Atemtechnik: Unterschied zwischen den Versionen
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Die Musculi pectoralis werden primär für die Bewegungen der beiden Arme eingesetzt. Bei beidseitiger Fixierung (dazu sind gleichzeitig Muskeln im Rücken zu aktivieren) oder beim Aufstützen der Ellbogen auf die Knie (Kutschersitz) unterstützen sie das Heben der oberen Rippen: | Die Musculi pectoralis werden primär für die Bewegungen der beiden Arme eingesetzt. Bei beidseitiger Fixierung (dazu sind gleichzeitig Muskeln im Rücken zu aktivieren) oder beim Aufstützen der Ellbogen auf die Knie (Kutschersitz) unterstützen sie das Heben der oberen Rippen: |
Version vom 28. Juli 2020, 13:42 Uhr
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Beiträge der Interviewpartner
Die Atemtechnik bei Blasinstrumenten und beim Gesang modifiziert die natürliche Atembewegung zwecks Klangerzeugung von einer entspannten und unbewussten Körperfunktion hin zu einer bewusst gesteuerten „Musizierbewegung“. So wie der Streicher die Bogentechnik als kunstvoll geführte Bewegung des Bogens über den Saiten zur Klangerzeugung einsetzt, so bedient sich der Bläser seiner Atemtechnik für die Klangproduktion und für die musikalische Gestaltung.
Anatomische Einführung
Der grundsätzliche Unterschied zwischen der Ruheatmung und der Atmung beim Spielen eines Blasinstrumentes liegt im Wechsel von Spannung und Entspannung: während bei der Ruheatmung das Einatmen eher als aktiver Vorgang und die Ausatmung als entspannend erlebt wird, herrschen bei der Klangproduktion genau die umgekehrten Verhältnisse. Die Ausatmung ist die klangerzeugend und somit auch kraftvoll. Darauf folgt der Moment des Entspannens, in welchem reflexartig und ohne Anstrengung die Luft in die Lungen „hineinfallen“ kann. In der Gesangstechnik wird dieser Moment "Abspann" genannt (Mätzener (2012)[1]. Sowohl Ein- wie Ausatmung lassen sich mit entsprechenden Muskelaktivierungen betonen, oder wie es bei sportlicher Betätigung, in ihrer Frequenz und in ihrem Kraftaufwand steigern.
Atemmuskulatur
Die Einatmung erfolgt durch Aktivierung folgender Muskeln:
- Die äusseren Zwischenrippen-Muskeln (Musculi intercostales externi), sie werden für die "Brustatmung" eingesetzt.
- Der Zwerchfellmuskel (Diaphragma). Wird es aktiv, spricht man von "Bauchatmung".
Die Aktivierung der Atem-Hauptmuskeln weitet das Volumen des Brustkorbes, es entsteht ein Unterdruck und Luft strömt in die Lunge ein. Das Zwerchfell spannt beim Einatmen seine Kuppelform nach unten. Dies wird als Bauch und Rücken umfassende Dehnspannung in den Flanken, in der Bauchdecke und im Lendenbereich wahrgenommen. Die Zwischenrippenmuskulatur hebt die Rippen und spreizt den Brustkorb auf. Diese Bewegungen können mit den Händen ertastet werden.
Durch die Entspannung dieser Muskeln folgt die Ausatmung ohne weiteren Kraftaufwand.
Inspiratorische Hilfsmuskulaturen
Hilfsmuskulaturen der Brustatmung
Das Aufspannen der Rippen durch Zwischenrippenmuskulatur (Musculi intercostales externi) kann durch die Inspiratorische Atemhilfsmuskulatur unterstützt werden. Die kräftigsten unter ihnen sind:
Die Musculi pectoralis werden primär für die Bewegungen der beiden Arme eingesetzt. Bei beidseitiger Fixierung (dazu sind gleichzeitig Muskeln im Rücken zu aktivieren) oder beim Aufstützen der Ellbogen auf die Knie (Kutschersitz) unterstützen sie das Heben der oberen Rippen:
- Die Brust- und Rückenmuskeln Musculus serratus anterior und Musculus serratus posterior superior unterstützen ebenfalls die Brustatmung.
- Die verschiedenen Stränge der Halsmuskulatur Musculi scaleni bewegen den Kopf. Beidseitig angespannt heben sie die oberen Rippen und weiten den Brustkorb. Wird nur mit dem Spreizen der oberen Rippen geatmet, spricht man von Hochatmung.
Hilfsmuskulatur der Bauchatmung
- Der an der Wirbelsäule und bei den unteren Rippen angewachsene Muskel Musculus serratus posterior inferior (siehe Abb.links) ist ein weiterer Hilfsmuskeln. Er spreizt die unteren Rippen, weitet die Flanken und verschafft dem Zwerchfell grösseren Spielraum. Seine Aktivierung lässt sich in den Flanken mit Daumen (nach hinten) und gestreckten Fingern (nach vorne) gut ertasten.
Exspiratorische Atemhilfsmuskulatur
Wie oben erwähnt sind für die natürliche Ausatmung keinerlei Muskelspannungen notwendig. Folgende Muskeln beschleunigen die Ausatmung und müssen zur Klangerzeugung auf dem Blasinstrument eingesetzt werden. Es braucht einen erhöhten Luftruck im (Ansatzbereich) um das Blatt in Schwingung zu bringen. Es ist immer ein Zusammenwirken von mehren Muskelgruppen, deren wichtigste Vertreter dürften sein:
- Musculus latissimus dorsi ("Hustenmuskel")
- Musculus transversus abdominis
Weitere expiratorische Hilfsmuskulaturen, der untere Anteile kombiniert eingesetzt werden können:
- Musculus obliquus externus abdominis
- Musculus obliquus internus abdominis
- Musculus quadratus lumborum (wir auch beim Husten aktiviert)
- Musculus transversus thoracis
Auch die vordere Bauchmuskulatur (Musculus rectus abdominis) sollte nur in ihren untersten Anteilen aktiviert werden. Der gesamte Rectus würde die Bauchwand verhärten und die Flexibilität des Zwerchfells einschränken. Die innere Zwischenrippenmuskulatur hätte (Musculi intercostales interni) hätte, gleich beim Toneinsatz aktiviert, einen zu starken Ausatmungsdruck zur Folge. Erst am Ende von lang andauernden Phasen der Tongebung tritt sie in Aktion. Der Rrustkorb bleibt bei der Ausatmung möglichst lange aufgespannt.
Weiterführende Informationen siehe Physiopedia, Muscles of Respiration
Ausatmung und Atemstütze
Siehe auch Atemstütze
In der Gesangspädagogik (z.B. Johanna Gutzwiller 1997[2], Margot Scheufele-Osenberg 1998[3] sowie Video von Marc Flandre, 2013, und Singing is a muscular Process) finden sich einfach zugängliche Lernkonzepte. Beim Herstellen des „optimalen Betriebsdruckes“ für die Klangerzeugung sind gleichzeitig Ein- und Ausatmungsmuskeln aktiv. Die antagonistisch wirkenden Kräfte, auch als Stütze (ital. appogio, franz. engl. support) bezeichnet, dosieren den notwenigen Luftdruck und richten ihn in Richtung Ansatz.
Die dabei beteiligte Muskulatur lässt sich am besten durch Gleichgewichtsübungen, z.B. Spielen auf einem Bein oder auf einem Balancekreisel wahrnehmen und trainieren (Alain Damiens, Ernst Schlader). Um den Druck von unten nach oben zu leiten, muss in der Ausatmungsphase der Beckenboden eine reflektierende Wirkung entfalten, dazu also etwas angespannt sein. Die Ansatzformung schafft den für die Klangerzeugung notwendigen Widerstand, der auf nötige Minimum reduziert werden kann. Der Widerstand im Ansatzbereich sollte nie dazu führen, dass der Fluss der Ausatmungsluft gesaut wird. Wichtig bei all diesen Analysen ist: in der Praxis darf kein Muskel übermässig angespannt werden, alles sollte dynamisch und mit Flexibilität agieren, der Kraftaufwand soll sich sich im dynamischen Verlauf des Klanges widerspiegeln.
Beachte den im Video von Marc Flandre sehr gut sichtbare Abspann am Schluss der Ausatmungsphase. In diesem Moment entspannen sich alle an der Klangerzeugung beteiligten antagonistisch wirkenden Muskeln, und die Luft wird ohne jegliche Anstrengung reflexartig eingeatmet.
Didaktische Vermittlung
Antagonistisches Zusammenspiel der Ein- und Ausatmungs-Muskulatur
Der grundsätzliche Unterschied zwischen der Atmung beim Blasinstrument und der Ruheatmung findet sich in der Ausatmung. Während der Klangerzeugung spielt sich ein antagonistisches Zusammenspiel der Ein- und Ausatmungs-Muskulatur ab. Dieser komplexe Technik unterrichten folgende Interviewpartner. Sie wenden unterschiedliche didaktische Konzepte an:
Bildliche Sprache
Der bildlichen Sprache bedienen sich: Michel Arrignon, François Benda, Alain Damiens, Eli Eban, Robert Pickup, Thomas Piercy, Frédéric Rapin
Muskuläres Zusammenspiel
Verkettungen von Muskelspannungen bei Luftführung und Atemstütze beschreiben Alain Damiens, Heinrich Mätzener, Thomas Piercy, Frédéric Rapin
Vollatmung
Das gesamte Lungenvolumen bei der Einatmung auszuschöpfen, nennen folgende Interviewpartner als wichtige Voraussetzung der Luftführung und Atemstütze: François Benda, Eli Eban, Sylvie Hue, John Moses, Pascal Moraguès, Thomas Piercy,
Vergleiche mit der Gesangstechnik
Studium und Praxis der Atemtechnik des Gesangs empfehlen: Eli Eban, Thomas Piercy, Frédéric Rapin
Nachfolgend ein Querschnitt durch die Interviews:
Es fühlt sich an, wie man Luft trinken würde. So beschreibt Michel Arrignon das Körpergefühl während der Klangproduktion. Entscheidend ist es, dass sich der Übergang zwischen Ein-und Ausatmung nahtlos, ohne eine plötzlich eintretender Widerstand im Kehlkopf abspielen kann. Das Zurückziehen der Zungenspitze vom Blatt reicht aus, um dieses in Schwingung zu versetzen.
Paolo Beltramini beobachtet, dass viele Studenten zu viel Ausatmungskraft in einem Mal einsetzen; zu früh bricht dann jeweils der Ton in sich zusammen. Es ist notwendig, der Ausatmungskraft eine Innenspannung entgegenzusetzen. Vergleichbar ist dann die Ausatmung mit der Flugrichtung eines Segelfliegers, der gegen den Wind fliegt, und dadurch langsamer an Höhe verliert.
François Benda sieht die Spannungsphase im Atemzyklus auch in der klangerzeugenden Ausatmung. Voraussetzung für eine effiziente Atemtechnik ist eine umfassendes Vollatmung. Diese ist als Kombination von Brust- und Zwerchfellatmung gewährleistet und im Rücken, in der Wirbelsäule, in den Lenden und auf der Bauchdecke spürbar und mit den Händen ertastbar. Diese Dehnspannung darf aber nicht in sich zusammenfallen, sondern muss während der Klangproduktion in die Ausatmungsphase «mitgenommen» werden. Das bedeutet, dass die Atmemmuskulatur (Zwerchfell und äussere Zwischenrippenmuskulatur) aktiv bleiben. Erst nach dem Phrasenende erfolgt der kurz dauernde Abspann: «Entspannt ist man nur gerade in dem Moment, wo man einatmet»
Einen anderen Zugang formuliert Alain Billard: Er stellt immer genau soviel Luftdruck mit der Atmung her, wie es der musikalische Zusammenhang und die physikalischen Voraussetzungen der Tonhöhe, Registerlage und Dynamik erfordern. Während sich die Energiezustände in Instrument und Körper der klangproduzierenden Person die Waage halten, besteht beim Punkt des Lufteintrittes in das Instrument, im Ansatzbereich, ein neutraler Punkt.
James Campbell: Allzu oft entstehen Probleme dadurch, dass wir zu wenig daran denken, dass die Klarinette ein Blasinstrument ist – es braucht Luft! Wenn wir lauter spielen, müssen wir mehr Luft hineinblasen, wenn wir leiser spielen, müssen wir besser stützen. Wenn wir die Lungen füllen, erfährt der Bauchnabel eine Dehnspannung, die ihn nach aussen bringt. Genau dieselbe Spannung gilt es bei der Klangproduktion aufrecht zu erhalten.
Philippe Cuper findet Inspiration im Spielen historischer Instrumente: sie dürfen keinesfalls mit zu viel Druck angeblasen werden. Man kann die Spielweise auf moderne Instrumente übertragen, mit weniger Luftdruck spielen, mehr mit den Klangfarben arbeiten.
Alain Damiens weist als Erstes darauf hin, sich der Unterschied zwischen der normalen Atmung der Atmung beim Spiel eines Blasinstrumentes physisch bei der Ausatmung abspielt. Bei der normalen Einatmung öffnen sich die unteren Rippen Nr. 8 bis 11 und bewegen sich bei der Ausatmung zurück in ihre Ausgangsposition. Die Öffnung der Rippen muss jedoch beim Spiel eines Blasinstrumentes während der gesamten Dauer der Klangproduktion bestehen bleiben. Als einfacher Zugang zu dieser Technik dient der Vergleich mit dem Hustenreflex. Hier öffnen sich die Flanken reflexartig, bei der Klangproduktion muss sich dieser Reflex quasi in Zeitlupe abspielen, langsam und andauernd. Mit leichtem Gegendruck der Hände in die Flanken lässt sich dieses einfach überprüfen. Dasselbe Gefühl der Innenspannung stellt sich ein, wenn wir auf einem Bein balancierend ausatmen.
Eli Eban nahm Gesangsunterricht und Alexandertechnik, um seine Atemtechnik zu optimieren. Sobald man im Unterricht von Muskelspannungen spricht, so wie «das Zwerchfell bleibt während der Ausatmung angespannt», aber auch «die Flanken bleiben geöffnet», besteht die grosse Gefahr, dass man die beteiligten Muskeln zu stark anspannt. Es ist ausreichend, für die Einatmung eine umfassende Vollatmung einzusetzen, und diese Innenspannung während der Ausatmung halten mit einem zusätzlichen, fein dosierten Aufspannen des Brustkorbes in alle Richtungen – auch im Rücken - zu begleiten. Dies lässt sich mit den Händen gut beobachten. Beim Übergang von der Einatmungs- zur Ausatmungsphase ist darauf zu achten, dass der Kehlkopf frei und ohne Widerstand bleibt. Ebenso wichtig ist die aufrechte Haltung: das Gewicht der Klarinette darf nicht dazu führen, dass wir und nach vorne neigen, das Instrument muss immer zum Ansatz hingeführt werden.
Sylvie Hue spricht in Bildern, um den jüngeren Schülern eine gute Atemtechnik beizubringen. Das Körperbewusstsein eines Kindes steht noch in der Entwicklung, der Hinweis auf anatomische und physiologische Zusammenhänge sind noch nicht so nachvollziehbar wie für einen Erwachsenen. Um sich der Dehnspannungen der Atmung bewusst zu werden setzt sie – mit den nötigen Fingerspitzengefühl - ihre Hände ein. Auch bildliche Sprache und Vergleiche helfen bei der Vermittlung von Atemtechnik. Sie vergleicht das Einatmen mit dem Füllen einer Flasche, die sich von unten nach oben füllt. Sie empfiehlt auch das Beobachten und Imitieren der Atmung eines Neugeborenen, wo sich auf natürliche Weise eine Vollatmung mit Zwerchfell- und Burstatmung abspielt. Entlang jeder persönlichen Entwicklung können sich auch die Anforderungen an die Atemtechnik andern.
Gerald Kraxberger achtet darauf, dass sich im Brustkorb und in der Bauchmuskulatur während der Ausatmung nicht ein zu hoher Muskeltonus und somit eine Verspannung einstellt. Beides hätte negative Auswirkungen auf den Ansatzbereich.
Seunghee Lee benutzt einen elastischen Gürtel, um sich der Stütz-Spannung bewusst zu werden und diese zu trainieren: sie beobachtet bei der Einatmung die Dehnung des Gürtels. Bei der Ausatmung darf der Gürtel nicht lose werden, d.h. man muss von innen heraus gegen dieses Band etwas Druck geben. Ausserdem muss die Luft langsam und sparsam fliessen, um den Ansatz nicht unnötig mit Druck zu belasten. Der Luftdruck kommt von unten, von der tieferliegenden Rumpfmuskulatur (cor muscles) und darf nicht im Burstkorb erzeugt werden.
Ernesto Molinari bevorzugt das Wort «appogiare» (ital. anlehnen) dem Begriff «stützen», wenn es um Erklärungen der Atemtechnik geht. Wichtig ist, dass sich beim Spielen ein gutes Körpergefühl einstellt. Das ist in entscheidendem Masse von Instrument, Blatt und Mundstück abhängig. Die Stütze muss nicht «gemacht werden». Das Instrument an sich bietet genügend Widerstand, an den man sich «anlehnen» kann.
John Moses legt sich auf den Rücken und demonstriert die als Yoga-Übung bekannte "Brücke". Atmet man einige male in dieser Stellung ein und aus, erlebt man bei der Ausatmung genau das Körpergefühl, das es bei der Klangerzeugung den Brustkorb aufgespannt hält. Es gilt nun, dies in die normale Spielposition zu übertragen.
Pascal Moraguès achtet darauf, beim Einatmen wirklich die Lungen mit Luft zu füllen, nicht primär den Bauch «aufzublasen». Konzentriert man sich auf den Begriff «Zwerchfellatmung», geht gerne vergessen, dass wir mit den Lungen, nicht mit dem Bauch atmen. Erst bei der Ausatmung, der Luftführung, spielen die Muskeln des unteren Beckengürtels eine wichtige Rolle. Da die persönlichen physiologischen Voraussetzungen bei jedem von uns individuell sehr unterschiedlich sein können, ist es nicht sinnvoll, allgemein gültige Lehrkonzepte etablieren zu wollen. Pascal Moraguès versucht die Atemtechnik auf möglichst einfache Art und Weise zu vermitteln. Die Aufgabe der Lehrperson ist es die Studierenden, dabei zu unterstützen, eine durchlässige Beziehung zwischen Instrument und Körper zu finden. Wendet man eine herzhafte Vollatmung an, ist es nicht kompliziert, die Energie aus der Ausatmung zu schöpfen; sicher es gibt dabei ein spezifisches Körpergefühl, das die Ausatmung bei der Klangerzeugung begleitet. Für Pascal waren Yogaübungen dazu sehr hilfreich.
Heinrich Mätzener berschreibt das antagonistische Zusammenspiel der Ein- und Ausatmungsmuskeln. Gleichzeitig betont er, dass das Zwerchfell dabei möglichst elastisch bleiben muss. Einen natürlichen Zugang findet er im Hustenreflex, der jedem von uns bekannt ist. Es fordert Einiges an Selbstkontrolle, die Hustenbewegung im Zeitlupentempo auszuführen, führt uns aber sehr nahe an die Vorgänge der Klangerzeugung auf dem Blasinstrument heran.
Robert Pickup unterscheidet zwischen Luftdruck und Luftmenge: häufig wird zu viel Luftmenge durch das Instrument geblasen, was ich in der oberen Klarinlage negativ auswirkt: die Töne unterblasen, sprechen nicht gut an. Robert demonstriert eine Übung. Er atmet ein, lässt die Luft gleichmässig und langsam auf einem leisen, gleichmässigen „s“ ausströmen. Die Konsonant-Formung „s“ imitiert den Ansatzdruck. Robert steht dabei in betont aufrechter Haltung, die Schultern sind entspannt, der Brustkorb bleibt dabei weit geöffnet, ohne im Verlauf der Übung einzusinken. Dies weist darauf hin, dass die Ein- und Ausatmungskräfte gleichzeitig aktiv sind.
Thomas Piercy vergleicht die Einatmung mit einer Bewegung, die sich in der Horizontalen entlang den Schultern, und in der Vertikalen entlang der Wirbelsäule ausdehnt. Der Rücken wird dabei angenehm gedehnt, ohne dass sich eine Spannung im Körper bemerkbar machen würde. Man kann sich nun, bildlich gesprochen, wie auf diese Luft setzen, gleichzeitig schiebt man die Luft in die Klarinette. Wenn der grosse Muskel, das Zwerchfell, richtig arbeitet, dehnt er die Flanken seitlich auf. Wenn er nicht genügend arbeitet, ist in den Flanken nichts zu spüren. Die kleinen Muskeln der Lippen formen den Ansatz, im Gesicht bleiben wir ganz entspannt. Stimmt diese Kräfteverteilung entsprechend der Muskelgrösse, können wir ohne überflüssige Spannungen spielen.
Frédéric Rapin sieht Herausforderung bei Vermittlung der Atemtechnik darin, dass die Luftführung auf einem komplexen Zusammenspiel zahlreicher Muskeln rund um den Thorax basiert. Es sind kleine Muskelspannungen, die bei der Ausatmung aktiv sind und dem Zwerchfell gleichzeitig optimale Flexibilität ermöglichen sollen. Der M. Musculus transversus abdominis] sollte dem Zwerchfell antagonistisch in seiner Aufwärtsbewegung folgen. Dieses Zusammenspiel der Muskulaturen spielt sich jedoch sehr subtil und ohne grossen Kraftaufwand abspielen.
Oft kann man beobachten, dass eine übermässige Spannung in der Bauchmuskulatur [rectus abdominis] zur Blockierung des Zwerchfells führt. Bei einem übermässigen Einsatz der Ausatmungskräfte erschöpft sich die Luftreserve frühzeitig und es ist kaum möglich, längere Phrasen zu spielen. Sinnbildlich sollte man jedoch die Luft eher entweichen lassen, anstatt sie wie mit einer Velopumpe in Richtung Ansatz zu pressen. Frédéric sieht in der Atemtechnik eine nahe Verwandtschaft zum Gesang. Anstelle der Stimmbänder treten Ansatz, Mundstück und Blatt. Hier ist der Ausgleich mit dem Luftdruck herzustellen, die Stimmritze bleibt beim Blasinstrument offen. Schliesslich nutzt Frédéric beim Unterrichten erfolgreich eine bildliche Sprache, um bestimmtes Körpergefühl während der Klangproduktion zu vermitteln
Historische Unterrichtswerke
Verbindung von Atemtechnik und allgemeiner Körperhaltung
Es ist auffallend, dass das Thema der Atemtechnik in keiner der „Méthodes“ des 18. und 19. Jh. aufgegriffen wird. Im Gegensatz dazu findet die allgemeine Körperhaltung sehr grosse Beachtung. Die Hinweise dazu finden sich meist in den ersten Kapiteln der Lehrwerke.
- Amand Vanderhagen: „Aufrechte, aber lockere Kopfhaltung“
- Frédéric Berr: „Kopf gerade, Brust in neutraler Stellung“
- Jean-Xavier Lefèvre: „aufrechte Haltung des Kopfes“
- Backofen: „Der Spieler muss aufrecht stehen“
- Joseph Fröhlich: „den Körper ganz gerade zu halten“
Interpretation: Hier wird er Zusammenhang der Atmung und der allgemeinen Spielhaltung evident: Wird bei der Klangproduktion bewusst auf eine aufrechte Körperhaltung geachtet, muss der sehr grossen Rückenmuskel zur Verstärkung der Ausatmung aktiv werden. Würde die Ausatmung durch die geraden Bauchmuskeln forciert, könnte die Haltung nicht aufrecht bleiben und die Atemstütze würde durch den Druck auf das Zwerchfell erschwert.
Literatur
- Heinrich Mätzener, Johanna Gutzwiller, Beate Sick, Hans-Christoph Maier, Laura Tomatis: Klarinettenklang, Versuch einer physiologischen Analyse. Forschungsbericht der Hochschule Luzern–Musik, p.29, Luzern 2012 [1]
- ↑ Mätzener, Heinrich. 2012. Klarinettenklang Versuch einer physiologischen Analyse. Luzern: Hochschule Luzern - Musik
- ↑ Gutzwiller, Johanna 1997. Körperklang - Klangkörper: ein Arbeitsbuch über Körperarbeit für Chorleiter, Sänger und Instrumentalisten. Musiked. Nepomuk, 1997
- ↑ cheufele-Osenberg, Margot 1998. Die Atemschule. Übungsprogramm für Sänger, Instrumentalisten und Sprecher / Atmung - Haltung - Stütze. Schott. Mainz, Tokyo 1998.