gesamte Erlösabweichung entsprechend zu den Erlöskomponenten in eine Absatzpreis- und eine Absatzvolumenabweichung unterteilt (Joos, 2014, S. 287-288). Um genauere Informationen zu den Abweichungen im Absatzvolumen zu gewinnen, kann die Volumenabweichung in eine Absatzmix- und Absatzmengenabweichung unterteilt werden. Ersteres ist vor allem für Mehrproduktunternehmen sehr hilfreich. Um bei der Absatzmengenabweichung zusätzliche Erkenntnisse zur Abweichung zu erlangen, kann der Marktanteil und das Marktvolumen ermittelt werden, was auch aufzeigt, wie das Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenz dasteht (Rickards, 2009, S. 64-68).
Gesamtabweichung
Die Gesamtabweichung des Erlöses ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Ist- und dem Plan-Erlös (Horngren et al., 2001, S. 545).
Gesamtabweichung = Ist-Erlös - Plan-Erlös |
Absatzpreisabweichung
Mit der Absatzpreisabweichung wird aufgezeigt, in welchem Ausmass die Abweichung auf die Veränderung des Preises zurückzuführen ist. In der Literatur und in der Praxis werden hierfür unterschiedliche Begriffe verwendet. So werden Synonyme wie Verkaufspreisabweichung, Erlöspreisabweichung oder Umsatzpreisabweichung verwendet. Sie ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Ist- und dem Plan-Erlös multipliziert mit der Ist-Menge (Stelling, 2009, S. 119; Horngren et al., 2001, S. 209).
Absatzpreisabweichung = Ist-Absatzpreis x Ist-Absatzmenge – Plan-Absatzpreis x Ist-Absatzmenge
oder (Ist-Absatzpreis – Plan-Absatzpreis) x Ist-Absatzmenge |
Absatzvolumenabweichung
Die Absatzvolumenabweichung gibt Aufschluss über Abweichungen, die auf Veränderungen der Absatzmenge zurückzuführen sind und zeigt, wie sich die Veränderung der Gesamtabsatzmenge auf das Ergebnis der Periode auswirkt. Hier liest man in der Literatur auch oft von einer Erlösmengen- oder Erlösvolumenabweichung. Die Absatzvolumenabweichung lässt sich unterteilen in eine Absatzmixabweichung und eine Absatzmengenabweichung. Auf diese Abweichungen wird in den nachfolgenden Kapiteln näher eingegangen (Stelling, 2009, S. 119-121; Horngren et al., 2001, S. 546).
Absatzvolumenabweichung = Plan-Absatzpreis x Ist-Absatzmenge – Plan-Absatzpreis x Plan-Absatzmenge
oder (Ist-Absatzmenge – Plan-Absatzmenge) x Plan-Absatzpreis |
Absatzmixabweichung
Die Absatzmixabweichung stellt den Teil dar, der durch die Abweichung des tatsächlichen und dem geplanten Sortiment resultiert. Sie geht aus der Differenz zwischen dem Planerlös beim tatsächlichen Absatzmix und dem Planerlös beim geplanten Absatzmix hervor. Diese kann Aufschluss geben, ob die Substitution eines Produkts durch ein anderes einen positiven oder negativen Einfluss auf den Erlös hatte (Horngren et al., 2001, S. 546-547; Rickards, 2009, S. 65).
Absatzmixabweichung = Ist-Absatzmengen aller Produkte x (Ist-Absatzmixprozentsatz – Plan-Absatzmixprozentsatz) x Plan- Absatzpreis |
Absatzmengenabweichung
Die Absatzmengenabweichung zeigt auf, welche Zu- oder Abnahme der Absatzmenge bei gleichbleibender Struktur des Leistungsangebotes zur Absatzvolumenabweichung beigetragen hat. Die Absatzmengenabweichung lässt sich zusätzlich noch in die Marktvolumenabweichung und die Marktanteilsabweichung unterteilen. Diese beiden Abweichungen werden in den nächsten Kapiteln noch genauer beschrieben (Horngren et al., 2001, S. 546; Rickards, 2009, S. 64-65).
Absatzmengenabweichung = (Ist-Absatzmengen aller Produkte – Plan-Absatzmengen aller Produkte) x Plan-Absatzpreis x Plan-Absatzmixprozentsatz |
Marktvolumenabweichung
Anhand der Marktvolumenabweichung sollen die Auswirkungen eines generellen Marktwachstums auf die Erlösrealisation aufgezeigt werden. Sie ist die Differenz zwischen dem Ist- und Plan-Marktvolumen, multipliziert mit dem Plan-Marktanteil und dem Plan-Preis. Bei Mehrproduktbetrieben werden zusätzlich noch die geplanten Absatzmixprozentsätze berücksichtigt. In der Literatur ist häufig auch von der Marktgrössenabweichung die Rede (Horngren et al., 2001, S. 549; Rickards, 2009, S. 68).
Marktvolumenabweichungen = (Ist-Marktvolumen – Plan-Marktvolumen) x Plan-Marktanteil x Plan-Absatzpreis x Plan-Absatzmixprozentsatz |
Marktanteilsabweichung
Mithilfe der Marktanteilsabweichung soll die Veränderung des realisierten zum geplanten Marktanteil aufgezeigt werden. Sie ist die Differenz zwischen dem Ist- und Plan-Marktanteil, multipliziert mit dem Ist-Marktvolumen und dem Plan-Preis. Auch hier sind bei Mehrproduktunternehmen zusätzlich die geplanten Absatzmixprozentsätze zu berücksichtigen (Horngren et al., 2001, S 550; Rickards, 2009, S. 69).
Marktanteilsabweichung = (Ist-Marktanteil – Plan-Marktanteil) x Ist-Marktvolumen x Plan-Absatzpreis x Plan-Absatzmixprozentsatz |
Ursachen von Erlösabweichungen
Mithilfe der Abweichungsanalyse kann analysiert werden, wo es Abweichungen gegeben hat und anschliessend deren Ursachen ermittelt werden. Die Ursachen von Erlösabweichungen lassen sich in exogene und endogene Faktoren aufspalten. Hierbei werden alle Einflussfaktoren, welche auf den Gesamtmarkt wirken, als exogen und alle, die nur das Unternehmen betreffen, als endogen bezeichnet. So betreffen exogenen Einflussfaktoren die äusseren Faktoren wie das Preisniveau im relevanten Markt bzw. in der relevanten Branche sowie die Marktnachfrage und das daraus resultierende Marktvolumen. Bei den endogenen Faktoren handelt es sich hingegen um innere und entscheidungsbezogene Faktoren, die durch das Unternehmen direkt beeinflussbar sind. Dabei werden die Preispolitik und die Marketingaktivität in Bezug auf den Marktanteil berücksichtigt. Durch diese Unterscheidung von exogenen und endogenen Einflussfaktoren kann der Erfolg oder Misserfolg der Erlösabweichungen noch transparenter dargestellt werden (Becker & Ulrich, 2022, S. 1180; Schreckling, 2013, S. 326).
In der nachfolgenden Tabelle werden mögliche Ursachen einer Abweichung des Erlöses in Bezug auf die exogenen und die endogenen Faktoren aufgezeigt (Schreckling, 2013, S. 325).
Exogene Faktoren | Beschreibung |
---|---|
In- oder Deflation | Durch eine In- oder Deflation kann sich das Preisniveau eines Marktes oder einer Branche verändern und dadurch eine Ursache für eine Erlösabweichung darstellen. |
Wachstum oder Schrumpfung | Wenn ein Markt bzw. eine Branche wächst oder schrumpft, kann das Auswirkungen auf das Marktvolumen zur Folge haben, was dazu führt, dass der Erlös höher oder tiefer ausfällt. Mögliche Gründe für eine Schrumpfung sind z. B. Substitutionsprodukte oder demografische und gesellschaftliche Veränderungen (Meffert et al., 2019, 322). |
Endogene Faktoren | |
Planabweichung | Durch eine Fehleinschätzung der Marktreaktion könnten unvorhergesehene Ereignisse eintreten, die bei der Planung nicht mitberücksichtigt wurden. Das könnte zum Beispiel ein Streik oder eine Boykottierung sein (Schreckling, 2013, S. 325). |
Realisationsabweichung | Die Realisationsabweichung zeigt auf, inwiefern sich das Ergebnis durch die nicht realisierten Soll-Preise verändert hat (Schreckling, 2013, S. 326-327). Mögliche Abweichungen, die zu einer Veränderung des Preises führen, sind Preisaufschläge wie beispielsweise durch Sonderwünsche, Fracht oder Verpackung. Preisnachlässe wie Rabatte und Skonti führen zu einer Erlösschmälerung. Auch Wechselkurse führen durch Verkäufe in Fremdwährung ebenfalls zu Preisveränderungen (Horngren et al., 2001, S. 557). |
Marketing-Effektivitäts-Abweichung | Anhand der Marketing-Effektivitäts-Abweichung wird aufgezeigt, wie sich der realisierte Marktanteil im Vergleich zum geschätzten Marktanteil entwickelt hat. Eine negative Entwicklung deutet darauf hin, dass der Marketing-Mix nicht wie erwartet funktioniert hat (Brühl, 2016, S. 337). |
Marketing-Instrumente-Abweichung | Die Marketing-Instrumente-Abweichung kann unterschiedliche Marketing-Instrumente umfassen. Beschränkt sie sich auf das Instrument Preis, zeigt sie an, ob sich die Preispolitik positiv auf den Erlös ausgewirkt hat (Brühl, 2016, S. 337). |
Chancen und Herausforderungen
Die Erlösabweichungsanalyse unterstützt Unternehmen bei kurz-, mittel- und langfristigen Entscheidungen und ist somit ein wichtiges Führungsinstrument. Sie bringt zahlreiche Chancen, aber auch diverse Herausforderungen mit sich (Daum et al., 2014, S. 135-138).
Chancen
- Detaillierte Analyse von Abweichungen möglich
- Minimiert Fehlentscheidungen in Zukunft
- Erleichtert Kalkulation von Produkten und Preisen
- Vereinfacht Prozesse in der Buchhaltung
- Erhöht Kostenbewusstsein
Herausforderungen
- Sehr zeit- und kostenaufwendig in der Erstellung und Ermittlung
- Bei Produktionsprogrammen nur begrenzt anwendbar
- Irrtum, mangelnde Sorgfalt oder Ablenkung führen zu falschen Ergebnissen
Kritische Würdigung
Abschliessend kann festgehalten werden, dass die Ursachen von Erlösabweichungen frühzeitig analysiert werden müssen. So bleibt noch Zeit, um bei unvorteilhafter Entwicklung gegenzusteuern und Anpassungen vorzunehmen. Aus diesem Grund führt das Controlling in der Regel monatliche Soll-Ist-Vergleiche durch (Joos, 2014, S. 287). Für das Management ist die Analyse der Erlösabweichungen essenziell. Positive Erlösabweichungen deuten darauf hin, dass sich das Unternehmen gut entwickelt und im Markt positioniert hat. Hingegen können negative Erlösabweichungen eine Warnmeldung für die Unternehmensführung sein, dass die Unternehmung in finanzielle Schwierigkeiten gerät (Horngren et al., 2012, S. 249-250). Die analysierten Ergebnisse und Abweichungsursachen können auch für Marketingmanager von Interesse sein, wenn beispielsweise der Ist-Absatz vom Plan-Absatz abweicht. Wenn die Ursache der Abweichung in der Marktgrösse zurückzuführen ist, besteht die Möglichkeit, dass sie wachsen, schrumpfen oder einen Wechsel zu neuen Produktmärkten in Betracht ziehen sollten (Rickards, 2009, S. 87). Nach Gladen (2014) ist die Abweichungsanalyse auch ein primäres Instrument zur Leistungsmessung in Revenue-Centern. Traditionelle Beurteilungsgrössen hierfür sind Teilabweichungen der Erlösabweichung wie die Absatzpreisabweichung, Absatzmixabweichung und Marktanteilsabweichung (S. 184).
Die Aufschlüsse aus den Erlösabweichungen sollten in den zukünftigen Planungsprozessen berücksichtigt werden, um solche Abweichungen zu vermeiden, die den Gewinn schmälern (Brühl, 2016, S. 330). In der Praxis wird die Symptomanalyse der Ursachenanalyse vorgezogen, obwohl sich aus den veränderten Preisen und Mengen nicht erkennen lässt, worauf diese Abweichungen zurückzuführen sind. So ist zum Beispiel nicht ersichtlich, ob die ergriffenen Marketingmassnahmen effizient gewesen sind oder nicht. Die Ursachenanalyse bietet zwar eine umfassendere Analyse der Einflussgrössen, jedoch gibt es hierfür auch höhere Anforderungen, was die Informationsbeschaffung betrifft (Brühl, 2016, S. 338). So sind nicht in allen Branchen zuverlässige Informationen über das Marktvolumen und den Marktanteil verfügbar. Die Getränke- oder Fernsehindustrie sind beispielsweise Branchen, in denen aussagekräftige Statistiken zur Verfügung stehen. Hingegen in Branchen wie der Unternehmensberatung sind Informationen über Marktvolumen und Marktanteil viel weniger zuverlässig (Rickards, 2009, S. 71).
Lern- und Praxismaterialien
Aufgaben | Fallstudien |
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Quellen
- Becker, W., & Ulrich, P. (Hrsg.). (2022). Handbuch Controlling. Wiesenbaden: Springer Gabler.
- Brühl, R. (2016). Controlling: Grundlagen einer erfolgsorientierten Unternehmenssteuerung (4. Aufl). München: Vahlen.
- Daum, A., Greife, W., & Przywara, R. (2014). BWL für Ingenieurstudium und -praxis. Wiesbaden: Springer Gabler.
- Gladen, W. (2014). Performance Measurement: Controlling mit Kennzahlen. Wiesbaden: Springer Gabler.
- Horngren, C. T., Foster, G. & Datar, S. M. (2001). Kostenrechnung: Entscheidungsorientierte Perspektive (9. Aufl). München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag.
- Horngren, C. T., Datar, S. M., & Rajan, M. V. (2012). Cost accounting: A managerial emphasis (14. ed., global ed). Pearson.
- Horsch, J. (2015). Kostenrechnung - Klassische und neue Methoden in der Unternehmenspraxis. Wiesbaden: Springer Gabler.
- Joos, T. (2014). Controlling, Kostenrechnung und Kostenmanagement. Wiesbaden: Springer Gabler.
- Meffert, H., Burmann, C., Kirchgeorg, M. & Eisenbeiß, M. (2019). Marketing: Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung Konzepte – Instrumente – Praxisbeispiele. Wiesbaden: Springer Gabler.
- Reim, J. (2015). Erfolgsrechnung - Wertsteigerung durch Wertschöpfung. Wiesbaden: Springer Gabler.
- Rickards, R. C. (2009). Leistungssteuerung kompakt. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag.
- Schreckling, E. (2013). Erlösrechnung im industriellen Produktgeschäft: Ein Beitrag zum Marketingcontrolling. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag.
- Stelling, J. N. (2009). Kostenmanagement und Controlling (3., unveränd. Aufl). München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag.
Autoren
Tim Meyer, Davide Michienzi, Darko Mladenovic, Sandro Valentin