Traditionelle Budgetierung

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Geprüft: Positiv beurteilt

Die traditionelle Budgetierung ist mit dem üblichen Planungshorizont von einem Jahr Teil der operativen Planung (Sure, 2009, S. 131). Während die traditionelle Budgetierung einen formalzielorientierten Teilplan darstellt, geht es bei der operativen Planung um sachzielorientierte Planungen (Horváth et al., 2020, S. 85). Die traditionelle Budgetierung weist einen hohen Vollständigkeits- und Detaillierungsgrad auf und ist ein zentrales Führungsinstrument in Organisationen (Paul & Traber, 2015, S. 91-92; Sure, 2009, S. 132).

Begriffsdefinitionen und -abgrenzungen

Im Kontext der Unternehmensplanung wird die Mengen- von der Wertplanung unterschieden. Die Mengenplanung beinhaltet Absatz-, Produktions- und Beschaffungsmengen sowie Personalstellen, die möglichst genau prognostiziert werden sollen. Diese Mengen bilden die Grundlage für die Wertplanung, die durch Multiplikation mit Einkaufs- und Verkaufspreisen erstellt wird (Rieg, 2015, S. 9). Gemäss anderen Definitionen werden bei formalzielorientierten Planungen Erfolgs- und Liquiditätsaspekte bzw. monetäre Grössen behandelt, wohingegen sachzielorientierte Planungen reale Objekte und Aktivitäten der Unternehmensprozesse betreffen (Horváth et al., 2020, S. 85). Folglich lässt sich die Sachzielorientierung mit der Mengenplanung und die Formalzielorientierung mit der Wertplanung gleichsetzen.

Der Begriff der Planung im allgemeinen Sinn wird als eine «systematische gedankliche Vorwegnahme künftigen Geschehens» definiert (Behrens und Feuerlohn, 2018, S. 115). Mithilfe der Planung sollen Handlungsalternativen ermittelt und beurteilt werden können, sodass in einer spezifischen Entscheidungssituation die optimale Wahl getroffen werden kann. Dabei werden nicht nur Zielvorgaben berücksichtigt, sondern auch externe und meist unbeeinflussbare Rahmenbedingungen miteinbezogen (Klein & Scholl, 2011, S. 1, zit. in Behrens & Feuerlohn, 2018, S. 115).

Abb. 1: Planungshorizonte und die resultierenden Planungsstufen (Eigene Darstellung in Anlehnung an Behrens & Feuerlohn, 2018, S. 116)

Die operative Einjahresplanung ist durch das Differenzierungsmerkmal des Planungshorizontes gemäss Abbildung 1 in der kurzfristigen und «detaillierten» Ebene anzusiedeln (Behrens & Feuerlohn, 2018, S. 116).

Die Budgeterstellung im «traditionellen» Sinne ist auf räumlich abgrenzbare Entscheidungseinheiten wie Abteilungen oder Kostenstellen fokussiert und ist ein Bestandteil der operativen Planung (Behrens und Feuerlohn, 2018, S. 178; Sure, 2009, S. 131). Einige Quellen verwenden die Begriffe Budgetierung und Planung synonym (Mellerowicz, 1979, S. 25, zit. in Schwering, 2016, S. 16).

Im Planungsprozess gibt es drei mögliche Ableitungsrichtungen. Entweder erfolgt die Ableitung «top down», «bottom up» oder im Gegenstromverfahren (Rieg, 2015, S. 12):

Ableitungsrichtung Beschreibung
top down

Die Unternehmensleitung setzt Ziele, die von jeder darunterliegenden Hierarchiestufe zu konkretisieren sind. Dies ermöglicht eine schnelle Ausarbeitung der Teilpläne.

bottom up

Die unteren Hierarchiestufen arbeiten Pläne aus, die wiederum von jeder darüberliegenden Stufe verdichtet und zu einem Gesamtplan werden. Dieses Vorgehen liefert eher realistische, womöglich aber zu wenig anspruchsvolle Pläne.

Gegenstromverfahren

Hierbei werden die beiden Verfahren kombiniert, indem mehrere Planungsrunden gemacht werden. Auf der Grundlage eines Top-Down-Plans werden von den unteren Hierarchiestufen Anpassungen vorgeschlagen, die in einer zweiten Runde von der Unternehmensleitung miteinbezogen werden.

Das Gegenstromverfahren hat sich weitgehend durchgesetzt, weil auf diese Weise die jeweiligen Nachteile des Top-Down- sowie Bottom-Up-Verfahrens beseitigt werden können (Sure, 2009, S. 133). Im Kontext der Umsetzung von Vision und Strategie bietet ein Top-Down-Ansatz jedoch den Vorteil, dass diese von der obersten Hierarchiestufe in die Planung berücksichtigt werden (Schäfer, 2009, S. 454).

Prozess

Die Budgetierung kann als Prozess mit fünf Teilschritten verstanden werden (Fischer et al., 2015, S. 431). In der nachfolgenden Auflistung werden die Prozessschritte chronologisch aufgeführt.

  1. Zielbildung
  2. Budgeterstellung
  3. Budgetrealisation
  4. Budgetkontrolle
  5. Budgetanpassung

Im ersten Schritt der Zielbildung werden die Veränderungen des eigenen Unternehmens sowie der Umwelt analysiert. Auf dieser Grundlage können Vorhersagen zu Budgetfaktoren getroffen werden, aus denen die Absatzprognose erarbeitet werden kann. Dieser Vorgang bildet den ersten Schritt des Master Budgets (Sure, 2009, S. 134). Die Zielbildung dient unter anderem dazu, den Budgetumfang bzw. die Mittelvorräte den jeweiligen Entscheidungseinheiten zusprechen zu können (Behrens & Feuerlohn, 2018, S. 165).

In Schritt 2 folgt die eigentliche Budgeterstellung. Basierend auf der in der Zielbildung erstellten Absatzprognose wird in dieser Phase das Absatz- sowie das Produktionsbudget erstellt. Abgeleitet von diesen Zahlen werden die Material- und Personalkosten bestimmt, die für die Ermittlung des Anlagebedarfs und des Fertigungsgemeinkostenbudgets dienen. Nachdem die geplanten Herstellkosten eruiert worden sind, folgen weitere Teilbudgets. Beispielhafte Bereiche stellen Forschung, Entwicklung, Marketing und Verwaltung dar. Auf der Erlösseite dient ebenfalls die Absatzprognose als Grundlage, indem die Werte mit den geplanten Verkaufspreisen multipliziert werden. Durch Verrechnung der geplanten Erlöse mit allen Teilbudgets kann das Ergebnisbudget erstellt werden. Das Finanzbudget enthält die Annahmen über den Zeitpunkt und die Höhe von Zahlungen. Aus dem Ergebnisbudget und dem Finanzbudget wird schliesslich die budgetierte Bilanz abgeleitet (Fischer et al., 2015, S. 432-438).

In Prozessschritt der Budgeterstellung kann unterschieden werden, ob das Verfahren input- oder outputorientiert ist. Problemorientierte Budgetverfahren sind rein outputorientiert. Marktanalytische Methoden bzw. prognostizierte Leistungspläne bilden die Grundlage für den notwendigen Input (Behrens & Feuerlohn, 2018, S. 175).

Bei verfahrensorientierten Ansätzen kann zwischen input- und outputorientierten Techniken unterschieden werden:

Ableitungsrichtung Beschreibung
inputorientiert

Der Output wird als unveränderlich verstanden und wird nicht weiter beachtet. Die Budgeterstellung erfolgt daher nur von dem Input ausgehend für ein bereits festgelegtes Leistungsniveau. Die Fortschreibungsbudgetierung ist die einfachste Art einer inputorientierten Budgeterstellung (Behrens & Feuerlohn, 2018, S. 176-178).

outputorientiert

Leistungen und deren Kosten werden als veränderbar betrachtet. «Richtige» Leistungsbündel und die dafür notwendigen Ressourcen stehen im Vordergrund (Behrens & Feuerlohn, 2018, S. 176, 183) Ein bekanntes Beispiel einer outputorientierten Budgeterstellung ist das Zero-Based Budgeting.

Abbildung 2 stellt die möglichen Ansätze im Budgetierungsverfahren zusammenfassend dar.

Abb. 2: Ansätze der Budgeterstellung (Behrens & Feuerlohn, 2018, S. 176)

Der Budgetierungsprozess nimmt bis zur Budgetverabschiedung einen erheblichen Zeitaufwand in Anspruch. Der Prozess dauert üblicherweise vier bis sechs Monate. Ein wesentlicher Teil dieser Zeit wird in die Abstimmung von Teilbudgets investiert. Typischerweise beginnt die Planung ungefähr im August, wobei das Master Budget im folgenden Dezember verabschiedet wird (Horváth et al., 2020, S. 142-143; Sure, 2009, S. 134). Das Controlling übernimmt in diesem Prozess die Koordination. Diese Aufgabe ist unvermeidlich, da bei der Erstellung der Teilbudgets mehrere Personen mit unterschiedlichen Kenntnissen mitwirken (Fischer et al., 2015, S. 433).

Die Budgetrealisation bildet den dritten Schritt im Prozess. Sie gehört nicht zur Planungsphase, sondern ist vielmehr Gegenstand der Führung (Horváth et al., 2020, S. 109-110).

Ebenso wird auf die Wichtigkeit der Budgetkontrolle hingewiesen. Ein Budget ist lediglich mit einer Kontrolle sinnvoll, da nur in diesem Fall der Nutzen eines Soll-Ist-Vergleiches gemacht werden kann. Die tatsächlichen Werte können aus der Finanzbuchhaltung entnommen werden. Bei der «Wird-Ist-Kontrolle» bzw. Prämissenkontrolle werden die tatsächlichen Gegebenheiten den Ausgangsprämissen der Budgetierung gegenübergestellt. Die Ursache für eine Budgetabweichung kann mehrere Gründe haben, weshalb der Abweichungsanalyse eine hohe Relevanz zugesprochen wird (Fischer et al., 2015, S. 446). Mithilfe der Abweichungsanalyse sollen die Ursachen für die Diskrepanzen zwischen Soll- und Ist-Werten ermittelt werden (Rieg, 2015, S. 37). Solche Ursachen können zum Beispiel unvorhergesehene Störfaktoren wie Covid-19 sein. Die Budgetkontrolle ist ein weiterer wesentlicher Arbeitsschritt im Controlling (Horváth et al., 2020, S. 143).

Die Budgetanpassung ist der letzte Prozessschritt. Sie baut auf der Budgetkontrolle auf. Damit die Budgetierung wirksam funktioniert, sind allfällige inhaltliche Anpassungen wichtig. Die Anpassungen zeichnen sich durch ihre Intensität, Häufigkeit und Schnelligkeit aus. Die Komplexität der Anpassungen nimmt vom höheren zum tieferen Management ab, die Häufigkeit der Anpassung nimmt jedoch zu (Horváth et al., 2020, S. 84).

Die Gliederung der Teilpläne und anderen Organisationseinheiten für die Erstellung von Budgets richtet sich stark nach der dem Unternehmen zugrundeliegenden Struktur. Für die verschiedenen Stellen im Unternehmen sollen die Zuständigkeiten klar definiert werden, damit klar wird, welche Positionen zu budgetieren sind. Durch den Zweck der Budgetierung, den Erfolg einzelner organisatorischen Einheiten abzubilden, sollen diese aufeinander abgestimmt sein und die entsprechenden Planvorgaben enthalten. In der nachfolgenden Tabelle sind die wichtigsten Verantwortungsbereiche aufgelistet (Behrens & Feuerlohn, 2018, S. 163; Brühl, 2016, S. 257).

Organisationseinheit Verantwortlichkeitsbereich
Cost-Center

Kosten

Revenue-Center

(Umsatz-)Erlöse

Profit-Center

Erfolg (ohne Investitionsverantwortung)

Investment-Center

Erfolg (mit Investitionsverantwortung)

Funktionen der traditionellen Budgetierung

Das oberste Ziel der operativen Planung ist die Unterstützung beim Erreichen der Unternehmensziele (Mäder, 2015, S. 14). Damit dies gelingen kann, soll die Planung drei Kriterien erfüllen (S. 13):

Erfolgsfaktor Beschreibung
Lean

Kundenorientierung, kontinuierliche Verbesserung, Change Management, Prozesse & Organisationen

Objektivierung

Belegbarkeit, Dokumentation, anerkannte Methoden, Plausibilität, Bandbreiten & Szenarien

Umsetzung

Zielorientierung, Ganzheitlichkeit, Genauigkeit, Abstimmung, IT-Systeme & Tools

Es können vier grundsätzliche Aufgaben aufgeführt werden, die eine Budgetierung zu erfüllen hat.

Rieg (2015, S. 15) Sure (2009, S. 132)
Vorgabe eines Leistungsmassstabes

Kontrolle

Festlegen von Zielen für die nächste Geschäftsperiode

Motivation

Abstimmung der betrieblichen Teilbereiche untereinander

Koordination

Unterstützung bei der Prognose der finanziellen Entwicklung

Prognose

Die Budgetierung als Leistungsvertrag zwischen der Unternehmensleitung und dem operativen Management hat eine Verhaltenswirkung als Konsequenz. Weiter wird der Budgetkontrolle und -überwachung eine Problemerkennungs- und Frühwarnfunktion zugesprochen, wodurch der gesamte Budgetierungsprozess zu einem zentralen Führungsinstrument geworden ist (Sure, 2009, S. 132). Damit Konflikte zwischen Aufgaben und Funktionen möglichst verhindert werden können, soll bei der Verwendung von Budgets eine Flexibilität für die Ausführenden sichergestellt werden (Schwering, 2016, S. 21).

Kritische Würdigung

Das Budget zählt zu einem der wichtigsten Instrumente des Controllings. In dem am weitesten verbreiteten Koordinationsinstrument werden alle Aktivitäten eines Unternehmens in einer definierten Zeitperiode festgelegt. Zudem können deren Konsequenzen für den Unternehmenserfolg aufgezeigt werden (Brühl, 2016, S. 257). Durch die konkreten Zielvorgaben und die anschliessenden Auswertungen können Abweichungsanalysen erstellt werden. Zudem ist die Budgetierung mit ihren Soll-Ist-Vergleichen als Führungsinstrument geeignet, indem Anreize zur Einhaltung geschaffen werden (Fischer et al., 2015, S. 428). Ein weiterer Vorteil stellt die effiziente Nutzung der vorhandenen Mittel dar, die durch die Abstimmung der verschiedenen Teilpläne erreicht werden kann (S. 428).

Dennoch gibt es in der traditionellen Budgetierung sowohl prozessabhängig als auch inhaltlich mehrere negative Kritikpunkte. Im Rahmen des Budgetierungsprozesses wird bemerkt, dass ein zu hoher Detaillierungs- und Vollständigkeitsgrad oft einen enormen Ressourcenaufwand verursacht. Dies lässt darauf schliessen, dass in vielen Unternehmen die notwendige Flexibilität nicht gewährt wird (Paul & Traber, 2015, S. 91-92).

Bei der inhaltlichen Dimension wird als zentraler Kritikpunkt eine zu starre Fixierung auf die aktuelle Periode genannt. In Kombination mit lang andauernden Prozessen hat dies häufig eine mangelnde Aktualität zur Folge (Paul & Traber, S. 92). Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, in der «status-quo-bewahrenden» traditionellen Budgetierung den permanenten Wandel und die zunehmende Komplexität abzubilden. Viele Budgets scheinen dafür nicht effizient genug zu sein (Sure, 2009, S. 134). Häufig ist die Zukunftsorientierung in der Praxis zu wenig ausgeprägt, da vergangenheitsbasierende Prozesse wie die Fortschreibungsbudgetierung gewählt werden (Eberlein, 2010, S. 297). Als Folge dessen kann in vielen Organisationen die Leistungsfähigkeit nicht voll ausgeschöpft werden (Schwering, 2016, S. 22).

Eine zu starke Fokussierung stellt einen weiteren Problembereich dar. Immaterielle Werte wie die Zufriedenheit von Kundinnen und Kunden oder Mitarbeitenden werden dabei vernachlässigt (Schwering, 2016, S. 23). Alternative Budgetierungsansätze mit einer höheren Marktorientierung sowie einer rückläufigen intern orientierten Zielsetzung sind Better Budgeting, Advanced Budgeting sowie Beyond Budgeting (Eberlein, 2010, S. 297). Auch das Zero-Based Budgeting stellt ein alternatives Verfahren dar, indem es hauptsächlich den Kritikpunkt der vergangenheitsorientierten Budgetierung eliminiert (Schwering, 2016, S. 22).

Lern- und Praxismaterialien

Fallstudie

Quellen

Autoren

Janine Wyss, Nils Bär, Pascal Gisler, Sandra Sauter