Fingertechnik: Unterschied zwischen den Versionen
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'''Fingertechnik''' ist eine zentrale instrumentaltechnische Fertigkeit und beschäftigt sich mit der Kontrolle über die Bewegungsabläufe der Finger und Hände. Die Fingertechnik ermöglicht die Kontrolle über rhythmische Regelmässigkeit beim Spiel musikalischer Figuren. Sie befähigt zu virtuosem Instrumentalspiel, | '''Fingertechnik''' ist eine zentrale instrumentaltechnische Fertigkeit und beschäftigt sich mit der Kontrolle über die Bewegungsabläufe der Finger und Hände. Die Fingertechnik ermöglicht die Kontrolle über rhythmische Regelmässigkeit beim Spiel musikalischer Figuren. Sie befähigt zu virtuosem Instrumentalspiel, wird aber auch entscheidender Faktor für die Qualität des Legatospiels in langsamen Sätzen diskutiert. | ||
Während die Zielsetzungen auf musikalischer Ebene einfacher formulier- und kontrollierbar sind, stellt die Beschreibung körpergerechter und somit effizienter Haltungs- und Bewegungsmuster grössere Herausforderungen an Lehrer und Lernende. | Während die Zielsetzungen auf musikalischer Ebene einfacher formulier- und kontrollierbar sind, stellt die Beschreibung körpergerechter und somit effizienter Haltungs- und Bewegungsmuster grössere Herausforderungen an Lehrer und Lernende. |
Version vom 9. August 2020, 20:34 Uhr
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Fingertechnik ist eine zentrale instrumentaltechnische Fertigkeit und beschäftigt sich mit der Kontrolle über die Bewegungsabläufe der Finger und Hände. Die Fingertechnik ermöglicht die Kontrolle über rhythmische Regelmässigkeit beim Spiel musikalischer Figuren. Sie befähigt zu virtuosem Instrumentalspiel, wird aber auch entscheidender Faktor für die Qualität des Legatospiels in langsamen Sätzen diskutiert.
Während die Zielsetzungen auf musikalischer Ebene einfacher formulier- und kontrollierbar sind, stellt die Beschreibung körpergerechter und somit effizienter Haltungs- und Bewegungsmuster grössere Herausforderungen an Lehrer und Lernende.
Beiträge der Interviewpartner
- Michel Arrignon
- Paolo Beltramini
- François Benda
- James Cmapbell
- Philippe cuper
- Alain Damiens
- Eli Eban
- Steve Hartman#Position of the thumb rest
- Sylvie Hue 1, 2
- Gerald Kraxberger
- Seunghee Lee
- Ernesto Molinari
- John Moses 1, 2, 3
- Pascal Moraguès
- Harri Mäki, 2, 3, 4
- Heinrich Mätzener 1, 2, 3
- Robert Pickup
- Frédéric Rapin 1, 2, 3, 4, 5, 6
- Ernst Schlader
- Thomas Pirecy
- Milan Rericha 1, 2
- David Shifrin 1, 2
- Richard Stoltzman
- Jérôme Verhaghe
- Michel Westphal 1, 2, 3, 4
Grundstellung der Hände und der Finger
Jost Michaels 2001
In seinem Lehrwerk Methodische Schule der klarinettistischen Grifftechnik [1] geht Jost Michaels von einer Grundstellung der Finger aus und nennt auf S. 16 zwei Prinzipien, die dem Studium der Fingertechnik zu Grunde liegen müsssen:
„Sie [die ausschliesslich auf die Grundstellung der Finger bezogenen Studien] sollen nicht nur die Arbeit an deren möglichst gleichmässigen und unaufwendigen Bewegungen dienen, sondern zugleich der dafür wichtigsten Voraussetzung - nämlich dazu, dass sie auch wenn sie nicht aufliegen, dennoch ihre Positionen über den für sie bestimmten Tonlöchern in einheitlich nicht zu weiten und vor allem nicht verschobenen Abständen beibehalten.“
Amand Vanderhagen 1785
Betreffend Daumen der linken Hand und betreffende der Grundkonstellationen der Fingerbewegungen und -Positionen decken sich bereits Amand Vanderhagens (1785) Anweisungen [2] "Méthode" mit denjenigen Jost Michaels:
„Le pouce de la main gauche doit toujours être prêt à prendre la clef, ou à boucher le trou, il ne doit en conséquence faire que des très petits mouvements: il en est de même du doigté en général; il ne faut lever les doits qu'à très peu de distance de l'instrument, et toujours perpendiculairement. les deux mains doivent toujours pencher vers la palle de la Clarinette. Aucuns des doits ne doigts ne doivent se toucher afin de pouvoir cadencer librement; il faut que lorsqu’un doit et levé ou même plusieurs, qu' ils restent perpendiculairement au dessus des trous qu'ils doivent reboucher, car en les retirant comme font beaucoup d'écoliers, on à toujours de la peine à retrouver les trous et cela empêche l'exécution.“
„Der Daumen der linken Hand soll immer bereit sein, die [Überblas‐]Klappe zu öffnen oder wieder zu schliessen. Er soll zu diesem Zweck nur sehr kleine Bewegungen ausführen. Dies gilt gleichermassen bei allen Fingersätzen: man soll die Finger nur in sehr kleinen Bewegungen von der Klarinette, rechtwinklig über den Tonlöchern, anheben. Die beiden Hände sollen sich etwas in Richtung des Fusses [Schalltrichters] der Klarinette neigen. Die Finger dürfen sich nicht berühren, damit sie ungehindert und frei trillern können. Beim Heben eines oder mehrerer Finger ist darauf zu achten, dass sie sich immer senkrecht über den Tonlöchern die sie wieder schliessen müssen, befinden. Denn wenn die Finger in gehobener Position zurückgebogen werden, was bei vielen Schülern zu beobachten ist, hat man immer Mühe, die Tonlöcher präzise zu decken. Dies erschwert das Spiel.“
Historische Entwicklungen
Parallel zur Entwicklung von der Drei-Klappenklarinette zum modernen Instrument mit 17 und mehr Klappen veränderte sich jeweils die Fingertechnik, was sich auch auf andere Parameter der Grundtechnik auswirkte.
Bei den Klarinetten bis ca. 1810 stellte neben der Verwendung von Gabelgriffen und Stützfingern (es gab noch keine Daumenstütze für die rechte Hand) die Beweglichkeit des linken Daumens die noch heute bekannten Herausforderungen: er hatte als einziger Finger zwischen vier verschiedenen Grundpositionen zu wechseln: geschlossenes/offenes g1, mit oder ohne Öffnen der Überblasklappe.
Die "clarinette omnitonique", von Iwan Müller (1812) ermöglichte Legatoverbindungen zwischen allen Tonschritten, übertrug aber dem Daumen der rechten durch eine neue Daumenklappe und dem kleinen Finger der linken Hand durch eine Klappe auf der Rückseite des Instrumentes neue Aufgaben. Der Daumen konnte nur noch bedingt als "Haltefinger" eingesetzt werden, der kleine Finger rechts nur noch bedingt als Stützfinger. Dies hatte erhebliche Veränderungen der Haltearbeit zur Folge, was sich auch auf die Ansatztechnik auswirkte. Das könnte auch ein Grund sein, weshalb sich um 1820 dieses System bei einer Kommission des Conservatoire in Paris nicht auf die erhoffte Akzeptanz stiess. Insbesondere die neue Klappe für den rechten Daumen brachte neue Gewichtsverteilungen des Instrumentes auf die Hände mit sich und veränderte die Technik der Haltearbeit. Um genügend Stabilität zu finden, erwies sich ein "Untersichblasen" ohne Doppellippenansatz als praktischer. In Paris wurde aber weiterhin ( bis ca 1920) am Doppellippenansatz festgehalten.
Hyacinthe Klosé und Alfons Buffet übertrugen die Errungenschaften des Flötisten Theobald Böhm auf die Klarinette: die Erfindung der Ringklappen ermögliche ein System ohne Gabelgriffe. Gleichzeitig wurde das Problem der Legatoverbidungen zu den langen Tönen e/h bis fis/dis durch zusätzliche Klappen für die kleinen Finger gelöst, was nun virtuosere Beweglichkeit erforderte. Auf dem heutigen Öhler-System, dass sich weiter auf dem System der 3-Klappigen Klarinette des 18. Jh. (mit Gabelgriffen) entwickelt,e müssen alle Finger beider Hände unterschiedliche Positionen zum Bedienen verschiedener Klappen „kennen“. Das Böhmsystem erspart nur dem Mittelfinger der rechten Hand ausschliesslich zwei Positionen.
Erlangen der Geläufigkeit
Checklist
Beim Üben von Fingertechnik empfiehlt es sich folgendes zu beachten:
- Die Finger machen immer die kleinstmöglichen Bewegungen
- Hartes Aufschlagen der Finger auf dem Instrument haben akzentuierte Tonwechsel zur Folge
- Die Finger bleiben immer auf oder direkt über den Klappen / Tonlöchern
- Alle Gelenke sind leicht gebogen, keine durchgestreckten Finger zulassen!
- Den Daumen der rechten Hand nach Möglichkeit leicht biegen
Eines der wichtigsten allgemeinen Lerngesetze zur Erlangung spieltechnischer Fähigkeiten, die den professionellen Anforderungen standhalten können, ist die Anzahl Stunden, die ein angehender Berufsmusiker bis zu seinem 20. Lebensjahr als „üben“ abbuchen kann. Dies belegt die Studie von Malcom Gladwel[4]: 10'000 Stunden bis zum 20. Lebensjahr gelten als unumstössliche Voraussetzung für eine Spitzenkarriere als Musiker. Wer nur 4000 Stunden mit Üben verbracht hat, muss auf eine Überfliegerkarriere verzichten. Natürlich spielt nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität des Übens - das beinhaltet auch eine körpergerechte Fingertechnik - eine wichtige Rolle.
Lerngesetze
Eines der wichtigsten allgemeinen Lerngesetze zur Erlangung spieltechnischer Fähigkeiten, die den professionellen Anforderungen standhalten können, ist die Anzahl Stunden, die ein angehender Berufsmusiker bis zu seinem 20. Lebensjahr als „üben“ abbuchen kann. Dies belegt die Studie von Malcom Gladwel[5]: 10'000 Stunden bis zum 20. Lebensjahr gelten als unumstössliche Voraussetzung für eine Spitzenkarriere als Musiker. Wer nur 4000 Stunden mit Üben verbracht hat, muss auf eine Überfliegerkarriere verzichten. Natürlich spielt nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität des Übens - das beinhaltet auch eine körpergerechte Fingertechnik - eine wichtige Rolle.
Literatur
- Ulrich Dannemann: Ulrich Dannemann: Isometrische Übungen für Geiger. Braun, Duisburg 1982
- Christoph Wagner, Ulrike Wohlwender: Hand und Instrument. Musikphysiologische Grundlagen. Praktische Konsequenzen. Breitkopf und Härtel, Wiesbaden 2005
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Jost Michaels: Methodische Schule der klarinettistischen Grifftechnik. Zimmermann, Frankfurt am Main, 2001.
- ↑ Amand Vanderhagen: Méthode Nouvelle et Raisonnée pour la clarinette. Boyer, Paris, 1785
- ↑ Amand Vanderhagen: Methode nouvelle et raisonnée pour la clarinette. Paris 1785
- ↑ Malcom Gladwel: Outliers: The Story of Success. Little, Brown and Co., New York 2009.
- ↑ Malcom Gladwel: Outliers: The Story of Success. Little, Brown and Co., New York 2009.