Prozesskosten als Verrechnungspreis
Der Verrechnungspreis auf Basis der Prozesskostenrechnung eignet sich zur innerbetrieblichen Leistungsverrechnung der Kosten bei dezentralen Organisationseinheiten (Becker, Brenner & Graf, 2011, S. 23-24). Ziel der Prozesskosten als Verrechnungspreis ist eine verursachergerechtere Kostenallokation (Becker et. al., 2011; Schultze & Weiler, 2007, S. 103). Infolgedessen wird der Ressourcenverbrauch und die erstellte Leistung durch die „mehrdimensionale Betrachtung der Prozesse und ihrer Kosten“ auf die jeweilige Kostenstelle, Produkt, Kunde oder Organisationseinheit zugeordnet (Ropers, 2006, S. 44).
Die Verrechnungspreise auf Basis der Prozesskosten sind der Gruppe der kostenbasierten Verrechnungspreise zuzuordnen. Zu dieser Gruppe gehören auch die Verrechnungspreise auf der Basis von Grenzkosten, die Verrechnungspreise auf der Basis von Vollkosten und die Verrechnungspreise auf der Basis von Vollkosten plus Gewinnaufschlag.
Voraussetzungen für die Einführung der Prozesskosten als Verrechnungspreise |
Grundsätzlich ist die Verwendung einer Prozesskostenrechnung nur für Unternehmungen mit einem komplexen Umfeld und einem erheblichen Gemeinkostenanteil geeignet. Die Voraussetzung für die Prozesskosten als Verrechnungspreise ist die Einführung der Prozesskostenrechnung fundamental. Das Unternehmen benötigt für diese Einführung eine bestehende Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung, was im internationalen Kontext noch nicht selbstverständlich ist. Eine weitere Voraussetzung für die Einführung einer prozessorientierten Kalkulation ist eine solide Datengrundlage des Unternehmens. Das Unternehmen sollte über ein EDV-System verfügen, mit welchem wertschöpfungsorientierte Informationen erfasst werden können. Zum Beispiel müssen die Anzahl hergestellter und verkaufter Produkte pro Produktebereich erfasst werden können (Lutz, Ridder & Schmidt, 2005, S. 482).
Ermittlung der Verrechnungspreise auf Basis Prozesskosten |
Das Ziel der Verrechnungspreise auf Basis von Prozesskosten ist das Erreichen einer möglichst verursachungsgerechten Kostenverteilung (Becker, Brenner & Graf, 2011, S. 25; Lutz, Ridder & Schmidt, 2005, S. 480). Vor dieser Kostenverteilung müssen die einzelnen Prozesse jedoch zuerst identifiziert und analysiert werden (Grünstäudl, 2013, S. 170; Ditz, 2004, S. 8; Lutz, Ridder & Schmidt, 2005, S. 476).
Die Prozesse eines Unternehmens beziehungsweise eines Centers können, wie in Abbildung 1 ersichtlich, hierarchisch unterteilt werden. Die Tätigkeiten (unterste Hierarchiestufe) werden über die Teilprozesse zu den Hauptprozessen und abschliessenden zu einem Geschäftsprozess zusammengefasst. Wobei Teilprozesse Kostenstellen zugeordnet sind (Grünstäudl, 2013, S. 171; Brühl, 2012, S. 141).
Am konkreten Beispiel der Materialbeschaffung würde diese Tätigkeitsanalyse folgendermassen aussehen. In Abbildung 2 sind die vier Kostenstellen Einkauf, Lager, Qualitätskontrolle und Andere Kostenstellen am Hauptprozess Materialbeschaffung beteiligt. Die Kostenstelle Einkauf weisst in diesem Hauptprozess die Tätigkeiten Einzeleinkäufe tätigen und Benachrichtigung Lager auf. Diese zwei Tätigkeiten bilden zusammen einen Teilprozess innerhalb der Kostenstelle Einkauf. Die Teilprozesse aller Kostenstellen zusammen bilden dann den Hauptprozess Materialbeschaffung.
- Aktivitätsanalyse auf der Basis von Kostenstellen.jpg
Abb. 2: Tätigkeitanalyse
- Quelle: Aktivitätsanalyse auf der Basis von Kostenstellen (Nadig, L., 2000, S. 207)
Zur Ermittlung der Verrechnungspreise auf Basis der Prozesskosten kann gemäss Brühl (2012) und Ditz (2004) wie folgt vorgegangen werden (S. 140; S. 8):
- Hauptprozesse und Kosteneinflussfaktoren (Kostentreiber) suchen
- Teilprozesse und Massgrössen festlegen
- Prozesskostensätze festlegen
Hauptprozesse und Kosteneinflussfaktoren (Kostentreiber) suchen
In einem ersten Schritt werden alle Aktivitäten in einem Unternehmen zu Hauptprozessen zusammengefasst und deren Kostentreiber definiert (Weber & Schäffer, 2014, S. 155; Ditz, 2004, S. 8). Die Kostentreiber dienen zur Bestimmung der Prozessinanspruchnahme (Weber & Schäffer, 2014, S. 155) Im konkreten Beispiel wird dem Hauptprozess Materialbeschaffung der Kostentreiber Anzahl Bestellungen bei Lieferanten zugeordnet (Nadig, 2000, S. 307).
Teilprozesse und Massgrössen festlegen
In einem nächsten Schritt werden die Massgrössen ermittelt. Hierdurch kann die verbrauchte Faktormenge pro durchlaufener Teilprozess abgebildet werden (Brühl, 2012, S. 141; Ditz, 2004, S. 9). Es gibt leistungsmengeninduzierte (lmi) und leistungsmengenneutrale (lmn) Teilprozesse (Horsch, 2010, S. 259). Wobei die leistungsmengenneutralen Teilprozesse gemäss Brühl (2012) unabhängig von der verbrauchten Faktormenge anfallen und deshalb keine Massgrösse brauchen (S. 141).
Die Tabelle 1 visualisiert dies am Beispiel der Kostenstelle Einkauf (vgl. Abbildung 2). Die Tätigkeiten Einzeleinkäufe tätigen und Benachrichtigung Lager wurden zum Teilprozess Einzeleinkäufe vereint. Als Massgrösse für diesen Teilprozess wurden die Anzahl Einkäufe definiert. Gemäss der Teilprozessmenge werden 400 Einkäufe durchgeführt.
Tab. 1: „Ermittlung von Teilprozessen, Massgrössen und Kostensätzen für die Kostenstelle Einkauf“
Teilprozess | Kat. | Teilprozesskosten(in CHF) | Massgrösse | Teilprozessmenge | Teilprozesskostensatz (lmi)(in CHF) | Umlagesatz (lnm) | Teilprozesskostensatz (gesamt) |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Interne Bestellungen entgegennehmen | lmi | 15‘000 | Anzahl Bestellungen | 1‘500 | 10 | 2 | 12 |
Rahmenverträge ausarbeiten | lmi | 30‘000 | Anzahl Lieferanten | 60 | 500 | 105 | 605 |
Einzeleinkäufe | lmi | 40‘000 | Anzahl Einkäufe | 400 | 100 | 21 | 121 |
Hilfsmitteleinkäufe | lmi | 10‘000 | Anzahl Einkäufe | 200 | 50 | 11 | 61 |
Administration | lmn | 20‘000 | - | ||||
Total Teilprozesskosten | 115'000 |
In Anlehnung an: Verteilung der Kosten der Kostenstelle Einkauf auf Teilprozesse und Ermittlung von Teilprozesskostensätzen (Egle, 2014, F. 19).
Prozesskostensätze festlegen
Das Beispiel in Tabelle 1 weist zwei Teilprozesskostensätze für den Teilprozess Einzeleinkäufe aus. Der Teilprozesskostensatz (lmi) weist lediglich die leistungsmengeninduzierten Kosten aus und wird wie folgt berechnet:
Teilprozesskostensatz (lmi) = Teilprozesskosten ÷ Teilprozessmenge
Der Teilkostensatz (gesamt) beinhaltet die gesamten Prozesskosten also auch die leistungsmengenneutralen Kosten, in diesem Beispiel sind dies die administrativen Kosten. Der gesamte Teilkostensatz wird folgendermassen hergeleitet:
Autoren
Pia Hödle, Pascal Huber, Fabienne Huser, Lara Huwiler